Archiv für den Monat: Oktober 2023

BtM II: Verwertbarkeit des ANOM-Chatverkehrs, oder: LG Memmingen nimmt Beweisverwertungsverbot an

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Und als zweite Entscheidung dann etwas Verfahrensrechtliches zu BtM-Verfahren, und zwar die Frage, ob die Erkenntnisse aus der Auswertung gesicherter Chatverläufe des Krypto-Messengerdienstes „ANOM“ verwertbar sind oder nicht.

Das LG Memmingen hat die Frage im LG Memmingen, Urt. v. 21.8.2023 – 1 Kls 401 Js 10121/22 -, das mir der Kollege A. Hamburg aus Ulm geschickt hat, verneint, und den Angeklagten, da weitere Beweismittel nicht zur Verfügung standen, frei gesprochen. Zu Verwertbarkeit des „ANOM“-Chatverkehr“ führt das LG aus:

„Das einzige Beweismittel zum Nachweis der angeklagten Taten stellen die gesicherten Chatverläufe des Krypto-Messengerdienstes „ANOM“ dar.

Über diesen Messengerdienst kommunizierte der Angeklagte unter der Jabber-ID „pp.“ mit dem anderweitig Verfolgten pp. (Jabber-ID „pp.“) offen über die angeklagten Betäubungsmittelgeschäfte.

Die Erkenntnisse aus der Auswertung dieser Chatverläufe sind jedoch nicht verwertbar. Die Kammer geht vom Vorliegen eines Beweisverwertungsverbots aus.

5.1 Der Krypto-Messengerdienst ,ANOM“ stellt ein verschlüsseltes Kommunikationssystem dar, welches durch das amerikanische FBI entwickelt und inkognito unter kriminellen Organisationen vermarktet wurde.

Den Nutzern wurde Anonymität garantiert, denn die Mobiltelefone sollten ab-hörsicher und verschlüsselt, von Strafverfolgungsbehörden also nicht zu verfolgen sein.

Tatsächlich hatte das FBI aber die Möglichkeit, sämtliche über „ANOM“ verschickte Nachrichten zu entschlüsseln und mitzulesen, was den Nutzern der Krypto-Handys nicht bekannt war.

Die überwiegenden Nutzer der „ANOM“-Krypto-Handys waren nicht Staatsbürger der USA und nicht ansässig in den USA.

Das FBI suchte im Sommer 2019 im Zuge der Entwicklung von „ANOM“ nach einem „Drittland“ außerhalb der USA, um dort einen Server zur Erhebung der „ANOM“-Daten einzurichten. Dem „Drittland“ wurde auf dessen Bitte hin zugesichert, dass dessen Identität geheim gehalten wird.

Das „Drittland“ erhob ab Oktober 2019 aufgrund eines gerichtlichen Beschlusses die Daten des ,,ANOM“-Servers und leitete sie an das FBI im Wege der Rechtshilfe weiter.

Im Rahmen des daraufhin vom FBI eingeleiteten Verfahrens namens „Trojan Shield“ wurden unter anderern Taten mit Deutschlandbezug bekannt.

Der nationale gerichtliche Beschluss des Drittlands lief zum 07.06.2021 aus, sodass ab diesem Zeitpunkt keine Daten mehr erhoben wurden.

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main stellte am 21.04.2021 und am 28.09.2021 Rechtshilfeersuchen an die US-amerikanischen Justizbehörden, woraufhin die „ANOM“-Daten über das Bundeskriminalamt übermittelt wurden.

Mit Schreiben vom 03.06.2021 erteilte das FBI die Erlaubnis zur offiziellen Verwendung der Daten in Ermittlungs- und Gerichtsverfahren.

In diesem Zusammenhang stellte das FBI jedoch im Schreiben vom 03.06,2021 wie auch in einem weiteren Schreiben vom 22.12.2021 ausdrücklich klar, dass es keine Zusicherungen hinsichtlich zusätzlicher Unterstützung, wie etwa in Bezug auf Zeugenaussagen oder Dokumentenauthentifizierung im Rahmen von Gerichtsverfahren, macht.

In seinem Schreiben vom 22.12.2021 führte das FBI aus:

„Das FBI ist weder jetzt noch in der Zukunft in der Lage, die Identität des vorgenannten Drittlandes freizugeben.“

Seitens des FBI wurde in einem weiteren Schreiben an die GenStA Frankfurt a.M. vom 27.04.2022 lediglich die Information erteilt, dass es sich bei dem „Drittland“ um einen Mitgliedstaat der Europäischen Union handle und dass die Daten in dem Drittland nach dem dortigen nationalen Recht auf der Grundlage einer gerichtlichen Anordnung erhoben worden seien.

Ferner wurde mitgeteilt, dass die überwiegende Mehrheit der die „ANOM“-Handys nutzenden Personen nicht Staatsbürger der USA und auch nicht in den USA ansässig seien.

Da die Identität des Drittlands unbekannt ist, liegen auch keine entsprechenden Gerichtsbeschlüsse aus dem Drittland vor.

Dem Bundeskriminalamt ist der Drittstaat ebenso wenig bekannt wie der Grund für dessen Geheimhaltung durch das FBI (vgl. BT-Drucksache 20/1249, S. 6). Dies bestätigte auch der Zeuge EKHK pp. (BKA Wiesbaden), wonach dem BKA nie mitgeteilt worden sei, wo der Server stand und wie die Datenerhebung durch das FBI abgelaufen ist.

Auch der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt a.M. sind weder das Drittland noch die dort nach den Behauptungen des FBI ergangenen Gerichtsbeschlüsse bekannt, wie sich aus den beim Landgericht Memmingen am 05.05.2023 und 08.05.2023 eingegangenen verlesenen dienstlichen Stellungnahmen vom 06.04.2022 und vom 13.04.2023 der zuständigen Staatsanwälte, Oberstaatsanwältin pp., Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt a.M. und Staatsanwalt pp., nun Staatsanwaltschaft Frankfurt a. M., ergibt.

Die Strafkammer konnte mit der ihr zur Verfügung stehenden Mitteln keine weitergehenden Informationen gewinnen.

Eine Einsichtnahme und Überprüfung der Gerichtsbeschlüsse zur Erhebung der „ANOM“-Daten ist den Verfahrensbeteiligten und der Kammer daher nicht nur derzeit, sondern aufgrund der auch für die Zukunft verweigerten Preisgabe weiterer Informationen durch das FBI auch künftig nicht möglich.

5.2 Zwar sieht das deutsche Recht keine ausdrückliche Verwendungsbeschränkung für im Wege der Rechtshilfe aus dem Ausland erlangte Daten vor.

Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. u.a. Beschluss des BGH vom 02.03.2022, 5 StR 457/21) lässt aufgrund des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung ein von den nationalen deutschen Vorschriften abweichendes Verfahren die Verwertbarkeit von im Ausland erhobenen Beweisen grundsätzlich unberührt und verpflichtet die deutschen Gerichte nicht dazu, die Rechtmäßigkeit von originär im Ausland geführten Ermittlungsmaßnahmen anhand der Vorschriften des ausländischen Rechts auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen.

Beweisverwertungsverbote greifen nur in Ausnahmefällen ein, etwa, wenn die im Ausland erhobenen Beweise unter Verletzung völkerrechtlich verbindlicher und dem Individualrechtsgüterschutz dienender Garantien wie etwa Art. 3 oder Art. 6 EMRK, oder unter Verstoß gegen die allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze im Sinne des „ordre public“ gewonnen wurden oder aber wenn die Ermittlungshandlung der Umgehung nationaler Vorschriften diente.

Es muss also ein so schwerer Mangel vorliegen, dass der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens erschüttert ist. Nur das kann ein deutsches Gericht prüfen und feststellen.

Diese Ansicht haben in Bezug auf „ANOM“-Verfahren diverse Oberlandesgerichte (OLG Saarbrücken, Beschluss vorn 30.12.2022 – 4 HE 35/22; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 22.11.2021 – 1 HEs 427/21; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 14.02.2022 – 1 HEs 509/21, 1 HEs 510/21, 1 HEs 511/21, 1 HEs 512/21, 1 HEs 513/21, 1 HEs 514/21; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.11.2021 – HE 1 Ws 313-315/21; OLG Thüringen, Beschluss vom 17.01.2022 – 3 Ws 476/21; OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.12.2021 – H 6 Ws 176-177/21) im Rahmen von Haftvorlagen bzw. Beschwerdeentscheidungen geteilt und sich so positioniert, dass die „ANOM“-Daten mit hoher Wahrscheinlichkeit bzw. vorläufig als verwertbar angesehen werden.

Zwar hat der BGH am 08.02.2022 in Bezug auf den Krypto-Messengerdienst „EncroChat“ entschieden, dass die durch die französischen Ermittlungsbehörden gewonnenen Erkenntnisse aus der Telekommunikationsüberwachung mittels „EncroChat“ im Ergebnis verwertbar sind (Beschluss vom 08.02.2022, 6 StR 639/21).

Die in der Rechtsprechung zu den „EncroChat“-Fällen vertretene Ansicht, dass kein „Befugnis-Shopping“ im Sinne einer planmäßigen Umgehung eigener nationaler Vorschriften durch den Bezug von Beweisen aus dem Ausland vorliege, kann nach Ansicht der Kammer jedoch nicht für den vorliegenden Fall übernommen werden.

Denn bei den „EncroChat“-Fällen steht fest, dass sich der die Daten liefernde Server in Frankreich befand und dass durch das örtlich und sachlich zuständige französische (Ermittlungs-)Gericht die erforderlichen Beschlüsse zur Datenerhebung erlassen worden waren,

So konnten die nationalen Gerichte die ihnen bereitgestellten französischen Beschlüsse auf eine eventuelle Verletzung völkerrechtlich verbindlicher und dem Individualrechtsgüterschutz dienender Garantien wie etwa Art. 3 oder Art. 6 EMRK, oder auf einen eventuellen Verstoß gegen die allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätze im Sinne des „ordre public“ hin überprüfen.

Hingegen scheitert in den „ANOM“-Verfahren eine solche Überprüfung daran, dass durch das FBI oder das amerikanische Justizministerium nicht einmal das den Server beherbergende „Drittland“ genannt wird geschweige denn die dort ergangenen gerichtlichen Beschlüsse zur Datenerhebung zur Verfügung gestellt werden. Die gerichtlichen Beschlüsse des Drittlands sind damit bislang nur vom „Hörensagen“ bekannt.

Mit diesem Umstand haben sich die o.g. Entscheidungen der Oberlandesgerichte ersichtlich nicht befasst. Angesichts der zeitlich frühen Befassung der Oberlandesgerichte mit dem „ANOM-Komplex kann diesen auch kaum der im hiesigen Verfahren erlangte Kenntnisstand vorgelegen haben, zumal zeitlich später erfolgte Rechtshilfemaßnahmen der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt a.M. und wesentliche erst Anfang 2023 erlangte Erkenntnisse von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt a.M. zurückgehalten und erst im Laufe der Hauptverhandlung im Verfahren 1 KLs 401 Js 22809/21, welches von der ersten Kammer des Landgerichts Memmingen parallel verhandelt wurde, zur Verfügung gestellt worden sind.

Für einen Beschuldigten besteht bei dieser Sachlage in Ermangelung eines gerichtlichen Beschlusses keine Möglichkeit, den Beschluss zu überprüfen und sich gegen den Beschluss gerichtlich zur Wehr zu setzen.

Der zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union etablierte Grund-satz der gegenseitigen Anerkennung im Sinne eines gegenseitigen Vertrauens der Mitgliedstaaten darauf, dass ihre jeweiligen nationalen Rechtsordnungen in der Lage sind, einen gleichwertigen und wirksamen Schutz der auf Unionsebene und in der Grundrechtscharta anerkannten Grundrechte zu bieten, darf sich für den Beschuldigten nicht dergestalt negativ auswirken, dass er keine Möglichkeit hat, die Ursprungsmaßnahme (hier in Bezug auf die Datenerhebung in dem Drittstaat) gerichtlich überprüfen zu lassen. Es besteht für den Beschuldigten demnach eine mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens nicht zu vereinbarende Rechtsschutzlücke.

Unabhängig davon besteht auch für die nationalen Gerichte wie vorliegend für die Kammer im Rahmen eines Strafverfahrens keine Möglichkeit, zu überprüfen, ob bei Erlass des Beschlusses bzw. der Beschlüsse die rechtsstaatlichen Mindestgrundsätze eingehalten worden sind.

Wenn keinerlei Beschlüsse vorliegen, um die Einhaltung rechtsstaatlicher Mindestanforderungen zu prüfen, unter welchen Umständen die Daten erlangt wurden und ob die Daten manipuliert wurden, muss von einer Beweislastumkehr ausgegangen werden, sodass die Staatsanwaltschaft nachweisen muss, dass rechtsstaatliche Grundsätze gewahrt wurden und kein Beweisverwertungsverbot vorliegt.

So hat auch der EGMR in seinem Urteil vom 23.10.2014 (54648/09 (Furcht/Deutschland), MW 2015, 3631) ausgeführt, dass es der Strafverfolgungsbehörde obliegt, zu beweisen, dass keine zu einem Beweisverwertungs-verbot führende Situation vorgelegen hat.

Ferner stellte der EGMR in dieser Entscheidung fest, dass dieser Beweislast nur schwerlich genügt werden kann, wenn die Ermittlungsmaßnahme nicht förmlich genehmigt war, und wies auf die Notwendigkeit eines verständlichen und vorhersehbaren Verfahrens für die Genehmigung von Ermittlungsmaßnahmen und deren ordnungsgemäße Überwachung hin.

Die Kammer betont darüber hinaus, dass es – anders als bei den „Encro-Chat“-Fällen, in denen bekannt ist, dass der Server in Frankreich stand und überprüfbare Beschlüsse eines französischen Ermittlungsgerichts existieren bei den „ANOM“-Verfahren nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich bei dem vom FBI unter Verschluss gehaltenen „Drittland“ nicht sogar um Deutschland handelt.

Dies würde zu dem paradoxen Ergebnis führen, dass ein sich mit einem „ANOM“-Verfahren befassendes deutsches Gericht daran gehindert wäre, einen nach den nationalen Vorschriften der StPO zur Telekommunikationsüberwachung und von einem deutschen Ermittlungsrichter erlassenen Beschluss zur Erhebung von Kommunikationsdaten zu überprüfen, obwohl die Ermittlungsmaßnahme in Deutschland erfolgt ist.

Damit läge eine bewusste und vorsätzliche Umgehung der maßgeblichen Vor-schriften der StPO zur Kommunikationsüberwachung vor, weiche die Unverwertbarkeit der erhobenen Beweise zur Folge haben muss.

In Ermangelung hinreichender Informationen zur Auswahl des „Drittstaats“ durch das FBI, zu den zwischenstaatlichen Absprachen und zu den im Drittstaat ergangenen gerichtlichen Beschlüssen kann außerdem ein sog. Befugnis-Shopping im Sinne einer planmäßigen Umgehung der eigenen nationalen Vorschriften nicht ausgeschlossen werden:

Es besteht die Möglichkeit, dass die deutschen Behörden durch ein planmäßiges Vorgehen zur Umgehung der maßgeblichen Vorschriften der StPO zur Kommunikationsüberwachung an der vorn FBI betriebenen Datengewinnung in einem anderen Land der Europäischen Union mitgewirkt haben, oder aber auch, dass das FBI zur Umgehung der in den USA geltenden maßgeblichen Vorschriften zur Kommunikationsüberwachung einen „Drittstaat“ ausgewählt hat, in dem niedrigere Hürden für die Anordnung einer Kommunikationsüberwachung als in den USA gelten, um dort gezielt Daten zu erheben.

Für die zweitgenannte Möglichkeit spricht insbesondere der Umstand, dass die erhobenen „ANOM“-Daten Staatsbürger der USA oder in den USA ansässige bzw. aufhältige Personen nicht betreffen. Die US-Behörden legten insbesondere Wert darauf, dass amerikanisches Hoheitsgebiet nicht tangiert wird.

Letztlich ist die Kammer auch nicht davon überzeugt, dass gegen jeden Erwerber bzw. Nutzer eines „ANOM“-Kryptohandys ein Anfangsverdacht der Begehung von Straftaten besteht. Vielmehr handelt es sich bei der von den Ermittlungsbehörden aufgestellten These, dass jeder Erwerber bzw. Nutzer dem kriminellen Milieu zuzuordnen ist und ausschließlich strafbare Inhalte auf den Kryptohandys generiert werden, um einen pauschalisierten Generalverdacht. Im Ergebnis läuft diese auf einem Generalverdacht beruhende, vollumfassende Überwachung aller Aktivitäten der „ANOW-Nutzer auf eine anlasslose Massen-überwachung und damit eine im Kern geheimdienstliche Maßnahme hinaus. So erlangte Informationen können nicht zur Verwertung im Strafverfahren um-gewidmet werden, da eine solche Maßnahme nach der StPO nicht zulässig ist und auch mit grundgesetzlichen Wertungen nicht in Einklang zu bringen ist (vgl. BVerfG, NJW 2002, 2235, 2256).

Da weitere verwertbare Beweismittel nicht zur Verfügung stehen, um den Tatnachweis zu führen, ist der Angeklagte in vollem Umfang aus tatsächlichen Gründen frei zu sprechen.“

Kann man so sehen. Damit ist dann die nächste Runde eröffnet. Man darf gespannt darauf sein, was der BGH dazu sagt. Denn die Staatsanwaltschaft hat das nicht „hingenommen“ haben und ist in die Revision gegangen. Näheres/Weiteres dann demnächst vom 1. Strafsenat des BGH.

BtM I: Betreuung/Versorgung der Cannabisplantage, oder: Anbau von Betäubungsmitteln

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Und dann auf die die neue Woche mit zwei Entscheidungen aus BtM-Verfahren.

Ich beginne mit dem BGH, Urt. v. 06.09.2023 – 6 StR 107/23. Das LG hatte den Angeklagten wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge  verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Die hatte Erfolg.

Der BGH ist von folgenden Feststellungen ausgegangen:

„1. Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarb der gesondert verfolgte J. 2020 im Auftrag einer serbischen Organisation, die grenzüberschreitenden Drogenhandel bezweckte und von P. und Po. geführt wurde, ein Anwesen mit Scheune und errichtete darin eine Cannabisplantage. Dazu wurde die Scheune mit einer Beleuchtungs-, einer Klima- sowie einer Abluftanlage ausgestattet. Spätestens im Februar 2021 begann dort die Aufzucht von Cannabispflanzen. Das Umtopfen sowie andere zeitweise anfallende Tätigkeiten – wie etwa Erntearbeiten – wurden von Mitgliedern der Organisation ausgeführt.

Hingegen wurden das alltägliche Betreuen und Versorgen der Plantage – insbesondere regelmäßiges Bewässern und Düngen der Pflanzen sowie die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Funktion der Beleuchtungs-, Klima- und Abluftanlage – von P. und Po. jedenfalls für zwei Pflanzperioden im Winter 2021/22 dem Angeklagten übertragen. Er versprach sich dafür eine Entlohnung in Höhe von 700 bis 800 Euro monatlich, insgesamt einen Betrag von 4.000 bis 5.000 Euro. Ihm war bewusst, dass die aufgezogenen Pflanzen zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt waren. Spätestens am 24. September 2021 führte der Angeklagte weisungsgemäß die vereinbarte Tätigkeit aus, wobei er sich überwiegend allein auf der Plantage aufhielt und nur im Bedarfsfall J.    informierte, etwa bei Problemen mit der Elektronik oder bei Materialbedarf.

Bei einer Durchsuchung am 30. November 2021 wurden dort 1.651 erntereife Marihuanapflanzen vorgefunden. Diese hatten vielfach bereits Blütendolden ausgebildet und eine Höhe von 1,5 bis 1,8 Meter erreicht. Die abgeernteten Blüten und Blätter wiesen einen durchschnittlichen Wirkstoffgehalt von 12,15 Prozent, mindestens 5,687 Kilogramm Tetrahydrocannabinol, auf. Im Keller des Anwesens befanden sich darüber hinaus etwa 500 Kilogramm Pflanzenreste.“

Das LG hat die Tätigkeit des Angeklagten aufgrund seiner untergeordneten Stellung lediglich als Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewertet. Wegen seiner alleinigen tatsächlichen Zugriffsgewalt auf die aufgezogenen Cannabispflanzen habe er sich tateinheitlich des täterschaftlichen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gemacht.

Das war nach Auffassung des BGH rechtsfehlerhaft.:

„Zwar hat das Landgericht zu Recht angenommen, dass der Angeklagte insbesondere aufgrund seiner untergeordneten Stellung in der Organisation sowie seiner Einbindung ausschließlich in der Aufzuchtphase lediglich als Gehilfe in das bandenmäßige Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge eingebunden war (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2005 – 2 StR 192/05, NStZ 2006, 578, 579). Jedoch hat er sich tateinheitlich hierzu des (täterschaftlich begangenen) bandenmäßigen Anbaus von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1 StGB schuldig gemacht.

a) Der Anbau von Betäubungsmitteln in Form der Aufzucht umfasst sämtliche gärtnerischen oder landwirtschaftlichen Bemühungen, um Wachstum von in den Anlagen I bis III zum Betäubungsmittelgesetz genannten Pflanzen zu erreichen (vgl. OLG Dresden, NStZ-RR 1999, 372, 373; OLG München, Beschluss vom 23. April 2009 – 4 St RR 27/09, Rn. 38; Patzak in Patzak/Volkmer/Fabricius, Betäubungsmittelgesetz, 10. Aufl., § 29 Rn. 43; ähnlich MüKo-StGB/Oğlakcıoğlu, 4. Aufl., § 29 Rn. 22; Weber in Weber/Kornprobst/Maier, Betäubungsmittelgesetz, 6. Aufl., § 29 Rn. 54). Hierzu zählen namentlich das Bewässern, das Düngen und das Belichten (Patzak, aaO, Rn. 47). Der Angeklagte hat mithin durch die gut zweimonatige Bewirtschaftung der Plantage – insbesondere durch die regelmäßige Bewässerung und Düngung der Cannabispflanzen sowie die Sicherstellung der ordnungsgemäßen Funktion der technischen Anlagen – diese Begehungsvariante erfüllt und sich daher als Mitglied der dahinterstehenden Organisation (auch) des bandenmäßigen Anbaus von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 1 StGB) schuldig gemacht.

b) Im Verhältnis zur Beihilfe des Angeklagten zum bandenmäßigen Handeltreiben von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge kommt dem bandenmäßigen Anbau ein eigener Unrechtsgehalt zu, so dass beide Delikte in Tateinheit stehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Januar 2021 – 4 StR 411/20, Rn. 4; vom 3. April 2019 – 5 StR 87/19, NStZ-RR 2019, 218, 220).

c) Der Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) – der in Fällen tatsächlicher Sachherrschaft auch neben dem Anbau verwirklicht werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 1990 – 1 StR 708/89, NStZ 1990, 285) – tritt hingegen hinter dem bandenmäßigen Anbau von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1 BtMG mangels eigenen Unrechtsgehalts zurück.

d) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen, weil der im Wesentlichen geständige Angeklagte sich in diesem Punkte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

2. Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung des Strafausspruchs nach sich. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung den Strafrahmen des § 30a Abs. 1 BtMG angewendet und auf eine höhere Strafe als die festgesetzte erkannt hätte. Der Senat hebt auch die zugehörigen Feststellungen auf, um der zur neuen Entscheidung berufenen Strafkammer insgesamt eine widerspruchsfreie neue Strafzumessung zu ermöglichen.“

Sonntagswitz, heute wegen des Sturms „Wetterwitze“

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Und heute dann wegen des Sturms der in den letzten Tagen über die Küsten gefegt ist – wir hatten hier nur starken Wind und Niedrigwasser – ein paar Wetterwitze:

Ich: „Sara, wie wird das Wetter morgen?“

Siri: „Wer ist Sara?“

Ich: „Oh, ich meinte natürlich Siri. Also Siri, wie wird das Wetter morgen?“

Siri: „Vielleicht weiß ja diese Sara wie dein blödes Wetter wird!“


Alle beschweren sich wegen dem Wetter.

Außer Germanistik-Studenten. Die beschweren sich wegen des Wetters.


Zwei Golfer spielen bei Wind und Regen.

Sagt der eine: „Stell dir vor, meine Frau hat mich doch tatsächlich gefragt, ob ich ihr nicht mit im Garten helfen könnte?“

Sagt der andere: „Bei dem Sauwetter?“


und der ist immer wieder schön:

Seit Jahrzehnten erklären alle Eltern ihren Kindern: „Esst eure Teller leer, dann wird schönes Wetter!“

Und was haben wir davon?

Fette Kinder und eine Klimaerwärmung!

Wochenspiegel für die 42. KW., das waren Corona-AU, Pinkelpause, Tempo 30 und „Hitler groß gemacht“

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Und dann der Wochenspiegel für die 42. KW. mit folgenden Hinweisen:

  1. LG Augsburg: Durchschreiten des Drehkreuzes im Fitnessstudio keine Zustimmung zur Preiserhöhung – Aggressive geschäftliche Handlung nach § 4a UWG wettbewerbswidrig

  2. Migranten, Pianisten und Zahnärzte

  3. Krank ist krank

  4. Tödlich verlaufende Pinkelpause im Wald kein Arbeitsunfall

  5. „Freiwillig Tempo 30“

  6. LG Berlin: Irreführende Werbung von HelloFresh mit Aussagen zur Klimaneutralität

  7. Dürfen Arbeitnehmer*innen die KI ihre Arbeit machen lassen? Rechtliches zum Einsatz Künstlicher Intelligenz im Arbeitsverhältnis

  8. Polizei nimmt Fingerabdruck um das Smartphone zu entsperren

  9. Außerordentliche Kündigung bei Beleidigung in einer Chatgruppe

  10. Und dann aus meinem Blog: Corona II: „Sie hätten Hitler…. auch großgemacht“, oder: Strafbare Beleidigung?

Berufsrecht II: Online-Vermittlung von Neumandanten, oder: Verstoß gegen das Provisionsgebot?

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Bei der zweiten Entscheidung, die ich vorstelle, handelt es sich um das OLG Dresden, Urt. v. 06.04.2023 –  8 U 1883/22.

Die Parteien streiten in dem Verfahren um die Zahlung von „Vermittlungsprovisionen“. Die Klägerin betreibt eine Website und bietet über die von ihr entwickelte Software Dienstleistungen für Betroffene an, die einen Anhörungsbogen bzw. Bußgeldbescheid zu einem behaupteten Verstoß gegen Vorschriften bei der Teilnahme am Straßenverkehr (Geschwindigkeits-, Abstands-, Wechsellicht-, Mobiltelefon-, Überhol- oder Vorfahrtsverstoß) erhalten haben. Zur Überprüfung der erhobenen Vorwürfe gegenüber den Betroffenen und der sich aus dem Prüfungsergebnis ergebenden Handlungsmöglichkeiten arbeitet die Klägerin mit Partnerkanzleien/Rechtsanwälten zusammen, zu denen auch die Beklagte gehört. Die Beklagte war seit 01.07.2018 eine der Partnerkanzleien und bezahlte bis zum 30.12.2020  die Rechnungen der Klägerin für ca. 40.000 Bußgeldfälle. Das waren 108 Rechnungen mit einem Gesamtbetrag ca. 3.900.000,00 EUR.

Gestritten wird jetzt um die Zahlung weiteren Entgelts von insgesamt 235.056,98 EUR für den Zeitraum vom 01.12.2020 bis 30.06.2021. Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen vertraglichen Anspruch auf die Zahlung einer Lizenzgebühr, weil die zwischen den Parteien begründete Geschäftsbeziehung gemäß § 134 BGB nichtig sei, da sie gegen § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO verstoße. Ein Anspruch der Klägerin folge auch nicht aus Bereicherungsrecht. Das Erlangte sei nicht schlüssig dargetan. Ein Herausgabeanspruch der Klägerin an Teilen der Gebührenansprüche der Beklagten gegen ihre Mandanten bestehe nicht.

Dagegen die Berufung, die beim OLG Dresden keinen Erfolg hatte. Wegen der Einzelheiten der Begründung verweise ich auf das umfangreich begründete Urteil des OLG, aus dem ich hier nur folgende Passage einstelle:

„b) Die Vereinbarung der Parteien verstößt aber gegen ein gesetzliches Verbot und ist deshalb nach § 134 BGB nichtig. § 49b 3 Satz 1 BRAO bestimmt, dass die Abgabe und Entgegennahme eines Teils der Gebühren oder sonstiger Vorteile für die Vermittlung von Aufträgen, gleichviel ob im Verhältnis zu einem Rechtsanwalt oder Dritten gleich welcher Art, unzulässig ist. Kern des Rechtsstreits ist die – hier zu bejahende – Frage, ob die Klägerin von der Beklagten mit der Lizenzgebühr eine Vergütung für die Vermittlung von Mandanten erhalten sollte. Mit dem Provisionsverbot soll vermieden werden, dass Rechtsanwälte in einen Wettbewerb um den Ankauf von Mandaten treten; die Anwaltschaft ist kein Gewerbe, in dem Mandate „gekauft“ und „verkauft“ werden (BT-Drs. 12/4993, 31; BGH, Urteil vom 20.06.2016 – AnwZ (Brfg) 26/14, NJW 2016, 3105 Rn. 18, beck-online; Kilian in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Auflage 2019, § 49b, Rn. 159; Peitscher in Hartung/Scharmer, BRAO, 8. Auflage 2022, § 49b, Rn. 76).

Eine Vermittlung setzt voraus, dass neben den Parteien des Anwaltsvertrages ein Dritter, d.h. eine kanzleifremde Person, an dessen Akquisition durch den Rechtsanwalt beteiligt ist (Kilian in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Auflage 2019, § 49b, Rn. 164). Verboten ist jegliche Art und Form akquisebedingter Belohnung (Peitscher in Hartung/Scharmer, BRAO, 8. Auflage 2022, § 49b, Rn. 80). Pauschale Entgelte für die Bereitstellung von Infrastruktur, die es potentiellen Auftraggebern ermöglicht, ihn zu mandatieren (Anwaltssuchdienste, Telefonmehrwertdienste) fallen nicht unter das Verbot, wenn die Vergütung nicht von der Zahl der Mandatserteilungen abhängt (Kilian in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Auflage 2019, § 49b, Rn. 165). Die erforderliche kausale Verknüpfung (Gebühr oder sonstiger Vorteil „für die Vermittlung von Aufträgen“) ist erfüllt, wenn sich die Gewährung oder die Entgegennahme des Vorteils und der beabsichtigte Abschluss eines Anwaltsvertrags wechselseitig bedingen (Kilian in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Auflage 2019, § 49b, Rn. 159; Peitscher in Hartung/Scharmer, BRAO, 8. Auflage 2022, § 49b, Rn. 84). Vom Verbot nicht umfasst ist ein erfolgsunabhängiges, ohne Rücksicht auf die tatsächliche Auftragsvergabe geschuldetes Entgelt für Dienstleistungen, die nur eine Rahmenbedingung für die Erbringung anwaltlicher Tätigkeit schafft (Peitscher in Hartung/Scharmer, BRAO, 8. Auflage 2022, § 49b, Rn. 84).

(1) Die Zulässigkeit von mandats- und damit erfolgsunabhängigen Dienstleistungen ist in der Rechtsprechung anerkannt. Beispielsweise verstößt die Beteiligung an einer Anwalts-Hotline nicht gegen § 49b Abs. 3 BRAO, weil die fragliche Vergütung unabhängig davon geschuldet ist, ob und wie viele Ratsuchende in der fraglichen Zeit anrufen. Die erfolgsunabhängige Vergütung ist daher mit der Raummiete, mit den Kosten der Telefonanlage oder mit den Kosten für einen Anwaltssuchdienst im Internet vergleichbar (BGH, Urteil vom 26.09.2002 – I ZR 44/00, NJW 2003, 819, beck-online). Auch eine Versteigerung von Beratungsleistungen in einem Internetauktionshaus verstößt nicht gegen das in § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO geregelte Verbot. Bei Internetauktionen erhält das Auktionshaus zwar neben einer Angebotsgebühr auch eine vom Höchstgebot abhängige Provision, so dass die zu zahlende Provision der Höhe nach vom konkreten Auftrag abhängig ist. Die Provision wird jedoch nicht für die Vermittlung eines Auftrags geschuldet; denn das Internetauktionshaus stellt lediglich das Medium für die Werbung der Anbieter zur Verfügung. Seine Leistung durch das Überlassen einer Angebotsplattform ist vergleichbar mit den Leistungen der herkömmlichen Werbemedien (BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 – 1 BvR 1886/06, NJW 2008, 1298, beck-online). Online-Vermittlungsplattformen, die gegen Provision anwaltliche Dienstleistungen vermitteln, gehen über die Funktion eines klassischen Werbemediums hinaus und sind mit dem vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Sachverhalt nicht vergleichbar (vgl. Behme, AnwBl Online 2018, 110-114). Auch die entgeltliche Vermittlung von Terminsvertretern wird für zulässig gehalten, wenn die erhobene Transaktionsgebühr nicht für die Vermittlung eines Auftrags geschuldet wird, sondern lediglich das Medium für die Vermittlung der Übernahme einer Terminsvertretung zur Verfügung gestellt wird, da die Bereitstellung einer Internetplattform mit den Leistungen herkömmlicher Medien vergleichbar ist (OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.04.2013 – 4 U 18/13, NJW 2013, 1614, beck-online). Das Oberlandesgericht München hat bei einer Marketing-Kampagne eine unerlaubte Mandatsvermittlung verneint (Urteil vom 13.10.2021, Az. 7 U 5998/20, DStRE 2022, 505 Rn. 34, beck-online). Nach dem dortigen Vertrag waren aber nur Datensätze von Interessenten zu übermitteln. Ein Lead war dort – anders als hier – nicht mit einer Anwaltsvollmacht verknüpft. Es waren nur Datensätze, nicht aber Vertragsabschlüsse zu liefern, weshalb das Oberlandesgericht München davon ausgegangen ist, dass es sich bei dem Vertragsmodell um eine Form des Dialogmarketings (Direct-Response-Marketing) und damit der Werbung handelt (OLG München, Urteil vom 13.10.2021 – 7 U 5998/20, DStRE 2022, 505 Rn. 34, beck-online). Der Vergleich der Beklagten mit dem Portal anwalt.de geht fehl. Dort handelt es sich um eine Werbeplattform für Anwälte, auf der die Mandanten einen Anwalt suchen, d.h. selbst auswählen können. Bei advocado.de und klugo.de werden ebenfalls Anwälte aus Partnerkanzleien vermittelt; zu den zwischen dem Portal und den Partnerkanzleien vereinbarten Konditionen ist aber nichts bekannt. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, ob die Anwälte mandatsbezogen oder erfolgsunabhängig Zahlungen leisten.

(2) Ist das zu zahlende Entgelt kausal mit der Vermittlung eines konkreten Mandats verknüpft, wird von der Rechtsprechung ein Verstoß gegen das Provisionsverbot angenommen. Das Landgericht Berlin hat (rechtskräftig) zum Anwaltsvermittlungsportal axxxxxx.de entschieden, dass die entgeltliche Vermittlung von Mandaten an Rechtsanwälte aufgrund der vom Ratsuchenden abgegebenen Sachverhaltsschilderung unabhängig davon, ob der Betreiber Rechtsanwalt ist, einen sittenwidrigen Wettbewerbsverstoß darstellt, weil hierdurch sowohl § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO als auch Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG verletzt werden (LG Berlin, Urteil vom 07.11.2000 – 102 O 152/00 –, juris). Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat einen Fall entschieden, der eine Kooperationsvereinbarung zum Gegenstand hatte. Diese sah vor, dass der Kläger Mandate von Kapitalanlegern akquirierte und diese außergerichtlich allein betreute. Das damit einhergehende Honoraraufkommen sollte ihm allein zufließen. Sollte eine außergerichtliche Einigung nicht erzielt werden können, sollte der Kläger dem Beklagten betroffene Mandanten namhaft machen. Der Kläger sollte in diesem Fall einen Anteil an den Gebühren für die gerichtliche Vertretung erhalten. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat eine unzulässige Gebührenteilung angenommen, denn der Kläger wurde am Gebührenaufkommen eines Mandats beteiligt, aus dem ihm aus dem Anwaltsvertrag, welchen nur der Beklagte mit dem Mandanten geschlossen hatte, kein Anspruch zustand. Die Vereinbarung der Gebührenteilung sollte unabhängig davon sein, ob der Kläger tatsächlich tätig geworden ist; sie sollte vielmehr allein von der „Vermittlung“ abhängig sein (OLG Düsseldorf Urteil vom 11.01.2022 – I-24 U 184/19, NJW-RR 2022, 778 Rn. 28, beck-online). Eine erfolgsabhängige, prozentual anhand des eingebrachten Honorars bemessene Provisionszahlung spricht für die Vermittlung eines konkreten Mandats, wohingegen eine feste Gebühr unabhängig vom Zustandekommen eines Mandatsvertrags eher für die Vereinbarung eines Aufwendungsersatzes spricht (vgl. El-Auwad, AnwBl Online 2018, 115).

(3) Daran gemessen verstößt das von den Parteien praktizierte Geschäftsmodell in der gewählten Form gegen das Provisionsverbot. Die Klägerin versucht darzulegen, dass ihre Dienstleistungen nicht in der Mandatsvermittlung liegen, sondern sie im Ergebnis nur Interessenten zusammenbringe und eine Infrastruktur vergütungspflichtig bereitstelle. Es handele sich nicht um die Vermittlung von Aufträgen, sondern um das Erfassen von Daten, deren Nutzung den Beteiligten (Kanzlei und Interessent) die Möglichkeit eröffne, miteinander Verträge zu schließen. Dieses Zusammenbringen von Interessent (Betroffener in einem Bußgeldverfahren) und Partnerkanzlei ist aber in der konkreten Ausgestaltung durch die Parteien nichts anderes als eine Vermittlung von Mandaten, weil der sog. Lead erst an die Partnerkanzlei weitergeleitet wird, wenn der Interessent die Vollmacht eingereicht hat und weil eine Vergütung an das konkrete Mandat anknüpft. Soweit die Klägerin der Meinung ist, auf ein Zustandekommen eines Mandats nach Akteneinsicht habe sie keinen Einfluss, mag das richtig sein, es ändert aber nichts daran, dass sie Mandate vermittelt, nämlich bereits solche zur Akteneinsicht und damit zur außergerichtlichen Vertretung. Darauf weist die Beklagte zutreffend hin. Beide Parteien tragen vor, der von der Klägerin generierte Lead erreiche nur dann die Partnerkanzlei, wenn der Interessent die Vollmacht der Partnerkanzlei, die ihm von der Klägerin elektronisch übersandt wird, an die Klägerin zurücksende.“