Und zum Tagesschluss dann noch eine Entscheidung zum bedeutenden Schaden im Sinn von § 69a Abs. 2 Nr. 3 StGB, also Entziehung der Fahrerlaubnis in den Fällen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort.
In den Fällen spielt ja die Schadenshöhe eine erhebliche Rolle und da geht es in der Rechtsprechung „fröhlich hin und her“. Das LG Bochum ist jetzt „über seinen Schatten gesprungen“ und hat die Untergrenze im LG Bochum, Beschl. v. 06.12.2022 – 1 Qs 59/22 – seit längerer Zeit mal wieder angehoben, und zwar auf 1.750 EUR:
„Gleichwohl kommt die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis– zumindest zu dem gegenwärtigen Zeitpunkt – letztlich nicht in Betracht, da sich aus dem bisherigen Akteninhalt ein entstandener bedeutender Schaden an dem Fahrzeug der Zeugin im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB nicht ergibt.
Dabei hat die Kammer nicht verkannt, dass nach ihrer bisherigen Rechtsprechung – orientiert auch am Beschluss des OLG Hamm vom 06.11.2014 – 5 RVs 98/14 – ein bedeutender Fremdschaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ab 1.300 Euro angenommen worden ist.
Infolge der zwischenzeitlichen Preisentwicklung ist die Rechtsprechung zu der Frage, wann ein bedeutender Schaden vorliegt, zunehmend unübersichtlich geworden. Die Untergrenze des Schadens wird teilweise nach wie vor bei 1.300 Euro angesetzt. Andere Gerichte setzen die Grenze bei 1.500 Euro (vgl. u. a. LG Magdeburg, Beschl. v. 19.06.2019 – 26 Qs 15/19; LG Dresden, Beschl. v. 07.05.2019 – 3 Qs 29/19), bei 2.000 Euro (vgl. u.a. LG Darmstadt, Beschl. v. 01.02.2018 – 3 Qs 27/18) oder gar bei 2.500 Euro (vgl. u.a. LG Nürnberg, Beschl. v. 15.01.2020 – 5 Qs 4/20) fest.
In diesem Licht steht auch die zuletzt geänderte Rechtsprechung des OLG Hamm. Mit Beschluss vom 05.04.2022 (5 RVs 31/22) hat das OLG Hamm – auf einen bestimmten Einzelfall bezogen – bekräftigt, dass die Wertgrenze für einen bedeutenden Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB im Hinblick auf die allgemeine Preis-steigerung nunmehr jedenfalls nicht unter 1.500 Euro liegt. Aus dieser Formulierung wird deutlich, dass der unterste Rahmen nicht zwingend bei 1.500 Euro liegt, sondern lediglich unterhalb dessen liegende Schadensbeträge jedenfalls keinen bedeutenden Schaden darstellen.
Auch die Kammer vertritt die Ansicht, dass die bis zuletzt gezogene Wertgrenze von 1.300 Euro aufgrund der allgemeinen Preisentwicklung nunmehr einer Anpassung bedarf. Eine solche Anpassung ist – wie sich bereits aus den vorstehenden Ausführungen ergibt – grundsätzlich zulässig, da es sich bei der Wertgrenze um eine veränderliche Größe handelt, die maßgeblich von der Entwicklung der Preise und Einkommen abhängig ist (vgl. BGH, Beschl. vom 28.09.2010 – 4 StR 245/10).
Bei der Frage, nach welchen Kriterien eine Anpassung der Wertgrenze vorzunehmen ist, hat sich die Kammer auch an dem jährlich vom Statistischen Bundesamt berechneten und veröffentlichten Verbraucherindex orientiert, der die durchschnittliche Preisentwicklung aller Waren und Dienstleistungen bemisst. Der Verbraucherindex weist in der aktuell geltenden Fassung mit dem Basisjahr 2015 (2015 = 100) im Oktober 2022 einen Wert von 122,2 aus. Im Jahr 2002 lag dieser Wert noch bei 82,6. Dies ergibt für den Zeitraum der letzten zwanzig Jahre eine Preissteigerung von 47,94 Prozent (122,2/82,6 x 100 – 100 = 47,94). Im Vergleich zum Indexjahr 2015 sind die Verbraucherpreise allein um 22,2 Prozent gestiegen. Seit April 2022 (Entscheidung des OLG Hamm vom 05.04.2022 – 5 RVs 31/22) hat sich der Verbraucherindex um sechs Punkte, von 116,2 auf 122,2, gesteigert.
Unter Zugrundelegung dieser Zahlen erscheint es der Kammer daher als erforderlich, die Wertgrenze für die Annahme eines bedeutenden Schadens angemessen anzuheben. Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass auch die Einkommen im fraglichen Zeitraum einer Veränderung unterworfen waren.
Angemessen erscheint vor diesem Hintergrund eine Anhebung von 1.300 Euro auf 1.750 Euro als Untergrenze für das Vorliegen eines bedeutenden Schadens im Sinne von § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB.
Im vorliegenden Fall wird dieser Grenzwert nicht erreicht.
Ob ein bedeutender Schaden im Sinne des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB vorliegt, ist nach den objektiven wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen, um den das Vermögen des Geschädigten als unmittelbare Folge des Unfalls gemindert wird (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 06.11.2014 – 5 RVs 98/14). Abzustellen ist dabei auf den Geldbetrag, der erforderlich ist, um den Geschädigten wirtschaftlich so zu stellen, als wäre das schädigende Ereignis nicht eingetreten (vgl. MüKoStGB/v. Heintschel-Heinegg/Huber, 4. Aufl. 2020, StGB § 69 Rn. 71). Zu berücksichtigen sind namentlich Reparaturkosten, Abschlepp- und Bergungskosten sowie ein etwaiger merkantiler Minderwert (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2010 – 4 StR 245/10). Der Brutto-Reparaturpreis lag im vorliegenden Fall laut Rechnung der Reparaturwerkstatt bei 1.493,01 Euro. Hinzu kommt ein merkantiler Minderwert von rund 250 Euro. Die Nutzungsausfallentschädigung und die Kostenpauschale bleiben bei der Schadensberechnung hingegen unberücksichtigt (vgl. Fischer, StGB, 69. Auflage 2022, § 69 Rn. 28). Mithin ergibt sich ein im Rahmen von § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB zu berücksichtigender Gesamtbetrag von 1.743,01 Euro, der den (aktualisierten) Grenzwert nicht erreicht.
Eine letztverbindliche Entscheidung über eine endgültige Fahrerlaubnisentziehung bleibt einer etwaigen Hauptverhandlung vorbehalten.“
Na, mit der Frage wird sich dann wahrscheinlich bald das OLG Hamm noch einmal befassen dürfen….