Archiv für den Monat: Juli 2021

Vorgerichtliche Anwaltskosten im Abgasskandalfall?, oder: Schon unbedingter Auftrag erteilt?

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Heute dann „Kessel Buntes“. Und in dem „köchelt“ als erste Entscheidung das BGH, Urt. v. 22.06.2021 – VI ZR 353/20  – zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Folgender Sachverhalt:

Der Kläger nimmt die Beklagte, soweit für das Revisionsverfahren noch relevant, auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch. Der Kläger hatte im Juli 2013 einen von der Beklagten hergestellten und mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestatteten Pkw erworben. Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 13.11.2018 forderte er die Beklagte zur Erstattung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs auf. Nach fruchtlosem Fristablauf erhob er in der Folge Klage, mit der er u.a. die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171,67 EUR begehrte. Das LG hat die Beklagte u.a. antragsgemäß zur Freistellung von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat OLG das landgerichtliche Urteil im Freistellungsausspruch abgeändert und die Klage insoweit abgewiesen. Mit der vom OLG zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Freistellungsanspruch nunmehr in Höhe von 1.029,35 € weiter. Seine Revision hatte keinen Erfolg:

„1. Die Bemessung der – hier in Gestalt der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten allein noch in Rede stehenden – Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 22. Januar 2019 – VI ZR 403/17, juris 9 mwN).

Bei der Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch auch die Erstattung von Rechtsanwaltskosten umfasst, ist zwischen dem Innenverhältnis des Geschädigten zu dem für ihn tätigen Rechtsanwalt und dem Außenverhältnis des Geschädigten zum Schädiger zu unterscheiden. Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch ist grundsätzlich, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (st. Rspr., vgl. zuletzt etwa Senatsurteil vom 22. Januar 2019 – VI ZR 403/17, juris 11 mwN).

Ob eine vorprozessuale anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auslöst oder als der Vorbereitung der Klage dienende Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug gehört und daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten ist, ist eine Frage des Innenverhältnisses, nämlich der Art und des Umfangs des im Einzelfall erteilten Mandats. Erteilt der Mandant den unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden (vgl. Vorbemerkung 3 Abs. 1 Satz 1 VV RVG), lösen bereits Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das gerichtliche Verfahren aus, und zwar auch dann, wenn der Anwalt zunächst nur außergerichtlich tätig wird. Für das Entstehen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ist dann kein Raum mehr. Anders liegt es, wenn sich der Auftrag nur auf die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts beschränkt oder der Prozessauftrag jedenfalls unter der aufschiebenden Bedingung erteilt wird, dass zunächst vorzunehmende außergerichtliche Einigungsversuche erfolglos bleiben. Ein lediglich (aufschiebend) bedingt für den Fall des Scheiterns des vorgerichtlichen Mandats erteilter Prozessauftrag steht der Gebühr aus Nr. 2300 VV RVG nicht entgegen (vgl. BGH, Urteile vom 15. August 2019 – III ZR 205/17, NJW-RR 2019, 1332 Rn. 43; vom 19. Mai 2020 – KZR 70/17, NZKart 2020, 535 Rn. 44; jeweils mwN; vgl. weiter Hansens, zfs 2019, 703 ff.; Ebert in Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl., § 19 Rn. 14).

2. Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht in nicht zu beanstandender freier tatrichterlicher Würdigung der Umstände des Einzelfalles beachtet, § 287 ZPO. Es hat ausgeführt, dass der Kläger nicht schlüssig dargetan habe, seinen Prozessbevollmächtigten zunächst lediglich mit seiner außergerichtlichen Vertretung beauftragt oder ihm einen nur bedingten Prozessauftrag erteilt zu haben. Dass das Berufungsgericht entsprechenden Instanzvortrag des Klägers übergangen hätte, macht die Revision nicht geltend. Das von dem Kläger vorgelegte außergerichtliche Aufforderungsschreiben vom 13. November 2018 hat das Berufungsgericht gewürdigt und den darin enthaltenen Hinweis, dass Klage erhoben werde, falls innerhalb gesetzter Frist keine Zahlung oder kein angemessenes Vergleichsangebot eingehe, als Indiz gegen die Behauptung angesehen, es sei zunächst nur ein Mandat zur außergerichtlichen Vertretung oder nur ein bedingter Prozessauftrag erteilt worden. Diese Würdigung lässt jedenfalls einen Rechtsfehler nicht erkennen (vgl. Senatsurteil vom 1. Oktober 1968 – VI ZR 159/67, NJW 1968, 2334, 2335, juris Rn. 14 zur Indizwirkung einer Klageandrohung im Rahmen von § 118 BRAGO). Zwar kann aus der nach außen hin erkennbaren Tätigkeit eines Rechtsanwalts, auch wenn sie mit einer Klageandrohung verbunden ist, nicht ohne Weiteres darauf geschlossen werden, ob der Rechtsanwalt diese Tätigkeit im Rahmen eines ihm bereits erteilten – zumal unbedingten – Klageauftrags ausgeübt hat oder ob dem Anwalt im maßgeblichen Innenverhältnis bislang tatsächlich (lediglich) ein Vertretungsauftrag erteilt worden ist. Doch geht die verbleibende Unsicherheit zu Lasten des Klägers, der darzulegen und im Streitfall zu beweisen hat, dass er seinem Anwalt einen Auftrag zur vorgerichtlichen Vertretung erteilt hat (vgl. Hansens, zfs 2019, 703).“

Ich habe da mal eine Frage: Welche Abrechnung, wenn mich die Ehefrau des Mandanten mandatiert hat?

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Und dann noch das wöchentliche „RVG-Rätsel“, heute mal mit einer allgemeinen Frage:

„……,

ich habe eine kleine Abrechnungsfrage:

Ehefrau aus London kontaktiert mich mit der Bitte das strafrechtliche Verfahren ihres inhaftierten Ehemanns zu übernehmen. Gesagt getan. Besuchserlaubnis beantragt, Skypeerlaubnis für die Ehefrau beantragt, Skypetermin mit der JVA und Dolmetscher vereinbart, in die JVA gefahren.

Ehemann unterzeichnet mir keine Vollmacht.

Was kann/darf ich denn bei der Ehefrau abrechnen?“

Wie grenzt man die Grund- von der Verfahrensgebühr bei der Beschwerde ab?, oder: Bezirksrevisor hat Recht

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Die zweite Entscheidung kommt vom AG Mühlhausen. Das hat in einem Kostenfestsetzungsbeschluss zum Abgeltungsbereich und Zusammenspiel von Grundgebühr Nr. 4100 Vv RVG und Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG Stellung genommen.

Die Kollegin Kahle aus Mühlhausen, die mir den Beschluss geschick hat, hat den Mandanten in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des unerlaubten Entfernens vom Unfallort verteidigt. Dem Mandanten war die Fahrerlaubnis nach § 111a StPO vorläufig entzogen worden. Dagegen hat die Kollegin Beschwerde eingelegt, die beim LG Erfolg hatte. Im Rahmen der Kostenfestsetzung macht die Kollegin dann eine erhöhte Grundgebühr und Verfahrensgebühr im Vergleich zu der Mittelgebühr, die ohne Beschwerdeverfahren entstanden wären, geltend. Der Bezirksrevisor meint, dass das Beschwerdeverfahren nur gebührenerhöhend bei der Verfahrensgebühr für das Ermittlungsverfahren zu berücksichtigen sei, nicht hingegen bei der Bemessung der Grundgebühr.

Das hat das AG im AG Mühlhausen, Beschl. v. 15.05.2021 – Gs 964/20 – anders gesehen:

„Dies wird im vorliegenden Fall anders gesehen. Die Bemessung der Grundgebühr ist gem. § 14 RVG anhand derselben Kriterien vorzunehmen wie auch die Verfahrensgebühren. Da mit Übernahme des Mandats die Grund- und Verfahrensgebühr nahezu zeitgleich entstanden sind, kann man die Tätigkeit für die Einlegung der Beschwerde nicht nur der Verfahrensgebühr gebührenerhöhend zurechnen. Denn bei Übernahme des Mandats war der Beschluss gem. § 111 a StPO bereits erlassen und damit der Beschwerdegegenstand auch schon ein wichtiger Bestandteil bei der Einarbeitung in das Verfahren. Weiterhin sind im Hinblick auf die Erstattungspflicht der Staatskasse ebenfalls alle mit dem Beschwerdeverfahren im Zusammenhang stehenden Kosten zu erstatten, wozu in diesem Fall auch die Erhöhung der Grundgebühr von 30% gehört, die nur durch die später angefochtene Entscheidung nach § 111a StPO überhaupt zugestanden wird. Bei der Verfahrensgebühr bleibt die Anwältin sogar unter einer Erhöhung von 30% der Mittelgebühr und berücksichtigt damit auch den Aufwand, der mit der Grundgebühr bereits abgegolten wurde.“

Ist m.E. so nicht zutreffend. M.E. hätte der „Beschwerdeaufwand“ nur bei der Verfahrensgebühr herangezogen werden dürfen. Eine Beschwerde bzw. Tätigkeiten im Hinblick darauf sind nicht mehr Einarbeitung und gehören daher zum Abgeltungsbereicht der Verfahrensgebühr. Bezirksrevisor hatte als mal Recht 🙂 .

So, und dann mal wieder <<Werbemodus an>>: Eine ganze Menge zu diesen Abgrenzungsfragen steht in Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021. Zum Bestellformular geht es hier. <<Werbemodus aus>>.

Die Verfahrensgebühr im Rechtsmittelverfahren, oder: „anwaltliche Kerntätigkeit im Rechtsmittelverfahren“

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Am heutigen „Gebührenfreitag“ stelle ich zwei amtsgerichtliche Entscheidungen zu RVG-Fragen vor.

Den Opener mache ich mit dem AG Halle/Saale, Beschl. v. 16.06.2021 – 322 Ds 370 Js 16649/20 – zur Thematik des Abgeltungsbereichs/Anfalls der Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren bei Rücknahme der Berufung. Die Entscheidung hat mir der Kollege Siebers aus Braunschweig geschickt.

Folgender Sachverhalt: Das AG hatte den ehemaligen Angeklagten am 10.02.2021 zu einer Geldstrafe verurteilt. Mit am selben Tag eingegangenem Schreiben vom 17.02.2021 hat der Kollege Berufung eingelegt. Ergänzend bat er für den Fall, dass die Staatsanwaltschaft kein Rechtsmittel einlegt oder ein eingelegtes Rechtsmittel zurücknimmt, um „einen kurzen Hinweis per Fax oder Mail, damit hier neu überdacht werden kann, wie mit dem diesseitigen Rechtsmittelverfahren wird.“ Am 26.02.2021 wurde dem Kollegen dann mitgeteilt. dass von der Staatsanwaltschaft keine Rechtsmittelschrift eingegangen sei. Darauf ging am 28.02.2021 ein Schreiben des Kollegen beim AG ein, in dem er mitteilte, das „wir nach der Mitteilung, dass die Staatsanwaltschaft kein Rechtsmittel eingelegt hat, die Sache nochmals erörtert [haben], mit dem Ergebnis, dass ich nunmehr namens und in Vollmacht des Angeklagten und kraft besonderer Ermächtigung die Berufung zurück nehme.“

Der Kollege hat die Festsetzung seiner in der Berufungsinstanz entstandenen Gebühren, u.a. auch die Verfahrensgebühr Nr. 4125 VV RVG, beantragt. Das AG/der Rechtspfleger hat den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat ist im Wesentlichen angeführt, dass die Verfahrensgebühr nicht entstanden sei, weil sowohl Einlegung als auch die Rücknahme des eingelegten Rechtsmittels noch zur 1. Instanz gehörten, wenn ein Rechtsmittel des Gegners nicht eingelegt war und der Rechtsanwalt nur vorbereitend tätig geworden sei. Zur nächsten Instanz gehöre etwa die Begründung des Rechtsmittels. Eine Begründung des Rechtsmittels sei nicht eingegangen.

Die dagegen gerichtete Erinnerung des Kollegen hatte Erfolg:

„In der Sache ist die Erinnerung auch begründet. Dem Verteidiger stehen die ihm im Antrag vom 28.02.2021 geltend gemachten Gebühren zu. Bei der von ihm beschriebenen Tätigkeit handelt es sich nicht mehr um eine Tätigkeit im 1. Rechtszug. sondern bereits um eine solche des Rechtsmittelzugs.

Fest steht, dass gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 die Einlegung von Rechtsmitteln bei dem Gericht desselben Rechtszuges durch den Verteidiger, der in dem Rechtszug tätig war, mit der Verfahrensgebühr des 1. Rechtszugs abgegolten ist. Auch die Beratung über die Aussichten eines noch nicht eingelegten Rechtsmittels durch den Verurteilten oder anderer Verfahrensbeteiligter zählt noch zu dem 1. Rechtszug.

Welche Handlungen des Verteidigers die Verfahrensgebühr hingegen nach Rechtsmitteleinlegung auslösen, lässt sich anhand der Bedeutung der Verfahrensgebühr ermitteln. Danach wird mit der Verfahrensgebühr jedes Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information abgegolten (Ziffer 2 VV Vorbemerkung zu Teil 4). Ausschlaggebend ist daher, ob der Verteidiger entsprechende Handlungen durchgeführt hat. Die Gebühr erfasst damit nicht nur Rechtsmittelbegründungen, sondern bereits die anwaltliche Prüfung und Beratung, ob und gegebenenfalls mit welchen Anträgen das Rechtsmittelverfahren weiter durchgeführt werden soll (KG Beschl. v. 20.1.2009 — 1 Ws 382/08, BeckRS 2010, 23725). Ist die Verfahrensgebühr dadurch entstanden, entfällt sie nicht dadurch, dass im Ergebnis der Besprechung das Rechtsmittel zurückgenommen wird (KG aaO). Auch Gespräche mit der Staatsanwaltschaft und/oder mit dem Gericht mit dem Ziel der Rücknahme der Berufung oder der Einleitung von Verständigungsgesprächen lösen die Verfahrensgebühr aus (Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 24. Aufl. 2019, RVG VV 4124 Rn. 8).

Davon zu unterscheiden ist der von der Bezirksrevisorin herangezogene Fall. den das Landgericht Hannover zu entscheiden hatte (LG Hannover. Beschluss vom 07.05.2013 – 58 Qs 6413 Js 95170/11 (13/13), juris). In jenem Fall hat der Verteidiger die Berufung ausdrücklich vorsorglich eingelegt. um im Falle eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft vorbereitet zu sein und die Frist zu wahren. Ausdrücklich wurde dort bereits mitgeteilt, dass bei dem Ausbleiben eines solchen Rechtsmittels die Berufung zurückgenommen werden sollte. In diesem Fall haben die entsprechenden Gespräche zwischen dem Verteidiger und dem dort Angeklagten bereits vor der Rechtsmitteleinlegung stattgefunden mit der Bedingung. dass im Falle. dass die Staatsanwaltschaft kein Rechtsmittel einlegt. der Verteidiger von vornherein beauftragt wurde, die Berufung zurückzunehmen. Insofern haben die entscheidenden Gespräche bereits vor Berufungseinlegung stattgefunden und gehören damit mit zu den Gebühren des 1. Rechtszugs. Nachdem die Staatsanwaltschaft dort kein Rechtsmittel eingelegt hatte, waren weitere Gespräche zwischen dem Verteidiger und dem dort Angeklagten nicht mehr erforderlich, sodass eine Verfahrensgebühr nicht entstehen konnte.

Abweichend davon hat der Verteidiger des hier Angeklagten bereits in der Berufungsschrift zwar mitgeteilt, dass er lediglich einen Hinweis erbat, ob ein Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft eingegangen ist. Darin liegt noch nicht die Bedingung, das Rechtsmittel im Falle des Ausbleibens eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft. dieses zurückzunehmen. Ausdrücklich wird mitgeteilt, dass in dem Fall neu überdacht werden könne, wie mit dem Rechtsmittelverfahren werde. Darin liegt gerade nicht die Ankündigung, das Rechtsmittel zurückzunehmen. Denkbar wäre auch, die Berufung lediglich auf das Strafmaß zu beschränken. Explizit erklärt der Verteidiger in dem Schreiben vom 28.02.2021 darüber hinaus, dass er die Sache mit dem Angeklagten nochmals erörtert habe, mit dem Ergebnis, dass die Berufung zurückgenommen werden solle. Hier behauptet der Verteidiger explizit die Erörterung der Sache mit dem Angeklagten nach Berufungseinlegung, womit alleine dieses Gespräch die Verfahrensgebühr auslöst (entsprechend des in der oben zitierten Entscheidung des Kammergerichts geschilderten Sachverhalts).

Ob dieses Gespräch tatsächlich stattgefunden hat. hat das Gericht mangels anderweitiger Hinweise nicht zu prüfen (KG aaO zumindest dem Sinn nach; explizit LG Hannover aaO).“

Stimmt/passt 🙂 .

StGB III: Tatobjekt bei der Geldwäsche n.F., oder: Durch Steuerhinterziehung ersparte Aufwendungen?

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Und als letzte Entscheidung der OLG Saarbrücken, Beschl. v. 26.05.2021 – 4 Ws 53/21 – zur Steuerhinterziehung und oder Geldwäsche. Das Fazit der Entscheidung: Durch Steuerhinterziehung ersparte Aufwendungen sind kein taugliches Tatobjekt im Sinne des § 261 Abs. 1 StGB i.d.F. des Gesetzes zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche vom 09.03.2021.

Auszugehen war von folgendem Sachverhalt:

„In dem gegen den Beschuldigten wegen des Verdachts der Geldwäsche geführten Ermittlungsverfahren hat das Amtsgericht Saarbrücken auf Antrag der Staatsanwaltschaft mit Beschluss vom 21. Dezember 2020 gemäß §§ 111e Abs. 1, 111j Abs. 1 StPO zur Sicherung der Vollstreckung des staatlichen Anspruchs auf Einziehung des Wertes von Taterträgen einen Vermögensarrest in Höhe von 485.000 € in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Beschuldigten und der D. Immobilien GmbH, S., als Gesamtschuldner angeordnet. Zur Begründung des Verdachts der Geldwäsche ist in dem Beschluss ausgeführt, dass der Beschuldigte verdächtig sei, im Zeitraum von 2012 bis 2020 Geldbeträge aus Steuerhinterziehungen über sein Firmenkonsortium mit Firmen in der Schweiz in andere, bereits gelöschte Unternehmen verschoben zu haben, um diese Geldbeträge scheinbar zu legalisieren und die inkriminierten Vermögenswerte vor den Behörden zu verbergen, indem er Gewinne seines Unternehmens „J. Grundstücksverwaltungs GmbH & Co. KG“ dadurch reduzierte, dass er Aufwendungen in Bezug auf Verbindlichkeiten zu seinem Unternehmen „T. AG“ in der Schweiz zum Schein generierte und damit seine Steuerpflicht verkürzte, sodann Geldbeträge aus der Steuerhinterziehung auf Konten der T. AG und der ebenfalls von ihm beherrschten „S. AG“ ? bei beiden Gesellschaften soll es sich um sogen. Domizilgesellschaften handeln ? transferierte und am 16.06.2020 einen Betrag von 485.000 € von der zu diesem Zeitpunkt bereits liquidierten S. AG an die ebenfalls bereits liquidierte D. Immobilien GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Liquidator er war, überwies.“

Das LG hat die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde des Beschuldigten verworfen. Er hatte beim OLG aber Erfolg:

„Der gemäß § 310 Abs. 1 Nr. 3 StPO statthaften und auch im Übrigen zulässigen weiteren Beschwerde kann der Erfolg in der Sache nicht versagt bleiben. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie des Beschlusses des Amtsgerichts Saarbrücken vom 21. Dezember 2020, da die Voraussetzungen für die Anordnung eines Vermögensarrestes gemäß § 111e Abs. 1 StPO nicht (mehr) vorliegen.

Nach § 111e Abs. 1 Satz 1 StPO kann zur Sicherung der Vollstreckung der Vermögensarrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Betroffenen angeordnet werden, wenn die Annahme begründet ist, dass die Voraussetzungen der Einziehung von Wertersatz vorliegen. Die Anordnung des Vermögensarrestes setzt danach – neben einem erforderlichen Sicherungsbedürfnis (vgl. Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 111e Rn. 5) – voraus, dass bestimmte Tatsachen die Annahme (im Sinne einer gewissen Wahrscheinlichkeit) begründen, dass die Voraussetzungen für eine spätere gerichtliche Anordnung der Wertersatzeinziehung vorliegen (vgl. Köhler, a.a.O., § 111e Rn. 4), mithin, dass ein einfacher Tatverdacht der Begehung einer Straftat besteht und Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Einziehung von Wertersatz in dem Urteil wegen der Tat oder im selbständigen Einziehungsverfahren (§ 76a StGB, §§ 435, 436 StPO) angeordnet werden wird (Köhler, a.a.O., § 111e Rn. 4; Hanseat. OLG Hamburg, Beschl. v. 26.10.2018 – 2 Ws 183/18, juris; KG Berlin, Beschl. v. 02.06.2020 – 4 Ws 21/20 -, juris).

Vorliegend besteht – anders als zum Zeitpunkt der Anordnung des Vermögensarrestes durch das Amtsgericht – der Verdacht eines Vergehens der Geldwäsche gemäß § 261 StGB nicht mehr. Das dem Beschuldigten in dem Vermögensarrest vorgeworfene Verhalten rechtfertigt nach der Neufassung des § 261 StGB durch das am 18.03.2021 in Kraft getretene Gesetz zur Verbesserung der strafrechtlichen Bekämpfung der Geldwäsche vom 9. März 2021 (BGBl. 2021 Teil 1, S. 327 ff.) nicht mehr die Annahme, dass sich der Beschuldigte wegen Geldwäsche strafbar gemacht habe. Denn nach § 261 Abs. 1 StGB in der seit dem 18.03.2021 geltenden Fassung handelt es sich bei dem Betrag von 485.000 € nicht (mehr) um einen Gegenstand, der aus einer rechtswidrigen Vortat herrührt. Macht der Vortäter – wie es hier dem Beschuldigten vorgeworfen wird – gegenüber der Finanzbehörde falsche Angaben und erreicht hierdurch, dass gegen ihn ein zu niedriger Steuerbetrag festgesetzt wird, handelt es sich bei den insoweit ersparten Aufwendungen in Höhe des Verkürzungsbetrags nicht um „illegal erworbene“ Vermögenswerte, sondern lediglich um einen rechnerischen Vorteil im Gesamtvermögen, der zwar konkret bezifferbar ist, sich aber nicht in einem bestimmten, von diesem abtrennbaren Vermögensbestandteil niederschlägt (amtl. Begründung BT-Drs. 19/24180, S. 17 und 14/7471, S. 9; Fischer, StGB, 68. Aufl., § 261 Rn. 11 m.w.N.). Um solche Vermögenswerte im Rahmen des Geldwäschetatbestands zu erfassen, sah § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB in der bis zum 17.03.2021 gültigen Fassung für bestimmte Delikte eine Erweiterung des Kreises der Tatobjekte gegenüber § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB vor und erstreckte ihn bei gewerbsmäßiger oder bandenmäßiger Steuerhinterziehung nach § 370 AO auch auf die durch die Steuerhinterziehung ersparten Aufwendungen. Diese Regelung ist in der seit dem 18.03.2021 gültigen Neufassung des § 261 StGB weggefallen. In der Gesetzesbegründung ist insoweit ausgeführt, dass wegen der mit dem Wegfall eines selektiven Vortatenkatalogs verbundenen erheblichen Ausweitung der Geldwäschestrafbarkeit an den bisher in § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB für bestimmte Steuerdelikte vorgesehenen Erweiterungen des Tatobjektsbegriffs nicht festgehalten werden soll (BT-Drs. 19/24180, S. 17). Der Wegfall des bisherigen § 261 Abs. 1 Satz 3 StGB widerspreche auch nicht Art. 2 Nr. 1 Buchstabe q der Richtlinie (EU) 2018/1673 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2018 über die strafrechtliche Bekämpfung der Geldwäsche (ABl. L 284 vom 12.11.2018), wonach Steuerstraftaten im Zusammenhang mit direkten und indirekten Steuern Vortat der Geldwäsche sein sollen, da es sich bei den durch die Steuerhinterziehung ersparten Aufwendungen gerade nicht um Fälle von Geldwäsche nach den Vorgaben der Richtlinie oder der Financial Action Task Force (FATF) handele. Als geldwäscherelevant würden sowohl nach der Richtlinie als auch nach der Empfehlung 3 der FATF Vermögensgegenstände bezeichnet, die aus einer kriminellen Tätigkeit stammen bzw. Erträge aus Straftaten sind. Ersparten Aufwendungen fehlte aber genau dieser kriminelle Ursprung, denn es handele sich regelmäßig um legal erworbenes Vermögen, das wegen der Tat nur weiterhin in der Vermögensgesamtheit des Täters als rechnerischer Vorteil verbleibe. Damit werde er aber nicht zu einem tauglichen Geldwäscheobjekt (BT-Drs. 19/24180, S. 18).

Werden danach durch eine Steuerhinterziehung ersparte Aufwendungen durch § 261 StGB in der seit dem 18.03.2021 gültigen Fassung nicht mehr erfasst, führt dies vorliegend dazu, dass der Beschuldigte sich nach diesem Gesetz, das vorliegend gemäß § 2 Abs. 3 StGB als das mildeste Gesetz – hierunter ist auch ein Gesetz zu verstehen, nach dem die Tat straflos ist (vgl. BGHSt 20, 119; Fischer, a.a.O., § 2 Rn. 10) – anwendbar ist, nicht wegen Geldwäsche strafbar gemacht hat.

Da der Senat im vorliegenden Beschwerdeverfahren auch nicht berufen ist, dem angeordneten Vermögensarrest eine andere, in einem weiteren Strafverfahren verfolgte Tat, namentlich die im Verfahren 5 Js 16/20 der Staatsanwaltschaft Saarbrücken verfolgten – bei Anordnung des Vermögensarrestes als Vortaten der Geldwäsche gewerteten – Taten der Steuerhinterziehung zugrunde zu legen, waren der angefochtene Beschluss und der – den Vermögensarrest anordnende – Beschluss des Amtsgerichts Saarbrücken vom 21. Dezember 2020 aufzuheben.“