Archiv für den Monat: April 2020

Mobiltelefon III: Nutzung an der roten Ampel, oder: Was gehört ins Urteil?

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Und als dritte „OWi-Entscheidung“ betreffend „Mobiltelefon dann noch der KG, Beschl. v. 27.02.2020 – 3 Ws (B) 48/20 – zum Umfang der  Urteilsfeststellungen bei § 23 Abs. 1b StVO.

Das KG hat einen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde verworfen und dazu informatorisch mitgeteilt:

„Allerdings ist zutreffend, dass die Urteilsfeststellungen nicht ausweisen, ob der Motor des vom Betroffenen geführten Fahrzeugs in Betrieb war, als er sein Smartphone an einer Rotlicht abstrahlenden Ampel hielt und nutzte. Nach § 23 Abs. 1b Nr. 1 StVO hängt von diesem Umstand aber ab, ob sich ein Kraftfahrzeugführer ordnungswidrig verhält oder nicht. Wer den Motor händisch abstellt und ein elektronisches Gerät nutzt, begeht keine Ordnungswidrigkeit (vgl. Senat, VRS 134, 154; OLG Köln DAR 2019, 398; Rinio, SVR 2019, 311; Bülte, NZV 2020, 12). Eine Ausnahme von dieser Ausnahme besteht nach § 23 Abs. 1b Satz 2 StVO für den Fall des „fahrzeugseitigen automatischen Abschaltens“.

Stellt das Urteil, wie hier, fest, dass der Betroffene das elektronische Gerät bei rotem Ampellicht stehend nutzte, könnte daher erwogen werden, vom Tatrichter Feststellungen dazu zu verlangen, ob der Motor tatsächlich lief oder „fahrerseitig“, also manuell, abgeschaltet war.

Jedenfalls hier bedurfte es solcher Feststellungen aber nicht, weil das Urteil die Einlassung des Betroffenen wiedergibt. Danach hat sich der Betroffene lediglich darauf berufen, einen anderen Gegenstand gehalten zu haben, nicht aber behauptet, den Motor ausgeschaltet zu haben. Unter dem Gesichtspunkt, dass die schriftlichen Urteilsgründe dokumentieren sollen, dass die Entscheidung auf einer „rationalen, verstandesmäßig einsehbaren Grundlage unter Berücksichtigung des Vorbringens des Angeklagten“ beruht (vgl. Kuckein/Bartel in Karlsruher Kommentar, StPO 8. Aufl., § 267 Rn. 1) erforderten die Urteilsfeststellungen damit nicht die ausdrückliche Erwähnung, dass der Motor des stehenden Kraftfahrzeugs in Betrieb war.“

Nun ja, das kann man m.E. auch anders sehen. Ich finde den ersten Absazu der KG-Entscheidung überzeugender. Denn wenn der Betroffene stand, durfte er das Mobiltelefon ggf. nutzen. Muss er sich darauf berufen, dass der Motor ausgestellt war? Beweis-/Darlegungslast beim Betroffenen?

Mobiltelefon II: Vorsatzverurteilung, oder: Rechtlicher Hinweis nicht erforderlich

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Als zweite Entscheidung dann der KG, Beschl. v. 30.12.2019 – 3 Ws (B) 386/19. Er behandelt eine verfahrensrechtliche Problematik in Zusammenhang mit der dem „Handyverstoß“, nämlich die Frage: Muss es ggf. einen rechtlichen Hinweis auf  die Möglichkeit der Verurteilung wegen Vorsatzes geben? Das KG sagt: Nein.

 Lediglich klarstellend bemerkt der Senat:

„1. Der Bußgeldbescheid ging, wie sich aus dem Vorwurf selbst und insbesondere aus der angegebenen Nr. 246.1 BKat ergibt, von vorsätzlicher Tatbegehung aus. Dieser Tatbestand, der schon logisch kaum anders als vorsätzlich begangen werden kann, findet sich im Abschnitt II des Bußgeldkatalogs, der wie folgt überschrieben ist: „Vorsätzlich begangene Ordnungswidrigkeiten“. Eines Hinweises auf die beabsichtigte Verurteilung wegen vorsätzlicher Tatbegehung bedurfte es bei dieser Sachlage nicht.

2. Die Inbegriffsrüge führt – auch unter dem Gesichtspunkt der Verletzung rechtlichen Gehörs – schon deshalb nicht zum Erfolg, weil sich sogar aus dem Rechtsbeschwerdevorbringen ergibt, dass der Betroffene über seinen Verteidiger eingeräumt hat, das Fahrzeug zur Tatzeit geführt zu haben. Selbst wenn das Amtsgericht versäumt hätte, das Geständnis in die Hauptverhandlung einzuführen, könnte das Urteil nicht auf einem solchen Verfahrensfehler beruhen….“

Mobiltelefon I: Benutzungsverbot, oder: Was darunter fällt, ist geklärt

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Heute dann drei OWi-Entscheidungen, und zwar alle drei zum Mobiltelefon/elektronischen Gerät im Straßenverkehr (§ 23 Abs. 1a StVO). Alle drei Entscheidungen kommen vom KG, das inzwischen wieder im 21. Jahrhundert angekommen ist 🙂 . Alle drei enthalten aber nichts wesentlich Neues.

Auf der Startposition der KG, Beschl. v. 07.11.2019 – 3 Ws (B) 360/19 -, der noch einmal zu der Frage Stellung genommen hat, welche Handlungen von § 23 Abs. 1a StVO erfasst werden. Das KHG meint dazu – ohne näher darzulegen, um welche „Handlung“ es denn hier ging:

„In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist hinreichend geklärt und bedarf deshalb keiner (weiteren) Entscheidung durch den Senat, welche Handlungen im Einzelnen die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1a StVO erfüllen. So ist das bloße Aufnehmen oder Halten eines elektronischen Gerätes – ohne das Hinzutreten eines Benutzungselementes – nicht ausreichend, den Tatbestand des § 23 Abs. 1a StVO zu erfüllen (vgl. Senat, Beschluss vom 14. August 2019 – 3 Ws (B) 273/19 -; OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. Januar 2019 – 2 Rb 24 Ss 1269/18 -; OLG Brandenburg, Beschluss vom 18. Februar 2019 – (2 Z) 53 Ss-OWi 50/19 (25/19) -; OLG Hamm, Beschluss vom 28. Februar 2019 – 4 RBs 30/19 -; OLG Oldenburg, Beschluss vom 17. April 2019 – 2 Ss (OWi) 102/19, alle bei juris; OLG Celle, Beschlüsse vom 7. Februar 2019 – 3 Ss (OWi) 8/19 -, juris und vom 24. Juni 2019 – 2 Ss (Owi) 192/19 -, BeckRS 2019, 12872). Erforderlich ist vielmehr ein Zusammenhang des Aufnehmens oder Haltens mit einer der Bedienfunktionen des Gerätes, also mit seiner Bestimmung zur Kommunikation, Information oder Organisation (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht 45. Aufl., § 23 StVO Rn. 32). Eine Benutzung des Gerätes setzt indessen nicht voraus, dass etwa eine Verbindung zum Mobilfunknetz zustande kommt, vielmehr ist eine solche bereits bei Ablesen der Uhrzeit oder des Ladezustandes (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 7. Februar 2019, a.a.O.) oder bei Betätigung einer Taste zur bloßen Kontrolle der Funktionstüchtigkeit des Gerätes (vgl. KG, Beschluss vom 14. Mai 2019 – 3 Ws (B) 160/19 -, juris) gegeben. Ein Zusammenhang zwischen dem Halten des Geräts und seiner Bedienfunktion ist ebenso gegeben, wenn der Betroffene während der Fahrt ein Mobiltelefon in der Hand hält und mehrere Sekunden auf das Display schaut (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26. April 2019 – 3 RBs 45/19 -, juris; OLG Celle, Beschluss vom 7. Februar 2019 a.a.O.; OLG Oldenburg a.a.O.). Ferner können aus der Art und Weise, in der das Gerät gehalten wird, Rückschlüsse auf dessen Nutzung gezogen werden (OLG Oldenburg a.a.O.). Es bedarf jedoch weder der Feststellung, welche Bedienfunktion konkret genutzt worden ist, noch ist die Wahrnehmung von Sprechbewegungen für die Annahme einer Nutzung des Gerätes zwingend erforderlich (vgl. OLG Hamm a.a.O.).

Die Frage, ob sich die Tatrichterin an diese Rechtsprechung gehalten hat, ist lediglich eine solche des Einzelfalls, die die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts nicht gebietet (vgl. Senat, Beschluss vom 22. September 2017 – 3 Ws (B) 260/17 -, m.w.N.).“

Pflichti III: Bestellung in der Strafvollstreckung, oder: Zwei Jahre Freiheitsstrafe und Haft

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Und als dritte und letzte Entscheidung heute der LG Halle, Beschl. v. 04.03.2020 – 7 BRs -383Js69115/16(39/19) – ergangen im Strafvollstreckungsverfahren.

Gestritten worden ist um den Widerruf von Strafaussetzzung zur Bewährung (§ 56 f StGB). das LG hat einen Pflichtverteidiger bestellt:

„Die Kammer sieht die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Pflichtverteidigers entsprechend § 140 Abs. 2 StPO als gegeben an. Die Beiordnung im Widerrufsverfahren ist nur dann geboten, wenn die Schwere der neuen Tat oder die Schwierigkeit der Sach-oder Rechtslage oder die Unfähigkeit des Verurteilten, seine Rechte sachgerecht wahrzunehmen, dies erfordert. Angesichts der im Raum stehenden Freiheitsstrafe von 2 Jahren und der gegenwärtigen Inhaftierung des Verurteilten war von einer rechtlich schwierigen und tatsächlich folgenreiche Konstellation auszugehen.“

Pflichti II: Nachträgliche Beiordnung, oder: Die Rechtslage hat sich geändert

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Und als zweite „Pflichtverteidigerentscheidung“ ein weiterer Beschluss zur nachträglichen Beiordnung, nämlich den LG Passau, Beschl. v. 15.04.2020 – 1 Qs 38/20, den ich vom Kollegem Wamser aus Passau erhalten habe.

Auch hier geht es um nachträgliche Bestellung nach Einstellung des Verfahrens nach § 154 StPO. Ebenso wie inzwischen eiinige andere Instanzgerichte auch verabschiedet sich das LG von der alten Rechtsprechung und ordnet auf der Grundlage der gesetzlichen Neuregelung den Pflichtverteidiger bei.

„2. Das Rechtsmittel ist zudem begründet.

In dem hier vorliegenden Fall der notwendigen Verteidigung war dem Beschuldigten unverzüglich nach seiner Antragstellung ein Pflichtverteidiger zu bestellen (§ 141 Abs. I S. I StPO). Die Bestellung kann in dieser Konstellation auch rückwirkend erfolgen.

a) Ein Fall der notwendigen Verteidigung lag nach § 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO vor, da der Beschwerdeführer sich seit dem 08.01.2020 in anderer Sache in Strafhaft in der JVA Passau befindet.

b) Der Beiordnungsantrag vom 23.03.2020 ging rechtzeitig vor Abschluss des Verfahrens ein (Eingangsstempel der Justizbehörden Passau vom selben Tag), auch wenn die Einstellung des Verfahrens am 24.03.2020 in Unkenntnis der Staatsanwaltschaft von diesem Antrag erfolgte.

Somit wäre am 23.03.2020 eine Pflichtverteidigerbestellung unverzüglich veranlasst gewesen. Die Einschränkungen des § 141 Abs. 2 S. 3 StPO kommen hier nicht zur Anwendung.

Die Kammer merkt an, dass im vorliegenden Fall ein Pflichtverteidiger bereits anlässlich der polizeilichen Vernehmung des Beschwerdeführers in der JVA Passau am 12.03.2020 nach §§ 141 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. I, 142 Abs. 2 StPO n.F. unverzüglich von Amts wegen und gemäß dem neu eingefügten § 141a Satz I StPO vor der Vernehmung hätte bestellt werden müssen.

Nach § 141 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StPO wird dem Beschuldigten, der noch keinen Verteidiger hat, unabhängig von einem Antrag in den Fällen der notwendigen Verteidigung ein Pflichtverteidiger bestellt, sobald bekannt wird, dass der Beschuldigte, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist, sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet.

aa) Erforderlich ist die Kenntnisnahme der Justizbehörden von der Freiheitsentziehung des Beschuldigten. Die Kenntnis der ermittelnden Polizeibeamten von der Inhaftierung des Beschuldigten reicht aus.

Nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 19/13829, S. 37) kommt es je nach Verfahrensstadium auf die Kenntnis der Staatsanwaltschaft bzw. des Gerichts von der Inhaftierung bzw. Unterbringung des Beschuldigten an. Hier war der Staatsanwaltschaft die Inhaftierung des ehemals Beschuldigten nach Aktenlage erst seit dem 23.03.2020 bekannt. Jedoch ist ihr die zeitlich frühere Kenntnis ihrer Ermittlungspersonen zuzurechnen. Die PI Passau hätte vor der Vernehmung des Beschuldigten am 12.03.2020 die Staatsanwaltschaft einschalten müssen, damit diese nach § 141 Abs. 2 StPO vorgehen kann (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation BeckOK-StPO/Krawczyk, 36. Ed. 1.1.2010, § 142 Rn. 7).

bb) Es konnte nicht ausnahmsweise von einer Verteidigerbestellung von Amts wegen abgesehen werden; der Ausnahmefall des § 141 Abs. 2 Satz 3 StPO ist nicht einschlägig.

Nach dieser Vorschrift kann von der Verteidigerbestellung bei Haft in anderer Sache abgesehen werden, wenn eine alsbaldige Verfahrenseinstellung beabsichtigt ist und solange keine anderen Untersuchungshandlungen als die Einholung von Registerauskünften oder die Beiziehung von Urteilen oder Akten, mithin solche ohne Außenwirkung, vorgenommen werden sollen. Die vorgenommenen Beschuldigten- und Zeugenvernehmungen sind wesentliche andere Untersuchungshandlungen (vgl. BT-Drs. 19/13829, S. 38; s. auch Böß, NStZ 2020, 185, 190), die die Anwendung des § 141 Abs. 2 Satz 3 StPO ausschließen. Auch bestand im Zeitpunkt der polizeilichen Vernehmung noch keine Einstellungsabsicht.

cc) Der ab der Eröffnung des Tatvorwurfs (hier wohl am 12.03.2020) entstehenden, amtswegigen Beiordnungspflicht wurde nicht genügt. Die Bestellung hätte bereits vor der Vernehmung des Beschuldigten erfolgen müssen, da auch keine in § 141a StPO geregelte Ausnahme einschlägig war.

c) Eine rückwirkende Beiordnung des Pflichtverteidigers ist auf Grundlage der seit dem 13.12.2019 geltenden Rechtslage (BGBI. 2019 1, S. 2128; dazu Böß, NStz 2020, 185) zumindest dann zulässig, wenn – wie hier – der Antrag auf Beiordnung rechtzeitig gestellt wurde, bereits zuvor von Amts wegen eine Bestellung hätte erfolgen müssen und trotzdem vor der Verfahrenseinstellung die Bestellung eines Pflichtverteidigers unterblieb.

aa) Zwar ist eine rückwirkende Beiordnung nach auf der früheren Rechtslage beruhenden höchstrichterlicher und weit überwiegender obergerichtlicher Rechtsprechung unzulässig und unwirksam (BGH NStZ-RR 2009, 348; OLG München, Beschl. v. 13,01.2012 – 1 Ws 25/12; OLG Hamm NStZ-RR 2009, 113; OLG Köln NStZ-RR 2011, 325). Dies gelte auch dann, wenn der Antrag rechtzeitig gestellt, aber versehentlich nicht über ihn entschieden wurde, weil die Beiordnung im Strafprozess nicht im Kosteninteresse des Beschuldigten erfolgt, sondern allein dem Zweck dient, die ordnungsgemäße Verteidigung in einem noch ausstehenden Verfahren zu gewährleisten.

bb) Nach der Rechtsprechung einzelner Landgerichte gilt dies nicht ausnahmslos (LG Potsdam StraFo 2004, 381; LG Schweinfurt StraFo 2006, 25; LG Hamburg StV 2000, 207; umfassender Nachweis bei KG StV 2007, 372; vgl. auch Meyer-Goßner/Schmitt § 141 Rn. 8). Eine rückwirkende Beiordnung des Verteidigers nach Beendigung eines Verfahrens (durch Einstellung) sei ausnahmsweise dann geboten, wenn aufgrund von Umständen, die nicht in der Sphäre des Beschuldigten liegen, die Entscheidung über einen vor Beendigung des Verfahrens gestellten Beiordnungsantrag gänzlich unterblieben ist oder erst mit Verzögerung bearbeitet wurde. Ob dieser auf Basis der früheren Rechtslage entwickelten Rechtsprechung generell gefolgt wird, bedarf hier keiner Entscheidung.

cc) Nach Ansicht der Kammer ist jedenfalls in der vorliegenden Konstellation die rückwirkende Beiordnung zulässig.

Grundsätzlich folgt aus der Notwendigkeit der Verteidigung (§ 140 StPO) nicht unmittelbar die Notwendigkeit der Pflichtverteidigerbestellung; den Zeitpunkt der Bestellung regeln §§ 141, 141a StPO. Das eigene Antragsrecht des Beschuldigten nach § 141 Abs. 1 StPO dient dazu, in zeitlicher Hinsicht die Phase des Strafverfahrens abzudecken, in der § 140 StPO die Verteidigung bereits für notwendig erachtet, aber noch keine Pflicht zur Beiordnung eines Verteidigers von Amts wegen besteht (dazu Böß , NStZ 2020, 185, 188). Wenn die (engen) Voraussetzungen des § 141 Abs. 2 StPO vorliegen, bedarf es keiner Mitwirkungshandlung des Beschuldigten. In den Sonderkonstellationen des § 141 Abs. 2 Nrn. I bis 3 StPO, die dadurch geprägt sind, dass der Beschuldigte in seiner Verteidigungsfähigkeit in besonderem Maße eingeschränkt ist, bedarf dieser bereits im Ermittlungsverfahren eines erhöhten verfahrensrechtlichen Schutzes.

Ein Ausschluss der rückwirkenden Bestellung ist in den Fällen der Verletzung dieser Schutzposition vorliegend nicht sachgerecht, zumal die rechtzeitig von Amts wegen zu treffende Entscheidung über die Beiordnung durch das zuständige Gericht allein aufgrund justizinterner Vorgänge unterblieb. Dies hatte vorliegend erhebliche Auswirkungen auf den weiteren Verfahrensgang, weil die Beschuldigtenvernehmung, anders als nach der alten Rechtslage, ohne eine vorherige Beiordnung nicht hätte erfolgen dürfen. Wenn der Beschuldigte anlässlich der dennoch erfolgten Vernehmung einen Verteidiger mandatiert und dieser in Unkenntnis der bevorstehenden Einstellung rechtzeitig dessen Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragt (wobei er davon ausgehend darf, dass seinem Antrag unverzüglich stattgegeben wird), ist es aus Billigkeitserwägungen geboten, ausnahmsweise eine rückwirkende Beiordnung vorzunehmen. Auch nach einer Einstellung kann der Zweck der Bestellung (sinnvolle Wahrnehmung der Rechte des Beschuldigten im Strafverfahren) grundsätzlich noch erreicht werden (vgl. Entscheidungen nach dem StrEG; Klärung von Kostenfragen §§ 467, 469 StPO).“

Auch ein schöner Beschluss….