Nochmals: Verpasste Umsetzung der RiLi 2016/1919, oder: Auch in Freiburg gibt es einen Pflichtverteidiger

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Die 33. KW. eröffne ich dann mit einem Pflichtverteidiger-Beschluss. Dies außer der Reihe, aber im Anschluss an den LG Chemnitz, Beschl. v. 30.07.2019 – 5 Qs 316/19 , über den ich in der vergangenen Woche berichtet habe (vgl. hier: Pflichti I: Verpasste Umsetzung der PKH-Richtlinie 2016/1919, oder: Wir wenden die RiLi an…..).

Im AG Freibrug, Beschl. v. 05.08.2019 –  JSch 19 Ge 64/19 jug -, den mir der Kollege Tobias Schmidt aus Freiburg geschickt hat, geht es ebenfalls um die Anwendung der bislang nicht umgesetzten RiLi 2016/1919. Das AG hat beigeordnet, und zwar nachträglich (!):

„Die Staatsanwaltschaft Freiburg ist dem Antrag auf Beiordnung mit der Begründung entgegengetreten, es liege kein Fall der Inhaftierung, mithin kein Fall von § 68 Nr. 1 JGG, 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO – vor und es sei auch keine weitere Beschuldigtenvernehmung beabsichtigt.

Nach Ablauf der Frist zur Umsetzung der Richtlinien (EU) 2016/800  und 2016/1919 gelten die Regelungen der Richtlinie, die für jugendliche, heranwachsende und erwachsene Beschuldigte gleichermaßen den sog. Verteidiger der ersten Stunde einführen, jedoch mittelbar und sind insbesondere bei den Beiordnungsvorschriften zu beachten, die aufgrund der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe offen sind für die umzusetzenden Vorschriften der Richtlinien. Hier ist zunächst § 141 Abs. 3 StPO in der geltenden Fassung maßgeblich, der bestimmt, dass ein Verteidiger im Vorverfahren bestellt werden kann.

Bei der Frage, ob diese Kann-Vorschrift nach Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinien zu einer zwingenden Norm erstarkt ist, orientiert sich das Amtsgericht an den Regelungen des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung, der – teilweise auch in Umsetzung der Richtlinie 2016/191 – in §§ 109 Abs. 1 S. 1, 68 a JGG vorsieht, dass dem heranwachsenden Be-schuldigten in den Fällen der notwendigen Verteidigung (dazu unter 1.) ein Pflichtverteidiger spätesten, (dazu unter 2.) bestellt wird, bevor eine Vernehmung durchgeführt wird.

1. Hier liegt nach geltendem Recht ein Fall notwendiger Verteidigung deshalb vor, da gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung, die nach §§ 12 Abs. 1, 177 Abs. V, VI StGB ein Verbrechen darstellen, gerührt wurde, §§ 68 Nr. 1 JGG, 140 Abs. 1 Nr. 2 JGG.

2. Der Zeitpunkt, zu dem vorliegend eine Beiordnung hätte erfolgen müssen, ist hier ferner längst verstrichen.

a) Das Amtsgericht ist mit der Staatsanwaltschaft zwar der Auffassung, dass eine Beiordnung grundsätzlich dann nicht mehr veranlasst ist, wenn eine erste Beschuldigtenvernehmung nicht mehr zu erwarten ist.

b) Dies kann jedoch dann nicht gelten, wenn bereits eine Beschuldigtenvernehmung wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung und Vergewaltigung – wie hier am 27.05.2019 ¬durchgeführt wurde, ohne dass ein Verteidiger bestellt wurde, und der ordnungsgemäß belehrte Beschuldigte dies berechtigterweise zum Anlass nimmt, einen Verteidiger zu konsultieren, der in der Folge im Ermittlungsverfahren auch tätig wird.

Diese Auslegung steht schließlich in Übereinstimmung mit Artikel 2 Abs. 3 der Richtlinie 2016/1919, der bestimmt, dass die Beiordnungsvorschriften sogar auch für Personen gelten, die ursprünglich nicht Verdächtige oder beschuldigte Personen waren, aber während der Befragung durch die Polizei oder eine andere Strafverfolgungsbehörde zu Verdächtigen oder beschuldigten Personen werden.“

2 Gedanken zu „Nochmals: Verpasste Umsetzung der RiLi 2016/1919, oder: Auch in Freiburg gibt es einen Pflichtverteidiger

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