Archiv für den Monat: Juli 2019

Porsche gegen Audi R8, oder: Veranstaltung im Sinn der AKB

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Und als zweite „Samstags-Entscheidung“ dann das OLG München, Urt. v. 24.05.2019 – 10 U 500/16, über das der Kollege Gratz ja auch schon berichtet hat.

Das Besondere an dieser Entscheidung: Das OLG nimmt in einem Zivilrechtsstreit zum Begriff des „Rennens“ Stellung, der ja inzwischen auch im Strafverfahren in Zusammenhang mit § 315d StGB eine große Rolle spielt.

Es geht um folgendes (Verkehrs)Geschehen: Der Kläger fuhr mit seinem Porsche in dem Bereich einer Landstraße, in dem die Geschwindigkeit auf 70 km/h beschränkt war. Hinter ihm fuhr ein Audi R8. Der fuhr so nah auf, dass sich der Kläger von ihm bedrängt fühlte. Der Kläger hat dann seinen Porsche auf 140km/h beschleunigt. Der Audi hat seine Geschwindigkeit nicht erhöht, so dass sich der Abstand der beiden Fahrzeuge vergrößerte. In einer Kurve verlor der Kläger die Kontrolle über seinn Porsche und stieß mit einem entgegenkommenden Pkw zusammen.

Der Kläger hat gegen seinen Vollkaskoversicherer Ansprüche geltend gemacht. Das LG hat der Klage stattgegeben, das OLG hat die Berufung verworfen und dabei auch zum geltend gemachten „Risikoausschluss“ Stellung genommen:

“ Die Beklagte kann sich nicht auf einen Risikoausschluss nach den AKB berufen, weil die Voraussetzungen eines solchen nicht bewiesen sind. Nach § 286 I 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Diese Überzeugung des Richters erfordert keine – ohnehin nicht erreichbare- absolute oder unumstößliche, gleichsam mathematische Gewissheit (vgl. RGZ 15, 338 [339]; BGH NJW 1998, 2969 [2971]; BAGE 85, 140; Senat NZV 2006, 261, st. Rspr., zuletzt etwa NJW 2011, 396 [397] und NJW-RR 2014, 601; KG NJW-RR 2010, 1113) und auch keine „an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“, sondern nur einen intersubjektiv vermittelten (vgl. § 286 I 2 ZPO), für das praktische Leben brauchbaren Grad von (persönlicher) Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet (grdl. BGHZ 53, 245 [256] – Anastasia, st. Rspr., zuletzt etwa NJW 2014, 71 [72] und VersR 2014, 632 f.; BAGE 85, 140; OLG Frankfurt a. M. zfs 2008, 264 [265]; Senat VersR 2004, 124; NZV 2006, 261; NJW 2011, 396 [397]; SP 2012, 111; LG Leipzig NZV 2012, 329 [331]), was auch für innere Vorgänge gilt (BGH NJW-RR 2004, 247; BayObLG SeuffArch 56 [1901] 110 f. [Nr. 63]).

Zum Risikoausschluss, weil eine Rennveranstaltung vorgelegen habe:

a) Maßgebliches Merkmal eines Rennens ist die Erzielung einer „Höchstgeschwindigkeit“ (BGH NJW 2003, 2018). Insoweit wird es etwa bei der Vorschrift des § 29 StVO als ausreichend erachtet, dass die Höchstgeschwindigkeit zumindest mitbestimmend ist. Um ein Rennen handelt es sich danach auch bei einem Wettbewerb, bei dem die höchste Durchschnittsgeschwindigkeit bei Zurücklegung der Strecke zwischen Start und Ziel ermittelt wird (BGH aaO). Der Risikoausschluss gilt nicht nur für Rennen im sportlichen Sinne, sondern für Rennen jeder Art, insbesondere Geschwindigkeits-, Touren-, Sternfahrten u.ä., solange es um die Erzielung der höchsten Geschwindigkeit geht, mag diese auch nach den gegebenen Voraussetzungen in der absoluten Ziffer niedriger liegen können als bei Rennveranstaltungen im engeren Sinn. Für § 2 Nr. 3 b AKB a.F. hat der Bundesgerichtshof ausgesprochen, dass Fahrveranstaltungen, die auf besonders gesicherten oder abgesperrten Straßen stattfinden, ohne weiteres vom Anwendungsbereich der Ausschlussklausel erfasst werden, wenn für den Sieg im Wettbewerb die höchste Geschwindigkeit entscheidend ist (BGH VersR 1976, 381, 382). Allerdings ist dieses Merkmal nicht als erfüllt angesehen worden, wenn die Fahrveranstaltung auf einer öffentlichen Straße ausgetragen wurde, die Teilnehmer die Verkehrsvorschriften zu beachten hatten und die Veranstaltung lediglich auf die Erzielung einer hohen Durchschnittsgeschwindigkeit ausgerichtet war (BGH, aaO, S. 383).

b) Weiter erfordert der Risikoausschluss vorliegend nach den zu Grunde zu legenden AKB das Vorliegen einer „Veranstaltung“. Selbst wenn man den Sachvortrag der Beklagten zugrunde legt, wonach der Kläger versucht habe, schneller als der hinter ihm fahrende Streitverkündete zu sein, so handelt es sich doch nicht um eine solche „Fahrveranstaltung“ i.S.v. A.2.17.3. der AKB. Die regelmäßig im Straßenverkehr stattfindenden Versuche von Verkehrsteilnehmern, an anderen Verkehrsteilnehmern vorbei zu fahren, diese zu überholen bzw. die Versuche der jeweils anderen Verkehrsteilnehmer, eben dies zu verhindern, sind selbst dann, wenn dies unter Missachtung oder Verletzung von Vorschriften der StVO geschieht, keine „Veranstaltung“, sondern allenfalls ein privates „Kräftemessen“ oder ein bloßes Ausleben von Egoismen (OLG Bamberg VersR 2010, 1029; Grimm in Beck-online, Unfallversicherung, 5. Aufl. 2013, AUB 2010 Ziffer 5, Rz. 60, 61). Freilich kann ein solches „Kräftemessen“, wenn es wie vorliegend unter Verletzung von Verkehrsvorschriften erfolgt, den Tatbestand einer Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c StGB) erfüllen. Der Versicherungsschutz ist dann nach A.2.17.1 der AKB ausgeschlossen. Bedingungsgemäß erfordert dies jedoch nicht nur eine Tatbestandsverwirklichung, sondern auch die Schuldform des Vorsatzes (s.u. 2.).

c) Für eine „Veranstaltung“ fehlt vorliegend jeglicher Anhaltspunkt und ein Rennen setzt zumindest eine wenn auch stillschweigende Übereinkunft der Beteiligten voraus.

(1) Letzteres scheitert schon nach dem unstreitigen Tatbestand des Ersturteils, an den der Senat gebunden ist. Danach bestand der Grund für die Geschwindigkeitsüberschreitung des Klägers, sich von einem dahinter fahrenden R 8 abzusetzen, welcher den Kläger nach dessen Vorbringen bedrängte. Der Tatbestand des Ersturteils bestimmt den für das Berufungsgericht nach § 529 I Nr. 1 ZPO maßgeblichen Sachverhalt (BVerfG NJW 2005, 657 [i. Erg.]; RGZ 2, 401; BGH VersR 1959, 853; 1983, 1160; BGHZ 140, 335 [339]; NJW 2001, 448; NJW-RR 2002, 1386 [1388]; NJW 2004, 1381; MDR 2007, 853; NJW-RR 2009, 981; BAGE 8, 156; BFH BFH/NV 1999, 1609; OLG Stuttgart NJW 1969, 2055; OLG München BauR 1984, 637 und Senat in st. Rspr., u. a. r+s 2010, 434; OLG Karlsruhe NJW-RR 2003, 778 (779) und 891 (892); OLG Rostock OLGR 2004, 61; vgl. zu dem Fragenkreis umfass. Doukoff, a.a.O. Rz. 128-132). Mit der Berufung kann eine Tatbestandsberichtigung grundsätzlich nicht herbeigeführt werden (BGH VersR 1959, 853; 1983, 1160; BGHZ 122, 297; NJW 1994, 517; BGHZ 182, 76 [unter II 1]; OLG Stuttgart NJW 1969, 2055; OLG München BauR 1984, 637 und Senat in st. Rspr., u. a. r+s 2010, 434; OLG Karlsruhe NJW-RR 2003, 778 [779] und 891 [892]; Doukoff, a.a.O. Rz. 137; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 36. Aufl. 2015, § 320 Rz. 1). Wenn die Beklagte die erstgerichtliche Feststellung zum Grund der Geschwindigkeitsüberschreitung nicht hätte hinnehmen wollen, hätte sie ein – fristgebundenes – Tatbestandsberichtigungsverfahren nach § 320 ZPO durchführen müssen (Senat in st. Rspr., u. a. r+s 2010, 434).

(2) Von einer Rennveranstaltung konnte sich der Senat aber auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht überzeugen……“

Halterhaftung, oder: Zurechnung der Betriebsgefahr auch noch nach 1 1/2 Tagen

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Im „Kessel Buntes“ heute dann zunächst eine BGH, Entscheidung, und zwar das BGH, Urt. v. 26.03.2019 – VI ZR 236/18. Es geht um die Halterhaftung des § 7 StVG.

Grundlage der Entscheidung ist folgender Sachverhalt:

Die Versicherungsnehmerin der Beklagten zu 2 verursachte mit ihrem Pkw Opel am 7. April 2015 gegen 14.30 Uhr – allein verschuldet – einen Verkehrsunfall, bei dem der Pkw Mercedes des Versicherungsnehmers der Beklagten zu 1 im Frontbereich erheblich beschädigt wurde. Der nach dem Unfall nicht mehr fahrbereite Pkw Mercedes wurde zunächst auf das Betriebsgelände eines Abschleppdienstes verbracht und von dort am nächsten Tag auf Veranlassung des Versicherungsnehmers der Beklagten zu 1 vom Zeugen J., der Inhaber eines Autohandels mit Kfz-Werkstatt war, abgeholt und auf sein Betriebsgelände geschleppt. Der Zeuge schob den Pkw Mercedes in seine Werkstatt und zog den Schlüssel; die Batterien klemmte er nicht ab. In der darauffolgenden Nacht auf den 9. April 2015 kam es gegen 0.30 Uhr zu einem Kurzschluss am zum Kühlerlüfter-Motor führenden Leitungssatz im Frontbereich des in der Werkstatt befindlichen Pkw Mercedes, der durch die mechanische Einwirkung auf die elektrischen Leiter in Folge des Unfallgeschehens ausgelöst wurde. Der Kurzschluss führte zu einem großflächigen Brand in der Werkstattgarage mit einem Übergreifen des Feuers auf das benachbarte Wohnhaus des Zeugen und die darin befindliche Wohnung der Mutter des Zeugen.
Die Klägerin ist Gebäudeversicherer des Zeugen und Hausratsversicherer seiner Mutter und macht gegen die Beklagten Ansprüche aus übergegangenem Recht (§ 86 Abs. 1 VVG und, soweit die Ansprüche des Zeugen wegen Unterversicherung gekürzt worden seien, nach Abtretung) geltend.“

Das LG hat das Klagebegehren im Wesentlichen für gerechtfertigt erklärt. Auf die Berufungen der Beklagten hat das OLG die Klage insgesamt abgewiesen.

Der BGH sieht es anders als das OLG:

„Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Die Klägerin hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Ersatz des ihren Versicherungsnehmern entstandenen Sachschadens gegen die Beklagten als Gesamtschuldner aus § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, § 7 Abs. 1 StVG i.V.m. § 86 Abs. 1 VVG und § 398 BGB, § 421 BGB.

1. Voraussetzung des § 7 Abs. 1 StVG ist, dass eines der dort genannten Rechtsgüter „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ verletzt bzw. beschädigt worden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist dieses Haftungsmerkmal entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Denn die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeugs erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die Vorschrift will daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann „bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit)geprägt worden ist (Senatsurteile vom 24. März 2015 – VI ZR 265/14, NJW 2015, 1681 Rn. 5; vom 21. Januar 2014 – VI ZR 253/13, BGHZ 199, 377 Rn. 5; vom 31. Januar 2012 – VI ZR 43/11, BGHZ 192, 261 Rn. 17; vgl. ferner Senatsurteil vom 5. Juli 1988 – VI ZR 346/87, BGHZ 105, 65, 66 f.). Erforderlich ist aber stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist (Senatsurteile vom 24. März 2015 – VI ZR 265/14, NJW 2015, 1681 Rn. 5; vom 21. Januar 2014 – VI ZR 253/13, BGHZ 199, 377 Rn. 5; vom 31. Januar 2012 – VI ZR 43/11, BGHZ 192, 261 Rn. 17; vgl. ferner Senatsurteil vom 3. Juli 1962 – VI ZR 184/61, BGHZ 37, 311, 315). Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht (vgl. Senatsurteile vom 24. März 2015 – VI ZR 265/14, NJW 2015, 1681 Rn. 5; vom 21. Januar 2014 – VI ZR 253/13, BGHZ 199, 377 Rn. 5; vom 26. Februar 2013 – VI ZR 116/12, NJW 2013, 1679 Rn. 15; vom 13. Juli 1982 – VI ZR 113/81, NJW 1982, 2669; vom 3. Juli 1962 – VI ZR 184/61, BGHZ 37, 311, 317 f.).

2. Nach diesen Grundsätzen ist der geltend gemachte Brandschaden der von den Fahrzeugen der Versicherungsnehmer der Beklagten ausgehenden Betriebsgefahr im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG zuzurechnen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde das Brandgeschehen durch einen Kurzschluss am zum Kühlerlüfter-Motor führenden Leitungssatz des Pkw Mercedes ausgelöst, der seinerseits auf das vorangegangene Unfallgeschehen vom 7. April 2015 und die dabei aufgetretene mechanische Einwirkung auf die elektrischen Leiter im Frontbereich des Pkw Mercedes zurückzuführen ist. Die schadensursächliche Gefahrenlage wurde mithin unmittelbar durch den Unfall und bei dem Betrieb der am Unfall beteiligten Kraftfahrzeuge geschaffen. Dass der im Streitfall geltend gemachte (Brand-)Folgeschaden sich erst nach einer zeitlichen Verzögerung von eineinhalb Tagen realisiert hat, vermag daran nichts zu ändern, da die einmal geschaffene Gefahrenlage fort- und nachwirkte (vgl. Senatsurteil vom 13. Juli 1982 – VI ZR 113/81, NJW 1982, 2669). Aus demselben Grund schließt die von der Revisionsbeklagten zu 1 geltend gemachte werkvertragliche Verpflichtung des Zeugen J. unter den Umständen des Streitfalls die Haftung aus Betriebsgefahr nicht aus.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bedarf es daher keiner Entscheidung, ob die Grundsätze des Senatsurteils vom 21. Januar 2014 (VI ZR 253/13, BGHZ 199, 377; dem folgend OLG Karlsruhe, NJW-RR 2015, 866; OLG Köln, r+s 2018, 320; OLG Naumburg, r+s 2016, 150; Zorn, r+s 2018, 322; zuvor bereits Grüneberg, NZV 2001, 109, 111 f.; kritisch LG Heidelberg, r+s 2016, 481, 482 ff.; LG Köln, r+s 2017, 655; Burmann/Jahnke, DAR 2016, 313, 319; Burmann in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25. Aufl., § 7 StVG Rn. 9; Herbers, NZV 2014, 208; Lemcke, r+s 2014, 195; ders., r+s 2016, 152; Schwab, DAR 2014, 197), wonach auch der auf einer – durch einen technischen Defekt einer Betriebseinrichtung verursachten – Selbstentzündung eines in einer Tiefgarage geparkten Pkw beruhende Brandschaden der Betriebsgefahr dieses Fahrzeugs zuzurechnen ist, auf die vorliegende Sachverhaltskonstellation eines nicht mehr fahrtüchtigen und eben deshalb in eine Werkstatt verbrachten Fahrzeugs zu übertragen ist. Denn im Streitfall wirkten sich noch unmittelbar durch den Fahrbetrieb hervorgerufene Umstände aus, ist doch das Kurzschlussgeschehen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durch den Verkehrsunfall vom 7. April 2015 angelegt worden (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2011, 317, juris Rn. 21 ff.; Burmann/Jahnke, DAR 2016, 313, 319; Kaufmann in Geigel, Haftpflichtprozess, 27. Aufl., Kap. 25 Rn. 59).

3. Der notwendige haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang wurde entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht durch das Dazwischentreten des Zeugen J. unterbrochen, der es in sorgfaltswidriger Weise unterlassen hat, die Batterien des Pkw Mercedes vor dem Verbringen in seine Werkstatt abzuklemmen.

a) Für die haftungsrechtliche Würdigung derartiger Fallgestaltungen hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Beurteilungsgrundsätze entwickelt. Danach kann, wenn ein Schaden zwar bei rein naturwissenschaftlicher Betrachtung mit der Handlung des Schädigers in einem kausalen Zusammenhang steht, dieser Schaden jedoch entscheidend durch ein völlig ungewöhnliches und unsachgemäßes Verhalten einer anderen Person ausgelöst worden ist, die Grenze überschritten sein, bis zu der dem Erstschädiger der Zweiteingriff und dessen Auswirkungen als haftungsausfüllender Folgeschaden seines Verhaltens zugerechnet werden können. Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten. Hat sich aus dieser Sicht im Zweiteingriff nicht mehr das Schadensrisiko des Ersteingriffs verwirklicht, war dieses Risiko vielmehr schon gänzlich abgeklungen und besteht deshalb zwischen beiden Eingriffen bei wertender Betrachtung nur ein „äußerlicher“, gleichsam „zufälliger“ Zusammenhang, dann kann vom Erstschädiger billigerweise nicht verlangt werden, dem Geschädigten auch für die Folgen des Zweiteingriffs einstehen zu müssen (Senatsurteile vom 10. Dezember 1996 – VI ZR 14/96, NJW 1997, 865, 866; vom 20. September 1988 – VI ZR 37/88, NJW 1989, 767, 768; vgl. ferner Senatsurteile vom 17. Dezember 2013 – VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rn. 55; vom 26. Februar 2013 – VI ZR 116/12, NJW 2013, 1679 Rn. 10; vom 5. Oktober 2010 – VI ZR 286/09, NJW 2011, 292 Rn. 20; vom 16. Februar 1972 – VI ZR 128/70, BGHZ 58, 162, 165 ff.; BGH, Urteil vom 10. Mai 1990 – IX ZR 113/89, NJW 1990, 2882, 2883 f.). Allein ein – auch grob fahrlässiger – Sorgfaltspflichtverstoß des hinzutretenden Dritten reicht hierfür jedoch in der Regel nicht (vgl. Senatsurteil vom 9. März 1965 – VI ZR 218/63, BGHZ 43, 178, 181 f.). Insbesondere werden dem Schädiger auch Fehler der Person zugerechnet, die der Geschädigte zur Abwicklung oder Beseitigung des Schadens hinzuzieht (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1999 – III ZR 98/99, NJW 2000, 947, 948; Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl., vor § 249 Rn. 47 f. mwN). Der Schädiger kann sich daher regelmäßig nicht mit dem Vorbringen entlasten, ein anderer habe die von ihm geschaffene Gefahrenlage pflichtwidrig nicht beseitigt (vgl. Senatsurteil vom 13. Juli 1982 – VI ZR 113/81, NJW 1982, 2669).

b) Nach dieser Maßgabe ist der Streitfall nach wie vor durch den Verkehrsunfall vom 7. April 2015 geprägt; es besteht ein auch innerer Zusammenhang zwischen diesem Unfall und dem geltend gemachten Schaden. Die Gefahr eines Kurzschlusses wurde durch die unfallbedingte Deformation des Frontbereichs des Pkw Mercedes angelegt, der Pkw Mercedes im Auftrag des erstgeschädigten Versicherungsnehmers der Beklagten zu 1 zur Begutachtung und anschließenden Reparatur des Unfallschadens in die Werkstatt des Zeugen J. verbracht. Durch den kurzschlussbedingten Brand zunächst des Pkw Mercedes und später der Werkstatt und der umgebenden Gebäude hat sich das fortwirkende Risiko der Erstschädigung verwirklicht. Der festgestellte Sorgfaltspflichtverstoß des vom Erstgeschädigten mit der Schadensbeseitigung beauftragten Zeugen J. ist auch nicht so ungewöhnlich grob, dass der Zurechnungszusammenhang ausnahmsweise entfallen wäre. Der festgestellte Sorgfaltspflichtverstoß des Zeugen J. erfolgte im Zusammenhang mit der vom Erstgeschädigten in Auftrag gegebenen Schadensbehebung und erschöpfte sich darin, die durch den Unfall geschaffene Gefahrenlage nicht beseitigt zu haben.

c) Der Sorgfaltspflichtverstoß des Zeugen J. wird daher, wie vom Landgericht zutreffend gesehen, erst auf der Ebene des Mitverschuldens (§ 9 StVG i.V.m. § 254 BGB) zu berücksichtigen sein. Die Abwägung der festgestellten Verursachungsbeiträge sowie die darauf beruhende Festsetzung der konkreten Haftungsquote als solche ist Tatfrage und vom Berufungsgericht, das sich hierzu von seinem Standpunkt aus folgerichtig bislang nicht verhalten hat, nachzuholen. Hinsichtlich des geltend gemachten Gebäudeschadens hat die Klägerin eine Kürzung ihres zunächst geltend gemachten Ersatzanspruchs um 40 % durch Beschränkung ihrer Anschlussberufung bereits hingenommen.“

Ich habe mal eine Frage: Erhalte ich trotz Entpflichtung die Terminsgebühr?

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Heute dann eine Frage zur Terminsgebühr betreffend „geplatzter Termin“ , und zwar:

„Der Angeklagte hat im dritten Durchgang vor dem Amtsgericht einen Wahlverteidiger hinzugezogen.Das Amtsgericht hat mich mit Beschluss vom 10.04.2019 gemäß § 143 StPO als Pflichtverteidiger entbunden. Mit gerichtlichem Schreiben vom 11.04.2019 wurde ich allerdings als Pflichtverteidiger des Angeklagten zum Hauptverhandlungstermin vom 20.05.2019 geladen. Gegen die Entflechtung wurde im Auftrag des Angeklagten am 02.05.2019 Beschwerde erhoben. Bis zum Termin vom 20.05.2019 war mir eine Beschwerdeentscheidung nicht bekannt gemacht worden. Im Termin vom 20.05.2019 erhielt ich vom Vorsitzenden eine Kopie des Beschlusses des Beschwerdegerichts vom 15.05.2019, mit welchem die Beschwerde als unbegründet verworfen worden war.Das Landgericht hat die Entscheidung formlos mit Schreiben vom 17.05.2019 per Post übermittelt; die Sendung ging am 22.05.2019 mit einfachen Brief in meiner Kanzlei ein.

Kann ich die Terminsgebühr für die Hauptverhandlung vom 20.05.2019 noch als Pflichtverteidiger abrechnen? Ich bin der Auffassung, dass hier jedenfalls der Rechtsgedanke von Vorbemerkung 4 Abs. 3 Satz 2 und 3 VV RVG gilt; außerdem sehe ich Parallelen zu dem in Ihrem Kommentar (Vorbem. 4 VV, Rn. 97 und 98) geschilderten Fall des AG Hagen.“

Gegenstandswert für die Einziehung, oder: Auf die „Werthaltigkeit“ einer Forderung kommt es nicht an

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Als zweite Entscheidung hier dann der BGH, Beschl. v. 22.05.2019 – 1 StR 471/18. Der BGH nimmt zum Gegenstandswert bei der Einziehung und damit bei der Gebühr Nr. 4142 VV RVG Stellung:

„Der Gegenstandswert ist nach § 33 Abs. 1, § 2 Abs. 1 RVG auf Antrag des Verteidigers der Angeklagten K.   (§ 32 Abs. 2 RVG) festzusetzen, weil das Landgericht die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 2.000.000 € angeordnet und sich die Verteidigung des Antragstellers im Revisionsverfahren hierauf erstreckt hat (Nr. 4142 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG).

Der Gegenstandswert bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Interesse der Angeklagten K.    auf die Abwehr der Einziehung. Maßgeblich ist – wie bei Festsetzung der Kosten im Zivilprozess – der Nominalwert der titulierten Einziehungsforderung. Eine Verringerung des Gegenstandswerts wegen fehlender Durchsetzbarkeit des Zahlungsanspruchs ist generell weder im Streitwert- noch Kostenfestsetzungsverfahren vorgesehen. Es kommt daher nicht darauf an, dass wegen der Vermögenslosigkeit der Angeklagten K.   erhebliche Zweifel an der Werthaltigkeit der Einziehungsforderung bestehen (offengelassen in BGH, Beschlüsse vom 24. Februar 2015 – 1 StR 245/09 Rn. 7; vom 7. Oktober 2014 – 1 StR 166/07 Rn. 3 f. und vom 30. April 2014 – 1 StR 245/09 Rn. 3; vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. März 2009 – 5 StR 225/06 Rn. 1).“

Auf die Entscheidung komme ich noch mal zurück, wenn ich demnächst einige (falsche) AG- und LG-Entscheidungen zur Nr. 4142 VV RVG vorstelle.

Erstattung von Reisekosten, oder: Zu Beginn der Sommerferien darf der Verteidiger übernachten

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Am heutigen „Gebührenfreitag“ stelle ich dann zunächst den LG Hamburg, Beschl. v. 11.06.2019 – 625 Qs 19/19 – vor. Der passt ganz gut zur Reisezeit.

Gestritten worden ist nach einem Freispruch um die Erstattung von Reisekosten des Wahlanwalts. Der Verteidiger hatte geltend gemacht, er habe am Vorabend der Hauptverhandlung anreisen müssen, da er nicht darauf habe vertrauen können, die Strecke von seiner Kanzlei zum Gerichtsort in der üblichen Zeit bewältigen zu können. Das AG hatte die Reisekosten festgesetzt. Dagegen das Rechtsmittel der Staatskasse. Das LG sieht es wie das AG:

„In dem angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht Hamburg die dem Freigesprochenen zu erstattenden notwendigen Auslagen auf 1.135,36 Euro festgesetzt. Die sofortige Beschwerde, mit der die Staatskasse eine Herabsetzung des Erstattungsbetrages um 216,88 Euro begehrt hat, ist unbegründet. Zwar tragen nicht alle von dem Verteidiger vorgetragenen Erwägungen. Jedoch sind im Ergebnis auch die mit der Beschwerde nur noch gerügten Positionen des Tage- und Abwesenheitsgeldes für die Anreise am 28. Juni 2018 (25,00 Euro zzgl. USt.) sowie die Hotelkosten (157,25 Euro zzgl. USt.) erstattungsfähig. Insbesondere der Beginn der Sommerferien in Niedersachsen ist erfahrungsgemäß mit einem derart erhöhten Verkehrsaufkommen verbunden, dass der Verteidiger nicht darauf vertrauen konnte, die Strecke nach Hamburg in der üblichen Zeit bewältigen zu können, sondern — um den Aufbruch zur Unzeit zu vermeiden — eine Anreise bereits am Vortag der Hauptverhandlung erfolgen durfte, um die pünktliche Wahrnehmung des Termins sicherzustellen. Dies gilt besonders vor dem Hintergrund, dass die Verhandlungstage bei den Amtsgerichten bekanntermaßen aufgrund der Vielzahl der zu bewältigenden Verfahren eng getaktet sind und sie deshalb für einen verzögerungsfreien Ablauf in besonderem Maße auf die Pünktlichkeit der Verfahrensbeteiligten angewiesen sind.“