Archiv für den Monat: August 2018

Rechtsmittel III: Die unleserliche Unterschrift des Richters, oder: Das große geschwungene „W“

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Und als dritte Entscheidung dann der OLG Frankfurt, Beschl. v. 03.01.2018 – 2 Ss-OWi 1337/17. Es geht (noch einmal) um die Anforderungen an die Unterschrift des Richters unter dem Urteil. Ok, das ist dann nicht mehr so ganz allgemeines Rechtsmittelrecht 🙂 .

Ergangen ist der Beschluss im Bußgeldverfahren. Der Betroffene ist wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt worden.Die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde hatte mit der Sachrüge Erfolg:

„Die Sachrüge greift durch und zwingt zur Aufhebung des Urteils, weil es an einer notwendigen Prüfungsgrundlage fehlt. Denn Gegenstand der Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht sind allein die Entscheidungsgründe, wie sie sich aus der gemäß § 275 StPO mit der Unterschrift des Richters zu den Akten gebrachten Urteilsurkunde ergeben (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 275 Rdn. 22).

Vorliegend genügt die Unterzeichnung des Urteils nicht den Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Unterschrift zu stellen sind.

Eine wirksame Unterzeichnung setzt voraus, dass die Identität des Unterschreibenden durch einen individuellem Schriftzug gekennzeichnet ist, so dass nicht lediglich ein Namenskürzel, sondern charakteristische Merkmale einer Unterschrift mit vollem Namen vorliegen müssen, die eine Nachahmung durch einen Dritten zumindest erschweren (vgl. OLG Köln NStZ-RR 2011, 348 f). Dazu bedarf es zwar nicht der Lesbarkeit des Schriftgebildes, erforderlich ist aber, dass jemand, der den Namen des Unterzeichnenden und dessen Unterschrift kennt, den Namen aus dem Schriftbild herauslesen kann (vgl. OLG Köln a.a.O. m. w. N.).

Das ist vorliegend nicht der Fall. Die Zeichnung der Richterin besteht lediglich in einem großen geschwungenen „W“. Einzelne Buchstaben aus dem Namen der Richterin, die „A“ heißt, können der Zeichnung nicht entnommen werden. Somit fehlt es an irgendeiner Ähnlichkeit mit einem einzigen Buchstaben aus dem Namen der Richterin.“

Und man sieht: Sachrüge reicht in diesen Fällen.

Zudem: Man sollte als Verteidiger wahrscheinlich viel häufiger mal die Frage der wirksamen Unterzeichnung problematisioeren, dann wird die vom Rechtsmittelgericht bei der Prüfung nicht „übersehen“.

Nachtrag: Ups, ich werde alt. Hatte ich schon mal. Das kommt dabei heraus, wenn man den Ordner nicht richtig sauber macht 🙂 .

Rechtsmittel II: Rechtsmittelverzicht des Angeklagten, oder: Das kann man als Verteidiger doch nicht „laufen lassen“…

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In der zweiten „Rechtsmittelentscheidung“, dem BGH, Beschl. v. 03.07.2018 – 4 StR 227/18 -, geht es um die Wirksamkeit eines Rechtsmittelverzichts, den der Angeklagte in der Hauptverhandlung unmittelbar nach der Urteilsverkündung abgegeben hat.

Das LG hatte den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit versuchtem Raub mit Todesfolge und mit Brandstiftung zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Ferner hat es die besondere Schwere der Schuld festgestellt und die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Unmittelbar nach der Urteilsverkündung und der Rechtsmittelbelehrung hat der Angeklagte erklärt, dass er das Urteil „sofort annehmen wolle“; er „bestehe darauf“, das Urteil anzunehmen. Gleichzeitig äußerte er, dass der Vorsitzende „ein Märchen“ erzählt habe und dass er kein Mörder sei. Nach dem Hinweis des Vorsitzenden, dass sich aus diesem Zusatz ergebe, dass der Angeklagte mit dem Urteil nicht einverstanden sei, äußerte dieser, dass er „ja doch keine Chance habe“ und das Urteil deshalb annehmen wolle. Auf den weiteren Hinweis des Vorsitzenden, dass sich der Angeklagte dies überlegen solle, äußerte dieser erneut, dass er „darauf bestehe“, das Urteil anzunehmen.

Aus diesen Erklärungen des Angeklagten ergibt sich nahc Auffassung des BGH ein wirksamer Rechtsmittelverzicht.

aa) Für das Vorliegen eines Rechtsmittelverzichts kommt es nicht darauf an, dass das Wort „verzichten“ benutzt wird, sondern maßgeblich ist der Gesamtsinn der Erklärung (vgl. BGH, Beschluss vom 11. März 2003 – 1 StR 60/03, bei Becker, NStZ-RR 2004, 225, 228; Beschluss vom 18. August 1988 – 4 StR 316/88, BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 7; KK-StPO/Paul, 7. Aufl., § 302 Rn. 11; LR-StPO/Jesse, 26. Aufl., § 302 Rn. 21; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 302 Rn. 20). Die Erklärung, das Urteil werde „angenommen“, enthält regelmäßig einen Rechtsmittelverzicht (vgl. BGH, Beschluss vom 18. August 1988 – 4 StR 316/88, aaO; OLG Hamm, NStZ-RR 2010, 215; LR-StPO/Jesse, aaO; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO). Vorliegend sind die mehrfachen und unmissverständlichen Erklärungen des Angeklagten, er wolle das Urteil annehmen, eindeutig in dem Sinne zu verstehen, dass auf die Einlegung von Rechtsmitteln verzichtet worden ist. Entgegen den Ausführungen des Generalbundesanwalts ist auch nichts dafür ersichtlich, dass es sich um eine bloß in die Zukunft gerichtete Absichtserklärung handelte, zumal der Angeklagte erklärt hat, das Urteil „sofort“ annehmen zu wollen, und ausdrücklich abgelehnt hat, sein Vorgehen zu überdenken.

Die zusätzlichen Äußerungen des Angeklagten, wonach er kein „Mörder“ sei und der Vorsitzende „ein Märchen“ erzählt habe, stehen der Annahme eines Rechtsmittelverzichts nicht entgegen, da ein solcher nicht voraussetzt, dass das verkündete Urteil für inhaltlich richtig gehalten wird. Zudem hat der Angeklagte seinen Verzichtswillen auch noch nachdrücklich geäußert, nachdem ihn der Vorsitzende auf Bedenken am Vorliegen eines Rechtsmittelverzichts hingewiesen hatte. Spätestens hierdurch wurden etwaige Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Erklärung ausgeräumt.

Ebenso wenig stellt es die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts in Frage, wenn es sich bei der Erklärung des Angeklagten um eine wütende Spontanäußerung gehandelt haben sollte; auch der in emotionaler Aufgewühltheit erklärte Rechtsmittelverzicht ist wirksam (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2017 – 3 StR 545/16, NStZ-RR 2017, 186 [Ls]; Beschluss vom 25. Februar 2014 – 1 StR 40/14, NStZ 2014, 533, 534; Beschluss vom 20. April 2004 – 1 StR 14/04, bei Becker, NStZ-RR 2005, 257, 261). Vorliegend kommt hinzu, dass der strafrechtlich erheblich vorbelastete Angeklagte in der Vergangenheit wiederholt zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt und bereits zweimal seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist – er mithin gerichtserfahren ist und sich nicht erstmals mit einer gravierenden Verurteilung konfrontiert sah.

……..

cc) Dass die Erklärung des Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht vorgelesen und genehmigt worden ist, ist für ihre Wirksamkeit ebenfalls ohne Belang; dieser Umstand betrifft lediglich die Frage des Nachweises (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Februar 2014 – 1 StR 40/14, aaO; Beschluss vom 13. Januar 2000 – 4 StR 619/99, NStZ 2000, 441 f.; Beschluss vom 9. Mai 1988 – 3 StR 161/88, BGHR StPO § 302 Abs. 1 Satz 1 Rechtsmittelverzicht 5). Vorliegend wurde die inhaltliche Richtigkeit des Hauptverhandlungsprotokolls von keinem Verfahrensbeteiligten in Frage gestellt. Angesichts der Unmissverständlichkeit der protokollierten Äußerungen des Angeklagten bedurfte es auch keiner weiteren Nachforschungen durch den Senat.“

Nun, an der Annahme eines Rechtsmittelsverzichts dürfte nur schwer vorbeizukommen sein. Was mich allerdings erschreckt sind die Ausführungen des BGH unter bb) zum Verhalten des Verteidigers:

„“bb) Auch der Verteidiger hat nicht zu erkennen gegeben, dass bezüglich der Frage eines einzulegenden Rechtsmittels noch Erörterungsbedarf bestehe, was der Wirksamkeit des Verzichts des Angeklagten hätte entgegenstehen können (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 12. Februar 1963 – 1 StR 561/62, BGHSt 18, 257 ff.; Beschluss vom 7. März 2017 – 3 StR 545/16, aaO; Beschluss vom 25. Februar 2014 – 1 StR 40/14, aaO). Vielmehr hat der Verteidiger ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls keine Erklärung abgegeben.“

Solche Erklärungen des Angeklagten kann man doch bei einer so schwer wiegenden Verurteilung nicht einfach „laufen lassen“……

Rechtsmittel I: Keine Unterbringung = keine Beschwer, oder Unzulässige Revision

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Heute dann mal ein wenig Rechtsmittelrecht. Nein, keine Entscheidungen zur Begründung des Verfahrensrüge, sondern allgemeines Rechtsmittelrecht.

Und da weise ich zunächst hin auf den BGH, Beschl. v. 18.07.2018 – 4 StR 259/18. Der Angeklagte ist durch Urteil des LG vom 26.07.2016 – im Beschluss steht „2017“, das ist aber wie sich aus dem BGH-Beschl. v. 02.02.2017 – 4 StR 553/16 – ergibt, falsch – wegen besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Der BGH hat den Schuld- und Strafausspruch des Urteils mit Beschluss vom 02.02.2017 bestätigt, das Urteil auf die Revision des Angeklagten jedoch aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Mit Urteil vom 22.02.2018 hat das LG davon abgesehen, den Angeklagten unterzubringen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision und rügt die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat der BGH als unzulässig angesehen:

„Das Rechtsmittel ist unzulässig. Das Landgericht hatte in der neuen Hauptverhandlung ausschließlich darüber zu befinden, ob der Angeklagte nach § 64 StGB unterzubringen war. Da es von einer Unterbringung abgesehen hat, ist der Angeklagte durch diese Entscheidung nicht beschwert (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 21. März 1979 – 2 StR 743/78, BGHSt 28, 327, 330 ff.; Beschlüsse vom 17. September 1987 – 4 StR 441/87, BGHR StGB § 64 Ablehnung 1; vom 19. Juli 2006 – 2 StR 181/06, NStZ 2007, 213; vom 4. April 2017 – 3 StR 112/17). Eine Beschwer ist Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels (BGH, Beschluss vom 24. November 1961 – 1 StR 140/61, BGHSt 16, 374, 376).“

Handy III: Einziehung eines Mobiltelefons, oder: Klingeling, klingeling, hier ist ihr BtM-Lieferant

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Und als dritte Entscheidung, die sich mit (einem) Handy/Mobiltelefon befasst, dann der BGH, Beschl. v. 03.07.2018 – 1 StR 264/18. Ergangen ist er in einem Verfahren wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.

Das LG hat den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Zudem ist die Einziehung von zwei   Mobiltelefonen einschließlich SIM- und SD-Karten angeordnet worden. Nach den der Einziehungsentscheidung (offenbar nur) zugrunde liegenden Feststellungen führte der Angeklagte die beiden fraglichen Mobiltelefone bei der Einfuhr des verfahrensgegenständlichen Marihuanas mit sich, um Kontakt mit dritten Personen im Hinblick auf das eingeführte Rauschgift zu halten. Diese seien daher zur Begehung vorsätzlicher Taten bestimmt gewesen.

Der BGH beanstandet nicht ausreichende Feststellungen für die Einziehungsentscheidung und hat insoweit das Urteil aufgehoben:

„…. Dem fehlt eine tragfähige beweiswürdigende Grundlage, so dass die Voraussetzungen der Einziehung gemäß § 74 Abs. 1 Var. 2 StGB nicht rechtsfehlerfrei belegt sind.

a) Zwar hat das Landgericht im rechtlichen Ausgangpunkt an sich zutreffend angenommen, dass als Tatmittel nicht lediglich solche Gegenstände eingezogen werden können, die zur eigentlichen Begehung der Tat Verwendung finden bzw. nach der Vorstellung des Täters hierzu bestimmt sind, sondern alles, was die Tat überhaupt ermöglicht und zu ihrer Durchführung dient oder hierzu erforderlich ist. Jedoch reicht die nur gelegentliche Benutzung eines Gegenstandes im Zusammenhang mit der Tat nicht aus. Erforderlich ist darüber hinaus, dass sein Gebrauch gezielt die Verwirklichung des deliktischen Vorhabens fördert bzw. nach der Planung des Täters fördern soll ( BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2004 – 2 StR 362/04 ,StV 2005, 210 f.mwN).

b) Diese Voraussetzungen sind nicht tragfähig belegt. Das Landgericht hat keine näheren Feststellungen treffen können, wann und von wem der Angeklagte damit beauftragt wurde, das Marihuana in das Inland zu verbringen und an wen, wann und wo er es in Deutschland übergeben sollte. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend aufgezeigt hat, kann angesichts dessen allein aus dem Auffinden sogenannter „Kreuztreffer“ in den dem Angeklagten zugeordneten Mobiltelefonen nicht auf eine – in dem vorstehend dargestellten Sinne – Bestimmung dieser Telefone zur Förderung der Einfuhrtat geschlossen werden. Denn es fehlt an konkreten, über eine eventuell vorhandene kriminalistische Erfahrung hinausgehenden Anhaltspunkten für eine erfolgte oder wenigstens angestrebte Nutzung zur Tatförderung. Auch die einer Einziehungsentscheidung zugrundeliegende Beweiswürdigung muss aber – wie stets (zum Maßstab allgemein BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 – 2 StR 238/17 Rn. 8 mwN) – auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruhen; die vom Tatrichter gezogenen Schlussfolgerungen dürfen sich nicht lediglich als Vermutung darstellen. Wegen der fehlenden Feststellungen zu dem Ablauf der verfahrensgegenständlichen Tat außerhalb des Transportvorgangs selbst, erschöpfen sich die Erwägungen des Landgerichts aber in einer Vermutung über die Bestimmung der Mobiltelefone, Tatmittel zu sein.

c) Das führt zur Aufhebung der Einziehungsanordnung; wegen des Beweiswürdigungsmangels einschließlich der zugrundeliegenden Feststellungen ( § 353 Abs. 2 StPO ). Da weitere Beweismittel als die im angefochtenen Urteil dargelegten nicht ersichtlich sind, schließt der Senat aus, dass noch die Einziehungsvoraussetzungen begründende Feststellungen getroffen werden können und lässt deshalb die Einziehungsanordnung entfallen.“

Also: Verhältnismäßig strenge Anforderungen an die der Einziehungsentscheidung zugrunde liegenden Feststellungen…..

Handy II: Der BGH und die „stille SMS“, oder: Wo ist die Ermächtigungsgrundlage?

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Alle eineinhalb Minuten verschicken Sicherheitsbehörden des Bundes im Schnitt eine sogenannte stille SMS, um Menschen heimlich zu orten. Das geht aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine kleine Anfrage der Linken hervor. Stille SMS sind auf dem Handy des Empfängers nicht sichtbar, das Telefon bestätigt dem Provider jedoch den Eingang, und schickt ihm per „stealth ping“ – dem heimlichen Ping – den Ort, an dem sich das Gerät befindet. Der Provider gibt diesen an die Ermittler weiter….“ so beginnt ein Beitrag der „SZ“ (vgl. hier).

Und dazu passt dann ganz gut der BGH, Beschl. v. 08.02.2018 – 3 StR 400/17, der erst vor ein paar Tagen auf der Homepage des BGH veröffentlicht worden ist. Der setzt sich mit der Frage auseinander, welche Vorschrift die Ermächtigungsgrdunalge für den Einsatz der sog. stillen SMS ist. Das ist nämlich in Rechtsprechung und Litertaur umstritten.

Der BGH sagt: Ermächtigungsgrundlage ist nicht § 100a StPO, das ist auch nicht § 100 h StPO, sondern das ist § 100i StPO:

„d) Die Eingriffsbefugnis für den Einsatz stiller SMS ergibt sich aus § 100i Abs. 1 Nr. 2 StPO. Diese Vorschrift sieht vor, dass bei einem durch bestimmte Tatsachen begründeten Verdacht der dort näher bezeichneten Straftaten durch technische Mittel der Standort eines Mobilfunkendgerätes ermittelt werden darf, soweit es für die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthalts des Beschuldigten erforderlich ist.

aa) Zwar hatte der Gesetzgeber bei der Einführung dieser Vorschrift durch das Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung vom 6. August 2002 (BGBl. I S. 3018) in erster Linie den sogenannten „IMSI-Catcher“ im Blick (BT-Drucks. 14/9088 S. 7). Nach dem Wortlaut der Norm hat er deren Anwendungsbereich aber gerade nicht auf diesen beschränkt, sondern durch die Wahl des Begriffs „technische Mittel“ erkennbar dem technischen Fortschritt Rechnung tragen und die Anwendbarkeit der Vorschrift auch für weitere kriminaltechnische Neuerungen offenhalten wollen. Dies ist verfassungsrechtlich zulässig und verletzt insbesondere nicht die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Anforderungen an Tatbestandsbestimmtheit und Normenklarheit, die für Vorschriften des Strafverfahrensrechts gelten (vgl. BVerfG, Urteil vom 12. April 2005 – 2 BvR 581/01, BVerfGE 112, 304, 315 f.). Auch der konkrete Anwendungsbereich der Norm ist durch den benannten Zweck des technischen Mittels zur Ermittlung des Standorts eines Mobilfunkgeräts hinreichend bestimmt.

bb) Die Gesetzgebungshistorie bestätigt die Zulässigkeit der Subsumtion der stillen SMS unter diese Vorschrift. Die stille SMS zur Ermittlung des ungefähren Standorts eines Mobilfunkgeräts wird meist observationsunterstützend eingesetzt. Nachdem § 100i Abs. 1 Nr. 2 StPO in seiner ursprünglichen Fassung die Ermittlung des Standorts eines Mobilfunkendgeräts nur zur vorläufigen Festnahme oder Ergreifung des Täters auf Grund eines Haft- oder Unterbringungsbefehls zuließ, hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3198) diese Einschränkung gestrichen. Hierdurch wollte er ausdrücklich ermöglichen, dass technische Mittel im Sinne dieser Vorschrift auch zur Unterstützung von Observationsmaßnahmen oder zur Vorbereitung einer Verkehrsdatenerhebung nach § 100g StPO eingesetzt werden können (BT-Drucks. 16/5846, S. 56).

cc) Die so generierten Daten können von den Strafverfolgungsbehörden nach § 100g Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 3 StPO i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 5 TKG bzw. § 100g Abs. 2 StPO i.V.m. § 113b Abs. 4 TKG erhoben werden. Die Regelungen zur Umsetzung einer entsprechenden Abfrage hat die Bundesregierung mit der Verordnung zur Änderung der Telekommunikationsüberwachungsverordnung vom 14. Juni 2017 (BGBl. I S. 1657 und S. 2316) in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, § 32 TKÜV geschaffen.“