Archiv für den Monat: Mai 2018

Nach rechts blinken, aber geradeaus fahren, oder: 25 % Mithaftung, wenn es kracht

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So, gestern alle den Tag des Inkrafttretens der DSGVO überstanden? Ich hoffe ja. Und man merkt dann, die Welt dreht sich tatsächlich weiter und Internet gibt es auch weiter. Man kann also nach dem Hype der letzten Tage wieder zum Tagesgeschäft übergehen.

Und das tue ich heute mit meinem „Kessel Buntes“. Und in dem befindet sich zunächst das OLG München, Urt. v. 15.12.2017 – 10 U 1021/17.

Das OLG hatte über einen Unfall beim Abbiegen zu entscheiden. Der Pkw des Klägers – gesteuert von seiner Tochter – wollte von einer untergeordneten Straße nach links in eine Vorfahrtsstraße einbiegen. Auf der fuhr der Beklagte mit einer Geschwindigkeit von etwa 40 – 50 km/h. Der Fahrtrichtungsanzeiger des Pkw des Beklagten blinkte nach rechts, obwohl der Beklagte gar nicht abbiegen wollte. Die Tochter des Klägers ging daher davon aus, dass der Beklagte abbiegen wollte und bog selbst auf die Vorfahrtstraße ein. Es kam, wie es kommen musste: Zusammenstoß und dann der Streit um die Haftungsanteile.

Das OLG München sagt in seinem Beschluss:

  1. Die Betätigung des Fahrtrichtungsanzeigers durch den auf der Vorfahrtstraße fahrenden Fahrzeugführer rechtfertigt alleine noch nicht das Vertrauen, dass der Vorfahrtsberechtigte auch abbiegt und so den Weg für einen aus der untergeordneten Straße Abbiegenden freigibt. Denn im Allgemeinen darf ein Wartepflichtiger nur darauf vertrauen, dass ein rechts blinkender Vorfahrtberechtigter auch nach rechts abbiegen wird, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, die Anlass zu Zweifeln an dieser Absicht begründen, wie z.B. fehlendes Einordnen oder eine unvermindert hohe Geschwindigkeit.
  2. Bei einer Kollision des nach links aus der untergeordneten Straße abbiegenden Fahrzeugführers mit dem nach rechts blinkenden bevorrechtigten Fahrzeug wiegt der Verstoß des Linksabbiegers gegen § 9 Abs. 3 StVO schwer und rechtfertigt die weit überwiegende Haftung.

Ergebnis: Haftungsverteilung von 75 zu 25 zu Lasten des Klägers.

Ich habe da mal eine Frage: Wie kommt der Verteidiger an „sein“ Geld?

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Und dann das Rätsel, für das ich im Moment wenig „Munition“ habe. Aber das wird ja jetzt, da es das RVG-Forum nicht mehr gibt, sicherlich besser.

Schon etwas länger zurück liegt folgende Frage:

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meiner Frage liegt folgender SV zu Grunde:

V verteidigte (als notwendiger Verteidiger) B in einem Verfahren vor dem AG. B wurden mehrere gleichgelagerte Taten (§§ 126, 185 ff., 303 StGB) vorgeworfen.

B wird psychiatrisch untersucht. In einer ersten Untersuchung wurde B nur zu einem Teil der angeklagten Taten befragt. Hier wurde diagnostiziert:
– polyvalente Drogenabhängigkeit
– schizoaffektive Psychose in einer gemischten Form
– mangelnde Krankheits- und Behandlungseinsicht

In der weiteren Untersuchung ein Jahr später wurde diese Diagnose gestützt und bestätigt.

B wurde im HVT vom Anklagevorwurf freigesprochen.

Das Gericht hatte nach der Beweisaufnahme, in der B zunächst einen ca. einstündigen – vom Gericht nicht unterbrochenen – Monolog zu seiner Person hielt und anschließend – nach einer Verhandlungsunterbrechung – in einer Wut- und Hassattacke von ca. 10 Minuten „das Gericht zusammenschrie“ die Schuldunfähigkeit des B festgestellt.

V rechnet gegenüber der Staatskasse zunächst die Pflichtverteidigergebühren ab.

Da er mit einem Freispruch nicht gerechnet hatte, liegt eine von B unterschriebene Abtretungserklärung nicht vor.

Nach Abrechnung der Pflichtverteidigergebühren sollen nun auch die ergänzenden Wahlverteidigergebühren geltend gemacht werden.

Der Kostenbeamte bittet nun um Einreichung der Vollmacht, die zum Betreiben des Kostenfestsetzungsverfahrens und zum Geldempfang ermächtigt. B weigert sich eine solche Erklärung zu unterschreiben.

Hat V – im Hinblick auf die seines Erachtens bestehende Geschäftsunfähigkeit des B – eine Chance, an „sein“ Geld zu kommen? „

Tja, hat er?

Und es gibt sie doch, oder: Höchstgebühr

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Als zweite RVG-Entscheidung eine ebenfalls positive Entscheidung – trotz der miesen Grundstimmung wegen DSGVO. Und zwar handelt es sich um den OLG Naumburg, Beschl. v. 10.04.2018 – 2 Ws (Reh) 12/18. Das OLG hat, nachdem das LG nur von der Mittelgebühr ausgegangen war, die Höchstgebühr gewährt! Ja richtig gelesen. Höchstgebühr. Die gibt es also tatsächlich. Allerdings – und das ist der Wermutstropfen – es ging um Kostenfestsetzung in einem strafrechtlichen Rehabilitierungsverfahren. Aber immerhin:

„Der Ansatz der Mittelgebühren ist zu Unrecht erfolgt. Die angesetzte Höchstgebühr ist zu erstatten.

Bei der Vergütungsfestsetzung ist zu prüfen, ob die anwaltlich bestimmte Gebühr unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG). Fehlt es an der Unbilligkeit, kann die bestimmte Gebühr nicht herabgesetzt werden. Wird die Unbilligkeit hingegen bejaht, bedarf es einer entsprechenden Begründung und sodann der Bestimmung der richtigen Gebühr (vgl. Hellstab / Lappe / Madert / Dörndorfer, Die Kostenfestsetzung, B 196).

Wegen der Schwierigkeit zu bestimmen, wann eine Rahmengebühr unbillig ist, und weil mit der Aufzählung der Umstände, die einerseits für die Erhöhung, andererseits für eine Ermäßigung der Gebühr sprechen, nicht viel geholfen ist, hat die Praxis sich diesen mit der sog. Mittelgebühr einen Ansatzpunkt geschaffen. Die Mittelgebühr soll gelten und damit zur konkret billigen Gebühr in den „Normalfällen“ werden, d.h. in den Fällen, in denen sämtliche, vor allem die nach § 14 Abs. 1 S. 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände durchschnittlicher Art sind, also übliche Bedeutung der Angelegenheit, durchschnittlicher Umfang und durchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, wirtschaftliche Verhältnisse des Auftraggebers, die dem Durchschnitt der Bevölkerung entsprechen (Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., § 14 RVG, Rn. 7).

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der Ansatz der Mittelgebühr vorliegend nicht gerechtfertigt.

Zu Recht weist die Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen darauf hin, dass die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit als überdurchschnittlich anzusehen ist. Bei dem Rehabilitierungsrecht handelt es sich um ein Nebengebiet, in dem nur wenige Anwälte über fundierte Kenntnisse verfügen. Zur sinnvollen Vertretung ist ferner auch eine Kenntnis des Rechts der DDR notwendig. Gerade für die Rehabilitierung von Heimkindern ist eine besondere und fundierte Kenntnis der Rechtsprechung der Rehabilitierungsgerichte nötig. Auch der Umfang der Tätigkeit lag über dem Durchschnitt.

Die Einschätzung der Bezirksrevisorin, dass Schwierigkeit und Umfang des Verfahrens nicht vergleichbar mit einem normalen Strafverfahren und insgesamt einfacher gelagert seien, wird vom Senat nicht geteilt. Die Mitglieder des Senates, die sämtlich auch in den Strafsenaten des Oberlandesgerichts tätig sind, schätzen im Gegenteil ein, dass der hier vorliegende Fall erheblich schwieriger war als ein „normales“ Strafverfahren.

Zu Recht hat die Verfahrensbevollmächtigte auch auf die hohe emotionale und finanzielle Bedeutung der Rehabilitierungsentscheidung für den Betroffenen hingewiesen, was bei der Festsetzung der Gebühr nach § 14 RVG ebenfalls zu berücksichtigen ist.

Teilnahme an Durchsuchung + Vernehmung = Terminsgebühr, oder: Die Summe stimmt

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Und dann der erste richtige Beitrag des Tages – weit ab von DSGVO. Es geht um den AG Bad Kreuznach, Beschl. v.  23.04.2018 – 400 Cs 1023 Js 7986/16, den der Kollege T. Scheffler aus Bad Kreuznach in „mühevoller Kleinarbeit“ erstritten hat.

Geltend gemacht hatte der Kollege nach Beendigung des Verfahrens gegen seinen Mandanten im Rahmen der Kostenfestsetzung auch eine Terminsgebühr gemäß Nr. 4102 VV RVG für seine Teilnahme an einer Durchsuchungsmaßnahme in dem wegen Betruges gegen den ehemaligen Angeklagten geführten Verfahren. Der Rechtspfleger hat die – nach entsprechender Stellungnahme des Bezirksrevisors – wen wundert das? – nicht festgesetzt. Dagegen richtete sich die Erinnerung des Kollegen, die er damit begründet hat, dass anlässlich der Durchsuchung auch konkrete Fragen an den Beschuldigten gerichtet worden seien. Die Polizeibeamten hätten Nachfragen zu einzelnen Konten gestellt, die auf den Namen des Sohnes des Angeklagten liefen. Auch Fragen nach Mietzahlungen für die Wohnung und nach einer Beteiligung der Lebensgefährtin des Angeklagten an den Wohnkosten seien gestellt worden. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten seien erörtert worden. Vor der Beantwortung einzelner Fragen habe er, der Verteidiger, sich mit seinem Mandanten in einem Nebenraum besprochen. Aus dem Durchsuchungsbericht ergebe sich zudem, dass der Beschuldigte belehrt und der Durchsuchungsbeschluss eröffnet worden seien.

Das AG hat das anders gesehen als die Vertreter/Hüter der Staatskasse:

„Für die Teilnahme des Verteidigers an der Durchsuchung ist eine Gebühr gemäß Nr. 4102 Ziffer 2 VV RVG entstanden.

Die Gebühr entsteht für die Teilnahme des Rechtsanwalts an Vernehmungen durch Staatsanwaltschaft, Polizei, oder Zoll- und Finanzbehörden, wobei es nicht darauf ankommt, ob der teilnehmende Rechtsanwalt für den Beschuldigten oder für einen anderen Beteiligten tätig wird (BeckOK RVG/Knaudt RVG Rn. 7, beck-online m.w.N.).

Es gilt der formelle Vernehmungsbegriff der Strafprozessordnung.

Zentrales Merkmale einer Vernehmung im Sinne der StPO ist es, dass der Vernehmende der Auskunftsperson in amtlicher Funktion gegenübertritt und in dieser Eigenschaft von ihr eine Auskunft verlangt (BGH, Beschluss vom 31. März 2011 — 3 StR 400/10 Rn. 8, juris). Die Frage, ob es sich um spontane Äußerung der Auskunftsperson, um deren informatorische Befragung oder bereits um ihre Vernehmung durch die Ermittlungsperson handelt, ist vor dem Hintergrund der bestehenden Belehrungspflichten aus §§ 163a Abs. 4, 136a StPO und 52 ff StPO von zentraler Bedeutung für die Verwertbarkeit einer Aussage.

Dem späteren Angeklagten wurde von den ermittelnden Polizeibeamten bei Durchführung der Durchsuchung zutreffend der Status eines Beschuldigten zuerkannt. Entsprechend wurde er ausweislich des Durchsuchungsberichts vom 28.092016 auch über bestehende prozessuale Rechte belehrt. Obwohl die entsprechende Formulierung sehr allgemein gehalten ist, ist davon auszugehen, dass der Beschuldigte dabei insbesondere auch über sein Schweigerecht belehrt worden ist. Schon dies spricht für eine Vernehmungssituation.

Das Gericht glaubt dem Verteidiger aufgrund seiner anwaltlichen Versicherung und der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung seiner Mitarbeiterin zudem, dass im Rahmen der Durchsuchung die wirtschaftlichen Verhältnisse des Angeklagten erörtert wurden und dass die Polizeibeamten konkrete Fragen zu einzelnen Beweisstücken an den Beschuldigten richteten.

Unter diesen Voraussetzungen handelt es sich bei den vom Beschuldigten gemachten Angaben weder um spontane Äußerungen noch um Auskünfte im Rahmen einer bloßen informatorischen Befragung sondern um Aussagen anlässlich einer förmlichen Vernehmung.“

Die Entscheidung ist zutreffend. Aber bitte beachten: Sie ändert nichts daran, dass für eine „normale Durchsuchung“ eine Gebühr nach Nr. 4102 VV RVG nicht entsteht. Hier handelte es sich aber eben um eine Durchsuchung mit „intergrierter Vernehmung“ 🙂 und für die ist zu Recht die Gebühr Nr. 4102 Ziff. 2 VV RVG festgesetzt worden.

DSGVO-Kollateralschaden: Burhoff-RVG-Forum abgeschaltet

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So heute ist DSGVO-Neujahr, aber: Nein, ich mache/bringe nichts zur DSGVO, die mich in den letzten Tagen auch beschäftigt hat. Das könnte ich auch gar nicht. Ich hoffe aber, dass bei mir alles DSGVO-konform ist. Bei den erforderlichen Arbeiten/Prüfungen haben mich mein Webmaster D. Springwald aus Bochum und der Kollege Mirko Laudon aus Hamburg tatkräftig unterstützt, rechtlich wie technisch. Dafür beiden auch an dieser Stelle herzlichen Dank.

Kollateralschäden gibt es natürlich, leider. Dazu gehört mein RVG-Forum auf Burhoff-Online. Das habe ich seit Inkrafttreten des RVG im Sommer 2004 betrieben. Das ist im Zuge des Inkrafttretens der DSGVO dann jetzt abgeschaltet, ich hatte keinen Bock auch da noch zu informieren, zu belehren usw. Ist aber (leider) auch nicht ganz so schlimm. Das Forum war in der letzten Zeit eh nicht mehr so stark frequentiert wie in den Anfangsjahren. Daher kann ich das Abschalten verschmerzen. Wer gebührenrechtliche Fragen hat, weiß ja, wo und wie er mich findet.

Wenn jetzt noch Fragen sind: Ich wende mich damit an Frau Merkel und den wohl zuständigen Minister – Herrn Seehofer – und die zuständige Kommissarin bei der EU. Die werden schon wissen, wie es geht und/oder richtig zu machen ist.

Ich glaube, die Antwort würde uns verunsichern 🙂 .