Archiv für den Monat: Dezember 2017

Das Pfefferspray beim Diebstahl, oder: Diebstahl mit Waffen?

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Im BGH, Urt. v. 20.09.2017 – 1 StR 112/17 – hat der BGH in einem Verfahren u.a. wegen versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung und Diebstahls noch einmal zur Frage der „Waffenfähigkeit“ von Pfefferspray Stellung genommen. Der  Angeklagte hatte das Pfefferspray in einer Dose mitgeführt. Der BGH führt aus:

„Der Schuldspruch hält im Fall B.II.2. der Urteilsgründe rechtlicher Überprüfung nicht stand. Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hätte das Landgericht den Angeklagten nicht lediglich wegen Diebstahls gemäß § 242 StGB, sondern wegen Diebstahls mit Waffen gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB verurteilen müssen.

a) Das Pfefferspray ist ein von § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB erfasstes Tat-mittel. Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob es sich um eine „Waffe“ (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 244 Rn. 4; Mitsch, JR 2009, 297, 299) oder um „ein anderes gefährliches Werkzeug“ (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2012 – 3 StR 186/12, NStZ-RR 2012, 308 [bzgl. § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB], wohl auch BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2008 – 5 StR 445/08, BGHSt 52, 376, 377 Rn. 4) handelt. Für die Eigenschaft als „Waffe“ im strafrechtlichen Sinne (zum Begriff grundlegend BGH, Beschluss vom 4. Februar 2003 – GSSt 2/02, BGHSt 48, 197, 203 ff.) könnte sprechen, dass mit Pfefferspray gefüllte Dosen als trag-bare Gegenstände gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a WaffG (i.V.m. Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr. 1.2.2.) sogar als Waffen im waffenrechtlichen Sinn in Betracht kommen (MünchKommStGB/Heinrich, 2. Aufl., Band 8, WaffG § 1 Rn. 117; Gade/Stoppa, Waffengesetz, Anlage 1 Rn. 105 f.; siehe auch Mitsch aaO). Jedenfalls handelt es sich aber um ein „anderes gefährliches Werkzeug“ (BGH, Beschluss vom 12. Juni 2012 – 3 StR 186/12, NStZ-RR 2012, 308 [bzgl. § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB]), weil das in der Dose enthaltene Pfefferspray nach seiner konkreten objektiven Beschaffenheit geeignet ist, einem Opfer erhebliche Körperverletzungen zuzufügen (zum Maßstab BGH, Beschluss vom 21. Juni 2012 – 5 StR 286/12, NStZ 2012, 571 f. mwN; grundle-gend Beschluss vom 3. Juni 2008 – 3 StR 246/07, BGHSt 57, 257, 269 Rn. 32).

b) Aus den zu den Taten und dem Nachtatgeschehen getroffenen Fest-stellungen ergibt sich, dass der Angeklagte das Pfefferspray während der gesamten Ausführungsphase des Diebstahls am Laptop bei sich geführt hat. Für dieses Merkmal genügt – wie bei der weitgehend inhaltsgleichen Qualifikation aus § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG (BGH, Urteil vom 14. Januar 1997 – 1 StR 580/96, BGHSt 42, 368, 371; Fischer aaO § 244 Rn. 27), wenn der Täter den fraglichen Gegenstand bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich seiner jederzeit bedienen kann. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn sich der Gegenstand derart in räumlicher Nähe befindet, dass ein Zugriff ohne nen-nenswerten Zeitaufwand und ohne nennenswerte Schwierigkeiten möglich ist; dafür genügt in räumlicher Hinsicht Griffweite (näher BGH, Urteil vom 12. Ja-nuar 2017 – 1 StR 394/16, StraFo 2017, 378 Rn. 7 mwN [zu § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG]). Ausweislich des festgestellten tatsächlichen Geschehens zu Tat B.II.1. hatte der Angeklagte das Pfefferspray zeitlich kurz vor dem Diebstahl in Richtung des Zeugen P. eingesetzt. Die Dose mit dem Pfefferspray warf er erst weg, nachdem er mit dem an sich genommenen Laptop aus dem Fenster des vom Zeugen bewohnten Zimmers gesprungen war (UA S. 14). Das belegt die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Qualifikation gemäß § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB.“

Und: Heute am Nikolaustag ist Conchin angesagt 🙂

Strafvollzug, oder: „Haftkontostatus aktiv“ anfechtbar?

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Und als letzte Vollzugsentscheidung dann noch eine vom KG, nämlich der KG, Beschl. v. 25.09.2017 – 2 Ws 145/17 Vollz. Es geht um die Anfechtbarkeit des „Haftkontostatus“. Auf dem Haftkonto des Antragstellers ist für eine Pfändung der Kosteneinziehungsstelle der Justiz in Höhe von 2.590,58 € der Status „aktiv“ vermerkt. Von seinem „Überbrückungsgeld“ in Höhe von 1.123 € hat er 484 € angespart. Über „Eigengeld“ verfügt er nicht. Die  Vollzugsbehörde hat gegenüber dem Antragsteller mündlich die Löschung des Status „aktiv“ für diese Pfändung abgelehnt. Dagegen beantragt er die gerichtliche Entscheidung. Die StVG hat den Antrag als unzulässig zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde hatte auch beim KG keinen Erfolg. Denn:

„Es fehlt bereits an einem zulässigen Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Der zugrundeliegende Antrag war unzulässig, weil er keine „Maßnahme“ im Sinne des § 109 Abs. 1 StVollzG zum Gegenstand hatte.

Eine „Maßnahme“ im Sinne von § 109 StVollzG ist eine Regelung mit Rechtswirkung. Es muss sich deshalb um den Akt einer Vollzugsbehörde handeln, der in das Rechtsverhältnis zwischen dem Gefangenen und dem Staat gestaltend eingreifen soll, also um eine Regelung einer einzelnen Angelegenheit, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist und diesbezüglich Verbindlichkeit beansprucht (vgl. z.B. Bachmann in LNNV, Strafvollzugsgesetze 12. Aufl., Abschn. P Rdn. 28, 29; Arloth/Krä, StVollzG 4. Aufl., § 109 Rdn. 6, 7, jeweils mit weit. Nachweisen).

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs fehlt der als „aktiv“ geführten Pfändung der Kosteneinziehungsstelle, wie sie in der Auskunft der Vollzugsbehörde vom 12. Mai 2016 zum Ausdruck kommt, jedwede rechtliche Außenwirkung gegenüber dem Antragsteller. Dieser Status gibt lediglich im Rahmen der Führung des Haftkontos vollzugsintern (zutreffend) wieder, dass eine Pfändung existiert und diese – sei es in Form von Ratenzahlung – bedient wird. Eine Außenwirkung auf den Antragsteller entwickelt dieser Status nicht. Jedenfalls ist der Antragsteller durch ihn nicht beschwert. Denn er verfügt mangels Bildung des Überbrückungsgeldes/Eingliederungsgeldes nicht über Eigengeld. Entgegen seines Vorbringens stellt dieser Status auch keinen erkennbaren Hinderungsgrund für Geldüberweisungen seiner Familie dar, die bis zur Bildung des Überbrückungsgeldes/Eingliederungsgeldes unpfändbar wären (für das Eingliederungsgeld: § 68 Abs. 2 Satz 2 StVollzG Bln in Verb. mit § 851 ZPO; für das Überbrückungsgeld: § 51 Abs. 4 Satz 1 StVollzG).“

Strafvollzug, oder: Der rückenkranken Strafgefangene hat ein Recht auf eine orthopädische Matratze

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Author Denis Barthel

In der zweiten vollzugsrechtlichen Entscheidung geht es um das Recht eines rückenkranken Strafgefangenen auf eine orthopädische Matratze. Dazu sagt das KG im KG, Beschl. v. 07.09.2017 – 2 Ws 122/17 (VollZ): Bei entsprechender medizinischer Indikation steht einem rückenkranken Strafgefangenen aus § 70 Abs. 1 Satz 1 StVollzG Bln ein Anspruch auf eine optimierte Schlafunterlage zu:

„Es ist obergerichtlich geklärt, dass der Gefangene einen Anspruch auf Krankenbehandlung hat, sofern die Maßnahme notwendig ist, um Krankheitsbeschwerden zu lindern (vgl. zu § 58 StVollzG: Senat, Beschluss vom 27. April 2012
2 Ws 168/12 –). Daran hat sich durch das Inkrafttreten des StVollzG Bln nichts Maßgebliches geändert (vgl. § 70 StVollzG Bln: Senat, Beschluss vom 20. Juli 2017 – 2 Ws 67/17 –).

Nach dem orthopädischen Sachverständigengutachten von Dr. med. S. vom 7. Mai 2017 leidet der Antragsteller unter einer degenerativen Veränderung mit Strukturschäden an der Wirbelsäule und kleinen Wirbelgelenken der Lendenwirbelsäule. Zur Linderung der daraus resultierenden Rückenbeschwerden ist eine optimierte Schlafunterlage, insbesondere eine Sieben-Zonen-Kaltschaummatratze mit Lattenrost, medizinisch indiziert. Bereits zuvor bestätigte der Anstaltsarzt die medizinische Behandlungsbedürftigkeit des Rückenleidens und verfolgte zuletzt eine medikamentöse Schmerztherapie. Angesichts dessen steht dem Antragsteller schon aus § 70 Abs. 1 Satz 1 StVollzG Bln ein Anspruch des Antragstellers auf die von ihm begehrte Schlafunterlage zu. Danach kann es offen bleiben, ob es sich hierbei zudem um ein „medizinisches Hilfsmittel“ im Sinne des § 70 Abs. 1 Satz 2 StVollzG Bln handelt.

2. Die Rechtsbeschwerde wäre aus den genannten Erwägungen insoweit auch unbegründet. Der Antragsteller hat – wie unter II. 1. dargestellt – einen aus § 70 Abs. 1 Satz 1 StVollzG Bln resultierenden Leistungsanspruch auf eine optimierte Schlafunterlage. Die von der Vollzugsbehörde erhobenen Sicherheitsbedenken stehen dem nicht entgegen. Die Matratze kann mit Überzügen gegen ein Verstecken von Gegenständen in den Zwischenräumen gesichert werden. Eine Kontrolle auf versteckte Gegenstände ist möglich. Der erhöhte Aufwand hat sich den Belangen der Gesundheitssorge zugunsten des Antragstellers unterzuordnen, zudem sich dieser noch lange in der Obhut der Vollzugsanstalt befinden wird. Dem Brandschutz kann durch die Auswahl einer schwer entflammbaren Matratze genüge getan werden. Soweit die Vollzugsanstalt erstmals mit der Rechtsbeschwerde Einwendungen gegen den vom Gefangenen gewünschten Matratzentyp erhebt, handelt es sich um beschlussfremdes Vorbringen. Ein solches Nachschieben von neuen Tatsachen oder Beweismitteln – so wie hier – ist im Rechtsbeschwerdeverfahren unbeachtlich (vgl. Arloth/Krä, StVollzG 4. Aufl., § 119 Rdn. 3 mit weit. Nachweisen). Im Übrigen hat das Landgericht den einen Matratzentyp nur als ein Beispiel aufgeführt, mit dem der Anspruch des Antragstellers erfüllt werden kann.“

Urinkontrolle im Strafvollzug, oder: Wer nicht pinkeln will, wird bestraft

entnommen wikimedia.org Autor: Jove

Vollstreckungsrecht kommt immer ein wenig kurz hier im Blog. Daher dann heute mal ein „Vollstreckungstag“, den ich mit dem KG, Beschl. v. o5.10.2017 – 2 Ws 92/17 (Vollz) beginne. Es geht um die Zulässigkeit von Urinproben im Strafvollzu, ein Thema, das in der Praxis immer wieder eine Rolle spielt.

Dazu die Leitsätze der KG, Entscheidung:

Nach § 84 StVollzG Bln sind Vollzugsbehörden berechtigt, von Strafgefangenen die Abgabe von Urinproben zur Feststellung des Konsums von Suchtmitteln zu verlangen; Strafgefangene sind verpflichtet, diesem Verlangen nachzukommen.

Kommt ein Strafgefangener dieser Mitwirkungspflicht schuldhaft nicht nach oder manipuliert er Urinproben, stellt dies eine Verfehlung dar, die disziplinarisch geahndet werden kann.

Die Entscheidung basiert (natürlich) auf Berliner Landesrecht. Die entsprechenden Vorschriften gibt es in den Vollzugsgesetzen der anderen Bundesländer aber ähnlich.

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Mitwirkung Beschlussverfahren nach Unterbrechung der HV – zusätzliche VG?

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Vor Beantwortung der Frage vom letzten Freitag: Ich habe da mal eine Frage: Mitwirkung Beschlussverfahren nach Unterbrechung der HV – zusätzliche VG?, ist es ein wenig hin und her gegangen, und zwar:

RE: Mitwirkung Beschlußverfahren nach Unterbrechung Hauptverhandlung

Hallo,
verstehe ich das richtig: HV ist begonnen worden, dann wird unterbrochen und „verhandelt“. Man einigt sich auf Entscheidung im Beschlussverfahren nach § 72 OWiG, die ergeht. Dann wird weitere (?) HV aufgehoben?
Sie müssten vielleicht mal mit ein paar Daten nachfüttern.

RE: Mitwirkung Beschlußverfahren nach Unterbrechung Hauptverhandlung

Hallo,
die Hauptverhandlung (2. Termin) wird erneut unterbrochen. Der Richter schickt daraufhin die Akte zur StA, um das Einverständnis für eine Entscheidung im Beschlußwege – Wegfall Fahrverbot gegen Erhöhung Geldbuße – einzuholen. StA stimmt dem zu. Verteidiger und Betroffener hatten Einverständnis insoweit bereits im 2. Termin erklärt und Verteidiger nach dem Termin erneutim Telefonat mit Richter. Der Fortsetzungstermin wird aufgehoben (in Abladung steht:“dienstliche Gründe“). 3 Tage später erläßt der Richter den Beschluß gem. § 72 OWiG.

RE: Mitwirkung Beschlußverfahren nach Unterbrechung Hauptverhandlung

Hallo, das hilft mir nicht weiter. Sorry, Sie müssen bitte den Verfahrensablauf darlegen und bitte die Begriffe: Unterbrechung und Aussetzung richtig verwende.

 

RE: Mitwirkung Beschlußverfahren nach Unterbrechung Hauptverhandlung

Die Hauptverhandlung wurde nie ausgesetzt, sondern nach ihrem Beginn zweimal unterbrochen (die Termine liegen innerhalb der 3-Wochen-Frist).

Nach der Unterbrechung (innerhalb der 3-Wochen-Frist) wird die Akte der StA vorgelegt – diese stimmt dem Beschlußverfahren zu.
Der innerhalb der 3-Wochen-Frist angesetzte Fortsetzungstermin wird aufgehoben (Grund: dienstliche Gründe).
3 Tage später wird der Beschluß erlassen.

Ich hoffe, es ist jetzt verständlicher.

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Und dann kam die Antwort:

Geht doch :-).,
M.E. wird es dann schwierig mit der Gebühr. Denn dann ist eine HV nicht entbehrlich geworden. Man kann allerdings auch sagen/vertreten, dass die Nr. 5115 VV RVG auch beim Entfallen eines Fortsetzungstermins gilt. Ist aber nicht h.M.

Zum Ganzen: Man kann es nachlesen bei Burhoff/Volpert, RVG – Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl. 2017, bei den nrn. 4141, 5115 VV RVG. Und bestellen kann man die „Bibel“ hier. 🙂 Werbemodus aus >>>