Archiv für den Monat: August 2017

„Kölner-Raser-Fall“, oder: Zur Strafaussetzung zur Bewährung bei „Rasern“

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Die sog. „Kölner-Raser-Fall“-Entscheidung – das BGH, Urt. v. 06.07.2017 – 4 StR 415/16 – ist in den Blogs inzwischen an vielen Stellen behandelt worden, und zwar sowohl auf der Grundlage der PM als auch auf der Grundlage des Volltextes. Zugrunde gelegen hat dem Urteil ein „Autorennen“ in der Kölner Innenstadt, bei dem einer der beiden beteiligten Kraftfahrzeugführer die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren und eine auf dem angrenzenden Radweg fahrende 19-jährige Studentin erfasst hatte, die später ihren durch die Kollision erlittenen schweren Verletzungen erlag. Das LG Köln hatte zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren bzw. von einem Jahr und neun Monaten, jeweils mit Strafaussetzung zur Bewährung, verurteilt. Der BGH hat das LG-Urteil hinsichtlich der Bewährungsentscheidung aufgehoben.

Ich will jetzt hier nicht auch noch die Entscheidung einstellen. M.E. lesenswert, das der BGH schon einen kleinen Grundkurs zur Entscsheidung von Bewährungsfragen gibt. Das sollte man als Verteidiger, aber auch als Gericht dann ggf. doch mal/immer wieder nachlesen. Der BGH hat an der Kölner-Entscheidung zwei Punkte beanstandet, nämlich:

  • Im Rahmen der Prüfung „besonderer Umstände“ nach § 56 Abs. 2 StGB habe das LG keine über die günstige Sozialprognose des § 56 Abs. 1 StGB hinausgehenden Umstände berücksichtigt.
  • Und bei der Frage, ob die Verteidigung der Rechtsordnung die Vollstreckung der Freiheitsstrafen gebiete (§ 56 Abs. 3 StGB) seien Tat und Täter nicht ausreichend gewürdigt worden, wobei auch generalpräventiven Erwägungen Bedeutung zukomme (Verweis auf BGHSt 24, 40, 45). Insbesondere der Umstand, dass die Angeklagten die zum Tod der Studentin führenden Gefahren bewusst geschaffen haben, sei hier von maßgeblicher Bedeutung (OLG Karlsruhe NZV 2004, 156 = DAR 2003, 325 im damaligen Raserfall).

Man draf gespannt sein, wie das LG mit den Vorgaben des BGH umgehen wird. Jedenfalls muss es die Frage der Bewährung eingehender prüfen und auch begründen, wenn es den BGH an seine Vorgaben – ggf. erneut Strafaussetzung zur Bewährung – binden will – „bis zur Grenze des Vertretbaren“.

Auch an der Stelle ist auf das vom Bundestag am 29.6.2017 beschlossene „Gesetz zur Strafbarkeit der Veranstaltung nicht genehmigter Kfz-Rennen und der Teilnahme daran“ mit dem neuen § 315d StGB, der das Veranstalten von Rennen und die Teilnahme an Rennen im Straßenverkehr unter Strafe stellt – bis nur OWi nach § 29 StVO zu verweisen. Zudem lässt die Entscheidung vom 06.07.2017 erahnen, wie der BGH über die bei ihm anhängige Revision über die Verurteilung wegen Mordes im „Berliner-Raser-Fall“ (vgl. das LG Berlin, Urt. v. 27.02.2017 – (535 Ks) 251 Js 52/16 (8/16) entscheiden wird. Gut sieht es dort danach m.E. für die Angeklagten nicht aus.

Sonntagswitz, heute wieder mal mit und zu Kindern

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Ich habe lange geschwankt. Grund: Ich habe ein paar Tage meine Enkelin besucht und war mir nicht sicher: Witze zu Kindern oder doch zu alten Leuten/Opas? Ich habe mich dann für die Kinder entschieden. Und hier sind dann:

Tom kommt weinend nach Hause.
„Was ist passiert?“,  fragt die Mutter besorgt.
„Im Kindergarten wussten alle, dass der Storch die Babys bringt. Nur ich bin mit deiner doofen Geschichte von Mann und Frau und der besonderen Umarmung aufgefallen.“


„Möchtest du wissen, wie ein Kälbchen auf die Welt kommt?“, fragt der Bauer den kleinen Max.
„Unbedingt.“
„Also, als erstes sind die Vorderbeine draußen, dann kommen Kopf und Schultern, dann der Körper und schließlich die Hinterbeine.“
„Wer bastelt dann daraus die Kuh?“


Als das kleine Mädchen nicht essen will, fragt die Mutter:
„Was passiert mit den kleinen Mädchen, die ihre Nudeln nicht aufessen?“
Anwtort: „Die bleiben schlank und werden Germanys Next Topmodel, Mutti!“


Der Großvater beantwortet den Brief seines Enkels:
„Hier bekommst du deine gewünschten 10 Euro.
Aber übe deine Rechtschreibung, Zehn schreibt man nicht mit zwei Nullen!“

Wochenspiegel für die 31. KW., das war Blitzen bei der Fahrprüfung, spektakulärer Kriminalfall, Abgasskandal und Rezension Messungen

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So, auch in dieser Woche gibt es einen Wochenspiegel. Den habe ich aber vorbereiten müssen, da ich am Sonntag nicht vor Ort bin. Ich erfasse also nur den Zeitraum bis Donnerstagabend. Aus dem ist dann zu berichten über:

  1. Dürfen Jobcenter und Sozialämter Führungszeugnisse anfordern?,
  2. In der Führerscheinprüfung geblitzt – wer zahlt das Bußgeld?,
  3. OLG Frankfurt zum “Abgasskandal”: Klage ge­gen Hersteller am Wohnsitz des Geschädigten zu­läs­sig,
  4. Der Kudammraser-Fall – eine kritische Auseinandersetzung mit dem Urteil des LG Berlin,
  5. Teufelszeug oder rotes Tuch der ewig Gestrigen? – Dashcams reloaded,
  6. Passend zur Urlaubszeit: Eingehungsbetrug im Hotel,
  7. Verfahrenseinstellung – und das Rechtsmittel des Angeklagten,
  8. Spektakulärer Kriminalfall,
  9. und dann war da noch: Das sind die attraktivsten Arbeitgeber für Studenten in Deutschland,
  10. und ganz zum Schluss in eigener Sache: Rezension: Burhoff / Grün, Messungen im Straßenverkehr, 4. Auflage, ZAP 2017, Bestellformular hier 🙂 .

 

Die Missbrauchsgebühr beim BVerfG, oder: Beleidigen lassen wir uns nicht

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Manche Verfahren scheinen nie oder nur schwer ein Ende zu nehmen. So ist es offenbar mit dem Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 2324/16. In dem ist der BVerfG, Beschl. v. 02.01.2017 – 1 BvR 2324/16 – ergangen, mit dem das BVerfG eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen und gegen den Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin eine Missbrauchsgebühr von 500 € verhängt hat. Begründung: Er „äußert sich in herabsetzender Weise über die sowohl im Ausgangsverfahren tätig gewesenen Richter, als auch die Richter und Bediensteten des Bundesverfassungsgerichts.“

Wer meint, danach sei es jetzt gut, der irrt. Den der Bevollmächtigte hat nun noch gegen gegen den Kostenansatz der Missbrauchsgebühr Erinnerung eingelegt und die „Aussetzung der Vollziehung“ beantragt. Ohne Erfolg, das BVerfG hat die Erinnerung im BVerfG, Beschl. v. 28.06.2017 – 1 BvR 2324/16 – verworfen:

1. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 Justizbeitreibungsordnung (JBeitrO) in Verbindung mit § 66 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) sind Einwendungen, die den beizutreibenden Anspruch selbst, die Haftung für den Anspruch oder die Verpflichtung zur Duldung der Vollstreckung betreffen, vom Schuldner bei Ansprüchen auf „Gerichtskosten“ nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 JBeitrO gerichtlich nach den Vorschriften über Erinnerungen gegen den Kostenansatz geltend zu machen.

Zwar gehört die Missbrauchsgebühr nach § 34 Abs. 2 BVerfGG zu den „Gerichtskosten“ im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 4 JBeitrO. Dies ergibt sich schon daraus, dass das Bundesverfassungsgericht in § 2 Abs. 2 JBeitrO als möglicher Anspruchsinhaber genannt wird, für den das Bundesamt für Justiz als Vollstreckungsbehörde tätig werden soll. Die Missbrauchsgebühr entsteht als gerichtliche Gebühr mit ihrer Auferlegung durch die Entscheidung des Senats oder der Kammer. Ihrer Einordnung als gerichtliche Gebühr steht nicht entgegen, dass sie Sanktionscharakter hat (vgl. BVerfGE 50, 217 <230>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 9. Oktober 2008 – 1 BvR 1356/03 -, juris, Rn. 4; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 31. Mai 2012 – 2 BvR 611/12 -, juris, Rn. 4 und vom 28. Oktober 2015 – 2 BvR 740/15 -, juris, Rn. 8; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. März 2017 – 2 BvR 871/16 -, juris, Rn. 4). § 34 Abs. 1 und Abs. 2 BVerfGG stehen in einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zueinander. Absatz 2 regelt, unter welchen Voraussetzungen der Grundsatz der Kostenfreiheit verfassungsrechtlicher Verfahren durchbrochen werden kann. Die auf dieser Grundlage verhängte Gebühr ist eine Gegenleistung für die missbräuchliche Inanspruchnahme des Bundesverfassungsgerichts und mithin eine Gebühr im Rechtssinne (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 9. Oktober 2008 – 1 BvR 1356/03 -, juris, Rn. 4; BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 31. Mai 2012 – 2 BvR 611/12 -, juris, Rn. 4 und vom 28. Oktober 2015 – 2 BvR 740/15 -, juris, Rn. 8; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 27. März 2017 – 2 BvR 871/16 -, juris, Rn. 4). Das Bundesverfassungsgericht hat demgemäß eine auf den Gesichtspunkt der Verjährung der Gebührenforderung gestützte Erinnerung gegen den Kostenansatz einer Missbrauchsgebühr für zulässig gehalten; die Einrede der Verjährung zähle zu den Einwendungen, die gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Variante 1 JBeitrO in Verbindung mit § 66 GKG mit der Erinnerung geltend gemacht werden können (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 9. Oktober 2008 – 1 BvR 1356/03 -, juris, Rn. 5).

Im vorliegenden Fall handelt es sich jedoch nicht um eine solche Einwendung. Der Kostenschuldner wendet sich gegen die Verhängung der Missbrauchsgebühr als solche. Diese ist – wie der Beschluss vom 2. Januar 2017 insgesamt – unanfechtbar.

2. Der Antrag auf „Aussetzung der Vollziehung“ ist im Wege der Auslegung als Antrag auf Anordnung der vorläufigen Einstellung der Beitreibung der Gerichtskosten gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Satz 1 Variante 1 JBeitrO zu behandeln, der entsprechend der Regelung in § 66 Abs. 7 Satz 2 GKG über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Erinnerung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG zulässig ist. Eine vorläufige Einstellung der Beitreibung nach § 8 Abs. 1 Satz 3 JBeitrO kann danach nur angeordnet werden, soweit und solange noch eine Entscheidung über eine Erinnerung begehrt wird und aussteht.

Der Antrag des Kostenschuldners hat sich mit der Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenansatz der Kostenrechnung erledigt und ist unzulässig geworden. Er kann sich nicht mehr auf eine noch zu entscheidende Erinnerung gegen die Beitreibung nach § 8 Abs. 1 Satz 3 JBeitrO stützen.“

Radfahrer, oder: Wer gegen die Fahrtrichtung fährt, muss besonders aufpassen

Im Kessel Buntes heute dann zunächst eine Fahrradfahrerentscheidung. Sie kommt vom OLG Frankfurt. Der dem OLG Frankfurt, Beschl. v. 09.05.2017 – 4 U 233/16 – zugrunde liegende Sachverhalt spielt in Frankfurt, er könnte aber auch ohne weiteres in Münster spielen. Es geht um einen Fahrradfahrer, den Beklagten, der mit einer Geschwindigkeit von 10-12 km/h in Gegenrichtung auf einem Fahrrad-Schutzstreifen in der Frankfurter Innenstadt gefahren ist. Der Kläger wollte als Fußgänger diesen Schutzstreifen in der Nähe eines Fußgängerüberweges überqueren. Dabei wurde er von dem Fahrrad des Beklagten niedergerissen. Die Parteien hatten sich vor dem Unfall gegenseitig nicht gesehen. Der Kläger wurde bei dem Sturz verletzt und verlangt von dem Beklagten Schmerzensgeld und weiteren Schadensersatz. Das LG hat 5.000 € Schmerzensgeld egwährt und weiteren Schadensersatz. Dagegen die Berufung des Beklagten.

Das OLG sieht die Berufung als unbegründet an hat einen entsprechenden Hinweisbeschluss erlassen. Daraufhin hate der Beklagte seine Berufung zurück. Das OLG stellt darauf ab, dass der Beklagte den Fahrrad-Schutzstreifen verbotswidrig genutzt habe. Er habe gegen das Rechtsfahrgebot verstoßen. Dieses Fehlverhalten löse gesteigerte Sorgfaltspflichten aus. Der Beklagte habe deshalb insbesondere darauf achten müssen, ob Fußgänger von – aus seiner Sicht – links die Straße überqueren wollen. Diese Fußgänger müssten nicht mit einem von rechts verbotswidrig herannahenden Radfahrer rechnen.

Hier die Leitsätze der OLG-Entscheidung:

1. Ein Radfahrer, der bei auf jeder Straßenseite vorhandenen Fahrradschutzstreifen den in seiner Fahrtrichtung linken benutzt, verstößt gegen das Rechtsfahrgebot.

2. Fußgänger, die von links die Straße überqueren wollen, sind ihm gegenüber zwar gleichwohl wartepflichtig.

3. Den Radfahrer trifft bei der Benutzung des linken Fahrradschutzstreifens jedoch aus § 1 Abs. 2 StVO eine gesteigerte Vorsichtspflicht, darauf zu achten, ob nicht von links kommende Fußgänger die Straße überqueren wollen. Deren Missachtung kann eine überwiegende Haftung für den Schaden des bei einem Zusammenstoß verletzten Fußgängers aus § 823 Abs. 1 BGB rechtfertigen.

10 % Haftung, mehr aber auch nicht, sind dann aber doch beim Kläger geblieben, denn:

„Soweit das Landgericht dem Kläger ein Mitverschulden von lediglich 10 % allein deshalb angelastet hat, weil der Kläger die Straße “X” nicht auf dem in der Nähe befindlichen Fußgängerüberweg überquert hat, ist dies nicht zu beanstanden. Dem Beklagten ist schon kein Verstoß gegen § 25 Abs. 3 S. 2 StVO vorzuwerfen. Eine Verpflichtung, den Fußgängerüberweg zu benutzen, besteht danach nur, wenn die Straße “an Kreuzungen oder Einmündungen überschritten” wird. Der Fußgängerüberweg lag hier jedoch mindesten 10 – 15 m (Beklagter im Protokoll vom 19.8.2016, S. 5: 18 m) von der Einmündung der Straße “Y” entfernt. Dazwischen befinden sich noch Parkflächen und der eingehauste U-Bahn-Eingang.“