Bei Beck-Online bin ich auf das AnwG Köln, Urt. v. 20.03.2017 – 1 AnwG 40/16 – gestoßen. Er geht um die (zusätzliche) berufsrechtliche Ahndung einer Fahrerflucht durch einen Rechtsanwalt. Das AnwG hat festgestellt, dass sich der angeklagte Kollege nach dem Beschädigen eines anderen Pkw beim Einparken in einem Parkhaus unerlaubt vom Unfallort entfernt hat (§ 142 StGB). Das AG hatte den Rechtsanwalt bereits zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 50 € und einem zweimonatigen Fahrverbot verurteilt, das AnwG Köln hat gegen den Rechtsanwalt dann noch eine zusätzliche Geldbuße von 400 € verhängt, weil es die Sanktion durch das AG im Hinblick auf die berufliche Stellung des Rechtsanwalts nicht für ausreichend hielt:
„Einer Ahndung des Verhaltens von Herrn Rechtsanwalt D. steht auch § 115b S. 1 BRAO nicht entgegen. Nach § 115b S. 1 BRAO ist dann, wenn durch ein Gericht oder eine Behörde eine Strafe, eine Disziplinarmaßnahme, eine berufsgerichtliche Maßnahme oder eine Ordnungsmaßnahme verhängt worden ist, von einer anwaltsgerichtlichen Ahndung wegen desselben Verhaltens abzusehen, wenn nicht eine anwaltsgerichtliche Maßnahme zusätzlich erforderlich ist, um den Rechtsanwalt zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten und das Ansehen der Rechtsanwaltschaft zu wahren. Eine zusätzliche anwaltsgerichtliche Ahndung kommt dabei nur in Betracht, wenn beide Voraussetzungen nebeneinander vorliegen (Feuerich/Weyland, § 115b BRAO, Rn. 30).
Unter Gesamtwürdigung aller Umstände waren die anwaltsgerichtlichen Maßnahmen des Verweises und einer Geldbuße in Höhe von 400,00 EUR gemäß §§ 113 Abs. 2, 114 BRAO zu verhängen.
Die Verhängung der Maßnahmen des Verweises und der Geldbuße in Höhe von 400,00 EUR berücksichtigt den Umstand, dass Herrn Rechtsanwalt D. ein erhebliches Fehlverhalten zur Last fällt. Sein Verhalten bei der Unfallflucht selbst in Gestalt des versteckten Abparkens des Fahrzeuges zwei Etagen höher wie auch sein Tatnachverhalten, bei dem er die Unfallgeschädigte ignorierte und bei der eiligen Ausfahrt noch seinen rechten Außenspiegel beschädigte, und sein zu einer Verzögerung der Unfallregulierung folgendes Verhalten begründen eine besondere Schwere der Pflichtverletzung.
Zugunsten von Herrn Rechtsanwalt D. war zu berücksichtigen, dass bereits eine Ahndung durch Strafbefehl des AG Köln pp. in Gestalt der Verhängung von 30 Tagessätzen zu je 50,00 EUR sowie eines Fahrverbotes von zwei Monaten erfolgte und eine sicherlich empfindliche Ahndung darstellt.
Die Maßnahmen des Verweises und der Geldbuße in Höhe von 400,00 EUR waren dabei notwendig aber auch ausreichend, um den Pflichtverstoß zu ahnden und Herrn Rechtsanwalt D. zur Einhaltung der anwaltlichen Berufspflichten anzuhalten.“
So ganz kann ich mich mit dem Urteil nicht anfreunden. Denn nach § 113 Abs. 2 BRAO ist ein außerhalb des Berufs liegendes Verhalten eines Rechtsanwalts dann eine anwaltsgerichtlich zu ahndende Pflichtverletzung, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen der Rechtsuchenden in einer für die Ausübung der Anwaltstätigkeit bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Eine Antwort darauf, warum das hier der Fall war, bleibt die Entscheidung des AnwG Köln m.E. schuldig. Es hat sich um eine ganz „normale“ Unfallflucht gehandelt. Und dass das Verhalten des Rechtsanwalts zu einer über das normale Maß hinaus gehenden Verzögerung der Unfallregulierung geführt hätte, kann man dem Urteil m.E. auch nicht entnehmen. Aber: Dre Kollege hat es hingenommen.
Skandalös!
Das nenne Ich mal eine harte Strafe (50€ Tagessatz)! Oder, bei dieser Höhe muss das ein sehr erfolgreicher Anwalt sein .. glaube ich
@ Rainer Wendt: Wohl kaum, bei einem anrechnenbaren Nettomonatseinkommen von 1.500 €
Mal so am Rande: Das Verhalten des Kollegen mag zwar verwerflich sein, allerdings sehe ich keine so große Intensität, die die anwaltgerichtliche Maßnahme rechtfertigt. Ich bin da nun etwas vorsichtig, da ich den Sachverhalt in seinen Details nicht kenne. Allerdings ist das Verhalten des Kollegen, dies sage ich als im täglichen Leben als Rechtsanwalt permanent mit Unfallfluchten befaßt, eher noch im unteren Bereich angesiedelt. Es soll weder beschönigt, noch verniedlicht, oder gar gerechtfertigt werden. Mich stört allerdings insbesondere die Formulierung „…und bei der eiligen Ausfahrt noch seinen rechten Außenspiegel beschädigte, und sein zu einer Verzögerung der Unfallregulierung folgendes Verhalten begründen eine besondere Schwere der Pflichtverletzung.“ Insofern schließe ich mich dem Kollegen Burhoff an. Denn das Gericht bleibt tatsächlich eine Antwort schuldig. Wollen wir hoffen, das sich hier nicht eine Tendenz abzeichnet, wie sie auch in der Gesellschaft allgemein zu beobachten ist. Nämlich das still und heimlich eine „merkwürdige“ Moral wieder Einzug in das Berufsrecht (wohlgemerkt: nicht Standesrecht!!!!) findet…..
In meinen Augen eine „Feld-Wald-Wiesen-Unfallflucht“, die die Maßnahme – jedenfalls nach dem,w as das Urteil mitteilt – m.E. nicht rechtfertigt.