Archiv für den Monat: Februar 2015

„12 oder 13 Jahre alt“ – das sind keine „sehr jungen Kinder“ mehr

© Dan Race Fotolia .com

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Der BGH, Beschl. v. 04.12.2014 – 4 StR 477/14 – bringt nichts weltbewegend Neues, aber zwei kurze Anmerkungen/Hinweise ist er mit wert. Es geht um eine Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern, die der BGH aufhebt.

U.a. mit folgender Begründung:

„Sowohl hinsichtlich des vaginalen Penetrationsversuchs zum Nachteil der Nebenklägerin K. im Fall II. 10 der Urteilsgründe, als auch in Bezug auf den mit ihr ausgeführten Oralverkehr im Fall II. 11 der Urteilsgründe gibt das Urteil als Tatzeit „einen nicht mehr genau feststellbaren Tag im Zeitraum 2001/2002“ an. Da K. am 2. November 2002 vierzehn Jahre alt geworden ist, können sich diese Geschehnisse damit auch zu einem Zeitpunkt zugetragen haben, in dem sie die Schutzaltersgrenze bereits erreicht hatte und damit kein Kind im Sinne der §§ 176, 176a StGB mehr war.“

Und die Strafzumessung gefällt dem BGH auch nicht:

3. Die in den verbleibenden Fällen verhängten Einzelstrafen waren aufzuheben, weil dem Landgericht bei deren Bemessung durchgreifende Rechtsfehler unterlaufen sind.

In den Fällen des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern ist die Strafkammer rechtsfehlerhaft von dem Strafrahmen des § 176a Abs. 2 StGB in der Fassung vom 27. Dezember 2003 ausgegangen, obgleich die Taten vor dem Inkrafttreten dieser Vorschrift am 1. April 2004 begangen worden sind und deshalb § 176a Abs. 1 StGB in der Fassung vom 26. Januar 1998 anzuwenden gewesen wäre, der eine niedrigere Mindeststrafe vorsieht. Soweit der Angeklagte wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt worden ist, hätte die Strafkammer einen minder schweren Fall nach § 176 Abs. 1 letzter Halbsatz StGB in der hier anzuwenden Fassung vom 26. Januar 1998 in Erwägung ziehen müssen, da auch diese Taten vor dem 1. April 2004 begangen wurden. Rechtlich bedenklich ist schließlich auch, dass das Landgericht dem Angeklag-ten „das noch sehr junge Alter der Opfer“ bzw. den Missbrauch von zwei „noch sehr jungen Kinder(n)“ (UA 25) angelastet hat, obgleich die Nebenklägerin K. in den Fällen II. 3, 4, 7 und 9 der Urteilsgründe entweder 12 oder 13 Jahre alt war.“

Die Anwendung des falschen Strafrahmens kann ich mit den häufigen Änderungen im Bereich des Sexualdelikte noch nachvollziehen. Aber mit der Aussage, dass 12 oder 13 Jahre alte Kinder „noch sehr junge Kinder“ sind, habe ich dann doch Probleme.

Wer wiederkommt, muss das letzte Wort bekommen..

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Manche Entscheidungen überraschen mich, und zwar nicht wegen des Inhalts der Entscheidung, sondern wegen der zugrunde liegenden Verfahrenskonstellationen. Denn häufig kann man daraus nur den Schluss ziehen, dass dann manches, was eigentlich klar sein müsste, in der Praxis doch nicht so klar ist. So ist es mir mit dem OLG Stuttgart, Beschl., v. 02.02.2015 – 1 Ss 6/15 – ergangen. Da hatte das AG den Angeklagten verurteilt. Der legt Berufung ein. Am zweiten Berufungshauptverhandlungstag erscheint er nicht. Das LG beschliesst, die Hauptverhandlung nach § 231 Abs. 2 StPO wegen eigenmächtigen Ausbleibens des Angeklagten ohne diesen fortzuführen. Nach Schließung der Beweisaufnahme erhalten die Staatsanwaltschaft und der Verteidiger das Wort. Danach wurde die HV um 10:22 Uhr unterbrochen und um 10:51 Uhr bei Anwesenheit aller Beteiligten einschließlich des inzwischen wieder erschienenen Angeklagten fortgesetzt. Ohne dem Angeklagten das letzte Wort zu erteilen und ohne dass dieser das Wort ergriffen hatte, verkündete das LG dann ein Urteil.

So geht es nicht, sagt das OLG Stuttgart. Denn:

„Die Fortsetzung der Verhandlung am 10. Oktober 2014 in Abwesenheit des Angeklagten gemäß § 231 Abs. 2 StPO enthob das Gericht nicht seiner Verpflichtung, dem vor Urteilsverkündung erschienenen Angeklagten gemäß § 258 Abs. 2 StPO das letzte Wort zu erteilen (BGH NStZ 1986, 372). Das Recht zur Ausübung des letzten Wortes hat der Angeklagte auch nicht dadurch verwirkt, dass er zuvor eigenmächtig der Verhandlung ferngeblieben ist. Es entspricht ständiger höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung, dass ein Angeklagter nach seiner Rückkehr in die Hauptverhandlung seine Stellung mit all seinen Rechten wieder einnimmt (BGH a.a.O. sowie NStZ 1990, 291; OLG Hamm NStZ-RR 2001, 334; siehe auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 231, Rn. 23; KK-Gmel, StPO, 7. Aufl., § 231, Rn. 12).

Dem Recht des Angeklagten auf das letzte Wort entspricht die Verpflichtung des Gerichts, nach § 258 Abs. 3 StPO dem Angeklagten von Amts wegen Gelegenheit zu ge¬ben, sich als letzter persönlich abschließend zur Sache zu äußern (BGH NJW 1963, 259). Das ist angesichts der Bedeutung dieses Rechts auch dann erforderlich, wenn das Gericht das Beweisergebnis schon abschließend beraten hat und zur Verkündung des Urteils bereit ist (BGH NStZ 1986 a.a.O.).

Zwar begründet die Nichterteilung des letzten Wortes die Revision nur dann, wenn und soweit das Urteil darauf beruht (§ 337 Abs. 1 StPO), wobei die bloße Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs genügt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 337, Rn. 37 m.w.N.). Dieser kann nur in besonderen Ausnahmefällen ausgeschlossen werden (vgl. dazu BGH BeckRS 2014, 15076 m.w.N.). Die insoweit entwickelten Fallgruppen greifen vorliegend indes nicht durch. Insbesondere hat der Angeklagte die ihm zur Last gelegte Tat nicht eingeräumt, weshalb nicht auszuschließen ist, dass er die Möglichkeit des letzten Wortes genutzt hätte, um Erklärungen abzugeben, die Anlass für weitere Beweiserhebungen oder eine andere Entscheidung hätten sein können.“

THC-Gehalt gilt ohne Wenn und Aber = ohne Sicherheitsabschlag

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Und ebenfalls aus dem Verkehrsrecht kommt dann das BVerwG, Urt. v. 23.10.2014 – 3 C 3.13, das ich bisher noch nicht gebracht habe, das heute dann aber dran ist. Es geht (mal wieder) um Cannabis-Konsum und die Frage der Entziehung der Fahrerlaubnis. Insoweit sicherlich (auch) interessant, aber dazu will ich nur die beiden Leitsätze bringen, und zwar:

1.    Gelegentlicher Konsum von Cannabis im Sinne von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung liegt dann vor, wenn der Betroffene in zumindest zwei selbstständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen.
2.    Ein gelegentlicher Konsument von Cannabis trennt dann nicht in der gebotenen Weise zwischen diesem Konsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs, wenn er fährt, obwohl eine durch den Drogenkonsum bedingte Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen ist.

Etwas näher eingehen will ich auf den dritten Leitsatz:

„3.    Wird der THC-Gehalt in einer Blutprobe lege artis nach den Richtlinien der Gesellschaft für Toxikologische und Forensische Chemie ermittelt, ist ein „Sicherheitsabschlag“ vom gemessenen Wert für unvermeidbare Messungenauigkeiten nicht erforderlich.

weil der über das Verwaltungsrecht hinaus auch im OWi-Recht Bedeutung haben kann/hat. Denn bislang war obergerichtlich in der Rspr. zu § 24a Abs. 2 StVG noch nicht entschieden, ob bei den vorliegenden Messungen ggf. mit einem Sicherheitsabschlag gearbeitet werden konnte. Dazu gab es zwar OLG-Entscheidungen, die hatten die Frage, wenn ich es richtig sehe, nur in einem obiter dictum entschieden. Nun hat sich das BVerwG geäußert und einen „Sicherheitsabschlag“ abgelehnt:

„c) Der Einwand des Klägers, wegen nicht auszuschließender Messungenauigkeiten müsse ein „Sicherheitsabschlag“ von dem in der Blutprobe festgestellten THC-Wert von 1,3 ng/ml abgezogen werden, ist ebenfalls unbegründet. Das Berufungsgericht hat ein solches Erfordernis im Ergebnis zu Recht verneint.

Nach seinen Feststellungen ist der beim Kläger festgestellte Messwert lege artis nach den Regeln der Gesellschaft für Toxikologische und Forensische Chemie ermittelt worden; gleichwohl ist – wie das Berufungsgericht weiter feststellt -eine Schwankungsbreite bei den Messwerten unvermeidbar.

Bei der Frage, ob solche Messungenauigkeiten einen „Sicherheitsabschlag“ erforderlich machen, handelt es sich nicht anders als bei der Bestimmung des Gefährdungsmaßstabs um eine Frage der Risikozurechnung. Es geht darum, ob die verbleibende Ungewissheit, dass der „wahre“ THC-Wert nicht an der unteren, sondern ebenso an der oberen Grenze dieser Schwankungsbreite liegen kann, von dem Cannabiskonsumenten, der sich nach dem Rauschmittelkonsum an das Steuer eines Kraftfahrzeugs setzt, oder aber von den anderen Verkehrsteilnehmern zu tragen ist. Da der Cannabiskonsument den Gefährdungstatbestand schafft, liegt es auf der Hand, dass die verbleibende Unsicherheit zu seinen Lasten gehen muss. Angesichts der Zielrichtung des Fahrerlaubnisrechts, die Sicherheit des Straßenverkehrs zu gewährleisten und Gefahren für Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer so weit wie möglich auszuschließen, liegt in dieser Risikozuordnung eine verhältnismäßige Beschränkung seiner Rechte.

Unabhängig davon darf nicht übersehen werden, dass die bei der Untersuchung von Blutproben nicht zu vermeidenden Messungenauigkeiten bereits bei der Festsetzung der analytischen Grenzwerte berücksichtigt worden sind, die die Grenzwertkommission in Bezug auf die in der Anlage zu § 24a StVG aufgeführten Liste der berauschenden Mittel und Substanzen vorgenommen hat. Im Beschluss der Grenzwertkommission vom 22. Mai 2007 wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Grenzwerte einen Sicherheitszuschlag enthalten (Blutalk 2007, 311).

Verbleibende Schwankungsbreiten selbst bei lege artis erfolgenden THC-Messungen müssen auch nicht nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ zugunsten des Betroffenen gehen und deshalb zu einem „Sicherheitsabschlag“ führen. Dieser für eine strafrechtliche oder ordnungswidrigkeitsrechtliche Ahndung geltende Grundsatz kommt im Gefahrenabwehrrecht, dem die Fahrerlaubnis-Verordnung zuzurechnen ist, schon wegen dessen anderer Zielrichtung nicht zur Anwendung. Selbst für die strafrechtliche und ordnungswidrigkeitsrechtliche Ahndung von Fahrten unter Cannabiseinfluss geht die Rechtsprechung im Übrigen davon aus, dass der gemessene THC-Wert nicht um einen „Sicherheitsabschlag“ zu verringern ist (vgl. etwa OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29. Januar 2007 – 3 Ss 205/06NZV 2007, 248 <249> und OLG Brandenburg an der Havel, Beschluss vom 30. März 2007 – 1 Ss (OWi) 291B/06 – Blutalk 2008, 135 <136 f.>, jeweils m.w.N.; ebenso für Maßnahmen nach der Fahrerlaubnis-Verordnung OVG Münster, Urteil vom 1. August 2014 – 16 A 2806/13 -[…] Rn. 61 ff; OVG Bremen, Beschluss vom 20. Juli 2012 – 2 B 341/11NZV 2013, 99 <100>).

Schließlich kann sich der Kläger bei seiner Forderung nach einem „Sicherheitsabschlag“ auch nicht auf die allgemeinen Beweislastregeln berufen, die im Verwaltungsverfahren und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Geltung beanspruchen. Er verkennt dabei, dass der normative Ausgangspunkt der in Nr. 9.2.2 der Anlage 4 getroffenen Regelung ein möglichst weitgehender Ausschluss von cannabisbedingten Gefährdungen der Sicherheit des Straßenverkehrs ist.

Schade…..

Wer auf einem rollenden Fahrrad fährt, führt

FahrradfahrerUm eine verkehrsrechtlich interessante Entscheidung handelt es sich bei dem VGH München, Beschl. v. 17.11.2014 – 11 ZB 14.1755, die ich dann auch gleich mal in meinen entsprechenden Sammelordnern abgeheftet habe. Es geht mal wieder um eine „Trunkenheitsfahrt“ mit einem Fahrrad. Dem Kläger ist die Fahrerlaubnis entzogen worden und er streitet mit der Verwaltungsbehörde um deren Neuerteilung, die abgelehnt worden ist. Dabei geht es um eine „Fahrt“ am 10.01.2013. Da ist der Kläger auf einem Fahrrad sitzend und rollend beobachtet worden. Festgestellt wurde eine BAK von 2,42 Promille.

Und nun streitet man sich um die Frage: Hat der Kläger ein Fahrrad geführt? Der VGH München sagt: Ja:

„Entgegen diesem Vorbringen ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass der Kläger am 10. Januar 2013 ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer BAK von 2,41 Promille geführt hat. Nach der Aussage des Zeugen, POM L., ist es ausgeschlossen, dass der Kläger das Fahrrad geschoben hat, also neben dem Fahrrad herging, wie der Kläger ursprünglich geltend gemacht hatte. Die Bewegungsmuster einer ein Fahrrad schiebenden Person und einer auf einem rollenden Fahrrad sitzenden Person sind, worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen hat, so unterschiedlich, dass das auch bei einer nur kurzen Beobachtung zu unterscheiden ist.

Das Sitzen auf einem rollenden Fahrrad stellt ein Führen dieses Fahrrads dar, weil ein rollendes Fahrrad mit einer darauf sitzenden Person offensichtlich des Führens bedarf. Das Verwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt, dies gelte unabhängig davon, ob die Bewegungsenergie aus einem aktuellen Betätigen der Pedale gezogen werde, aus einer vorhergehenden Pedalbewegung herrühre oder etwa nur aus der Schwerkraft beim Befahren einer Gefällstrecke. Kennzeichnend für das Führen eines Fahrzeugs sei, dass die Räder rollten, also ein eigenständiger Bewegungsvorgang des Fahrzeugs ausgelöst worden sei, was bei einem Fahrrad dann anzunehmen sei, wenn sich Fahrer und Fahrrad zusammen bewegten und der Bodenkontakt mit beiden Füßen gelöst sei.

Daran bestehen keine ernstlichen Zweifel. Die Auffassung entspricht der Rechtsprechung zu § 316 StGB und der Kommentarliteratur zu dieser Vorschrift. Nach der grundlegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27. Oktober 1988 (4 StR 239/88BGHSt 35, 390) kann in Abgrenzung zur bloßen Vorbereitung Führer eines Fahrzeuges nur sein, wer sich selbst aller oder wenigstens eines Teiles der wesentlichen technischen Einrichtungen des Fahrzeugs bedient, die für seine Fortbewegung bestimmt sind. Es muss also jemand, um Führer eines Fahrzeugs sein zu können, das Fahrzeug unter bestimmungsgemäßer Anwendung seiner Antriebskräfte unter eigener Allein- oder Mitverantwortung in Bewegung setzen oder das Fahrzeug unter Handhabung seiner technischen Vorrichtungen während der Fahrbewegung durch den öffentlichen Verkehrsraum ganz oder wenigstens zum Teil lenken (ebenso Fischer, StGB, 61. Aufl. 2014, § 315 c Rn. 3a). Führer ist auch, wer nur einzelne dieser Tätigkeiten vornimmt, jedenfalls solange es sich dabei um solche handelt, ohne die eine zielgerichtete Fortbewegung des Fahrzeugs im Verkehr unmöglich wäre (BGH, B.v. 18.1.1990 – 4 StR 292/89BGHSt 36, 341). Auch zum Begriff des Führens eines Kraftfahrzeuges ohne Fahrerlaubnis hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass es auf den „Bewegungsvorgang“ (U.v. 9.7.1959 – 2 StR 240/59BGHSt 13, 226) oder das „Abrollenlassen“ eines Kraftfahrzeugs (B.v. 29.3.1960 – StR 55/60 -BGHSt 14, 185) ankommt, wobei der Motorkraft als Ursache der Bewegung keine Bedeutung zukommt. Daher führt auch der, der ein Mofa fortbewegt, indem er sich -auf dem Fahrersattel sitzend – mit den Füßen vom Boden abstößt, ein Fahrzeug (OLG Düsseldorf, U.v. 29.9.1981 – 2 Ss 426/81VRS 62, 193).“

8 km/Stunde weniger schnell, die können entscheidend sein

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Machen wir heute mal OWi-Recht/Verkehrsrecht und schieben dem Posting Munition im Kampf gegen PoliscanSpeed, oder: Das OLG Frankfurt hat keine Ahnung…. gleich noch ein verkehrsrechtliches Posting nach, und zwar mit dem AG Senftenberg, Urt. v. 05.012.2015 – 50 b OWi 1511 Js-OWi 566/14 (89/14. Es behandelt das Messverfahren ProVida 2000 Modular. Der Betroffene soll so schnell gefahren sein, dass ihm zunächst mal ein Fahrverbot von zwei Monaten droht. Dann gelingt es dem Verteidiger aber die vorwerfbare Geschwindigkeit von 184 km/h auf „nur“ 176 km/h zu reduzieren. Und damit ist dann nur noch ein Monat Fahrverbot „im Topf“ und das kann der Verteidiger dem Gericht abkaufen.

Zur Reduzierung der vorwerfbaren Geschwindigkeit:

„Das Gericht ist außerdem davon überzeugt, dass die vorwerfbare Geschwindigkeit nicht 184 km/h, sondern nur 176 km/h beträgt. Das Gericht hat ein mündliches Gutachten des für Geschwindigkeitsmessverfahren öffentlich bestellten Sachverständigen Dipl.-Ing. (FH) ppp. aus Riesa über die Richtigkeit der Messung eingeholt, weil der Verteidiger zuvor ein Privatgutachten des für Verkehrsunfälle öffentlich bestellten Sachverständigen Dr. W. aus Berlin eingereicht hatte, wonach der PKW des Betroffenen am Ende der Messung zu weit entfernt gewesen und deshalb ein weiterer Sicherheitsabschlag erforderlich sei, weshalb die vorwerfbare Geschwindigkeit nur 180 km/ betrage. Der Sachverständige ppp. hatte vor der Hauptverhandlung die Einsicht in die Gerichtsakte genommen und alle mit dieser Messung in Zusammenhang stehenden Dateien ausgewertet. Er hat dann ausgeführt, die Messung sei mittels des Gerätes ProVida 2000 Modular durchgeführt worden. Das Videomesssystem erfasse jedoch nur die Geschwindigkeit des Messfahrzeuges. Die Geschwindigkeit des gemessenen Fahrzeuges werde durch Auswertung der Einzelbilder aus dem Messvideo bestimmt, wobei konkret die Abstandsänderung des gemessenen Fahrzeuges zum Messfahrzeug bestimmt werde. Es handele sich um das Vidista-Auswerteverfahren. Die Auswertung des Videobandes und des Kalibrierungsvideos habe erbracht, dass der Messbedienstete die Messung ordnungsgemäß durch geführt habe. Allerdings sei das gemessene Fahrzeug am Ende der Messung zu weit weg gewesen, so dass es statt des vorgeschriebenen Mindestmaßes von 10 % der Bildschirmgröße nur noch ein Maß von 6,1 % aufgewiesen habe. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt hat auf die Frage, wie in einem solchen Fall verfahren werden solle, erklärt, die Grenze des Messverfahrens werde dort anzutreffen sein, wo Objekte vermessen würden, die sich über geringere Abmessungen als 10 % der Bildschirmgröße erstrecken würden. Dementsprechend sei diese Messung außerhalb des vorschriebenen Messverfahrens erfolgt. Es sei jedoch hier möglich gewesen, die Geschwindigkeit des gemessenen Fahrzeugs anhand der dokumentierten Geschwindigkeit des Messfahrzeuges zu bestimmen, weil der Abstand zwischen beiden Fahrzeugen kurzzeitig gleich geblieben sei. Ausgehend von der Geschwindigkeit des Messfahrzeuges sei die vorwerfbare Geschwindigkeit des gemessenen Fahrzeuges auf 176 km/h (nach dem größtmöglichen Toleranzabzug) zu bestimmen. Das Gericht hat das Gutachten unter Berücksichtigung aller Umstände für richtig erachtet, weil es anschaulich und nachvollziehbar ist, zudem im Ergebnis im Wesentlichen mit dem Ergebnis des Privatgutachtens übereinstimmt.“

8 km/Stunde weniger schnell, können also entscheidend sein.