Archiv für den Monat: Februar 2015

Wochenspiegel für die 8 KW., das war Verurteilungsbegleitung, das Schweinesystem und wie man Kollegen ärgert

© Aleksandar Jocic - Fotolia.com

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Nun liegt schon die 8. KW hinter uns, Karneval ist vorbei und wir begeben uns mit Riesenschritten auf Ostern zu. Die Zeit vergeht dann doch schnell, manchmal  – und mit zunehmendem Alter 🙂 – dann zu schnell. So auch die einzelnen Wochen, sehr schnell ist immer wieder Sonntag und steht ein neuer Wochenspiegel an. So auch diese Woche. Und wir berichten über:

  1. Pflichtverteidigung nein danke, und die sich daran anschließende – interessante – Diskussion – um die „FA-Tage“,
  2. und dazu passend: Der Verurteilungsbegleiter im Licht der Kommentierung,
  3. 23 Stunden pro Tag Einschlusszeit eines Häftlings verstößt gegen Menschenwürde,
  4. das „Mieter-Raucher-Urteil“ des BGH,
  5. natürlich die heimlichen Videoaufnahmen in Münster und das BAG, und auch hier,
  6. nochmal: Beweisverwertungsverbot für Dashcam-Aufnahme,
  7. Herr Fischer und die Todesstrafe,
  8. Die Richterschaft als Schweinesystem bezeichnet,
  9. und dann waren da noch: Die 7 fiesesten Fragen im Vorstellungsgespräch,
  10. und ganz zum Schluss: Wie man Kollegen ärgert, wer so etwas denn tun?

Radfahrer versus „Bus-Fahrgast“ – oder 20% zu 80%

BusRadfahrer gegen Fußgänger, der gerade aus einem Bus ausgestiegen ist. Wer haftet wie bzw. wie wird die Haftung verteilt? Die Frage ergab sich für das KG aus folgendem Sachverhalt:

„Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz aus einem Unfall am 16. Oktober 2012 in Berlin-Reinickendorf in Anspruch. Die Klägerin befuhr gegen 7 Uhr 30 mit ihrem Fahrrad den als solchen gekennzeichneten Radweg auf dem Kurt-Schumacher-Damm in südwestliche Richtung. Im Bereich der dort befindlichen Bushaltestelle verschwenkt der als solcher farblich gekennzeichnete Radweg in Fahrtrichtung etwas nach links. Ein Bus der Linie M 21 hielt an der Haltestelle. Mehrere Fahrgäste und unter anderem der Beklagte verließen den Bus. Die Klägerin kollidierte auf dem Radweg mit dem Beklagten, stürzte und zog sich eine Fraktur des LWK 1 zu, wobei die näheren Umstände zwischen den Parteien streitig sind.“

Der KG, Beschl. v. 15.01.2015 – 29 U 18/14 – ein sog. Hinweisbeschluss – sieht dem Grunde nach (auch) eine Haftung des beklagten Fußgängers, weil er entgegen § 25 Abs. 3 Satz 1 StVO den Radweg ohne Beachtung des Verkehrs betreten hat. Fahrbahnen im Sinne dieser Vorschrift seien auch Radwege. Der Beklagte hätte also nicht den Radweg betreten dürfen, ohne sich zuvor zu vergewissern, ob ein Radfahrer kommt.

Aber: Den Löwenanteil der Haftung bei der sich ergebenden Abwägung sieht das KG jedoch bei der klagenden Radfahrerin selbst:

„6. Die Klägerin ist freilich eine Mitverschuldensquote von 80% gem. § 254 Abs. 1 BGB anzurechnen. Für ihren Sturz vom Fahrrad war ihr Sorgfaltsverstoß gegen § 20 Abs. 2 StVO ebenfalls ursächlich. Sie hätte rechts nur vorbeifahren dürfen, wenn eine Gefährdung der Fahrgäste ausgeschlossen ist.

Entgegen der Ansicht der Klägerin hatte sie beim Passieren der Haltestelle § 20 Abs. 2 StVO zu beachten. Die Vorschrift ist dann ebenso anzuwenden, wenn Fahrgäste beim Verlassen öffentlicher Verkehrsmittel zunächst einen Bürgersteig erreichen und erst anschließend einen Radweg passieren (Heß a. a. O., § 20 StVO Rn. 5; zweifelnd Landgericht Heidelberg, a. a. O.). Dies folgt bereits aus dem Wortlaut von § 20 Abs. 2 StVO. Ihm sind keine Einschränkungen im Sinne der klägerischen Ansicht zu entnehmen. Aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift lassen sich Einengungen des Anwendungsbereichs ebenfalls nicht begründen. Die Norm soll die Gefahren für ein- und aussteigende Fahrgäste verringern und erhöht deswegen die Sorgfaltspflichten der rechts Vorbeifahrenden. Die Gefahren sind für Fahrgäste, die unmittelbar auf eine Fahrbahn aussteigen müssen, höher. Gefährlich sind derartige Situationen aber auch für die Fahrgäste, wenn sie zunächst einen für Fußgänger reservierten Bereich erreichen können und erst anschließend den Radweg zum Verlassen der Haltestelle betreten müssen. Dies schon deswegen, weil relativ schmale Bereiche für Fußgänger von bis zu drei Metern häufig nicht geeignet sind, eine größere Zahl von aussteigenden Fahrgästen aufzunehmen, diese mithin durch die nachrückenden auf den anschließenden Radweg gedrängt werden. Da die Vorschrift nach der amtlichen Begründung (VkBl. 95, 532) die Fahrgäste von Omnibussen des Linienverkehrs schützen soll, spricht nichts dafür, sie einschränkend auszulegen.

Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass der dargestellten Auslegung des Anwendungsbereichs von § 20 Abs. 2 StVO das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 4. November 2008 – VI ZR 171/07 -, NJW-RR 2009, 239 ff. zitiert nach Juris) nicht entgegensteht. Der Sachverhalt dieser Entscheidung betraf keinen aussteigenden Fahrgast.

Bei der gemäß § 254 Abs. 1 BGB gebotenen Haftungsabwägung ist einerseits zu berücksichtigen, dass § 20 StVO Fahrgäste nicht von ihren Verhaltenspflichten aus § 25 StVO entbindet (Zieres in Geigel, Der Haftpflichtprozess, 26. Auflage 2011, Kap. 27 Rn. 515). Andererseits ist ein erhebliches anspruchsminderndes Mitverschulden der Klägerin in Ansatz zu bringen. Dieses wiegt deutlich schwerer als das fahrlässige Verschulden des Beklagten, § 25 Abs. 3 Satz 1 StVO unmittelbar nach Verlassen des Busses missachtet zu haben. Die Klägerin hat nämlich § 20 Abs. 2 StVO – eine der sog. Kardinalpflichten der Straßenverkehrsordnung – verletzt. Sie hätte die Haltestelle nur passieren dürfen, wenn eine Gefährdung von Fahrgästen “ausgeschlossen” ist, was ersichtlich nicht der Fall war. Angemessen erscheint dem Senat eine Haftungsquote von 80% zu Lasten der Klägerin.“

Sicherlich auch eine Entscheidung, die in Münster Bedeutung bekommen kann.

Blind am Steuer/beim Verkehr

© Jochen Mittenzwey - Fotolia.com

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Die Klagen über Autofahrer, die „blind am Steuer“ sitzen, nehmen zu. Nun, nicht „blind“ im eigentlichen Sinn, sondern Autofahrer, die sich selbst „blind machen“, indem sie sich mit anderen Dingen beschäftigen. Und da sind die Smartphones mit ihren vielen Möglichkeiten natürlich nicht unschuldig. Es piept, es klingelt und man schaut, weil man ja nichts versäumen möchte und schwupps ist man mit dem Pkw, in dem man gerade auf der Autobahn bei 150 km/h sitzt, ein ganzes Stück blind geflogen, ohne zu sehen, was vor einem passiert. Die „Westfälischen Nachrichten“ hatten dazu heute einen Aufmacher auf der ersten Seite und berichten über die Gegenmaßnahmen der Polizei in NRW, die jetzt in unterschiedlichem Rhythmus auf den Autobahnen verschärft „Handy-Verstöße“ kontrolliert. Dazu passt dann ganz gut ein Bericht aus den „WN“ der vergangenen Woche: Polizei kassiert Handys: Münster setzt Innenminister Vorgabe bei schweren Unfällen bereits um. Danach „beschlagnahmt“ (na ja, vielleicht stellt man erst mal sicher 🙂 ) bei schweren Verkehrsunfällen mit Personenschaden, bei den die Unfallursachen nicht klar sind, das Mobiltelefon als Beweismittel.  Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft wird dann später ausgewertet, ob zum Unfallzeitpunkt telefoniert worden ist. Ob man damit dem Telefonieren bzw. der Benutzung des Mobiltelefons beim Führen eines Kraftfahrzeuges ernsthaft einen Riegel vorschieben kann, wage ich zu bezweifeln. Es ist aber sicherlich eine Maßnahmen, die hinterher helfen kann, die Unfallursache zu klären.

Ach so. Was mich nervt? Das sind die Fußgänger, die ebenfalls im Blindflug durch die Stadt irren, weil man ja unbedingt beim Gehen, was ja nun auch Teilnahme am Straßenverkehr ist, kommunizieren muss, Emails abfragen muss,, twittern muss und vielleicht sogar spielen muss. Das muss doch alles nicht sein. Oder? In meinen Augen ist das ein Fluch der neuen Technik.

Ich habe da mal eine Frage: Was ist nach Einstellung mit dem „Adhäsionsverfahren“?

Fotolia © AllebaziB

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Das Adhäsionsverfahren (§§ 403 ff StPO) ist „im Kommen“. Das merkt man u.a. daran, dass die veröffentlichten Entscheidungen zu den §§ 403 ff. StPO zunehmen, und zwar auch auf gebührenrechtlichem Gebiet. Und ich merke es auch an der steigenden Zahl von Anfragen, die sich mit den Nrn. 4143, 4144 VV RVG befassen. So folgende, die mich vor ein paar Wochen erreicht hat. Der Kollege fragt:

Ich habe in einer Strafsache – mein Mandant wurde nicht unerheblich verletzt – einen Antrag auf Nebenklage gestellt und ebenfalls einen Antrag auf Adhäsionsverfahren (6.000,00 €).

Noch bevor der Nebenklage bzw. des Adhäsionsverfahren zugelassen wurde, wurde das Verfahren gegen den Beschuldigten nach § 153 Abs. 2 StPO vom Amtsgericht eingestellt.

 Frage:
Rechne ich jetzt ganz normal strafrechtlich ab (Nr. 4100 und 4104 VV RVG) und für das Adhäsionsverfahren (?). Eine 2,0 Gebühr aus 6.000,00 €¬ erscheint mir nicht richtig. Ich finde jedoch im RVG-Kommentar keinen Anhaltspunkt.“

Also los. Wer hat Ideen/Lösungsvorschläge?

Klassischer Fehler XXI: Das „Unrecht der Tat“ führt zur Straferhöhung?

© J.J.Brown - Fotolia.com

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Einen – leider gar nicht so seltenen – Anfängerfehler im Rahmen der Strafzumessung hat das LG Erfurt bei einer Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs gemacht.Das LG hatte bei der Strafzumessung Das Landgericht „zu Lasten des Angeklagten dessen eigensüchtige Einstellung berücksichtigt, mit der er die Befriedigung seiner sexuellen Forderungen ohne Rücksicht auf die Folgen für die Nebenklägerin (seine zu den Tatzeiten zwischen sechs bzw. sieben und fünfzehn Jahre alte Stieftochter) an dieser als Ersatz für eine erwachsene Sexualpartnerin durchgesetzt habe (UA S. 135). Dabei sei der Angeklagte nicht durch eine pädophile Neigung getrieben gewesen, sondern hätte seine Neigungen legal und einverständlich an erwachsenen Sexualpartnern verwirklichen können.“

Der BGH, Beschl. v. 08.01.2015 – 2 StR 233/14 – macht keine großen Umstände und hebt kurz und trocken auf:

„Diese Erwägungen erweisen sich als rechtsfehlerhaft, denn damit wirft die Strafkammer dem Angeklagten die Begehung der Straftaten als solche vor, ohne dass Besonderheiten vorliegen, die es rechtfertigen könnten, das „Unrecht der Tat“ straferhöhend zu werten; dies verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB (vgl. dazu Fischer, StGB, 62. Aufl. § 46, Rn. 76, 76b: Täter hatte keinen Anlass zur Tat). Soweit darauf abgestellt wird, der Angeklagte habe keine pädophile Neigung, die ihn gerade zur Begehung der von ihm begangenen Taten veranlasst hätten, wird zu Lasten des Angeklagten unzulässigerweise das Fehlen eines Milderungsgrundes berücksichtigt.“