Archiv für den Monat: Januar 2015

Wochenspiegel für die 1. KW, das war Traumberuf Richter, Nachzahlung für Referendare und PoliscanSpeed

© Aleksandar Jocic - Fotolia.com

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Auch 2015 gibt es vom „BOB“/“Burhoff online Blog“ die wöchentliche Zusammenstellung von Beiträgen anderer Blogs zu Themen, über die ich i.d.R. nicht berichtet habe, die mir aber einen Hinweis wert erscheinen. Naturgemäß ist das in der 1. KW. nicht so ganz einfach, da viele Blogs nach den Feiertagen noch nicht wieder richtig am Start sind und zudem viele Rückblicke auf 2014 und Wünsche zum neuen Jahr gelaufen sind. Und einen „Rückblick der Rückblicke“ oder eine Kategorie: „Wer hatte die besten Neujahrswünsche“ möchte ich mir dann doch verkneifen. Denn irgendwann kehrt ja auch das „normale Leben“ mal wieder ein. Und das hat in der vergangenen Woche dann doch schon wieder – vereinzelt 🙂 – begonnen, so dass wir berichten können über:

  1. Hohe Hürden für den Traumberuf Richter, aber anders als man denkt,
  2. Wieder einmal Poli­Scan­Speed; Hin­weise des OLG Frank­furt zu stand­ard­isierten Mess­ver­fahren,
  3. Wie umgeht man den Mindestlohn?, oder auch: Mindestlohn – wievielen wird er nützen?
  4. Staatsanwaltschaft und Nebenklage legen Beschwerde gegen Nichteröffnungsbeschluss im Oradour-Verfahren ein. Ein paar Anmerkungen zur Unschuldsvermutung in NS-Verfahren,
  5. für die ggf. mitlesenden Referendare: Nachzahlung für Referendare – Ob es (schon und noch) etwas gibt und was zu tun ist!,
  6. Keine Haftung für Verstöße von RSS-Abonnenten,
  7. ein Ausblick: Gesetzesänderungen – Neue Gesetze in 2015,
  8. 5 Tipps, mit denen du 2015 Karriere als Jurist machst, na ja, ob das reicht…..
  9. und dann doch ein Rückblick 🙂 : Die Strafprozesse des Jahres 2014,
  10. und dann war da noch: bitte nicht Herr Blüm.

Ach so: Ab heute dann wieder mit altem/neuen Bild.

Das NSU-Verfahren schreibt auch „Gebührengeschichte“, oder: Ein bitterer Beschluss des OLG München

© Alex White - Fotolia.com

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Das NSU-Verfahren beim OLG München wird sicherlich nicht nur wegen seines Inhalts und seiner Dauer Rechtsgeschichte schreiben, sondern: Es schreibt auch „Gebührengeschichte“. Über den OLG München, Beschl. v. 09.09.2013 –  6 St (K) 1/13  betreffend den Vorschuss auf eine Pauschgebühr hatte ich ja schon berichtet (vgl. Das Sonderopfer des Pflichtverteidigers – bei 6,49 €/Stunde nicht?). In die Kategorie der „bemerkenswerten“ gebührenrechtlichen Entscheidungen des Einzelrichters des Senats gehört m.E. auch der OLG München, Beschl. v. 04.08. 2014 – 6 St (K) 22/14, der sich mit dem Anfall der Terminsgebühr für einen sog. „geplatzten Termin“ (Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG) befasst.

Grundlage der FehleEntscheidung war folgender Sachverhalt: Im Verfahren waren Hauptverhandlungstermine für den 26., 27. und 28.05.2014 anberaumt. Einer der Pflichtverteidiger, in Köln ansässig, hielt sich bereits wegen des Hauptverhandlungstermins vom 26.05.2014 am 26.05.2014 in München auf. An diesem Tag wurde der Hauptverhandlungstermin vom 27.o5.2014 abgesetzt und der Rechtsanwalt abgeladen. Der Pflichtverteidiger hat dann später beantragt, für die Teilnahme an der Hauptverhandlung in der Zeit vom 06.05. 2014 bis zum 05.06. 2014 (110. bis 119. Hauptverhandlungstag) gesetzliche Gebühren festzusetzen. Dabei hat er auch für den ausgefallenen eigentlichen 116. Hauptverhandlungstag am 27.05.2014 eine Terminsgebühr Nr. 4121 VV RVG in Ansatz gebracht. Diese ist nicht gewährt worden. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat das damit begründet, dass die Abladung am 26.05.2014 rechtzeitig erfolgt sei. Für den Anfall der Gebühr genüge nicht die Anreise zum Termin, mit der Absicht, an diesem teilzunehmen. Die dagegen gerichtete Erinnerung des Rechtsanwalts hatte keinen Erfolg.

Das OLG befasst sich zunächst noch einmal, mit der Frage, wann grundsätzlich eine Gebühr für einen „geplatzten Termin“ entstehen kann. Und: Wie nicht anders zu erwarten: Es zementiert seine Sinn und Zweck der Vorschrift widersprechende Auffassung, dass das Entstehen der Terminsgebühr von der Teilnahme an bzw. dem Erscheinen zu einem anberaumten Termin abhängig ist. Zu einem Termin erscheine ein Rechtsanwalt aber (nur), wenn er im Gerichtsgebäude mit dem Ziel der Teilnahme an dem Gerichtstermin körperlich anwesend ist (OLG München RVGreport 2008, 109 = NStZ-RR 2008, 159 = RVGprofessionell 2008, 104 = AGS 2008, 233 = StRR 2008, 199 = NJW 2008, 1607 = JurBüro 2008, 418 m. abl. Anm. Kotz; Beschl. v. 14.o3.2014 – 6 St (K) 5/14; Beschl. v. 19. 7. 2013, 6 St (K) 15/13). So weit – zwar nicht so gut, aber alles andere als diesen Beton hätte mich überrascht. Dazu ist auch schon manches gesagt, es bringt nichts, es zu wiederholen. Es interessiert offenbar nicht.

Viell schlimmer finde ich dann die Argumentation des OLG zur „rechtzeitigen Abladung“, die dahin geht: Selbst wenn der Verteidiger im Gericht erschienen wäre, wäre die Terminsgebühr nicht angefallen, da dem  Verteidiger zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen sei, dass der Termin rechtzeitig abgesetzt worden war. Der Hauptverhandlungstermin vom 27.05.2014 wurde durch Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 26.05.2014 abgesetzt worden; die Prozessbeteiligten seien am 26.05. 2014 zwischen 13:21 Uhr und 15:42 Uhr per Telefax abgeladen worden. Der Rechtsanwalt stehe auf dem Sendeprotokoll an zweiter Stelle; der Sendevermerk trage den Kommentar „ok“. Es obliege dem Rechtsanwalt sicherzustellen, dass er von eingehenden Telefaxschreiben zeitnah Kenntnis nehmen könne. Allein die Anreise zu den Terminen vom 26., 27. und 28.05.2014 könne eine Terminsgebühr nicht begründen, so dass es nicht mehr darauf ankomme, ob der Antragsteller mit der Anreise zum 26.05. 2014 zugleich für die Folgetermine am 27. und 28.05.2014 angereist sei.

Dazu an dieser Stelle (nur). Wenn man für den Anfall der Terminsgebühr die Frage stellen will/muss, wann der Rechtsanwalt zu einem Termin angereist ist, dann will das OLG offenbar an der Stelle (demnächst) „das Fass aufmachen“ und in vergleichbaren Fällen sagen, die Anreise zu einem ersten von drei nacheinander terminierten Hauptverhandlungsterminen sei nicht zugleich auch die Anreise zu dem zweiten und dritten. Wie – bitte schön – soll der Rechtsanwalt dann zu diesen Terminen anreisen? Das muss das OLG dann aber auch sagen, wenn man nicht die Gebühr Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG, die dem OLG, was m.E. deutlich erkennbar ist, nicht schmeckt, nicht ad absurdum führen will.Damit korrespondieren die für mich nicht nachvollziehbaren, wenn nicht sogar zynischen, zumindest aber besonders bitteren Ausführungen des OLG zur Rechtzeitigkeit der Abladung. Denn danach gilt: In – dem hier entschiedenen Fall – vergleichbaren Fällen soll auch die Abladung, die den Rechtsanwalt erst vor Ort erreicht, immer (noch) rechtzeitig sei. Folge: Der Rechtsanwalt kann in diesen Fällen also nie die Festsetzung einer Terminsgebühr nach  erreichen, weil ihm immer Satz 3 entgegen gehalten werden kann und im Zweifel auch, wie schon die Argumentation der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle zeigt, auch entgegen gehalten wird. Damit befindet sich der Rechtsanwalt in einem Teufelskreis und die Terminsgebühr Vorbem. 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG ist Makulatur, aber die (bayerische) Staatskasse ist auf der sicheren Seite.

Welche Möglichkeiten bleiben dem Pflichtverteidiger? Nun, er hat – wenn man dem OLG München folgt – keinen andere Möglichkeit, als den nutzlosen Zeitaufwand – später oder über einen Vorschussantrag – im Rahmen einer Pauschgebühr nach § 51 RVG geltend zu machen. Ob das wirklich hilft oder die „Rettung“ ist, wird man sehen. Denn zur Pauschgebühr hört man aus München auch nichts unbedingt Gutes (s.o.).

Schöffin hat Angst – deshalb (gleich) Amtsenthebung?

© aerogondo - Fotolia.com

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Eine in der Praxis wahrscheinlich nicht so ganz häufige Frage behandelt der OLG Celle, Beschl. v.23.09.2014- 2 ARs 13/14, nämlich die Amtsenthebung eines Schöffen. Dort hatte eine Schöffin, die in einem Schwurgerichtsverfahren als Ergänzungsschöffin geladen war, mitgeteilt, dass sie sich befangen fühle, weil sie sich Sorgen um die Unversehrtheit von Leib und Leben ihrer Person und ihrer Familienmitglieder mache. Außerdem mache sie sich Sorgen um ihre uneingeschränkte Bewegungsfreiheit, auch die ihrer Familie. Sie sehe sich daher daran gehindert, den Prozess unparteilich begleiten zu können und werde sich zu keinem anderen Urteil als einen Freispruch entschließen können. Die Strafkammer hatte dann diese Selbstablehnung der Ergänzungsschöffin für begründet erklärt. Anschließend ist das Amtsenthebungsverfahren eingeleitet worden. Das OLG hat die Amtsenthebung der Schöffin beschlossen.

„Der Antrag erweist sich auch als begründet. Die Schöffin hat ihre Amtspflichten gröblich verletzt. Eine zur Amtsenthebung führende gröbliche Verletzung von Amtspflichten ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift dann anzunehmen, wenn der Schöffe ein Verhalten zeigt, das ihn aus objektiver Sicht eines verständigen Verfahrensbeteiligten ungeeignet für die Ausübung des Schöffenamtes macht, weil er nicht mehr die Gewähr bietet, unparteiisch und nur nach Recht und Gesetz zu entscheiden (vgl. dazu Kissel, a. a. O., § 51 Rdnr. 2). Dabei ist im Hinblick auf den Grundsatz des gesetzlichen Richters in besonderem Maße dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen (vgl. dazu BR‑Drucksache 539/10 S. 21). Eine solche Pflichtverletzung liegt hier vor. Die Schöffin hat deutlich gemacht, dass sie jedenfalls in diesem Fall, für den sie geladen war, nicht unparteiisch und nur nach Recht und Gesetz entscheiden wird, sondern vielmehr in jedem Fall für einen Freispruch stimmen wird.

Im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist zwar zu beachten, dass das Verhalten eines Schöffen, das lediglich im Einzelfall die Besorgnis der Befangenheit begründet, nicht ausreicht, um ihn des Amtes zu entheben (vgl. dazu Kissel, a. a. O., Rdnr. 2). In einem solchen Fall bieten die Befangenheitsvorschriften ausreichende Reaktionsmöglichkeiten. Im vorliegenden Fall ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich aus der Äußerung der Schöffin ergibt, dass sie allein aus der Presseberichterstattung Schlussfolgerungen im Hinblick auf eine Gefährdung ihrer Person und ihrer Familienangehörigen gezogen hat. Es ist daher zu befürchten, dass dies auch in Zukunft bei weiteren Fällen, in denen den Angeklagten Gewaltverbrechen zur Last gelegt werden, der Fall sein wird, etwa dann, wenn es sich um angeklagte Taten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität handelt. Es besteht daher die Befürchtung, dass die Schöffin auch in weiteren Fällen nicht unparteilich, sondern aus Sorge um sich und ihre Familienangehörigen zugunsten der Angeklagten ohne Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme entscheiden wird. Dies lässt sich mit den Pflichten einer ehrenamtlichen Richterin nicht vereinbaren und stellt, da es den Kernbereich der richterlichen Tätigkeit berührt, auch eine grobe Pflichtverletzung dar. Aus den genannten Gründen erweist sich die Amtsenthebung als das einzige geeignete, erforderliche und angemessene Mittel, um auf diese Pflichtverletzung zu reagieren.“

Hmm, die Schöffin wird es freuen, mir erscheint es dann doch ein wenig (vor)schnell. Man müsste mal den Wortlaut und die genaue Begründung des Antrags der Schöffin kennen. Denn, wenn sie sich allein auf das Verfahren bezogen hat, in dem sie als Ergänzungsschöffin geladen war, gehen die geltend gemachten Gründe m.E. über den Einzelfall nicht hinaus, was nur für eine (Selbst)Ablehnung „reichen“ würde. Hat die Schöffin hingegen, dass sie sich in allen Verfahren Sorgen um ihre Sicherheit mache, dann wird „die Befürchtung, dass die Schöffin auch in weiteren Fällen nicht unparteilich, sondern aus Sorge um sich und ihre Familienangehörigen zugunsten der Angeklagten ohne Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme entscheiden wird. “ berechtigt sein.

Ich habe da mal eine Frage: Welches Recht? Alt oder neu?

Fotolia © AllebaziB

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In der vergangenen Woche hatte ich ja meine Serie: „Ich habe da mal eine Frage….“ wegen der Weihnachtsfeiertage ausgesetzt. Im Neuen Jahr 2015 möchte ich sie dann fortsetzen und hoffe, dass genügend Gebührenfragen kommen 🙂 , um jede Woche einen interessanten Fall zur Diskussion stellen zu können. Also: Nur Mut 🙂 .

Eröffnen möchte ich heute mit einem m.E. einfachen Fall, der noch aus dem Jahr 2014 in meinem Ordner hing. Quasi zum Warmlaufen am ersten Arbeitstag (?) des Jahres. Und zwar noch einmal zum Übergangsrecht RVG a.F./RVG nach dem 2. KostRMoG. Der Kollege fragte:

„Nach welchem Recht richtet sich Ihrer Meinung nach die Vergütung des Verteidigers, wenn in einer Strafsache die Berufungseinlegung des erstinstanzlich tätigen Wahlverteidigers vor dem 01.08.2013, die (erstmalige) Pflichtverteidigerbestellung durch das Berufungsgericht jedoch erst im Jahre 2014 erfolgte.“

Eins, zwei drei – meins, oder: Die Mitnahme des Kraftfahrzeugkennzeichens

© MH - Fotolia.com

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Aus der früheren Ebay-Werbung kennen wir den Spruch: „Eins, zwei, drei – meins“. Der gilt seit gestern – 01.01.2015 – auch im Straßenverkehrsrecht, und zwar, wenn es um Kraftfahrzeug-Zulassung geht. Denn bereits im Sommer 2013 hatte der Bundesrat die Erste Verordnung zur Änderung der Fahrzeug-Zulassungsverordnung und der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr beschlossen, die dann im November 2013 im BGBl. verkündet worden ist. Inkraftgetreten ist sie erst gestern.

Die VO sieht u.a. die Möglichkeit vor, einmal „ergatterte“ Kraftfahrzeugkennzeichen beim Wechsel, des Zulassungsbezirks, in dem man wohnt, „mitzunehmen“. Bisher mussten Fahrzeughalter bei einem Umzug in einen anderen Zulassungsbezirk ein neues Kfz-Kennzeichen für ihr Fahrzeug beantragen. Diese zwingende Umkennzeichnung des Fahrzeugs ist entfallen. Wer also z.B. das „schöne“ Kennzeichen „DU – AS …..“ ergattert hat – m.E. gibt es das gar nicht – oder sonst ein Kennzeichen hat, das ihm an Herz gewachsen ist, z.B. „MS-DB-1950“ 🙂 , der muss es bei einem Umzug nicht mehr hergeben. Wenn ich also z.B. von Münster nach Borkum umziehe, muss ich also mein Kfz-Kennzeichen nicht wechseln.Nun, das ist doch mal eine Änderung im Straßenverkehr, die von Bedeutung ist :-).

Allerdings: Der „Kennzeichenbeibehalt“ – so heißt es wohl im Amtsdeutsch (vgl. z.B. hier das Landratsamt Roth) ist nur bei Umschreibungen von zugelassenen Fahrzeugen ohneHalterwechsel möglich. Wechselt der Halter, muss auch dasKennzeichenwechseln.