Archiv für den Monat: Dezember 2014

Adventskalender Tür 12: Die „Nacktfahrt“ mit „Feuer unter dem Hintern“ hat (vorerst) ein Ende

© Thaut Images - Fotolia.com

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Schon zweimal hat der der „Flitzer“ von Münster dieses Blog beschäftigt. Ausgangspunkt war der Bericht über die Wette der besonderen Art, über die die “Westfälischen Nachrichten“ am 19.12.2013 berichtet haben. Es geht um einen jungen Mann aus Münster, der ein Video von einer „Nacktfahrt auf einem Motorrad“ ins Internet gestellt hatte (das Video ist inzwischen bei YouTube“ gelöscht (vgl. dazu den Beitrag Feuer unter dem Hintern, oder: Nackt durch Münster). Die Fahrt endete in einem sog. “Burnout” vor einem der münsterischen Weihnachtsmärkte 2013. Und dann habe ich die sache noch ein zweites Mal zum Gegenstand eines Posting gemacht. Da ging es in dem Posting: Nackt durch Münster, oder: Hosen runter, ja oder nein? um die Ermittlungen in der Sache.

Heute melden die „Westfälischen Nachrichten“ nun vom Ermittlungserfolg der münsterischen Polizei. Man hat den Fahrer bzw. den „Nacktflitzer“ ermittelt (vgl. hier Nacktfahrt mit bitterem Ende„. Allerdings war auch – wie oft – Kommissar Zufall im Spiel. Dazu heißt es:

Im August überholte er zusammen mit seinem Kumpel Autos mit hoher Geschwindigkeit auf dem Standstreifen, setzte sich dann vor die Fahrzeuge und bremste die Autos auf 30 Stundenkilometer ab. „Ein Wunder, dass es nicht zu einem schweren Unfall gekommen ist“, so Verkehrspolizeichef Udo Weiss. Der Autofahrer konnte sich das Kennzeichen der Kräder notieren und lieferte so quasi als „Kommissar Zufall“ den letzten Mosaikstein für die Ermittlungsakte, die schon wegen Mangel an Beweisen zur Seite gelegt worden war.

Nun ist der Ball bei der StA Münster, die die Frage beantworten muss: Straftat oder OWI – die Nacktfahrt, die anderen Fahrten bleiben mal außen vor. Irgendwo habe ich auch noch gelesen, dass ggf. auch ein Fahren ohne Führerschein in Betracht kommen soll. Nun, dann wäre es einfach mit der Nacktfahrt, würde dann ja auch passen :-).

Ach so: schön im heutigen WN-Bericht auch:

Bei einer Pressekonferenz am Donnerstag ging Weiss auch auf Meldungen ein, nach der sich damals „eine halbe Hundertschaft“ um die Aufklärung des Falls gekümmert habe. Weiss: „Wir haben nur einen Sachbearbeiter damit beauftragt. Das war nie gekränkte Eitelkeit, sondern immer professionelle Ermittlungsarbeit.“

Na, das glaube ich so nicht. Wenn nicht „gekränkte Eitelkeit“, dann aber „Ehrgeiz“. Den wollte man haben….

Nachtrag am 17.12.2014: Den Vorwurf der Straßenverkehrsgefährdung auf der BAB hat die Polizei inzwischen zurückgenommen, vgl, WN v. 17.12.2014

Ich habe da mal eine Frage: Wer bezahlt mir nun eigentlich die 4-TB-Festplatte?

Fotolia © AllebaziB

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In der laufenden Woche erreichte mich dann die nachstehende Anfrage, die ich – kommt sicherlich dann doch wohl häufiger vor – hier gleich weiter gebe. Ist etwas länger, aber der Kollege hatte ja selbst auch schon ein wenig geforscht:

Zur Frage:

Ich verteidige in einem äußerst umfangreichen Verfahren vor dem LG. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hat die Staatsanwaltschaft über Wochen einen „Spähangriff“ mit versteckten Kameras mit Mikrofonen durchgeführt, wobei über 4 TB (!) an Daten (Filme mit Ton) angefallen sind.
Die Staatsanwaltschaft wollte mir ursprünglich DVDs zuschicken, jedoch verkannt, dass dann ca. 1.000 DVDs zu brennen gewesen wären. Also bin ich mit der Staatsanwaltschaft überein gekommen, dass ich dieser eine Festplatte übersende und mir die Daten darauf überspielt werden. Im Ergebnis ging das leider auch nicht (weshalb weiß ich nicht), und so hat man mir die 2 Festplatten der Staatsanwaltschaft übersandt (1 x 4 TB, 1 x 1 TB) mit der Bitte, die Daten hier im Hause zu kopieren.
Hier habe ich festgestellt, dass der kanzleieigene Server „nur“ 4 TB fasst, sodass ich eine neue 4-TB-Festplatte kaufen musste, auf die ich die Daten der einen Festplatte kopiert habe (wobei der Kopiervorgang alleine ca. 2 Tage in Anspruch nahm). Die Daten der 1-TB-Festplatte konnten auf dem Server gespeichert werden.
Die Kosten für die 4-TB-Festplatte habe ich gem. Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV-RVG gegenüber dem Landgericht als Auslage geltend gemacht. Die Festsetzung wurde abgelehnt mit der Begründung, die EDV-Ausstattung der Kanzlei sei zu den „allgemeinen Geschäftskosten“ zu zählen. Die angeschaffte Festplatte könnte ich auch anderweitig im Kanzleibetrieb nutzen (was ich auf absehbare Zeit nicht kann, da das Verfahren sicher noch eine ganze Weile dauern wird und die Daten jedenfalls bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens hier allein aus berufsrechtlichen Gründen hier vorgehalten werden müssen).
Nun meine ich, dass das zwar im Grundsatz zutreffend ist (sodass etwa DVDs nicht einzeln als Auslage abgerechnet werden können), aber dass keine „normals“ Kanzlei Serverspeicherplatz im Umfange von über 4 TB für den regelmäßigen Geschäftsbetrieb vorzuhalten braucht. Ich meine, dass dieser Fall eher dem der Fertigung von Fotos für ein einzelnes Mandat (OLG Hamm, NJW 1967, 1763 1764, ich habe es nachgelesen, die Entscheidung „passt“ nicht richtig) oder dem der im Rechtsanwaltskanzleibetrieb vollkommen unüblichen aber konkret erforderlichen Verpackung (vgl.: Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, Vorb. 7 VV-RVG, Rn. 18) entspricht.
Vielleicht haben Sie ja einen vergleichbaren Fall (oder meinen auch, dass man als Rechtsanwalt, der alleine im Strafrecht tätig ist, einen größer dimensionierten Server vorhalten muss, was ich nicht hoffe).

Na, jemand Ideen und/oder Entscheidungen, mit denen er dem Kollegen weiterhelfen kann?

Drogenkurierfahrt – i.d.R. ist allein dadurch die „Fleppe“ nicht weg

© sashpictures - Fotolia.com

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Eine in der Praxis häufige Folge der Verurteilung wegen einer Drogenkurierfahrt ist die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB. So auch in einem Urteil des LG Augsburg, mit dem der Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist. Die dagegen eingelegte Revision hatte hinsichtlich der angeordneten Entziehung der Fahrerlaubnis Erfolg. Die hat der BGH unter Hinweis auf seine Rechtsprechung, die einer Strafkammer an sich bekannt sein sollte/müsste aufgehoben. Dazu im BGH, Urt. v. 04..11.2014 – 1 StR 233/14:

„Die Anordnung der Maßregel hat dagegen keinen Bestand. Die getroffenen Feststellungen tragen die Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 Abs. 1 StGB nicht. Das Landgericht ist von einem rechtlich unzutreffenden Verständnis der in § 69 StGB verlangten „Ungeeignetheit“ des Täters zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgegangen.

2.) Ausweislich der tatrichterlichen Feststellungen bestanden die Tatbeiträge des Angeklagten darin, Teilmengen der von den nicht revidierenden Mit-angeklagten gehandelten Betäubungsmittel von diesen zu übernehmen, die Drogen an die Endabnehmer der Betäubungsmittel persönlich auszuliefern, die dafür vereinbarten Entgelte zu vereinnahmen und später an die Mitangeklagten W. und Z. zu übergeben. Bei den vorgenannten Vorgängen benutzte der Angeklagte jeweils seinen PKW. Auf diese Nutzung des Kraftwagens bei sämtlichen ihn betreffenden Taten hat das Landgericht die für die Maßregel des § 69 Abs. 1 StGB erforderliche Ungeeignetheit des Angeklagten zum Führen eines Kraftfahrzeugs gestützt.

  1. b) Die vom Tatgericht herangezogene Nutzung des Fahrzeugs zur Begehung der Betäubungsmittelstraftaten allein begründet das Vorliegen der Voraussetzungen von § 69 Abs. 1 StGB nicht. Ungeeignetheit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn eine Würdigung der körperlichen, geistigen oder charakterlichen Voraussetzungen und der sie wesentlich bestimmenden objektiven und subjektiven Umstände ergibt, dass die Teilnahme des Tatbeteiligten am Kraftfahrzeugverkehr zu einer nicht hinnehmbaren Gefährdung der Verkehrssicherheit führen würde (Fischer, StGB, 61. Aufl., § 69 Rn. 14). Dabei muss sich die Ungeeignetheit gerade aus der verfahrensgegenständlichen Tat bzw. den Taten ergeben. Kommt – wie hier – ausschließlich eine charakterliche Ungeeignetheit in Betracht, muss die Anlasstat selbst tragfähige Rückschlüsse auf die Bereitschaft des Täters zulassen, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Zielen unterzuordnen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. April 2005 – GSSt 2/04, BGHSt 50, 93, 102 f.; vom 23. Mai 2012 – 5 StR 185/12, StraFo 2012, 282 mwN; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2002 – 1 BvR 2062/96, NJW 2002, 2378, 2380).

Feststellungen dazu enthält das angefochtene Urteil nicht. Das Landgericht ist ersichtlich davon ausgegangen, die Durchführung der Drogenauslieferungen sowie der damit verbundenen Vorgänge mit einem Kraftfahrzeug als solche würde die Ungeeignetheit begründen. Dabei hat es jedoch in rechtlicher Hinsicht verkannt, dass die Belange der Verkehrssicherheit in Kurierfällen, in denen – wie auch vorliegend – der Tatbeteiligte in seinem Fahrzeug lediglich Rauschgift transportiert, gerade nicht ohne Weiteres beeinträchtigt sind (BGH jeweils aaO). Ein allgemeiner Erfahrungssatz, dass Rauschgifttransporteure bei Verkehrskontrollen zu besonders riskanter Fahrweise entschlossen sind, besteht nicht (BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2002 – 4 StR 458/02, NStZ 2003, 311 sowie BGH jeweils aaO).

Über die bloße Nutzung des Fahrzeugs als Transportmittel der Betäubungsmittel sowie bei dem Vereinnahmen der Entgelte hinausgehende Umstände, aus denen eine Ungeeignetheit abgeleitet werden könnte, weist das Urteil nicht aus. Anhaltspunkte für durch Drogenkonsum bedingte Beeinträchtigungen der Eignung des Angeklagten zum Führen eines Kraftfahrzeugs bei den der Verurteilung zugrunde liegenden Taten lassen sich dem angefochtenen Urteil ebenfalls nicht entnehmen. Im Gegenteil sprechen die zu den persönlichen Verhältnissen getroffenen Feststellungen über die geringe Häufigkeit des Konsums von Kokain und die Anlässe für diesen Konsum dagegen, dass es bei dem Angeklagten zu einem den Auslieferungsfahrten vorausgegangenen Gebrauch von Kokain oder sonstigen Betäubungsmitteln gekommen sein könnte. Es fehlt damit an tragfähigen Feststellungen für das Vorliegen verkehrssicherheitsrelevanter Eignungsmängel bei dem Angeklagten. Solcher Mängel bedarf es aber für die Maßregel der Entziehung der Fahrerlaubnis.“

Ist Rechtsprechung, mit der man als Verteidiger argumentieren kann.

 

Adventskalender Tür 11: Zum Weihnachtsmann bitte ohne Eintrittsgeld….

© Jan Engel Fotolia .com

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Um die Frage: Darf der Veranstalter des Weihnachtsmarktes vor dem Schloss Charlottenburg von den Besuchern kein Eintrittsgeld verlangen, ging es im Verfahren VG Berlin, Beschl. v. 04.12.2014 – VG L 381.14. Hintergrund dieses Verfahrens ist/war die vom Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf erteilte Genehmigung zur Abhaltung des Weihnachtsmarkts vor dem Charlottenburger Schloss. Diese basierte auf dem Grünanlagengesetz (GrünanlG). Der Veranstalter wollte Eintrittsgelder für den Weihnachtsmarkt erheben und Absperrmaßnahmen zur Durchsetzung des Eintrittsgeldes einrichten. Das hat das Bezirksamt untersagt. Dagegen dann der Eilantrag zum VG.

Und: Das VG hat dem Bezirksamt Recht gegeben. Eintrittsgelder für die Benutzung des Weihnachtsmarktes verstoßen nach seiner Auffassung gegen das GrünanlG:

„…Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 GrünanlG dürfen öffentliche Grün- und Erholungsanlagen nur so benutzt werden, wie es sich aus der Natur der einzelnen Anlage und ihrer Zweckbestimmung ergibt. Eine Benutzung, die über dies hinausgeht, bedarf nach § 6 Abs. 5 Satz 1 GrünanlG der Erlaubnis der zuständigen Behörde.

Es bestehen im vorläufigen Rechtschutzverfahren keine Zweifel daran, dass sich der Weihnachtsmarkt vor dem Schloss Charlottenburg auf einer hierfür gewidmeten öffentlichen Grün- und Erholungsanlage im Sinne von § 1 GrünanlG befindet. Nach eigenem Vorbringen des Antragstellers hat er deshalb am 23. Juli 2014 eine Genehmigung für die Errichtung des Weihnachtsmarktes auf dieser Fläche nach § 6 Abs. 5 GrünanlG beantragt und mit Bescheid vom 5. November 2014 erhalten.

Die Erhebung von Eintrittsgeldern und das Absperren der öffentlichen Grün- und Erholungsanlage widersprechen jedoch der Zweckbestimmung, eine öffentliche Grün- und Erholungsanlage grundsätzlich für jedermann ohne Erhebung von Eintrittsgeldern zur Erholung nutzen zu können. Diese Zweckbestimmung ist durch die Errichtung des vorübergehenden Weihnachtsmarktes nicht geändert worden. Die Benutzung einer öffentlichen Grün- und Erholungsanlage, für die Eintrittsgelder erhoben werden, geht über die Zweckbestimmung hinaus und bedarf daher einer behördlichen Erlaubnis nach § 6 Abs. 5 GrünanlG, die der Antragsteller nicht hat und voraussichtlich auch nicht erhalten wird.“

Auf den Weihnachtsmarkt/zum Nikolaus kommt also auch ohne Eintrittsgeld. Wäre ja auch noch schöne, ist eh schon alles teuer genug 🙂 .

(Nur) Fesselung der Hände – dann kann man sich noch fortbewegen….

© eyetronic Fotolia.com

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Im Moment fehlen die „großen Entscheidungen§, also nehmen wir „kleine Schmankerl“ aus der Rechtsprechung, wie z.B. den BGH, Beschl. v. 11.09.2014, 2 StR 269/14. Gegenstand des Verfahrens waren mehrere Raubüberfälle. Bei einem dieser Überfälle wurden den Überfallenen (nur) die Hände so mit Kabelbindern gefesselt, dass sie schmerzhafte Einschnürungen an den Handgelenken erlitten. Verurteilt wurde auch in dem Fall u.a. wegen Freiheitsberaubung (§ 239 StGB). Das hat der BGH beanstandet:

„Die Revision des Angeklagten B. ist begründet, soweit im Fall II.1. tateinheitlich eine Freiheitsberaubung angenommen wurde. Wird das Opfer eines Raubüberfalls nur an den Händen gefesselt, liegt darin noch keine Freiheitsberaubung, weil diese Fesselung nicht die Fortbewegungsfreiheit aufhebt.

Soweit das Opfer während des Raubüberfalls daran gehindert wird, diesen Ort zu verlassen, tritt der Tatbestand der Freiheitsberaubung im Wege der Geset-zeskonkurrenz hinter den Tatbestand des Raubes zurück, da die Freiheitsbe-raubung insoweit nur das Mittel zur Begehung des Raubes ist (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2007 – 4 StR 470/07).Nach den Feststellungen lag im Fall II.1. keine Aufhebung der Fortbewegungsfreiheit vor, weil die Zeuginnen sich unter der Ladeneinrichtung verstecken konnten, so dass der Angeklagte B. auch glaubte, sie seien geflohen. Anders als im Fall II.2. ist eine Fesselung an den Füßen nicht festgestellt.“