In der vergangenen Woche ist ein (weiterer) Anfragebeschluss des BGH auf der Homepage eingestellt worden, und zwar (wieder) ein Beschluss des 2. Strafsenats, und zwar der BGH, Beschl. v. 04.06.2014 – 2 StR 656/13. Dazu sind ja auch schon einige Postings in anderen Blogs gelaufen (vgl. z.B. hier: Verliert ein beliebtes Umgehungsmittel bald an Wert?). Auch LTO hat sich dazu geäußert. In dem dortigen Beitrag: „BGH: 2. Strafsenat will Rechtsprechung erneut ändern Alles was Sie sagen, kann und wird verwendet werden“ – taucht dann für den 2. Strafsenat des BGH und seinen Vorsitzenden Th. Fischer die Bezeichnung „Rebellensenat“ auf. Nun damit kann/muss er leben, musste der 1. Strafsenat ja früher auch, als er unter seinem ehemaligen Vorsitzenden „Oliver Kahn Senat – „der hält alles -“ genannt wurde.
Nun, und worum geht jetzt aber eigentlich es? Die Antwort erschließt sich aus den Überschriften der beiden zitierten Beiträge: Der 2. Strafsenat möchte die Rechtsprechung des BGH ändern. Und man kann hinzufügen: Mal wieder: Denn nach der Wahlfeststellung (vgl. dazu (BGH, Beschl. v. 28.01.2014 – 2 StR 495/12) mit Ungleichartige Wahlfeststellung ade? – entscheidet das ggf. der große Senat und Mit der ungleichartigen Wahlfeststellung geht es in den “Großen Senat für Strafsachen”??) hat der 2. Strafsenat in diesem Jahr dann mit dem Beschl. v. 04.06.2014 gleich den zweiten Anfragebeschluss an die anderen Senate gestartet. Jetzt also ein verfahrensrechtlicher Zopf, den er abgeschnitten haben möchte – der BGH soll also quasi eine neue Frisur bekommen, wenigstens in einem Teilbereich.
In der Sache geht es um ein alt bekanntes Problem, das den BGH schon in vielen Entscheidungen beschäftigt hat, nämlich um § 252 StPO, der nach allgemeiner Meinung ein umfassendes Beweisverwertungsverbot in Zusammenhang mit einem Zeugnisverweigerungsrecht enthält. Das geht dahin, dass ein Zeuge mit einem Zeugnisverweigerungsrecht als Angehöriger, der im Ermittlungsverfahren z.B. von der Polizei vernommen worden ist und dort Angaben gemacht hat, sich also nicht auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen hat, sich später in der Hauptverhandlung immer noch auf sein Verweigerungsrecht berufen kann. Dann darf – das regelt eben § 252 StPO – in der Hauptverhandlung nicht verlesen werden. Aber nicht nur das: Die Rechtsprechung hat das Verwertungsverbot ausgedehnt: Es darf z.B. auch der Vernehmungsbeamte nicht als Zeuge über den Inhalt der geführten Vernehmung befragt werden.
Soweit die Regel, von der es nach der Rechtsprechung eine Ausnahme gibt. Und das ist nach der BGH-Rechtsprechung die richterliche Vernehmung. Denn, wenn der Zeuge von einem Richter befragt worden ist, darf dieser Richter in einer Hauptverhandlung als Zeuge über den Inhalt der Vernehmung befragt werden. Damit will der 2. Strafsenat nun Schluss machen: Nach seiner Auffassung soll die Vernehmung des Richters und die Verwertung der vor ihm gemachten Angaben nur noch dann möglich sein, wenn der Zeuge in der richterlichen Vernehmung ausdrücklich über die spätere Verwertungsmöglichkeit belehrt worden ist. Also; „qualifizierte Belehrung“. Grund u.a.:
„Die von §§ 52, 252 StPO geschützten Interessen gebieten es vor diesem Hintergrund, den Zeugen auch darüber zu belehren, dass er an zu diesem Zeitpunkt endgültig und unwiderruflich über die Wahrnehmung des ihm zustehenden Zeugnisverweigerungsrechts zu entscheiden hat. Geschieht dies – wie bisher – nicht, leidet der Entschluss des Zeugen an einem durchgreifenden Mangel, weil er sich dieser Konsequenz seines Handelns nicht bewusst ist (vgl. zur notwendigen Belehrung eines Zeugen, der Angaben in der Hauptverhandlung verweigern, aber der Verwertung zuvor gemachter polizeilicher Angaben zulassen möchte, BGH, Beschluss vom 18. Juli 2007 – 1 StR 296/07, NStZ 2007, 712, 713).
Eine in diesem Sinn qualifizierte Belehrung bietet hingegen eine sichere Grundlage für die Entscheidung des Zeugen. Sie kann zudem seinen Blick auf die bei ihm bestehende Konfliktsituation schärfen, die ansonsten für den Angehörigen oft erst unmittelbar vor und während der Hauptverhandlung erkenn- und spürbar wird (vgl. Eisenberg, NStZ 1988, 488, 489; so auch Sander/Cirener, aaO, § 252, Rn. 10).“
Ich bin gespannt, wie die anderen Senate auf die Anfrage reagieren und ob sie diesen Weg des 2. Strafsenats mitgehen werden. Ich wage die Behauptung, dass zumindest nicht alle Strafsenate dem 2. Strafsenat folgen werden, und dann geht es in den Großen Senat für Strafsachen. Folgen wird dem 2. Strafsenat sicherlich auch nicht der GBA, denn für die Staatsanwaltschaften wird – wenn sich die Auffassung des 2. Strafsenats durchsetzt – das Ermitteln sicherlich nicht einfacher, wenn die Zeugen bei einer richterlichen Vernehmung „qualifiziert belehrt“ werden müssen.
Abschließend dann aber doch noch mal die Frage: Wird man mit zwei Anfragebeschlüssen nun gleich zum „Rebellensenat“? M.E. nicht, aber immerhin „Unruhestifter“, das ist/wird man. Vor allem, wenn man dann noch die Diskussion um das „10-Augen-Prinzip“ mit einbezieht (vgl. dazu: Wie viele Augen hat ein BGH-Senat: Vier Augen oder doch zehn Augen? 🙂 ), die vom Vorsitzenden des Senats losgetreten worden ist.