Archiv für den Monat: Juli 2014

Durchsuchung im Bußgeldverfahren zulässig? – 1 : 1 in Berlin

ParagrafenIch hatte am 27.05.2014 über den LG Berlin, Beschl. v. 16.04.2014 – 510 Qs 49/14 – berichtet, der im entschiedenen Fall eine Durchsuchung bei einem Betroffenen im Bußgeldverfahren als zulässig angesehen hatte (Mal eben nachschauen im Bußgeldverfahren – Durchsuchung zulässig?). Nun habe ich den LG Berlin, Beschl. v. 11.04.2014 – 506 Qs 43/14 – übersandt bekommen, der bei einem – m.E. – weitgehend identischen Sachverhalt, jedenfalls handelt es sich um denselben Vorwurf, der im Verfahren erhoben wird – Verstoß gegen § 146 GewO und gegen das Berliner StraßenG -, eine Durchsuchung als unzulässig angesehen und den Anordnungsbeschluss des AG aufgehoben hat. Den will ich hier natürlich auch einstellen. In dem Beschluss argumentiert das LG:

„Angesichts der letztendlich geringfügigen Vorwürfe ist die Anordnung der Durchsuchung der Wohnräume des Betroffenen jedoch unverhältnismäßig. Sie steht nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Vorwurfs. Denn eine solche Maßnahme betrifft den gem. Art. 13 GG verfassungsmäßig besonders geschützten Bereich der privaten Lebenssphäre. Der Eingriff hat erhebliches Gewicht und darf nur dann angeordnete werden, wenn er zur Schwere und Bedeutung der Vorwürfe nicht unangemessen ist .

Die Vorwürfe, die dem Betroffene gemacht werden, wiegen nicht besonders schwer. Sie sind eher dem unteren Bereich der Verstöße im Bereich der Ordnungswidrigkeiten zuzurechnen, auch wenn sie angesichts der historischen, städtebaulichen und touristischen Bedeutung des Potsdamer Platzes oder ähnlich prominenter Orte in Berlin gegenüber anderen gleichartigen Verstößen etwas herausgehoben sind. Das in § 145 Abs. 4 GewO-angeordnete Höchstmaß der Geldbuße wird aber angesichts der bisher ermittelte Umstände nicht annähernd ausgeschöpft werden, sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen. Es ist vielmehr eine Buße zu erwarten, die sich eher im unteren Bereich des Rahmens bewegt.

Es ist auch nicht ersichtlich, dass mildere Mittel nicht auch geeignet wären, den Verdacht der Verstöße gegen die GewO und das BerlStrG zu erhärten. Die Anordnung der Durchsuchung war nicht erforderlich. Denn in der Vergangenheit ist der Betroffene bereits mehrfach bei seinen Tätigkeiten am Potsdamer Platz aufgegriffen worden und seine Materialien wurden beschlagnahmt.. Es-erschließt sich der Beschwerdekammer nicht, dass zur weiteren Sachaufklärung – auch wenn es seitens des Bezirksamtes sicherlich wünschenswert wäre, die Ermittlungsergebnisse zu erweitern und zu untermauern — die Durchsuchung der Wohnräume als ultima ratio unerlässlich wäre, auch wenn die Erwartung bestand, weitere Beweismittel zu finden. Allein diese Erwartung rechtfertigt angesichts der Schwere des Eingriffs nicht die Maßnahme. Die bisherigen Ermittlungen haben bereits umfangreich Ergebnisse erbracht. So wurde der Betroffene bei seiner Tätigkeit bereits fotografiert und auch Tatmittel sichergestellt und beschlagnahmt.“

Also: Einmal schwarz, einmal weiß, oder: Einmal hopp, einmal topp. Jedenfalls steht es beim LG Berlin unentschieden 🙂 . Zu den Auswirkungen auf das Verkehrsrecht verweise ich auf: Mal eben nachschauen im Bußgeldverfahren – Durchsuchung zulässig?

Da war der BGH mal großzügig…., oder: Rettung, aber auch Fortbildung

entnommen wikidmedia.org Fotograf Faßbender, Julia

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Fotograf Faßbender, Julia

Da war der BGH mal großzügig…., gebracht hat es dem Angeklagten aber nicht, denn seine Revision ist trotz der „Teilrettung“ durch den BGH, Beschl. v. 22.04.2014 – 4 StR 110/14 –  verworfen. worden. Die knappen Beschlussgründe sprechen für sich:

„Die vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen sind – wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 18. März 2014 zutreffend ausgeführt hat – unzulässig. Jedoch entnimmt der Senat dem unbeschränkt gestellten Aufhebungsantrag in Verbindung mit den Ausführungen auf Seite 2 („Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze“) und Seite 4 der Revisionsbegründungsschrift (wonach die Verurteilung auf bloße Verdachtsgründe gestützt sei) auch die Erhebung der Sachrüge. Diese hat aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 18. März 2014 dargelegten Gründen aber ebenfalls keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO; zur Zulässigkeit des insofern vom Generalbundesanwalt gestellten Hilfsantrags: BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2012 – 1 StR 593/12; vom 28. Januar 2014 – 2 StR 582/13).“

Was lernen wir daraus? Nun: Zur Sicherheit immer ausdrücklich auch die Sachrüge erheben und sie zumindest allgemein begründen. Dann muss es nicht zu solchen Klimmzügen des Revisionsgerichts kommen. Und nicht immer sind die ja auch zu solchen „Reparaturen“ bereit. Hier haben die Ausführungen in der Revision den Verteidiger gerettet, denn an sich ist/war es ein Verteidigerfehler.

Ratenzahlung bei der Geldstrafe – wer entscheidet?

© mpanch - Fotolia.com

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§ 42 StGB sieht die Möglichkeit der Zahlungserleichterung vor, wenn der Angeklagte eine festgesetzte Geldstrafe nicht sofort und/oder nicht auf einmal zahlen kann. Es stellt sich bei der Anwendung der Vorschrift die Frage: Wer muss über die Gewährung von Zahlungserleichterungen entscheiden? Das Tatgericht oder kann sich das an der Stelle entspannt zurücklegen und darauf verweisen, dass ja auch die Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde noch Zahlungserleichterungen bewilligen darf (§ 459a StPO). Nun, das OLG Hamm sagt dazu im OLG Hamm, Beschl. v.  05.06.2014 – 1 RVs 48/14: Das Tatgericht muss selbst entscheiden, denn:

Gemäß § 42 S. 1 StGB ist dem Angeklagten zu gestatten, die Geldstrafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen, wenn ihm eine sofortige Zahlung nach seinen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten ist. Die Vorschrift ist zwingender Natur (BGH, Beschl. v. 17.08.1984 — 3 StR 283/84 — juris; BGH bei Detter NStZ 1900, 578; KG Berlin StV 2006, 191; OLG Naumburg, Beschl. 10.05.2012 — 1 Ss 8/12 = BeckRS 2012, 20554; OLG Stuttgart, Urt. v. 21.07.2008 — 2 Ss 346/08 = BeckRS 2009, 08549). Angesichts des zwingenden Charakters der Regelung kann von einer Entscheidung nach § 42 StGB, soweit Anlass zu ihr besteht, nicht etwa deswegen abgesehen werden, weil auch die Vollstreckungsbehörde noch Zahlungserleichterungen bewilligen darf (§ 459a StPO).

Vorliegend hat das Landgericht aber, obgleich bei der Höhe der Geldstrafe, die es gegen den Angeklagten verhängt hat, und bei seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen Anlass bestand zu prüfen, ob diesem eine sofortige Zahlung der gesamten Geldstrafe zuzumuten ist, sich zur Frage der Gewährung von Zahlungserleichterungen nicht geäußert. Die Summe der Geldstrafe beträgt 6.500 Euro. Nach den bisherigen Feststellungen verfügt er über 1.500 Euro monatliches Nettoeinkommen, hat eine Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem Kind und muss monatlich 200 Euro innerhalb eines Insolvenzverfahrens zahlen. Dazu kommen weitere, nicht näher bezifferte Schulden, teilweise aus unerlaubter Handlung. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit der sofortigen Zahlung ist zwar auch zu berücksichtigen, dass es zur Vollstreckung der Geldstrafe erfahrungsgemäß erst geraume Zeit nach Rechtskraft der Entscheidung kommt, da es wegen der Nachbearbeitung bei Gericht (z.B. Kosten) etwas Zeit in Anspruch nimmt, bis die Akten an die Vollstreckungsbehörde zurückgelangen, von der dann erst die Vollstreckung eingeleitet werden kann. Insoweit kann berücksichtigt werden, ob der Angeklagte — wenn er Kenntnis von seiner (rechtskräftigen) Zahlungsverpflichtung erhält — die Möglichkeit hat, die Geldstrafensumme bis zur voraussichtlichen Vollstreckung anzusparen. Hat er diese Möglichkeit, so ist ihm die Zahlung der Gesamtsumme zumutbar. So verhält es sich hier aber nicht. Von dem dem Angeklagten verbleibenden Einkommen kann er die Geldstrafensumme nicht innerhalb der nächsten zwei bis drei Monate bis zu einer voraussichtlichen Vollstreckung ansparen.

Eine Entscheidung darüber ist vom Tatgericht nachzuholen (vgl. BGH a.a.O.). Der Senat hat erwogen, selbst eine Ratenzahlungsanordnung analog § 354 Abs. 1 StPO zu treffen. Dies scheidet aber aus, da es insoweit noch weiterer Feststellungen bedarf — etwa zu etwaigen weiteren Zahlungsverpflichtungen aus Schulden aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung, welche nicht in das Insolvenzverfahren fallen. …..“

Ein überraschendes „in dubio pro reo“ – „geladene Waffe“ wäre besser

entnommen wikimedia.org Urheber Bunkerfunker

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Urheber Bunkerfunker

Eine auf den ersten Blick überraschende Richtigstellung/Rüge im Hinblick auf den Grundsatz „in dubio pro reo“ enthält der BGH, Beschl. v. 15.05.2014 – 2 StR 581/13. Der BGH moniert, dass die Strafkammer einen strafbefreienden Rücktritt des Angeklagten vom Versuch einer schweren räuberischen Erpressung verneint hat.

a) Nach den Feststellungen versuchte der Angeklagte vergeblich, die beiden Brüder Z. unter Vorhalt einer Schreckschusspistole zur Herausgabe von Geld oder anderen Wertgegenständen zu nötigen. Zum Ladezustand der Waffe konnte die Strafkammer keine Feststellungen treffen, weshalb sie – vermeintlich zu Gunsten des Angeklagten – von einer ungeladenen Schreckschusspistole ausgegangen ist. Im Weiteren nimmt das Landgericht einen den Rücktritt ausschließenden fehlgeschlagenen Versuch vor allem deshalb an, weil dem Angeklagten – nachdem sich die Brüder Z. von der Bedrohung mit der Pistole weitgehend unbeeindruckt gezeigt hatten – eine Intensivierung der Drohung mit der ungeladenen Waffe nicht möglich gewesen sei.

b) Damit verkennt das Landgericht, dass es bei der Frage des Rücktritts in dubio pro reo nicht von einer ungeladenen, sondern von einer geladenen Schreckschusswaffe hätte ausgehen müssen. Dann nämlich wäre dem Angeklagten unter Umständen die Herbeiführung des Erfolgseintritts – z.B. durch die intensivere Einschüchterung der Überfallenen mittels Schussabgabe – objektiv noch möglich gewesen. Hätte er die Ausführung der Tat unter Verwendung einer geladenen Schreckschusswaffe auch subjektiv noch für möglich gehalten, wäre sein Verzicht auf ein Weiterhandeln als freiwilliger Rücktritt vom unbeendeten Versuch zu bewerten (BGH NStZ 2007, 91; 2008, 393; Fischer, StGB, 61. Aufl. § 24 Rn. 10 ff.). Die Sache bedarf daher insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.“

Wie gesagt: Überraschend, aber richtig 🙂 .

Ein „Personenausweis Freie Stadt Danzig“ ist eine Urkunde….

entnommen wikimedia.org Nikater - Own work

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Nikater – Own work

Ein etwas kurioser Sachverhalt liegt dem OLG Bamberg, Urt. v. 14.05. 2014 – 3 Ss 50/14 – zugrunde. Das AG hatte den Angeklagten. wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen zu einer Geldstrafe verurteilt. Das LG hat den Angeklagten dann auf seine Berufung aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die hiergegen gerichtete Revision der StA erwies sich als erfolgreich.

In der Sache ging es um einen „Personenausweis Freie Stadt Danzig“. Der sah wohl, wenn ich die Ausführungen des OLG richtig verstehe, einem „echten Ausweis“ täuschend ähnlich.Im Verfahren ging es dann um Frage „amtlicher Ausweis“ und/oder auch „Urkunde“. Das OLG sagt: Amtlicher Ausweis und damit § 276 StGB nein, aber Urkunde und damit ggf. § 267 StGB ja. Hier die Leitsätze:

„1. Unter den Begriff des ‚amtlichen Ausweises‘ im Sinne von § 276 I StGB fallen nur solche Papiere, die von einer tatsächlich existierenden hoheitlichen Stelle ausgegeben werden (Anschluss an OLG Nürnberg, Urt. v. 09.12.2008 – 2 St OLG Ss 24/08 = NStZ-RR 2010, 108 = OLGSt StGB § 267 Nr. 14).

2. Die tatsächliche Existenz des Ausstellers eines Ausweises (hier: „Freie Stadt Danzig“) ist weder für die Frage der Ausstellererkennbarkeit noch für die Frage der Täuschung über die Ausstelleridentität Voraussetzung des Urkundenbegriffs im Sinne von § 267 StGB (u.a. Anschluss an BGH, Urt. v. 27.09.2002 – 5 StR 97/02 = wistra 2003, 20 = NStZ-RR 2003, 20 = StraFo 2003, 101 = StV 2004, 25). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der scheinbare Aussteller überhaupt nicht existiert, es sich also gleichsam um einen als solchen ohne weiteres erkennbaren Phantasienamen handelt, bei dem für den Adressaten auf der Hand liegt, dass es einen Träger dieses Namens nicht gibt oder dieser jedenfalls nicht Urheber der Erklärung ist.“

Tja, wirklich ein wenig kurios.