Archiv für den Monat: Januar 2014

Wochenspiegel für die 2. KW., das war NSU, Ärger mit der ARAG und was mein Auto alles weiß

© Aleksandar Jocic – Fotolia.com

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Wenn man sich derzeit die „Blogszene“ anschaut, dass hat man seit einigen Wochen den Eindruck, die Welt besteht nur noch aus Streaming und den damit zusammenhängenden Problemen. Nachdem die Welle zwischenzeitlich ein wenig abgeflaut war, rollte in der vergangenen Woche die zweite Welle. Offenbar nicht nur bei den Abmahnungen, sondern auch bei den Blogs. Ganz schön ermüdend für einen, der damit nichts zu tun hat und sich damit auch nicht auskennt.

Dass die Welt aber eben doch nicht nur aus Streaming/Abmahnungen besteht, das soll die nachstehende Übersicht beweisen. Denn wir können berichten über:

  1. das NSU-Verfahren, mit: NSU: Braucht der Anwalt einen Anwalt?,
  2. Ärger mit der ARAG, den wohl viele haben, vgl. auch hier: Betrügt die ARAG? und Mutwillige ARAG,
  3. den Wulff-Prozess mit Kein „Glück“ für Staatsanwälte im Wulff-Prozess, oder:  Nach dem Urteil ist vor dem Urteil ?,
  4. die Diskussion über den Mordparagrafen,
  5. Ablehnung eines Terminsverlegungsantrag – der Urlaub eines Prozessbevollmächtigten,
  6. Verkehrsunfall: Zur Fahrt des Fahrradfahrers über einen abgesenkten Bordstein,
  7. Geballte Kompetenz,
  8. einen verbogenen Scheibenwischer in der Waschanlage,
  9. Was mein Auto über mich weiß – Datenschutz im Automobil,
  10. und dann auch hier ein wenig, aber nur ein ganz wenig, Streaming, mit: Staatsanwaltschaft eröffnet Ermittlungsverfahren gegen Streaming-Abmahner

Vergammeltes Fahrzeuginneres = höhere Laufleistung?

entnommen wikimedia.org Autor:  Zweileben

entnommen wikimedia.org Autor: Zweileben

Beim OLG Koblenz haben die Parteien eines Gebrauchwagenkaufs um die Berechtigung zum Rücktritt vom Kaufvertrag gestritten. Verkauft worden war 2009 ein gebrauchter PKW, Marke Mercedes-Benz E220 CDI. Im Kaufvertrag war eine Gesamtfahrleistung von 113.850 Kilometer und ein vereinbarter Kaufpreis von 7.750,00 EUR angegeben. Der Käufer hat nach Übergabe eine höhere Laufleistung moniert und dies u.a. aus einem defekten Tacho geschlossen. Es ist dann im Verfahren ein Sachverständigengutachten eingeholt worden. Der Sachverständige hat u.a. festgestellt, dass das Lenkrad überdurchschnittlich abgegriffen, das Lenkradspiel überdurchschnittlich weit gewesen sei und das Fahrzeug auch überdurchschnittliche Gebrauchsspuren aufgewiesen hat. Das LG hatte daraus aber nicht auf eine höhere Laufleistung geschlossen.

Dazu dann das OLG im OLG Koblenz, Beschl. v. 07.11.2013 – 3 U 751/13:

„…Die Berufung wendet sich ohne Erfolg gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts. Das Landgericht war nicht gehalten, der Schlussfolgerung des Sachverständigen L., aus dem Zustand des Fahrzeugs sei zu schließen, dass es zum Zeitpunkt des Kaufvertrages bereits eine Laufleistung von 200.000 km und nicht 113.850 Kilometer gehabt habe, zu folgen. Die Angaben des Sachverständigen sind rein spekulativer Natur. Der Beklagte zu 2) weist in seiner Berufungserwiderung (BE 3, GA 322) zutreffend darauf hin, dass der Kläger selbst in der Sitzung vom 24.04.2013 mitgeteilt habe, das Fahrzeug habe durch seine Nutzung im Zeitpunkt der Begutachtung bereits eine Laufleistung von 173.000 km gehabt. Die Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. L., das Lenkrad sei überdurchschnittlich abgegriffen, das Lenkradspiel überdurchschnittlich weit gewesen, es seien überdurchschnittliche Gebrauchsspuren vorhanden, können möglicherweise auch mit einer übermäßigen Nutzung durch den Kläger erklärt werden. Immerhin hatte der Kläger das Fahrzeug zum Zeitpunkt der ersten Besichtigung am 01.08.2012 (Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. L. vom 15.10.2012, S. 2, GA 199/200) bereits 3 Jahre im Besitz.“

Tja, und das war es dann. Das OLG hat empfohlen, die Berufung zurückzunehmen?

Der „So-nicht-Unfall“ – man lernt nie aus

© Deyan Georgiev - Fotolia.com

© Deyan Georgiev – Fotolia.com

Man lernt nie aus bzw. machen Begriffe hört man zum ersten Mal und ist erstaunt, dass es sie gibt. So ist es mir mit dem Begriff des „So-nicht-Unfalls“ ergangen, was mir hoffentlich die Verkehrsrechtler, die viel oder nur Verkehrszivilrecht machen, nachsehen. Gestoßen worden bin ich auf ihn durch das OLG Hamm, Urt v. 15.10.2013 – 9 U 53/13 -, das einen solchen „So-nicht-Unfall“ zum Gegenstand hatte.

Ich habe mich dann gefragt: Was ist ein „So-nicht-Unfall“. Und das OLG Hamm-Urteil gibt da sehr anschaulich die Antwort: Dabei handelt es sich um einen ein Verkehrsunfall, bei dem der Unfall trotz nachgewiesener Kollision die anspruchsbegründenden Fahrzeugschäden am Pkw des Unfallgeschädigten nicht herbeigeführt haben kann, aber ein anderer Geschehensablauf, der die vorhandenen Fahrzeugschäden erklären könnte, vom Unfallgeschädigten nicht vorgetragen wird. So also nicht :-). Dann scheidet ein Schadensersatzanspruch des Unfallgeschädigten aus.

Dazu dann die amtlichen Leitsätze aus dem Hammer Urteil:

1. Die haftungsbegründende Kausalität ist im Rahmen der Haftung gemäß §§ 7, 18 StVG bereits dann zu bejahen, wenn der Betrieb eines Kraftfahrzeuges in einer Weise auf das geschützte Rechtsgut eingewirkt hat, die nachteilige Folgen auslösen kann.

2. Im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit i.S.v. § 287 ZPO festgestellt werden, dass die von dem Geschädigten behaupteten Schäden in ihrer Gesamtheit oder zumindest ein abgrenzbarer Teil hiervon bei dem Unfall entstanden sind. Lässt sich dies nicht feststellen, ist ein Schadensersatzanspruch zu verneinen (s.g. „So-Nicht-Unfall“ bezogen auf den Schadensumfang).

Der Rheydter Fensterbankhänger, oder: In Unterhose an der Fensterbank

entnommen wikimedia org. Urheber: Anagoraia

entnommen wikimedia org. Urheber: Anagoraia

Nach dem „Ibbenürener Fenstersprung“ von vor einigen Tagen nun der „Rheydter Fensterbankhänger“. In Rheydt hatte sich ein 25-Jähriger Mönchengladbacher in der Wohnung seiner Mutter versteckt. Als die Polizei erschien, um nach ihm zu suchen, ist der 25-Jähige durchs Fenster im ersten Stock geklettert und hat sich an die Fensterbank geklammert.

So weit, so gut, aber so weit noch nicht so besonders, dass darüber in der Tagespresse berichtet wird (und bei uns :-)). Den besonderen Kick bekommt die Sache erst dadurch, dass der 25-Jährige nur mit einer Unterhose bekleidet war.

Die Polizeibeamten haben dann (zunächst) erfolglos die mütterliche Wohnung durchsucht und wollten gerade abziehen, als sie die Fingerknöchel des 25.Jährigen auf dem Fensterbrett bemerkten. Der Gesuchte ließ sich dann in den Garten fallen, doch einer der Fahnder sprang direkt hinterher (!!). Der Gesuchte wurde festgenommen.

Grund für die Suche: Der 25-Jährige war u.a. wegen Diebstahls- und Körperverletzungsdelikten zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Nach einem Ausgang war er Mitte Dezember nicht in die JVA zurückgekehrt. Daraufhin war Haftbefehl erlassen worden.

Abgelegt im „Kessel Bunter/Kurioses“. Nicht berichtet wird übrigens, ob kurze oder lange Unterhose :-).

Staatshaftung bei „feindlichem Grün“? – interessanter Ansatz

© Ideeah Studio - Fotolia.com

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Wer kennt sie nicht? Die Die Rechtsfigur des enteignungsgleichen Eingriffs, während des Studiums – zumindest von mir – sehr ungeliebt, da m.E.  schwer zu packen. Zum Glück habe ich mit diesem Gewohnheitsrecht auch später nie wieder zu tun gehabt. Jetzt ist sie mir dann aber doch wieder untergekommen, allerdings an einer Stelle, an der ich nicht mit ihr gerechnet hatte. Nämlich in einem verkehrsrechtlichen (Zivil)Fall, der dann zum OLG Karlsruhe, Urt. v. 18?.?07?.?2013? – 9 U ?23?/?12? – geführt hat. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Am 26.05.2009 kam es gegen 22:00 Uhr auf einer Kreuzung in Emmendingen zu einem Verkehrsunfall, an welchem die Klägerin und die Zeugin K. jeweils mit ihren Fahrzeugen beteiligt waren. Die Klägerin befuhr mit ihrem Pkw Skoda die Freiburger Straße in Richtung Innenstadt, während die Zeugin K. von rechts auf der Kaiserstuhlstraße auf die Kreuzung mit der Freiburger Straße zufuhr. Im Bereich der Kreuzung befindet sich eine Ampelanlage. Die Verkehrsregelung durch Lichtzeichen der Ampeln wird normalerweise abends um 22:00 Uhr ausgeschaltet. Nach dem Ausschalten sind die Ampeln auf der – dann bevorrechtigten – Kaiserstuhlstraße dunkel, während die Ampeln auf der untergeordneten Freiburger Straße dann normalerweise auf gelbes Blinklicht umgeschaltet haben. Im Bereich der Kreuzung kam es zur Kollision der beiden Fahrzeuge, wodurch am Pkw der Klägerin Sachschaden entstand.

Die Klägerin hat vorgetragen: Sie habe zunächst mit ihrem Fahrzeug vor der Kreuzung angehalten, da die Ampel für sie „rot“ gezeigt habe. Die Ampel sei dann auf „grün“ umgesprungen, so dass sie mit ihrem Fahrzeug in die Kreuzung eingefahren sei. Ein gelbes Blinklicht, welches nach dem Umschalten der Ampelanlage gegen 22:00 Uhr zu erwarten gewesen wäre, habe es beim Einfahren der Klägerin in die Kreuzung nicht gegeben. Die Zeugin K. sei gleichzeitig in die Kreuzung eingefahren, weil aus ihrer Richtung die Ampel bereits ausgeschaltet (dunkel) gewesen sei.

Die Klägerin hat vor dem Landgericht von dem beklagten Land Erstattung der ihr entstandenen Unkosten verlangt, nämlich 300,00 € Selbstbehalt ihrer Kaskoversicherung, 120,67 € vorgerichtliche Anwaltskosten und 150,00 € Selbstbehalt in ihrer Rechtschutzversicherung. …“

Und die geltend gemachten Kosten hat die Klägerin auch zugesprochen bekommen. Das OLG ist von einem Entschädigungsanspruch gegen das beklagte Land ausgegangen, allerdings muss dieses die Aufwendungen der Klägerin, die ihr im anschließenden Bußgeldverfahren entstanden sind (150,00 € Selbstbehalt der Rechtschutzversicherung, nicht ersetzen.

Dazu dann die (amtlichen) Leitsätze der lesenswerten Entscheidung:

  1. Wird ein Verkehrsunfall durch einen Fehler einer Ampelanlage verursacht („feindliches Grün“), haftet der für die Straßenverkehrsbehörde verantwortliche Rechtsträger nach den Grundsätzen des enteignungsgleichen Eingriffs.

  2. Der Geschädigte muss den Fehler der Ampelanlage zum Unfallzeitpunkt beweisen. Die Anforderungen an die Beweisführung hängen vom Einzelfall ab. Unter Umständen können Zeugenangaben ausreichen, auch wenn technische Fragen des aufgetretenen Fehlers unklar bleiben.

  3. Bei einem enteignungsgleichen Eingriff schuldet der Staat keinen vollen Schadensersatz im Sinne von § 249 BGB, sondern nur eine „angemessene Entschädigung“. Dazu gehören bei einem Verkehrsunfall der Selbstbehalt in der Kaskoversicherung, der Rückstufungsschaden in der Kaskoversicherung und vorgerichtliche Anwaltskosten. Hingegen sind mittelbare Folgekosten, wie die Anwaltsgebühren für die Verteidigung in einem Bußgeldverfahren nicht erstattungsfähig.