Archiv für den Monat: Dezember 2013

Ich habe da mal eine Gebührenfrage: Alles neu, alles alt oder gesplittet?

FragezeichenAus meinem gebührenrechtlichen Forum auf meiner HP Burhoff-online eine m.E. ganz interessante Frage zur Erstreckung (ein Dauerbrenner), allerdings dieses Mal kombiniert mit einer Übergangsproblematik in Zusammenhang mit dem 2. KostRMoG.

Es wird gefragt:

„Die Pflichtverteidigerbeiordnung erfolgte im Juni 2013. Nach dem 01.08.2013 wurden mehrere Verfahren hinzuverbunden, die Beiordnung auch auf diese Verfahren erstreckt.

Wird jetzt gesplittet, also das führende Verfahren nach „altem“ Gebührenrecht abgerechnet und die hinzu verbundenen Verfahren nach „neuem“ Recht ab dem 01.08.2013?

Ich habe dann geantwortet:

Ich bin der Auffassung, dass es insgesamt auf den Zeitpunkt der Bestellung ankommt und der lag vor dem Stichtag, also alles altes Recht. Anderenfalls käme man ja auch dazu, dass für Tätigkeiten, die vor dem 01.08.2013 erbracht worden sind, neues Recht gelten würde. 

Sorry, aber man kann nicht immer gewinnen :-), oder?

Denn ein Kollege hat dazu gepostet, und zwar wie folgt:

„Hallo Herr Burhoff,
in einem Fall wie oben geschildert habe ich vom AG Braunschweig für die nach dem 01.08.2013 hinzuverbundenen Sachen die Gebühren und Auslagen nach neuem RVG bekommen.
Ich würde mal sagen: Ausprobieren und damit argumentieren, dass die Erstreckung für die hinzuverbundenen Verfahren wie eine „Beauftragung“ ist. Vielleicht klappt es ja. :-)“

Also Fazit dann doch: Nur ein Versuch macht klug.

Fahrtenbuch: Der Fahrer aus Brasilien

© a_korn - Fotolia.com

© a_korn – Fotolia.com

Fahrtenbuchfragen spielen in der Praxis immer wieder ein Rolle, vor allem wohl deshalb weil das Führen eines Fahrtenbuches nach § 31a StVZO lästig ist. Hinzu kommt, dass die Rechtsprechung der OVG hier auch verhältnismäßig streng ist. Das musste sich jetzt wieder ein Fahrzeughalter vom OVG Nordrhein-Westfalen im OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 11.11.2013 – 8 B 1129/13  – „bescheinigen“ lassen. Er hatte als Fahrer zum Vorfallszeitpunkt eine im Ausland, nämlich in Brasilien, wohnende Person angegeben und dann nicht asureichende Ermittlungen der Verwaltungsbehörde geltend gemacht. Dazu dann das OVG:

Folglich ist die Bußgeldbehörde insbesondere dann, wenn der Halter eine Person mit Wohnsitz im Ausland als Fahrer angibt, nicht verpflichtet, alle weiteren Ermittlungsmaßnahmen unmittelbar gegen diese Person zu richten. Vielmehr kann sie sich nicht zuletzt aufgrund der Schwierigkeiten, die mit Ermittlungen im Ausland verbunden sind, zur Plausibilisierung der Angaben des Halters zunächst an diesen oder an andere Personen wenden oder, sofern sie einen nicht offensichtlich unbegründeten Verdacht gegen eine andere Person hegt, erst diesem nachgehen.

Im vorliegenden Fall hat die Bußgeldbehörde in mehrere Richtungen ermittelt. Einerseits hat sie ausweislich des Verwaltungsvorgangs (Bl. 20) die von der Klägerin mit Schreiben vom 22.März 2013 benannte Person unter der angegebenen Adresse in Brasilien angeschrieben. Andererseits wollte die Antragsgegnerin den Verdacht ausräumen, einer der beiden Geschäftsführer der Antragstellerin habe den der Anordnung der streitgegenständlichen Fahrtenbuchauflage zugrunde liegenden Verkehrsverstoß begangen. Dieser Verdacht war ausweislich der in den Akten enthaltenen Lichtbildaufnahmen und der Gesamtumstände des Falls keineswegs unbegründet. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin im Schriftsatz vom 31.Oktober 2013 kann also keine Rede davon sein, die Antragsgegnerin habe in die falsche Richtung ermittelt.

Um ihren Verdacht auszuräumen, haben Mitarbeiter des Ermittlungsdienstes der Antragsgegnerin die Antragstellerin ausweislich des Verwaltungsvorgangs insgesamt sechsmal aufgesucht, davon viermal nach Erhalt des Schreibens vom 22.März 2013. Diese hat, obwohl ihr die umfangreichen Bemühungen des Ermittlungsdiensts über ihre Angestellten bekannt waren, nichts weiter zur Aufklärung beigetragen. Bei dieser Sachlage durfte die Behörde unter Berücksichtigung eines sachgerechten und rationellen Einsatzes der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nach pflichtgemäßem Ermessen von weiteren Ermittlungen absehen.

Briefkontrolle in der JVA – zweimal Art. 10 GG

120px-BriefWenn man die Leitsätze des KG, Beschl. v. 31.07.2013 – 2 Ws 300 Vollz liest – ergangen in einer Strafvollzugssache -dann man als Fazit daraus ziehen, Das Brief- und Postgeheimnis des Art. 10 Abs. 1 GG wird durch strafvollzusrechtliche Vorschriften eingeschränkt, diese Vorschriften werden ihrerseits aber wiederum durch Art. 10 GG eingeschränkt. Also eine Einschränkung der Einschränkung, wenn es um die Breif und Postkontrolle im Strafvollzug geht. Die (amtlichen) Leitsätze des Beschlusses lauten:

  1. Zwar wird das grundrechtlich geschützte Brief- und Postgeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) durch § 29 Abs. 3 StVollzG in verfassungsmäßiger Weise eingeschränkt, jedoch muss die Vorschrift ihrerseits im Lichte der besonderen Bedeutung des Brief- und Postgeheimnisses unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ausgelegt und angewendet werden.
  2. Der Umstand, dass ein Strafgefangener einen Amtshaftungsprozess gegen das Land Berlin führt, in dem es maßgeblich um die Verhältnisse in der JVA geht, in der er untergebracht ist, begründet ein Bedürfnis dafür, den darauf bezogenen Briefverkehr mit seinem Prozessvertreter von der Briefkontrolle auszunehmen.
  3. Das Argument, im Hinblick auf die Vielzahl vergleichbarer Fälle, in denen wegen angeblich menschenrechtswidriger Unterbringung in der fraglichen JVA Entschädigungsansprüche geltend gemacht werden, führe eine Einzelfallprüfung bei jedem deshalb in einem zivilrechtlichen Rechtsstreit befindlichen Gefangenen zu einem um ein Vielfaches erhöhten Verwaltungs- und Organisationsaufwand, was der Vollzugsbehörde daher nicht „zuzumuten“ sei, misst dem Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG und dem Recht auf effektiven Rechtschutz (Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG) keine ausreichende Bedeutung zu.

Das KG folgt der Argumentation des Verurteilten und gibt Handreichungen für die Briefkontrolle:

Wenn insoweit Übereinstimmung besteht, kann – solange keine Tatsachen bekannt werden, die eine von dem Antragsteller konkret ausgehende Gefahr vermuten lassen – Gegenstand der Ermessensentscheidung der Vollzugsanstalt letztlich nur sein, wie die Vertraulichkeit des prozessbezogenen Schriftwechsels gewährleistet werden kann. Die von der Vollzugsbehörde ultimativ verlangte Bezeichnung der fraglichen Schriftstücke als „Verteidigerpost“, kann jedenfalls nicht zur Voraussetzung für einen Verzicht auf die Briefkontrolle gemacht werden, denn sie wäre eine Falschbezeichnung (wenngleich sie – entgegen der Sorge der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers – vor dem hier diskutierten Hintergrund wohl jedenfalls den subjektiven Tatbestand des § 115 OWiG nicht erfüllte).

Der Senat neigt – ohne dass dies hier jetzt bereits entscheidungserheblich wäre – zu der Ansicht, dass es im vorliegenden Fall am zweckmäßigsten wäre, als „Anwaltspost“ gekennzeichnete Schreiben von Rechtsanwältin B an den Antragsteller für die Dauer des anhängigen Amtshaftungsprozesses gar nicht zu kontrollieren oder in Gegenwart des Antragstellers lediglich einer groben Sichtung auf verbotene Beigaben oder Schriftstücke zu unterziehen, die offensichtlich nichts mit dem fraglichen Amtshaftungsverfahren zu tun haben (vgl. zu der ähnlichen Problematik bei der Durchsuchung von Hafträumen in Abwesenheit des Gefangenen: Senat, Beschluss vom 23. Mai 2003 – 5 Ws 99/03 Vollz – [[…]]).

Das letztlich rein fiskalische Argument der Rechtsbeschwerde, im Hinblick auf die Vielzahl vergleichbarer Fälle, in denen wegen angeblich menschenrechtswidriger Unterbringung in der JVA Tegel Entschädigungsansprüche geltend gemacht werden, führe eine Einzelfallprüfung bei jedem deshalb in einem zivilrechtlichen Rechtsstreit befindlichen Gefangenen zu einem um ein Vielfaches erhöhten Verwaltungs- und Organisationsaufwand, was der Vollzugsbehörde daher nicht „zuzumuten“ sei, misst dem Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG und dem Recht auf effektiven Rechtschutz (Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG) keine ausreichende Bedeutung zu.“

Verfahrensrügen – beim BGH kann man es lernen

© Dan Race - Fotolia.com

© Dan Race – Fotolia.com

Schon etwas länger hängt der BGH, Beschl. v. 06.08.2013 – 1 StR 2013/13 – in meinem Blogordner, der sich mit einigen vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrüge befasst. Die haben zwar nicht zum Erfolg geführt :-(, aber: Aus dem BGH- Beschluss kann man dann doch lernen, wie man es besser machen kann. Der BGH behandelt folgende Rügen:

„a) Die Rüge, am 29. November 2012 habe ein wesentlicher Teil der Hauptverhandlung in Abwesenheit des notwendigen Verteidigers stattgefunden, ist unzulässig, da sie den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht entspricht. Es wird zwar mitgeteilt, dass eine Verfahrensabtrennung erfolgt sei, nicht aber, ob die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ausgesetzt oder fortgesetzt worden ist. ….

b) Die Rüge der vorschriftswidrigen Besetzung nach § 338 Nr. 1 StPO ist präkludiert und damit unzulässig. Die Revision trägt zwar vor, die Verteidigung habe den Besetzungseinwand in der Hauptverhandlung vor Verlesung der Anklage gerügt. Das Protokoll weist jedoch einen mündlich erhobenen und begründeten Einwand – wie es bei Geltendmachung in der Hauptverhandlung erforderlich ist (Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 222b Rn. 5) – erst nach der Vernehmung des Angeklagten zur Sache aus. ….

c) Der Senat kann offen lassen, ob im Hinblick auf den fehlenden Vortrag zu dienstlichen Stellungnahmen gemäß § 26 Abs. 3 StPO die Verfahrensrüge gemäß § 338 Nr. 3 StPO betreffend das Ablehnungsgesuch gegen die mitwirkenden Schöffen zulässig erhoben ist; die Rüge ist jedenfalls unbegründet. Die Bescheidung des Ablehnungsgesuchs lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Zu-treffend ist darauf abgestellt worden, dass für Schöffen keine anderen Maßga-ben für die Unvoreingenommenheit gelten als bei Berufsrichtern, auch wenn es sich um schwierige Beweissituationen handelt (BGH, Urteil vom 17. Juli 1996 – 5 StR 121/96, BGHSt 42, 191, 193 f.) und mithin eine Vorbefassung mit dem Sachverhalt durch Verurteilung eines Mittäters für sich genommen keinen Ab-lehnungsgrund darstellt (BGH, Beschluss vom 9. März 2000 – 4 StR 513/99)….

d) Die Rüge eines „Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 StPO“ versagt ebenfalls…..

Sondierungsgespräche – der Inhalt gehört in die Hauptverhandlung

© Corgarashu – Fotolia.com

© Corgarashu – Fotolia.com

Nicht so ganz geschickt war das Vorgehen des Tatrichters beim LG Hechingen, das dann zu einer Revision beim BGH geführt hat, über die der BGH mit BGH, Beschl. v. 02.10.2013 – 1 StR 386/13 – entschieden hat. Da war dem Verteidiger des Angeklagten trotz Nachfrage die Teilnahme an einem mit anderen Verfahrensbeteiligten im Dienstzimmer des Vorsitzenden geführten Gespräch über eine Abtrennung des Verfahrens gegen mehrere Mitangeklagte verweigert worden. Der Angeklagte hatte das als einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens gerügt. Damit hatte er beim BGH keinen Erfolg:

„Weder der Grundsatz des fairen Verfahrens noch sonstige Regelungen des Verfassungs- oder des Strafverfahrensrechts verbieten dem Tatgericht, das Verfahren betreffende Gespräche mit den Verfahrensbeteiligten zunächst getrennt zu führen. Selbst bei der Vorbereitung einer – hier ohnehin nicht vorliegenden – möglichen verfahrensbeendenden Absprache dienenden Gesprächen sind derartige Vorgespräche nicht ausgeschlossen (BT-Drucks. 16/12310 S. 9 und 12; BVerfG, Urteil vom 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10 u.a., NJW 2013, 1058, 1065 [Rn. 82]). Wie sich aus der Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ergibt, setzt das Gesetz in Bezug auf verfahrensbeendende Absprachen die Möglichkeit solcher Vorgespräche sogar voraus. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen eine eventuelle Verständigung betreffende Vorgespräche nicht stets mit sämtlichen Verfahrens-beteiligten zugleich geführt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 – 3 StR 287/10, StV 2011, 72 f.). Allerdings bedarf es bei der Sondierung der Chancen für eine solche Absprache betreffende Gespräche der anschließenden Information sämtlicher Verfahrensbeteiligter in öffentlicher Hauptverhandlung über den Inhalt, den Verlauf und die Ergebnisse der außerhalb dieser geführten Gespräche (BGH aaO).

Diesen Anforderungen hat das Tatgericht entsprochen. Wie sich aus der diesbezüglichen dienstlichen Stellungnahme des Vorsitzenden der Strafkammer ergibt, hat dieser in öffentlicher Hauptverhandlung über das mit dem Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft und den Verteidigern der Mitangeklagten geführte Gespräch unterrichtet. Danach hat die Strafkammer die von Seiten der Mitangeklagten angeregte Verfahrensabtrennung nicht erwogen. Aus der dienstlichen Stellungnahme der (beisitzenden) Richterin am Landgericht Dr. E. vom 2. November 2012 lässt sich ergänzend über den Inhalt des Gesprächs entnehmen, dass das Gespräch im Dienstzimmer des Vorsitzenden sich darauf beschränkte, den Verteidigern der Mitangeklagten mitzuteilen, die Kammer verneine die von diesen angeregte Möglichkeit der Verfahrenstrennung. Diesen Gesprächsinhalt habe der Vorsitzende anschließend in der Hauptverhandlung mitgeteilt (zu nicht den gesetzlichen Regelungen über die Verständigung unterfallenden Gesprächen über die Organisation und Durchführung des Verfahrens vgl. BVerfG aaO, NJW 2013, 1058, 1065 [Rn. 84]).“

Und: Für eine Befangenheit reicht es auch nicht:

„Die Rüge der Verletzung von § 338 Nr. 3 StPO wegen der Ablehnung von Befangenheitsanträgen gegen die drei berufsrichterlichen Mitglieder der Strafkammer bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die entsprechenden Anträge sind rechtsfehlerfrei abgelehnt worden. Selbst wenn der Ausschluss des Verteidigers des Angeklagten von dem außerhalb der Hauptverhandlung geführten Gespräch über eine Verfahrenstrennung ursprünglich geeignet gewesen sein sollte, berechtigtes Misstrauen gegen die Unbefangenheit der abgelehnten Richter zu begründen, wäre dieses durch den Inhalt von deren dienstlicher Erklärungen über das Gespräch sowie durch die Mitteilung des Vorsitzenden darüber in öffentlicher Hauptverhandlung ausgeräumt worden (vgl. zu der entsprechenden Bedeutung dienstlicher Stellungnahmen BGH, Beschlüsse vom 18. Dezember 2007 – 1 StR 301/07, NStZ 2008, 229; vom 4. März – 4 – 2009 – 1 StR 27/09, NStZ 2009, 701; und vom 5. Oktober 2010 – 3 StR 287/10, StV 2011, 72). Danach war klargestellt, dass die Strafkammer die seitens der Mitangeklagten angeregte Verfahrenstrennung von vornherein nicht erwogen hat. Vom maßgeblichen Standpunkt eines vernünftigen Ablehnenden (st. Rspr.; siehe etwa BGH, Beschluss vom 7. August 2012 – 1 StR 212/12, NStZ-RR 2012, 350) war daher kein Grund für Zweifel an der Unbefangenheit der Richter mehr gegeben.“

Fazit: Nun, Glück gehabt. Und: Jedenfalls ist das Verhalten des Vorsitzenden nicht so ganz geschickt.