Archiv für den Monat: Dezember 2013

Pfiffige Idee, oder: „Führerschein gerettet. Mission erfolgreich beendet“ :-)

© Ideeah Studio - Fotolia.com

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Ein Teilnehmer eines FA-Kurses, in dem ich im vergangenen Jahr in München referiert hatte, hat mir den von ihm erstrittenen LG Landshut, Beschl. v. 18.09.2013 – 3 Qs 154/13 übersandt, der auf eine m.E. ganz pfiffige Idee des Kollegen zurückgeht.

Vorab: Der Beschluss behandelt eine erfolgreiche Wiederaufnahme eines Bußgeldverfahrens (ja, das gibt es :-)), und zwar mit folgendem Sachverhalt: Im letzten Jahr suchte ein  Mandant den Kollegen auf mit einem Schreiben der Fahrerlaubnisbehörde. Man müsse dem Mandanten die Fahrerlaubnis entziehen, da er nun 18 Punkte habe.  Der Mandant teilte dem Kollegen jedoch mit, dass er die letzte Tat nicht begangen habe, sondern sein Vater gefahren sei. Dennoch habe er den Bußgeldbescheid als Fahrzeughalter bekommen.  Das Problem war, dass zum Zeitpunkt der Mandatierung der zugrundeliegende Bußgeldbescheid schon seit Wochen rechtskräftig war und der Mandant auch schon selbständig (und natürlich erfolglos) eine Wiedereinsetzung beantragt hatte. Der Kollege hat dann zunächst (erfolglos) das Wiedereinsetzungsverfahren betrieben und ist dann – nachdem er die Fahrerlaubnisbehörde dazu bringen konntem zunächst von einem Entzugsbescheid abzusehen, auf die Idee mit der Wiederaufnahme gekommen. Das AG hat zunächst als unzulässig verworfen hatte, auf die Beschwerde hat das LG Landshut dann die Wiederaufnahme des Verfahrens angeordnet.  Ende der Geschichte war, dass das AG Landshut den Bußgeldbescheid aufgehoben und das Verfahren eingestellt hat. Wie schreibt der Kollege so schön:  Führerschein gerettet. Mission erfolgreich beendet :-).

Begründet hat das LG u.a. wie folgt:

„Neues Sachverständigengutachten:

Inwieweit die Verwaltungsbehörde tatsächlich im Rahmen der Identitätsfeststellung des Fahrers die Einholung eines anthropologischen Gutachtens erwogen hat, lässt sich aus der Akte weder erkennen noch nachvollziehen. Die Argumentation des Erstgerichts, dies sei offensichtlich unterblieben, weil die Lichtbilder von so guter Qualität seien, dass dies überflüssig sei, vermag die Kammer nicht zu teilen. Wie bereits ausgeführt, schätzt die Kammer die Qualität der Lichtbilder als schlecht ein und gerade die vom Sachbearbeiter handschriftlich neben das Lichtbild des Betroffenen gesetzten Identitätsmerkmale sind für die Kammer auf den Tatfotos nur unzureichend zu erkennen, so dass ein aussagefähiger Vergleich mit dem Foto des Betroffenen auf dem Auszug aus dem Ausländerzentralregister gerade anhand dieser Kriterien nicht möglich ist.

 Ein Sachverständigengutachten wäre nur dann kein neues Beweismittel, wenn die Verwaltungs-behörde erkennbar bei ihrer Entscheidung die Erholung eines solchen Gutachtens mit dem Hinweis auf die eigene Sachkunde abgelehnt hätte und in nachvollziehbarer Weise ihr Bewertungsergebnis aufgrund der eigenen Sachkunde detailliert dargelegt hätte. Dies war vorliegend gerade nicht der Fall. Zum einen sind die Bewertungsgrundlagen nur kurz schriftlich skizziert und zum anderen lassen sich diese anhand der Lichtbilder nicht ohne weiteres nachvollziehen.

Demzufolge stellt sich für die Kammer sowohl die Benennung der beiden Zeugen als auch die Beantragung eines anthropologischen Gutachtens jeweils als neues Beweismittel dar. Diese Beweismittel sind auch geeignet, die Freisprechung des Betroffenen herbeizuführen. Dabei kann nicht von vorneherein davon ausgegangen werden, dass der Beifahrer zu Gunsten des Betroffenen eine Falschaussage machen will oder eine Erinnerung an die gegenständliche Fahrt von vorneherein ausgeschlossen erscheint. Auch im Rahmen eines anthropologischen Gutachtens kann nicht von vorneherein ausgeschlossen werden, dass durch die Betrachtung weiterer Identitätsmerkmale und vor allen Dingen durch technische Verbesserungen der Tatortfotos aussagekräftige Erkenntnisse gewonnen werden können.“

Self-Service, oder: Das abgeschnallte Kleinkind – ordnungswidrig?

entnommen wikimedia org Author Cschirp

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Jeder Mutter bzw. jeder Vater, der mit seinen lieben Kleinen unterwegs ist, kennt das: Man setzt den Kleinen/die Kleine in den Kindersitz und schnallt sie/ihn an. Bei Beginn der Fahrt ist das Kind also angeschnallt. Dann löst es jedoch während der Fahrt selbst den Sicherheitsgurt, schnallt sich also alleine ab. Und dann wird durch die Polizei kontrolliert. Frage: Ordnungswidrig, ja oder nein?

Die Frage – bezogen auf einen 4-Jährigen – beantwortet das OLG Hamm im OLG Hamm, Beschl. v. 05.11.2013 – 5 RBs 153/13 – mit einem klaren: Ja. Die Leitsätze des umfangreich begründeten Beschlusses:

1. Zum Schutz von Kindern sowie der allgemeinen Verkehrssicherheit ist die strikte Einhaltung von Sicherungsvorschriften von Kindern erforderlich. Jeder Fahrer ist verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass ein mitfahrendes Kind während der gesamten Fahrt ausreichend gesichert ist und es auch bleibt.

2. Einem Kind im Alter von 4 Jahren kann man in der Regel verständlich machen, welche Gefahren und welche Folgen eintreten können, wenn es sich während einer Fahrt abschnallt. Ebenfalls ist ein Kind in dem Alter in der Lage, das deshalb ausgesprochende Verbot, sich während der gesamten Fahrt abzuschnallen und die Ankündigung ernstzunehmender Konsequenzen bei Missachtung dieses Verbots zu verstehen, zu akzeptieren und zu befolgen. Der Fahrer muss ein solches Verbot mit Nachdruck aussprechen.

3. Die Pflicht des Kfz-Führers, während der gesamten Fahrt dafür Sorge zu tragen, dass ein im Kfz befördertes Kind vorschriftsmäßig gesichert ist und es auch bleibt, ergibt sich aus § 23 Abs. 1 Sat 2 StVO i.V.m. § 3 Abs. 2a StVO.

4. Im Einzelfall kann ein Kfz-Führer sogar gehalten sein, seine Route derart zu wählen, dass er ausschließlich Straßen befährt, auf denen ein regelmäßiges Umsehen nach dem Kind und ein sofortiges Anhalten möglich ist. Ausnahmsweise kann er sogar gehalten sein, die ständige Kontrolle des beförderten Kindes durch Mitnahme einer Begleitperson zu gewährleisten.

Also: Augen auf und nach hinten schauen 🙂

 

Freispruch vom Vorwurf der (ehelichen) Vergewaltigung – Lügendetektor pro reo

entnommen wikimedia.org Autor: DENKernel

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Ein Mitherausgeber des StRR, der Kollege StA Dr. Artkämper, hat mich auf das AG Bautzen, Urt. v. 26.03.2013 – 40 Ls 330 Js 6351/12 hingewiesen, über das wir demnächst auch im StRR berichten werden. Es geht um einen Lügendetektoreinsatz „pro reo“.

Im Verfahren ist dem bestreitenden Angeklagten eine eheliche Vergewaltigung vorgeworfen worden. Die Opferzeugin – seine Ehefrau – machte im Rahmen der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und die daraufhin durchgeführte Vernehmung des Richters (als Vernehmungsperson), der sie im Ermittlungsverfahren vernommen hatte, wies inhaltlich zahlreiche Warnsignale hinsichtlich der Glaubhaftigkeit der Aussage auf. Gegenüber dem familiären und beruflichen Umfeld hatte die Geschädigte nämlich nie ausdrücklich von einer Vergewaltigung gesprochen und das Verletzungsbild war mit einer Selbstbeibringung in Übereinklang zu bringen. Vor dem Familiengericht war im Scheidungs- und Sorgerechtsverfahren ein Polygraphentest durchgeführt worden. Dazu hat das AG im Strafverfahren die damit befasste Diplompsychologin als sachverständige Zeugin vernommen. Die hat bekundet, dass die Testergebnisse nicht geeignet sind, den Verdacht zu entkräften, dass das Opfer/die Ehefrau wahrheitswidrig ausgesagt habe, die sehr hohe Wahrscheinlichkeit ergeben haben, dass der Angeklagte jede der verdachtsbezogenen Fragen wahrheitsgemäß beantwortet habe und die Übereinstimmung dieser beiden Ergebnisse die ohnehin geringe Gefahr einer Falschbewertung (noch) weiter verringere.

„In der Bundesrepublik ist insbesondere in Familienverfahren das Ergebnis einer physiopsychologischen Befragung einer der Verfahrensparteien bei der Entscheidung über das Recht zum persönlichen Umgang mit dem Kind nach § 1634 BGB als zulässig angesehen worden (u.a. OLG Bamberg, NJW 1995, 1684), ebenso das Oberlandesgericht Koblenz (Beschluss vom 23. Juli 1996, AZ: 15 UF 121/96) und das Oberlandesgericht Dresden (AZ: 24 WF 1201/10 v. 31.03.2011). Ob die so formulierte „Durchleuchtung einer Person“ ein unzulässiger Eingriff in das durch Artikel 2 Abs. 1 i.V. mit Artikel 1 Abs. 1 GG geschützte Persönlichkeitsrecht des jeweiligen Betroffenen erkannt werden muss, hat die 3. Kammer des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts in einem Nichtannahmebeschluss für den Fall der Einwilligung des Beschuldigten in die Anwendung eines Polygraphen ausdrücklich offen gelassen (BVerfG, StraFo 1998, 16). Der Bundesgerichtshof stuft die polygraphische Untersuchung im Ergebnis als ein ungeeignetes Beweismittel lediglich aus Gründen der Validität der Untersuchungsergebnisse ein und kritisiert das Verfahren anhand der im Rahmen einer physiopsychologischen Untersuchung vorgenommen Kontrollfragen (BGH, 1 StR 156/98). Auf den Aspekt des so genannten „Friendly-Examiner-Syndrom“, also der Proband müsse annehmen, ein für ihn ungünstiges Ergebnis werde in derselben Weise Berücksichtigung finden wie ein günstiges, weswegen verlässliche Resultate von vornherein zweifelhaft sind, was der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 14. Oktober 1998 (AZ: 3 StR 236/98) noch hervorgehoben hat, hält er in seiner Entscheidung vom 17.12.1998 (BGH 1 StR 156/98) nicht mehr für entscheidungserheblich. Dies deshalb, weil er dem den Kontrollfragenverfahren als wesentliche Prämisse zu Grunde liegenden Unterschied bezüglich des Erregungszustandes zwischen Täter und Nichttäter schon bei tatbezogenen Fragen nicht als zwingend ansieht (BGH, aa.O). Im Wesentlichen stützt sich der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung auf ein von Steller erstattes Gutachten, wonach der Proband neben physischen Tätigkeiten (z.B. „Beißen auf die Zunge“) auch mentale Aktivitäten entwickeln könne, wie etwa thematisch abweichende Gedankenarbeit, beispielsweise das Lösen von Rechenaufgaben. Derart manipulierende Mittel seien kurzfristig erlern- und trainierbar (Nachweise in BGH, aaO, Juris-Recherche, dort Rz. 71).

 Diesem Einwand manipulativer Techniken ist jedoch entgegen zu halten, dass allein die Kenntnis des Beschuldigten, der Test werde keinesfalls zu seinen Ungunsten verwertet, „den tatbezogenen Fragen noch lange nicht die Bedrohlichkeit nimmt; denn letztendlich verlöre der Proband nicht nur vor dem Untersucher sein Gesicht, sondern auch meist vor seinem Verteidiger, in nicht wenigen Fällen sogar vor nahen Angehörigen“ (Putzke/Scheinfeld/Klein/Undeutsch: Polygrafische Untersuchungen im Strafprozeß, ZStW 2009,607,619)

 Bezüglich der Treffsicherheit physiopsychologischer Untersuchungen zur Verdachtsabklärung ist auf die Untersuchung von Undeutsch/Klein 1999 hinzuweisen, wonach eine als „pilot study“ unter Feldbedingungen an 66 Versuchspersonen durchgeführte Untersuchung eine Treffgenauigkeit von 98,5 % ergab (Undeutsch/Klein, Wissenschaftliches Gutachten zum Beweiswert physiopsychologischer Untersuchungen, Praxis der Rechtspsychologie 1999, S. 73 bis 77). Die Überlegenheit physiopsychologischer Verfahren gegenüber anderen Methoden der forensischen Aussageuntersuchungen hat Steller (derselbe!) begründet, indem er hervorhob, dass die in der forensischen Praxis in der Bundesrepublik Deutschland im großen Umfang angewendete „rein“ psychologische Aussagebegutachtung „nicht annähernd so gründlich wissenschaftlich überprüft wurde wie die physiopsychologische Methode“ (Steller, in: Wegener 1981, S. 56 f, mN). Soweit im Weiteren die Treffsicherheit physiopsychologischer Untersuchungen hinsichtlich der Verdachtsabklärung damit begründet wird, es stünden nicht ausreichend valide Zahlen insbesondere durch Feldstudien in prozentualer Errechnung von so genannten „Trefferquoten“ vor (BGH 1, StR 156/98, Jurisrecherche, Rz. 56 ff. ), ist dem entgegenzuhalten, dass bei dem bislang durchgeführten „rein aussagepsychologischen“ Begutachtungen belastbare Zahlen ebenso wenig vorliegen.

Wenig nachvollziehbar ist die in diesem Zusammenhang erhobene Kritik an den physiopsychologischen Untersuchungsmethoden schon deshalb, weil beispielsweise eine Treffgenauigkeit von „nur“ 75 % als zu ungenau angesehen werde. Im Vergleich mit „herkömmlichen“ rein aussagepsychologischen Begutachtungen ist die Forderung nach einer Treffgenauigkeit wie bei einem serologischen oder DNA-Gutachten wenig seriös (Willutzki, Zur rechtlichen Zulässigkeit des Polygraphentests in familiengerichtlichen Verfahren in Salzgeber/Stadler/Willutzki Polygraphie. Möglichkeiten und Grenzen physiopsychologischer Aussagebegutachtung, Köln, 2000, 101). Die Genauigkeit der Methode wird – wie hier – auch dadurch erhöht, dass nicht nur drei Parameter gemessen werden (Blutdruck, elektrischer Hautwiderstand und Atmung), sondern auch vasomotorische Aktivitäten, also Gefäßverengung und Gefäßerweiterung).

Sofern demnach die nachstehenden, kumulativ vorliegenden Voraussetzungen erfüllt sind, ist der zu Gunsten des Angeklagten erhobene Befund als Indiztatsache verwertbar, nämlich:

a) die physiopsychologische Untersuchung muss freiwillig erfolgen,

b) sie muss in einem geordneten gerichtlichen oder staatsanwaltschaftlichen (Ermittlungs-) Verfahren nach erklärter Freiwilligkeit angeordnet worden sein,

c) die Begutachtung muss durch einen hierfür zertifizierten Sachverständigen unter Laborbedingungen mittels mindestens vier gemessenen Parametern (relative Blutdruckschwankungen, Atmung, elektrischer Hautwiderstand, vasomotorische Aktivität) erfolgen,

d) das Polygraphentestverfahren muss die Tatfrage an sich betreffen, und

e) das physiopsychologische Befundergebnis darf lediglich zur Entlastung des Angeklagten allein oder neben anderen (Indizien-)Tatsachen verwertet werden.

Die der Begutachtung zugrunde liegende Untersuchungsmethode der physiopsychologischen Begutachtung begegnet keinen nachvollziehbaren Bedenken. Für die einzelnen Variablen wurden die Reaktionen auf die verdachtsbezogenen Fragen mit den Reaktionen auf die persönlichen Vergleichsfragen verglichen. Dabei wurde die Größe der dabei gefundenen Unterschiede zahlenmäßig bewertet. Die sachverständige Zeugin hat dabei das an der Universität of Utah, Salt Lake City entwickelte und erprobte Regelsystem für die nummerische Auswertung angewandt. Nach der dargelegten Auffassung der sachverständigen Zeugin ist dies das Auswertungssystem, das die größte diagnostische Genauigkeit liefert. Soweit dem physiopsychologischen Verfahren entgegengehalten wird, es gäbe für den Untersucher keine zuverlässigen Möglichkeiten objektiver Überprüfung des Untersuchungsablaufes, weswegen er nicht feststellen könne, ob und inwieweit ihm Auswahl und Formulierung der Kontrollfragen in dem methodischen Ansatz gelungen, also tatsächlich auf die Person des Beschuldigten und den spezifischen Tatvorwurf zugeschnitten sind (vgl. BGH 1, StR 156/98, Juris-Recherche, Rz. 52) und infolgedessen dem Gericht eine diesbezügliche Kontrolle ebenfalls verwehrt sei, weswegen es die Untersuchungsergebnisse und die darauf gestützten Schlüsse hinnehmen müsse, ohne sie nachvollziehen und überprüfen zu können, ist dem der Grundsatz der freien Beweiswürdigung ( § 261StPO) entgegen zu setzen, was es dem Gericht ermöglicht, ein Beweismittel nicht zu berücksichtigen, von dessen Beweiswert es nicht überzeugt ist. Denn im Rahmen der Beweiswürdigung hat das Gericht ohnehin die Pflicht, die Beweise vollständig zu würdigen und insbesondere bei einem Sachverständigengutachten, gleich welcher Art, nicht ausschließlich – wie häufig in der Praxis beobachtet – das zusammenfassende Gesamtergebnis des Sachverständigengutachtens zu bewerten, sondern sich intensiv mit der Methodik und der Darstellung und dem Zustandekommen des Sachverständigenbeweises zu befassen. Nichts anderes gilt bei der Beurteilung von rein aussagepsychologischen Begutachtungen oder auch unfallanalytischen Untersuchungen. Weshalb also vor diesem Hintergrund diese „zusätzliche Indizquelle verstopft“ (Putzke/Scheinfeld: Entlastungsbeweis: polygraphische Untersuchung – Taktisches zur Beweismittelerhebung im Strafverfahren, StraFo 2010, 58, 61) werden soll, ist unverständlich.

Im Übrigen ist der freien richterlichen Beweiswürdigung kein Grundsatz dergestalt zu entnehmen, dass eine wissenschaftliche Methode in der Praxis als brauchbar oder unbrauchbar erst ab einem bestimmten Grad von Wahrscheinlichkeit anzusehen wäre. Dann aber darf man die physiopsychologische Untersuchung durch Einsatz eines Polygraphentests nicht von vornherein als völlig ungeeignetes Beweismittel im Sinne von § 243 Abs. 3 Satz 2 StPO ansehen. Dass etwa im Bereich des Familienrechts – wie oben dargestellt – Polygraphentests als nicht nur zulässig, sondern mit Beweiswert versehen angesehen werden, im Strafverfahren jedoch deren Validität angezweifelt wird, ist nicht nur unverständlich, sondern stellt die Einheitlichkeit der Rechtsordnung in Fragen des Beweisrechts an sich auf den Kopf. Mag das Beweis- und Beweismittelrecht in den unterschiedlichen Verfahrensarten auch divergent ausgestaltet sein, so kann ein Beweismittel in bestimmten Verfahren doch nicht aufgrund fehlender Validität als ungeeignet angesehen werden, wenn dieser Umstand in anderen Verfahrensarten, insbesondere in Familienrechtsverfahren, überhaupt nicht in Abrede gestellt wird.“

Das war mal ein wenig mehr. Lässt sich aber schlecht kürzen.

Für potenzielle Kommentatoren: Ich kenne BGH, Beschl. v. 30. 11. 2010 – 1 StR 509/10.

Die Umsatzsteuer auf die Auslagen: Wie geht das?

© Gina Sanders - Fotolia.com

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M.E. hat es bisher noch keinen obergerichtlichen Beschluss gegeben, der sich mit der Frage auseinandersetzt bzw. entschieden hat, wie es sich mit der Umsatzsteuer verhält, wenn der Rechtsanwalt/Verteidiger Auslagen geltend macht. Vor allem: Welcher Umsatzsteuersatz bei Auslagen mit ermäßigtem Steuersatz?

Dazu bin ich dann jetzt auf den KG, Beschl. v. 24.05.2013 1 Ws 28/13 gestoßen (worden). Im Verfahren hatte der Pflichtverteidiger eines Angeklagten in seinem Kostenfestsetzungsantrag u.a. die Erstattung von von ihm verauslagter Beträge für Taxifahrten beantragt. Er hat die Rechnungsbeträge zunächst um die hierauf entfallende und auf den Quittungen ausgewiesene Umsatzsteuer von 7 % reduziert und hinsichtlich der so ermittelten Nettobeträge 19 % Umsatzsteuer gegenüber der Landeskasse geltend gemacht. Die Rechtspflegerin des LG hat die Taxikosten jedoch nur in Höhe der „tatsächlich entstandenen Reisekosten gemäß den Belegen incl. der jeweils darin enthaltenen Steuerbeträge“, mithin in Höhe der Bruttorechnungsbeträge von zusammen 42,- €, festgesetzt. Die dagegen gerichtete Erinnerung hatte beim LG Erfolg. Die zugelassene Beschwerde des Bezirksrevisors hatte keinen Erfolg.

Das KG hat dem Pflichtverteidiger und dem LG Recht gegeben:

„Zu den zur Vergütung eines Rechtsanwalts zählenden Gebühren und Auslagen gehören zunächst die hier unstreitigen ausgelegten Taxikosten, auf die gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG seitens des Taxiunternehmers der ermäßigte Umsatzsteuersatz in Höhe von 7 % zu erheben war. In seinem Kostenfestsetzungsantrag kann der Rechtsanwalt jedoch lediglich die entsprechenden Nettobeträge geltend machen, wenn er – wie hier – die auf den Taxiquittungen ausgewiesene Umsatzsteuer seinerseits gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG gegenüber den Finanzbehörden als Vorsteuer abziehen kann. Die Zahlung der Umsatzsteuer auf umsatzsteuerpflichtige Auslagen stellt nämlich in diesem Fall keine bleibende Ausgabe dar, weil die Umsatzsteuer wirtschaftlich im Wege des Vorsteuerabzugs wieder zurückfließt (vgl. BGH NJW-RR 2012, 1016; Gerold/Schmidt RVG 19. Aufl., VV RVG Nr. 7008 Rdn. 18).

Neben den Gebühren und Auslagen kann der Verteidiger weiterhin gemäß Nr. 7008 VV RVG den Ersatz der auf seine Vergütung entfallenden Umsatzsteuer verlangen. Da die Umsätze eines Rechtsanwalts grundsätzlich nicht zu den in § 12 Abs. 2 Nr. 1 bis 11 UStG aufgelisteten umsatzsteuerrechtlich privilegierten Leistungen gehören, beträgt die Steuer für jeden seiner steuerpflichtigen Umsätze nach § 12 Abs. 1 UStG 19 % der jeweiligen Bemessungsgrundlage. Der Ansatz des reduzierten Umsatzsteuersatzes von 7 % käme lediglich für den (hier nicht gegebenen) Fall in Betracht, dass ein Rechtsanwalt Umsätze durch die Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von sich aus dem Urheberrechtsgesetz ergebenden Rechten erzielt, § 12 Abs. 2 Nr. 7 c) UStG.

Also: der Verteidiger hat alles richtig gemacht. d.h.: Bei Auslagen, wie z.B. Reisekosten, wozu auch Taxifahrten gehören, werden diese nur in Höhe der Nettobeträge in eine Abrechnung eingestellt und es wird dann auf die Gesamtnettosumme nach Nr. 7008 VV RVG 19 % Umsatzsteuer aufgeschlagen. Der Rechtsanwalt kann nur deshalb die Nettobeträge in Rechnung Stellung, weil, er zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und er die in den Reisekosten enthaltenen Umsatzsteuerbeträge im Wege des Vorsteuerabzugs vom Finanzamt zurückerstattet erhält. Die Umsatzsteuer ist also für ihn nur ein durchlaufender Posten.

Sonntagswitz: Heute zu „Xaver“

© Teamarbeit – Fotolia.com

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Wie immer: Kaum ist ein „Großereignis“ vorbei, gibt es dazu Witze bzw. Sprüche. Und da ist es letztlich egal, welche Schäden angerichtet worden sind: That`s life. Daher greife ich heute mal das auf, was ich zum Orkan Xaver so im Netz gefunden habe: Und das war:

Zwei Touristen sitzen an der Nordsee beim Orkan gemütlich vor dem Kamin in einem Ferienhaus und schauen aus dem Fenster auf das tosende Meer hinaus. Sie schauen auf das Wasser und sehen, wie eine Mütze vorbeischwimmt.
Da sagt der eine: “Der Besitzer ist bestimmt ertrunken.”
“Nee”, sagt der andere, “das ist Nachbar Hein, der mäht bei jedem Wetter…”

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Wegen Orkan „Xaver“: Elbphilharmonie-Bauleitung schickt beide Arbeiter nach Hause

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Und dann hier noch aus der SZ: Lach- und Sachgeschichten: Der Sturm kommt – und mit dem Sturm kommen auch die Fake-Witze