Nein, nicht das, was man beim ersten Lesen meint :-). Sondern: Der BGH hat am vergangenen Mittwoch (16.10.2013) im BGH, Beschl. v. 16.10.2013 – XII ZB 277/12 – über die Frage entschieden, ob derjenige, der zwischen Trennung und Zustellung des Scheidungsantrags im Lotto gewinnt, seinem Ex-Ehepartner die Hälfte abgegeben muss. Ausgangspunkt war ein Millionen-Lotto-Gewinns.der BGH hat die Frage bejaht. Über die Entscheidung ist ja schon an vielen Stellen im Internet berichtet worden (hier die PM 172/13 des BGH). Das will ich nicht alles aufgreifen, sondern hier nur auf den LTO-Beitrag „Sechs Richtige mit der Ex“ verweisen, in dem sich Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz Gedanken um Ungerechtigkeiten beim Zugewinnausgleich macht. Also: Zugewinn: Quo vadis?
Archiv für den Monat: Oktober 2013
„Großer Senat“ beim LG – kein Ablehnungsgrund…
Bei der 10. Zivilkammer der LG Karlsruhe waren mehrere Zivilverfahern mit demselben Streigegenstand anhängig. In diesen Parallelverfahren haben sich die fünf der 10. Zivilkammer angehörenden Richter abgesprochen und sich für alle Parallelverfahren auf eine einheitliche Linie geeinigt hätten, wie man mit identischem Sachvortrag in den Verfahren umgeht. Man hat sich dann auf „eine Linie geeinigt“, was für die Kläger im Hinblick auf den Lauf der Verjährungsfristen nachteilig war. In einem der Verfahren wird dann der „mitbeschließende“ (Einzel)Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.Das LG hat das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde landet das Verfahren beim OLG Karlsruhe, das zu der Problematik im OLG Karlsruhe, Beschl. v. 09.09.2013 – 17 W 16/13 – Stellung nimmt. Das OLG sieht keinen Grund für eine Besorgnis der Befangenheit:
„Die vom Kläger vorgebrachten Ablehnungsgründe vermögen bei der gebotenen objektiven Betrachtung eine Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Richters nicht zu begründen. Dieser hat sich, anders als der Kläger meint, nicht in willkürlicher Weise zur Vermeidung einer Beweisaufnahme auf einen nach Auffassung des Klägers unhaltbaren Rechtsstandpunkt zum Inhalt des BaFin-Berichts gestellt und sich auch nicht durch willkürliche Entscheidungen zu Lasten anderer Kläger in vergleichbaren Parallelverfahren über deren Vorbringen und Beweisanforderungen hinweggesetzt mit der Folge, dass der Kläger annehmen könnte, er werde im vorliegenden Verfahren in gleicher Weise willkürlich behandelt und mit seiner Klage ohne weitere Prüfung wegen Verjährungseintritts abgewiesen. Die vom Kläger mit seinem Befangenheitsgesuch gegen den als Einzelrichter zur Entscheidung berufenen Richter erhobenen Vorwürfe greifen nach der gebotenen Gesamtabwägung aller Umstände im Ergebnis nicht durch.
Mit dem Landgericht geht auch der Senat davon aus, dass die Mitteilung der (vorläufigen) Rechtsauffassung in der mündlichen Verhandlung, auch wenn sie sich durch Entscheidungen und Äußerungen in Parallelverfahren bereits verfestigt hat, keinen Befangenheitsgrund gibt. Dies gilt auch dann noch, wenn die Zivilkammer, bei der eine Vielzahl von gleich gelagerten Verfahren anhängig ist, durch Besprechungen und Austausch von Argumenten im Vorfeld der Verfahrensbearbeitung durch die originär zuständigen Einzelrichter versucht, eine einheitliche Linie zu finden.
Wie der Senat bereits im Rahmen des gegen die Kammervorsitzende gerichteten Ablehnungsgesuchs des Klägers ausgeführt hat, hätte eine Abstimmung der Rechtsauffassungen innerhalb der Zivilkammer auch durch Vorlage ausgewählter Pilotverfahren an die Kammer zur Entscheidung gemäß § 348 Abs. 3 ZPO erfolgen können, was zweckmäßiger erschienen wäre. Die Kammer hätte dann die sich stellenden Verfahrensfragen in bestimmter Weise behandeln und ihre Rechtsauffassung nach Beratung im Urteil nach außen dokumentieren und gegebenenfalls eine ständige Rechtsprechung der Zivilkammer begründen können. Angesichts des dadurch entstehenden höheren Aufwands und unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts, dass die 10. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe schon Erfahrung mit Fällen aus dem „B.-Komplex“ hatte, lässt sich daraus ein Befangenheitsgrund jedoch nicht herleiten. Dass Richter einer Zivilkammer für Parallelverfahren ihre Rechtsauffassungen austauschen und versuchen, für die gleich gelagerten Rechtsstreitigkeiten, zumal wenn größtenteils identischer Vortrag von den Parteien gehalten ist, eine einheitliche Linie zu finden, das heißt die Kraft der wechselseitigen Argumente abwägen und sich jeweils ihre eigene Rechtsauffassung bilden, wobei der einzelne Richter für sich abwägen wird, ob er eine sich herauskristallisierende Auffassung der Mehrheit der Kammermitglieder im Sinne der Einheitlichkeit der Kammerrechtsprechung mittragen kann und sich zu eigen macht oder – was immer vorbehalten ist – künftige Fälle gegebenenfalls auch in Abweichung von der Mehrheitsmeinung der Kammer entscheiden wird, gibt einem Verfahrensbeteiligten keinen Grund, von Voreingenommenheit des Richters auszugehen. Denn es versteht sich von selbst (auch ohne, dass dies ausdrücklich ausgesprochen wird), dass sich der originäre Einzelrichter durch seine Teilnahme an einer solchen Besprechung für die ihm zugewiesenen Verfahren in keiner Weise rechtlich bindet, auch nicht binden kann. Seine sachliche Unabhängigkeit ist daher durch eine solche Handhabung oder Verfahrensweise nicht beeinträchtigt….“
Klassiker/einfache Revision: Abwesenheit des Angeklagten aus der Hauptverhandlung
Einen Klassiker hat der OLG München, Beschl. v. 07.10.2013 – 4 StRR(B) 37/13– zum Gegenstand: Nämlich die zu lange Entfernung des Angeklagten aus der Vernehmung/Hauptverhandlung nach § 247 StPO. Das ist inzwischen so klassisch, dass der Leitsatz der Entscheidung des OLG reicht. Viel mehr steht im Beschluss nämlich auch nicht.
Hier der Leitsatz:
Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO liegt vor, wenn der Angeklagte, der während der Vernehmung des Zeugen gemäß § 247 StPO aus dem Sitzungszimmer entfernt war, an der Verhandlung über die Entlassung des Zeugen aufgrund seiner fortdauernden Abwesenheit nicht mitwirken kann.
Im Beschluss heißt es dazu nur:
- „c. Die Verhandlung über die Entlassung eines in Abwesenheit des Angeklagten vernommenen Zeugen ist nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich ein eigenständiger wesentlicher Teil der Hauptverhandlung (vgl. BGH, Beschluss v. 10.4.2013, 1 StR 11/13, zitiert nach beck-online Rdn 3.; BGH NJW 1986, 267; BGH NJW 2010, 2450, 2451). Der Einwand, bei der Verhandlung über die Entlassung eines Zeugen handele es sich um einen Vorgang von eher organisatorischem bzw. rein formalem Charakter, der nicht unmittelbar der Urteilsfindung diene, steht ihrer Einordnung als wesentlicher Verfahrensteil nicht entgegen. Die Zeugenentlassung hat nicht unerhebliche Auswirkungen für den Angeklagten und die Wahrnehmung seiner Mitwirkungsrechte in der Hauptverhandlung. Denn mit der Entlassung endet das Fragerecht der Verfahrensbeteiligten nach § 240 Abs. 2 Satz 1 StPO.“
Man fragt sich nur:Was hält die Tatgerichte davon ab, diese Rechtsprechung umzusetzen?
Wenn einer eine Reise tut, oder: Freiheitsberaubung durch Zugverspätung?
Am vergangenen Freitag (11.10.2013) war ich zu einer Autorenbesprechung und zum Besuch der Buchmesse in FFM. Natürlich mit der Bahn, denn die Fahrt mit dem Auto an einem Freitag nach FFM und zurück? Das wollte ich mir ersparen. Also DB.
Nun, in Münster ging es noch ganz entspannt um 7.27 Uhr los. Umsteigen in Essen HBF in den ICE, der auch pünktlich in FFM HBF angekommen ist. Allerdings DB-Pünktlichkeitsbegriff. Und danach ist ja alles noch pünktlich, was nicht mehr als 5 Minuten verspätet ist.
Aber nachmittags dann die Rückfahrt: Freitag und Buchmesse, das kann die DB nicht. Schon das Warten auf den ICE war „unterhaltsam“. Es fuhr nämlich vom gleichen Bahnsteig zuvor ein ICE nach München, den die Bahn erst mal teilentleeren musste, weil er überfüllt war. Wer ausstieg, dem winkte ein Reisegutschein in Höhe von 25 €. Ein paar Reisende haben das Angebot angenommen – wahrscheinlich die, die stehen mussten – und der ICE machte den Bahnsteig frei.
Er hätte aber ruhig noch ein wenig stehen bleiben können, denn mein Zug hatte (natürlich) Verspätung. Allerdings noch passte alles für den Anschluss in Köln nach Meerbusch zu einem privaten Termin. Aber da ist die Bahn dann ja sportlich. Wenn schon Verspätung, dann aber richtig. Also: Lassen wir den so oder so schon verspäteten ICE in Limburg stehen, damit er von einem anderen (pünktlichen [?], gibt es das?) ICE überholt werden kann L. Noch egal, da noch alles passt, weil der Anschluss in Köln inzwischen auch Verspätung hat.
Aber das wäre doch gelacht. Das schaffen wir = die DB schon, dass der Zug in Köln dann auch weg ist. Und wirklich: Es klappt. Wir lassen den ICE einfach nochmal 10 Minuten vor dem HBF Köln warten. Dann passt es.
Ergebnis: Anschluss weg, potentieller Anschluss in Düsseldorf auch weg. Da fährt man dann lieber gleich durch nach Münster. Also umsteigen in Köln, in einen natürlich verspäteten IC, der aus 10 Minuten Verspätung bis Münster locker 30 Minuten macht. Willkommen bei der Deutschen Bahn im 21. Jahrhundert.
Warum erzähle ich das alles? Hintergrund sind meine Gedanken während der Fahrt, ob nicht Zugsverspätungen strafrechtlich relevante Freiheitsberaubung (§ 239 StGB) sein können? Ich hatte da – leider – so meine Zweifel.
Und die wurden dann kurz drauf bei der Auswertung des NZV-Heftes 9/13 bestätigt. Da bin ich auf einen Aufsatz von Prof. Dr. Wolfgang Mitsch gestoßen, der sich mit der Problematik befasst. Er ist zwar der Auffassung, dass § 239 StGB verwirklicht ist, wenn der Reisende durch das Türenschließen bei der Abfahrt und die anschließende Zugfahrt am Verlassen des Zuges gehindert wird. Im Normalfall werde die Strafbarkeit durch das tatbestandsausschließende Einverständnis des Reisenden ABER ausgeschlossen. Wolle der Reisende aufgrund einer Verspätung des Zuges oder anderen Störungen jedoch daran gehindert, sofort den Zug verlassen, sei das Einverständnis nicht mehr gegeben und der Tatbestand eigentlich gegeben.
Mitsch lehnt aber eine Strafbarkeit trotzdem ab. Die Beschränkungen der Fortbewegungsfreiheit habe der Fahrgast nämlich durch die Annahme des Angebotes auf Abschluss des Beförderungsvertrages und der Beförderungsbedingungen akzeptiert. Ein Recht zur Kündigung des zivilrechtlichen Vertrages stehe ihm aufgrund der Beförderungsbedingungen nicht zu, da diese die Wahlmöglichkeiten im Falle einer Verspätung ausdrücklich festlegen. Zu berücksichtigen sei dabei auch, dass die anderen Mitreisenden durch eine Kündigung des Vertrages, der in Form des Wunsches nach einem sofortigen Ausstieg zum Ausdruck kommen kann, betroffen wären. Schade J.
Und: Versucht der Reisende durch Betätigen der Notbremse den Halt des Zuges zu erzwingen, macht er sich gem. § 145 Abs. 1 Nr. 1 StGB des Notzeichenmissbrauchs strafbar.
Also: Still weiter leiden.
Auch einen schlechten Pflichtverteidiger muss man bezahlen….
Der OLG Dresden, Beschl. v. 19.09.2013 – 2 Ws 445/12 lässt sich zusammenfassen in der Überschrift: Auch einen schlechten Pflichtverteidiger muss man = der Angeklagte bezahlen, denn auch die an ihn ausgezahlten Gebühren sind Kosten des Verfahrens. Mit dem Hinweis auf ungenügende Einsatzbereitschaft eines Pflichtverteidigers wird der Angeklagte im kostenrechtlichen Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren nicht gehört. Denn:
„Soweit die Verurteilte sinngemäß vorträgt, Rechtsanwalt B. habe aufgrund seiner ungenügenden Einsatzbereitschaft für die Verteidigung seinen Gebührenanspruch verwirkt, ist dieses Vorbringen im Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren gegen den Kostenansatz nicht zu berücksichtigen. Dieses Rechtsbehelfsverfahren ist allein wegen einer Verletzung des Kostenrechts statthaft. Die Verurteilte rügt mit ihrem Vortrag zur ungenügenden Einsatzbereitschaft des Pflichtverteidigers aber nicht die kostenmäßige Richtigkeit der in Ansatz gebrachten Beträge, sondern wendet sich gegen die Anspruchsberechtigung des Rechtsanwalts dem Grunde nach. Damit kann sie jedoch nicht gehört werden.
Im Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren darf auch nicht geprüft werden, ob die Anordnung, welche die Auslagen verursacht hat – hier die Aufrechterhaltung der Pflichtverteidigerbestellung von Rechtsanwalt B. durch die Zurückweisung des Entpflichtungsantrags durch den Kammervorsitzenden – rechtsfehlerfrei gewesen ist. Hierfür wäre ein eigenständiges Anfechtungsverfahren (Beschwerde gemäß § 304 StPO) eröffnet gewesen, welches die – durch Rechtsanwalt S. wahlverteidigte -Verurteilte allerdings nicht wahrnahm.
Ergänzend ist anzumerken, dass die Aufrechterhaltung der Beiordnung eines Pflichtverteidigers zusätzlich zu der bereits bestehenden Wahlverteidigung eines Verurteilten ihren Grund darin hatte, die Hauptverhandlung gegen einen möglichen Ausfall des Wahlverteidigers abzusichern. Auch wenn eine solche Verfahrensweise in der Strafprozessordnung nicht vorgesehen ist, so ist sie doch zulässig und sogar geboten, wenn anders der zügige Fortgang des Verfahrens und vor allem der Hauptverhandlung nicht gesichert werden kann. Nur so kann auch dem Beschleunigungsgebot im Strafverfahren, das nicht zuletzt die Interessen eines Angeklagten im Auge hat, Genüge getan werden (vgl. BVerfGE 39, 238 (246 f.); 63, 45 (68 f.); BVerfG NStZ 1984, 561; BGHSt 15, 306, 309; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 141 Rdnr. 2; § 143 Rdnr. 2). Erfolgt die Bestellung eines Pflichtverteidigers (oder die Aufrechterhaltung seiner Bestellung) gegen den Willen eines Angeklagten, kann sie zwar zum Wegfall der Einheitlichkeit der Verteidigung führen; dies muss aber im Interesse einer wirkungsvollen staatlichen Strafrechtspflege in Kauf genommen werden. Kommt es zur Verurteilung, so greift auch hier das Verursachungsprinzip der Kostenbelastung nach § 465 Abs. 1 StPO. Eine Entlastung der Angeklagten von den Kosten einer durch prozessuale Vorsorge veranlassten zusätzlichen Pflichtverteidigung sieht das Gesetz auch dann nicht vor, wenn sie sich ausdrücklich gegen eine solche Maßnahme stellt (vgl. BVerfG NStZ 1984, 561, 562).