Archiv für den Monat: September 2013

Achtung: Eine „vollumfänglich“ eingelegte Revision reicht nicht

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Schon vor meinem Urlaub war auf der Homepage des BGH der BGH, Beschl. v. 01.08.2013 – 2 StR 242/13 eingestellt. Für einen Blogbeitrag zu der Entscheidung hat aber leider die Zeit nicht mehr gereicht. Daher erst jetzt.

Der BGH hat mit seinem Beschluss eine Revision des Angeklagten verworfen. Und zwar:

„Die Revision ist unzulässig. Der Beschwerdeführer hat die rechtzeitig eingelegte Revision gegen das ihm am 26. Februar 2013 zugestellte Urteil innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nicht den Anforderungen des § 344 StPO entsprechend begründet. Die Rechtsmittelschrift vom 20. Dezember 2012 enthält lediglich die Erklärung, die Revision werde „vollumfänglich“ eingelegt. Ihr ist weder eine im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO zulässige Verfahrensrüge noch eine Sachrüge zu entnehmen, für welche das Revisionsvorbringen eindeutig ergeben muss, dass die Nachprüfung in sachlich-rechtlicher Hinsicht begehrt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2009 – 2 StR 496/09; Beschluss vom 27. Juli 2005 – 5 StR 201/05; Beschluss vom 20. August 1997 – 2 StR 386/97, NStZ-RR 1998, 18). Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht gestellt.

Na ja, hätte man m.E. im Hinblick auf die Sachrüge auch anders entscheiden können. Dass es für die Verfahrensrüge nicht reicht, bedarf keiner Diskussion. Aber für die Sachrüge dann vielleicht doch. Denn was soll „vollumfänglich“ sonst sein?

Und: „ Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht gestellt.“ Damit hätte man vielleicht noch was retten können als Verteidiger, dürfte dann nach dem BGH-Beschluss aber zu spät sein.

Standardsituation: Ein Bewährungswiderruf ist keine Strafe für einen Weisungsverstoß

Machen wir heute mal einen „Bewährungstag“ :-). Nach dem  OLG Hamm, Beschl. v. 30.07.2013 –  5 RVs 59/13– und dazu ausDu bestreitest? Dann gibt es keine Bewährung!!, dann hier noch der OLG Oldenburg, Beschl. v. 06.08.2013 – 1 Ws 438/13, der auch eine „Standardsituation“ beschreibt. Nämlich den Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung, wenn sich der Verurteilte der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers (beharrlich) entzogen hat. Das allein – so das OLG – rechtfertigt nicht den Widerruf von Strafaussetzung zur Bewährung. Das OLG steht im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung, wenn es ausführt:

„Ein Verstoß gegen § 56f Abs. 1 Nr. 2 StGB, auf den die Strafvollstreckungskammer den Bewährungswiderruf vorrangig gestützt hat, liegt nicht vor.

Nach dieser Vorschrift kann die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen wer-den, wenn sich der Verurteilte der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlass zu der Besorgnis gibt, dass er erneut Straftaten begehen wird. Da es nicht um die Ahndung einer Unbotmäßigkeit gegenüber dem Bewährungshelfer geht, kann der beharrliche oder gröbliche Verstoß des Verurteilten gegen ihm erteilte Weisungen oder das beharrliche Sich- Entziehen der Aufsicht und Leitung des Bewährungshelfers allein den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nicht rechtfertigen. Der Bewährungswiderruf ist keine Strafe für den Weisungsverstoß. Maßgeblich ist vielmehr, ob unter Berücksichtigung der gesamten Umstände der Verstoß zu der kriminellen Neigung oder Auffälligkeit des Verurteilten so in einer kausalen Beziehung steht, dass die Gefahr weiterer Straftaten besteht (BVerfG NStZ-RR 2007, 338 m.w.N.).

Eine derartige Kausalität vermag der Senat vorliegend nicht zu erkennen. Mangels weiterer Anhaltspunkte wäre eine solche nur dann anzunehmen, wenn die gegen den Verurteilten laufenden Straf- und Ermittlungsverfahren Straftaten zum Gegenstand hätten, die der Verurteilte zeitlich nach dem Weisungsverstoß begangen haben soll.

Dieses ist indessen nicht der Fall….“

Shop open, oder: Vorher/nachher, oder: Bin wieder da

Nach 18 ereignisreichen Tagen und rund 8.000 km, die auf See zurückgelegt worden sind, bin ich dann wieder da und kann am Geschehen wieder teilnehmen. Ich habe schon gesehen, dass es das ein oder andere zum Aufarbeiten gibt.

Aber das muss noch etwas warten, denn zunächst muss ich mal den Jetlag abbauen und die Poststapel abarbeiten. Da hat sich dann doch ganz schön was angesammelt, zum Glück nicht nur Rechnungen . Bei der Abreise sah es noch besser aus, oder?

Ich nehme dann dieses erste „Nachurlaubsposting“ zum Anlass, mich bei der Assistentin, die keine sein, sondern im Verborgenen arbeiten will :-), für die Betreuung des Blogs während meiner Urlaubsabwesenheit zu bedanken. Es wäre dann doch schwierige gewesen, die vielen (schönen) Bilder aus Übersee zu posten. Also: Danke Frau Lipien 🙂

Du bestreitest? Dann gibt es keine Bewährung!!

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Zu dem Satz: „Du bestreitest? Dann gibt es keine Bewährung“ lässt sich die Argumentation einer Strafkammer des LG Essen zusammenfassen, mit der einem Angeklagten Bewährung verweigert worden ist. Geht nicht, sagt zu Recht der OLG Hamm, Beschl. v. 30.07.2013 –  5 RVs 59/13 – und führt dazu aus:

„Indessen hat die Revision zumindest vorläufig Erfolg, soweit die Frage der Aussetzung der Strafe zur Bewährung in Rede steht.

Die Erwägungen des Landgerichts zur Ablehnung der Aussetzung der Strafe zur Bewährung weisen schwerwiegende Rechtsfehler auf, so dass der Rechtsfolgenausspruch insoweit keinen Bestand haben kann.

Zwar ist auch die Entscheidung über eine Bewährung allein Sache des Tat­richters und unterliegt nur einer eingeschränkten Nachprüfung durch das Revisionsgericht, so dass die Prognoseentscheidung des Tatrichters, bei der ihm ein weiter Beurteilungsspielraum zusteht, vom Revisionsgericht grund­sätzlich bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen (BGH, NStZ-RR 2005, 38) und nur darauf hin zu prüfen ist, ob sie rechtsfehlerhaft ist, d. h., ob der Tatrichter Rechtsbegriffe verkannt oder seinen Beurteilungsspielraum fehler­haft angewandt hat (Fischer, StGB, 60. Auflage, § 56 RN 25 m. w. N.; OLG Hamm, Beschluss vom 20.11.2007 – 1 Ss 241/07 -; Beschluss vom 16.09.2009 – 2 Ss 247/09 -; beide zitiert nach Burhoff-Online). Das Land­gericht hat aber bei der Ent­scheidung über die Frage, ob zu erwarten ist, dass sich der Angeklagte schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen wird, unzulässigerweise berücksichtigt, dass der Angeklagte auch nach den ihn belastenden und die Angaben des Geschädigten bestätigenden Aussagen der Zeugen x und z  nicht bereit war, ein Geständnis abzulegen, obwohl ihm für diesen Fall die Strafaussetzung zur Bewährung in Aussicht gestellt worden war. Zwar hat das Landgericht seine Entscheidung nicht alleine darauf und auf den daraus gezogenen Schluss, der Angeklagte sei nicht in der Lage, sein Fehlverhalten einzuräumen, gestützt, sondern weitere Umstände in seine Abwägung einbezogen. Es ist aber nicht auszu­schließen, dass die Entscheidung über die Frage der Bewährung anders aus­gefallen wäre, wenn das Abstreiten der Tat durch den Angeklagten nicht be­rücksichtigt worden wäre, zumal einige Umstände wie die seit Anfang 2012 durch den Angeklagten be­suchte ambulante Drogentherapie für eine positive Sozialprognose sprechen.“

Diesen ausführlichen, in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen der General­staatsanwaltschaft schließt sich der Senat an.

Der Senat weist darauf hin, dass bei der Beurteilung der Frage, ob die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe ggf. zur Bewährung ausgesetzt wird, das Prozess- bzw. Vertei­digungsverhalten eines Angeklagten nur im Ausnahmefall geeignet ist, die sonst nicht ausgeschlossene günstige Sozialprognose zu verneinen. Dieses gilt auch für die tatrichterliche Erwägung, aus dem hartnäckigen Bestreiten eines Angeklagten folge, dass es ihm an Unrechtseinsicht fehle, was die Prognose negativ beeinflussen müsse. Dies stellt deshalb einen Rechtsfehler dar, weil das Verteidigungsrecht eines Angeklagten ausgehöhlt wird, wenn er befürchten muss, das Bestreiten der Tat werde sich in einem eventuellen Strafausspruch negativ auswirken (vgl. Dahs, Die Revision im Strafprozess, 8. Aufl., Rdnr. 480).“

 

 

Keine Anhörung – dann geht es zurück

§ 36 Abs. 5 Satz 2 BtMG sieht  die Anhörung des Verurteilten und der Therapieeinrichtung vor, wenn es darum geht, Vollstreckung der Reststrafe gemäß § 36 Abs. 2 BtMG zur Bewährung auszusetzen. Ein klare Regel, die Folgen hat, wenn sie nicht beachtet wird. Nämlich Aufhebung und Zurückverweisung. So der KG, Beschl. v. 07.06.2013 – 4 Ws 64/13 – mit dem Leitsatz: 

„Hat das Gericht des ersten Rechtszuges die Entscheidung über die (Nicht-) Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes gemäß § 36 Abs. 1 und 2 BtMG ohne die nach § 36 Abs. 5 Satz 2 BtMG erforderliche Anhörung sowohl des Verurteilten als auch der behandelnden Personen oder Einrichtungen getroffen, so ist dieser Aufklärungsmangel in der Regel von einem solchen Gewicht, dass auf die sofortige Beschwerde hin die Zurückverweisung an die Vorinstanz geboten ist.“