Archiv für den Monat: Juli 2013

„Berufsbedingt überheblich“?

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Ganz interessant ist ein Beitrag bei „Zeit-online“, auf den ich eben gestoßen worden bin. Unter der Überschrift „Berufsbedingt überheblich“ kritisiert dort Norbert Blüm die Richter als eine Klasse von Staatsbediensteten, die sich mit Erfolg gegen alle Kritik verwahre. Damit würden sie der Justiz schaden. Weiterlesen hier unter „Berufsbedingt überheblich.

Zum Inhalt: Das ein oder andere mag zu kritisieren sein, aber sind es „Die“ = „Alle“ Richter, die sich „mit Erfolg gegen alle Kritik verwahren„?

Die „Ticstörung“ und die Aussagetüchtigkeit

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Die Angeklagte ist vom LG Berlin wegen gefährlicher Körperverletzung und vorsätzlicher Körperverletzung zum Nachteil zweier 10 bzw. 8 Jahre alter Kinder (Nichte/Neffe) verurteilt worden. Eins der Kinder litt seit Jahren an sogenannten Tics, die sich im Grimassenziehen oder hektischen Kopfbewegungen äußerten. Dabei handelt es sich um Symptome eines „Tourette-Syndroms“. Der Verteidiger der Angeklagten hatte die Einholung eines Gluabwürdigkeitsgutachtens beantragt. Das war abgelehnt worden. Dagegen die Revision, die das KG im KG, Urt. v. 16.05.2013 – (4) 161 Ss 52/13 (66/13) – im Wesentlichen verworfen hat. Zu dem Antrag auf Einholung des SV-Gutachtens führt das KG aus:

„..Allein das Vorliegen einer Ticstörung („Tourette-Syndrom“, ICD-10 F 95) bei dem Zeugen M. K., die sich nach den Feststellungen auch lediglich in einfachen motorischen Tics äußerte, bietet nach den allgemein zugänglichen – und damit allgemeinkundigen – Erkenntnissen über diese Erkrankung gleichfalls keinen Anlass, an der Aussagetüchtigkeit und Glaubwürdigkeit des Zeugen grundsätzlich zu zweifeln. Die Erkrankung allein hat keine Beeinträchtigung der intellektuellen Leistungsfähigkeit der Betroffenen zur Folge (vgl. etwa „Gilles de la Tourette – Syndrom – Ein Leitfaden für Lehrer“, herausgegeben vom „Tourette-Gesellschaft Deutschland“ e.V., pdf-Ausgabe S. 10, abrufbar unter www.tourette.de/download/leitfaden_lehrer. pdf; Astrid Viciano, Der mit den Tics, in: DIE ZEIT vom 9. Februar 2006; s. auch BGH, Urteil vom 6. November 2007 – 1 StR 394/07 – [juris]). Die Revision teilt entsprechende Anhaltspunkte, die für eine Einschränkung der Wahrnehmungsfähigkeit oder des Erinnerungs- und Wiedergabevermögens des Zeugen von Belang sein könnten, auch nicht mit…“

Die Entscheidung ist nicht nur wegen dieser Frage interessant, sondern auch wegen der vom KG gestellten Anforderungen hinsichtlich der Verfahrensrüge, mit der der Verteidiger wohl Schwierigkeiten hatte. Darauf komme ich aber noch mal zurück.

Bußgeldverfahren: Herausgabe der Messwertreihe an den Sachverständigen

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Akteneinsicht in Bedienungsanleitung und/oder die Messung und die Messwertreihe ist ein Dauerthema der letzten Monate gewesen. Hier dann aus der großen Zahl der dazu immer noch ergehenden Entscheidungen ein Beschluss des AG Heidelberg, der eine etwas andere Konstellation behandelt, nämlich Herausgabe der Daten einer Messwertreihe an den Sachverständigen. Dazu der AG Heidelberg, Beschl. v. 14.06.2013 – 16 OWi 447/13:

„Demgegenüber hat sich das Regierungspräsidium Karlsruhe darauf beschränkt, die Daten des den Betroffenen betreffenden Messbildes in konvertierter Form zu übermitteln,. Nach mittlerweile weit überwiegender Rechtsprechung ist dem Betroffenen bzw. dessen Verteidiger Einsicht in die komplette Messreihe zu gewähren. Diese Einsicht erfolgt in der Regel durch Einsichtnahme in den Räumen der Behörde. Die Einsichtnahme in die komplette Messreihe ist auch notwendig, um etwaige Messfehler des verwendeten Gerätes erkennen zu können. Insoweit wird die Einsichtnahme durch die Bußgeldbehörde auch nicht verweigert.

Soweit der beauftragte Sachverständige aber mehr als 100 km anreisen müßte, um dieses Einsichtsrecht auszuüben, stellt der Verweise auf die Einsichtsmöglichkeit vor Ort eine unangemessene Beeinträchtigung des Betroffenen dar, da hierdurch die Kosten eines Sachverständigengutachtens alleine durch die Anfahrtskosten kaum mehr bezahlbar sind. Demgegenüber dürfte die geforderte Überspielung der Messwertreihe mit einem überschaubaren Zeit und Personalaufwand zu erledigen sein. Auch das Amtsgericht Heidelberg folgt daher der mittlerweile weit verbreiteten Rechtsauffassung, das in derartigen Fällen das Akteneinsichtsrecht durch Übermittlung der Messwerte an den beauftragten Verteidiger bzw. dem von diesem beauftragten Sachverständigen zu erfolgen hat.“

Strafzumessung II: Die Verurteilung des Rechtsanwalts – welche Folgen hat sie?

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Eröffnen wir die neue Woche mit einem „Strafzumessungsposting“ – in Anknüpfung an: Strafzumessung I: Fehler ja, aber Ausgang wie beim “Horneberger Schießen”. Das LG Bonn hat den Angeklagten, einen Rechtsanwalt, wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der BGH hebt im BGH, Beschl. v. 11.04.2013 – 2 StR 506/12 – auf, weil das LG nicht beachtet hat bzw. der BGH nicht ausschließen kann, dass diese Verurteilung nach § 114 BRAO für den Angeklagten fatale Folgen haben kann. Danach können nämlich berufsrechtliche Maßnahmen bis hin zum Ausschluss aus der Anwaltschaft folgen . Der BGH führt aus:

„Die Zumessungserwägungen des Landgerichts lassen nicht erkennen, ob es bei der Strafbemessung die (möglicherweise) drohenden anwaltsgerichtlichen Sanktionen gemäß § 114 Abs. 1 BRAO in den Blick genommen hat. Die beruflichen Nebenwirkungen einer strafrechtlichen Verurteilung auf das Leben des Täters sind jedenfalls dann (als bestimmender Strafzumessungsgrund) ausdrücklich anzuführen, wenn dieser durch sie seine berufliche oder wirtschaftliche Basis verliert (vgl. nur BGH, Beschluss vom 2. Februar 2010 – 4 StR 514/09, StV 2010, 479 f.; Beschluss vom 26. März 1996 – 1 StR 89/96, NStZ 1996, 539, jeweils mwN). Dass dies hier der Fall sein könnte, lässt sich unter Berücksichtigung der zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten bis-her getroffenen Feststellungen jedenfalls nicht ausschließen.

Der Angeklagte war bis zu seiner Verhaftung als freiberuflicher Rechtsanwalt im IT-Recht tätig. Nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft nahm er eine Angestelltentätigkeit bei seiner früheren Hauptmandantin auf. Was mit der Anwaltszulassung des Angeklagten zwischenzeitlich geschehen ist, ob sie ruht, der Angeklagte im Hinblick auf drohende Maßnahmen nach § 114 Abs. 1 BRAO auf sie verzichtet hat oder sie (notwendige) Grundlage der jetzt ausgeübten Tätigkeit ist, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Unter Berücksichtigung dessen ist es jedenfalls denkbar, dass der Angeklagte, der in Folge seiner strafgerichtlichen Verurteilung grundsätzlich mit anwaltsgerichtlichen Maßnahmen bis hin zu einem zeitlich befristeten Vertretungsverbot (§ 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO) oder sogar einer Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft (§ 114 Abs. 1 Nr. 5 BRAO) rechnen muss, dadurch seine berufliche oder wirtschaftliche Basis verloren hat bzw. verliert.“

Drogenplantage im Schrank

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In der letzten Zeit hat der „private Anbau“ von Cannabis/Marihuana die Rechtsprechung mit unterschiedlichen Fragestellungen beschäftigt (vgl. hier Die Marihuana-Outdoor-Plantage im Wald – wer hat Besitz? und Marihuana-Indoor-Plantage im Einfamilienhaus – ist der Gärtner Gehilfe?). Jetzt kommt ggf. eine neue Fragestellung hinzu. Nämlich die Drogenplantage im Schrank, worüber vor einigen Tagen in der Presse berichtet worden ist (vgl. u.a. hier bei Focus). Vielleicht hören wir dazu dann ja demnächst etwas aus Celle.

Was ist/war passiert? Die Polizei wird wegen eines häuslichen Gewaltdelikts in die Wohnung eines Mannes gerufen. Dort löst sich dann – wie und warum bleibt offen :-), die vordere Holzplatte eines Schrankes und gib damit den Blick frei auf ein ein selbst gebautes Terrarium zum Anbau von Cannabis sowie eine Zucht für berauschende Pilze. Die Pflanzen werdenbeschlagnahmt. Der 24-Jährige stellte sich einem freiwilligen Entzug. Und: Verfahren wegen Verstoßes gegen das BtM-Gesetz eingeleitet.

Könnte man auch einordnen in der Rubrik: Pech gehabt, oder: Schlage nie deinen Mitbewohner, denn du weißt nicht, was sich im Schrank verbirgt. 🙂