Archiv für den Monat: Juni 2013

Anhörungsrüge: Der Blick des BGH in die juristische Kristallkugel?

Der BGH hatte mit Beschluss vom 21.02.2013 die Revision eines Angeklagten verworfen, der u.a. wegen Betruges verurteilt worden war. weitgehend verworfen. Mit seiner Verfahrensrüge hatte der Angeklagte die Verletzung von § 257c Abs. 4 Satz 4 StPO sowie des Rechts auf ein faires Verfahren geltend gemacht. Die Ausfertigung der Revisionsentscheidung wurde am 10.04.2013 abgesandt. Mit einem am 22.04.2013 beim BGH eingegangenen Schriftsatz hat der Verurteilte die Anhörungsrüge gemäß § 356a StPO erhoben und geltend gemacht, der BGH habe bei seiner Entscheidung vom 21.02.2013 das rechtliche Gehör dadurch verletzt, dass er in Kenntnis der unmittelbar bevorstehenden Entscheidung des BVerfG zu § 257c StPO nicht dessen Entscheidung abgewartet habe. Außerdem hat er einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt und eine Gegenvorstellung erhoben, weil der BGH nicht die Entscheidung des BVerfG zu § 257c StPO abgewartet habe, mit dem Beschluss vom 21.02.2013 habe er den „Rechtsgedanken des Art. 101 Abs. 1 Satz 1 GG“ verletzt.

Der BGH, Beschl. v. 16.05.2013 – 1 StR 633/12 – weist alles Anträge zurück.

a) Die Anhörungsrüge wurde nicht innerhalb der Wochenfrist des § 356a Satz 2 StPO erhoben. Es fehlt an der erforderlichen Mitteilung des Zeitpunkts der Kenntniserlangung durch den Verurteilten von der Verletzung des rechtlichen Gehörs, die innerhalb der Wochenfrist zu erfolgen hat….

b) Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat keinen Erfolg. Es fehlt schon an dem Vortrag eines Sachverhalts, der ein Verschulden des Verurteilten an der Fristversäumnis ausschließt…. .

…Es ist allerdings schon fraglich, ob überhaupt ein ausschließlich von der Kanzleikraft zu vertretender Fehler vorläge, wenn Verteidiger einen Schriftsatz unterschreiben und absenden lassen, ohne zu überprüfen, ob dieser Schriftsatz – zumal in einem für die Zulässigkeit des darin gestellten Antrags maßgeblichen Punkt – ihrem Diktat entspricht (vgl. demgegenüber die Beispiele bei Hömig aaO für Arbeitsvorgänge, bei denen ein Fehler der Kanzleikraft nicht dem Rechtsanwalt zuzurechnen ist).

Letztlich muss der Senat dem aber nicht nachgehen. Selbst wenn man nämlich insoweit von einem ausschließlich der Kanzleikraft anzulastenden Fehler ausginge, könnte alternativer Tatsachenvortrag, wonach den Verteidigern und damit dem Verurteilten ein Verschulden an der Fristversäumung entweder zuzurechnen ist oder nicht, nicht Grundlage eines erfolgreichen Wiedereinsetzungsantrags sein.

c) Unabhängig davon bliebe die Anhörungsrüge aber auch erfolglos, wenn sie zulässig erhoben wäre.

Der Senat hat bei seiner Entscheidung weder Verfahrensstoff verwertet, zu dem der Verurteilte nicht gehört worden wäre, noch hat er bei der Entscheidung zu berücksichtigendes Vorbringen des Verurteilten übergangen. Dies wird auch nicht geltend gemacht. Der Vortrag, der Senat habe Vorbringen nicht berücksichtigt, das angebracht worden wäre, wenn eine zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Revision noch nicht ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts schon getroffen gewesen wäre, vermag die Möglichkeit einer Gehörsverletzung nicht zu verdeutlichen. ….

2. Die Gegenvorstellung bleibt ebenfalls ohne Erfolg.

„…. Es ist nämlich auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Gegenvorstellung nicht ersichtlich, warum der Senat nicht, wie geschehen, am 21. Februar 2013 über die Revision des Angeklagten hätte entscheiden dürfen.“

M.E. hat der BGH in allen Punkten Recht. War zwar von den Verteidigern „kreativ gedacht“, aber: Selbst wenn die Anhörungsrüge zulässig erhoben worden wäre :-(, konnte sie m.E. keinen Erfolg haben. Denn man wird dem BGH/Revisionsgericht kaum vorwerfen können, dass es nicht über quasi hellseherische Fähigkeiten verfügt und eine Entscheidung des BVerfG berücksichtigt, die noch gar nicht in der Welt, zu dem Zeitpunkt 21.02.2013 ja vielleicht noch gar nicht beraten war. Das wäre „rechtliches Gehör in the Future“ .-) oder der Blick des Revisionsgerichts in die juristische Kristallkugel. Der BGH ist zwar manchmal Hellseher, aber an der Stelle muss er es nicht sein.

Interessant der Hinweis des BGH zum Verschulden: Daraus kann man nur den Schluss ziehen. Der Verteidiger muss lesen, was er diktiert hat. M.E., auch eine Selbstverständlichkeit.

Sonntagswitz: Heute über Geld und was damit zusammenhängt

© photocrew – Fotolia.com

Die kommende Woche ist in Berlin für das 2. KostRMoG die Woche der Entscheidung. Denn am 27.06.2013 tagt der Vermittlungsausschuss, in den das Gesetz am 07.06.2013 geschickt worden ist (vgl. Die Bombe ist geplatzt: Das 2. KostRMoG geht in den Vermittlungsausschuss – Und nun Frau Ministerin?). Man darf gespannt sein, was am kommenden Freitag passiert. Noch sind alle anderen Termine im Bundestag erreichbar, der bei einer Änderung des dort bereits beschlossenen Gesetzes ja noch einmal entscheiden muss.

Aus dem „Gebührenansatz/-grund“ heute Witze zum Geld und zu Gebühren…

Fünf Wochen nach der Beerdigung des Ehemanns trifft sich die Witwe mit ihrer Freundin.
Sie erzählt: „Mein Mann hat mir drei Umschläge hinterlassen. Im ersten waren 1.000 Euro.“
„Wofür denn?“, fragt die Freundin.“
Na ja“, sagt die Witwe, „auf dem Umschlag stand: „Für die Grabbepflanzung“.
„Im zweiten Umschlag waren dann sogar 2.000 Euro.“
„Und wofür waren diese?“ will die Freundin wissen.
„Nun“, antwortet die Witwe, „auf diesem Umschlag stand: ‚Für einen schönen Sarg.'“
„Da hat dein Mann ja gut vorgesorgt, und was war in dem dritten Umschlag?“
„Oh, da waren 10.000 Euro drin, und auf dem Umschlag stand: „Für einen besonders schönen Stein.“
Sie zeigt ihren Ringfinger vor und sagt: „Der ist doch besonders schön, oder?“

—————————————————————————-

Der Angestellte geht zum Chef: „Boss, mein Gehalt steht in keinem Verhältnis zu dem, was ich leiste.“
Der Chef: „Ich weiß, aber wir können Sie doch nicht verhungern lassen …“

—————————————————————————-

Der Teufel erscheint einem älteren Rechtsanwalt. „Ich verspreche dir Erfolg, Millionen auf deinem Konto und die schönsten Frauen. Als Gegenleistung für diesen Gefallen müssen deine Schwiegermutter und deine Frau für immer in der Hölle bleiben.“
„Okay, ich weiß nur noch nicht, wieso das eine Gegenleistung ist?“

—————————————————————————

und dann noch den – alt, aber immer wieder schön – hier geklaut : Juristenwitze, Anwaltswitze, Richterwitze etc.

Kommt ein Kunde in eine Tierhandlung und möchte einen Papagei erwerben. Der Tierhändler hat 3 Vögel vorrätig. Der Kunde fragt den Händler, was der linke Vogel kosten soll.
Der Verkäufer antwortet: “ Das ist ein besonderes Tier, das kostet 500 Euro, es kann das gesamte BGB auswendig“.
Daraufhin fragt der Kunde, was der rechte Vogel kosten soll.
Hierauf antwortet der Händler: „1.000 Euro, denn dieser kann sogar den ganzen Palandt auswendig“.
Dem Kunden ist dies zu teuer und er erkundigt sich nach dem Preis des mittleren Vogels, der recht unansehnlich mit gerupftem Federkleid auf seiner Stange sitzt. Der Händler antwortet: „Oh, das ist der teuerste von allen, der kostet 2.000 Euro“.
Der Kunde ist beeindruckt und fragt voller Erwartung nach dessen Fähigkeiten.
Der Händler sagt hierzu lediglich: „Dieser Vogel kann und sagt nichts. Dafür reden die beiden anderen Vögel ihn aber mit Herr Vorsitzender an!“

Wochenspiegel für die 25. KW., das war vor allem Mollath, dann NSU, die „Helmpflicht“ für das Rad und die Abmahnung zum Pornofilm

© Aleksandar Jocic – Fotolia.com

Aus der vergangenen – auch ganz „normalen“ 25. KW., gibt es einiges zu berichten, natürlich vorab zu den beiden Dauerbrenner, wobei man beim Fall Mollath offenbar eine zweite Rubrik aufmachen muss, nämlich den „Fall Strate“. Wir berichten also über:

  1. den Fall Mollath, mit einem Ruf aus Karlsruhe im Wiederaufnahmeverfahren, der Stunde der Gutachter, der getürkten Entlassung von Herrn Mollath, unserem Posting zum Entwurf des Wiederaufnahmeantrags oder der Frage, wer den StA zurückgepfiffen hat, über das, was aus Regensburg (nicht) kommt, und dann noch, was Herr Ude vielleicht besser nicht dazu gesagt hätte, und zur Abrundung dann noch hier ein Kommentar zu selbstgerechten Richtern,
  2. den „Fall Strate“ als Ableger aus dem Fall Mollath,
  3. das NSU-Verfahren, das inzwischen wohl fast unter selbst auferlegtem Aufschluss der Öffentlichkeit stattfindet, was man den Berichten des Kollegen Schmidt entnehmen kann, mit allerdings auch neuen Erkenntnissen über eine Nürnberger Telefon-Nummer, und eine Entschuldigung von Carsten S.,
  4. die Pflichtverteidigergebühren und die von Nebenklägerbeiständen in Umfangssverfahren, einmal hier zum Piratenprozess und einmal hier zum NSU-Verfahren,
  5. einen Beweisantrag im Poliscan-Speed-Verfahren,
  6. das Urteil des OLG Schleswig zur „Helmpflicht„, das die Blogs sehr beschäftigt hat, u.a. auch hier, oder hier, und hier,
  7. einen Anspruch wegen Beleidigung auf Facebook,
  8. den Entzug der Fahrerlaubnis nach einer Nötigung im Straßenverkehr,
  9. Gegenargumente bei der File-Sharing Abmahnung zum Pornofilm,
  10. und dann war da noch der Humor zum Wochenende.

„Pechfamilie“ – 25 Verkehrsunfälle in vier Jahren?

© Deyan Georgiev – Fotolia.com

Manche Familien sind aber auch vom Pech verfolgt, so dass man sie – in Anlehnung an das Märchen „Frau Holle“ der Brüder Grimm und die „Pechmarie“ – als „Pechfamilie“ bezeichnen kann. So eine Familie, aus der ein Mitglied vor einiger Zeit einen „Unfallschaden“ geltend gemacht hat, damit aber beim LG und OLG Düsseldorf Schiffbruch erlitten hat. Beide sind nämlich von einem fingierten Unfall ausgegangen. Und warum?

Neben den üblichen Kriterien – u.a. Auffälligkeiten bei der Historie des Unfallwagens, Bedenken gegen die Zufälligkeit des „Unfallgeschehens“ weist auch das OLG im OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.03.2013 – 1 U 99/12auf folgende Besonderheit hin:

„Selbst für den Senat, der aufgrund seiner Spezialzuständigkeit regelmäßig auch mit Fällen, die den Vorwurf von manipulierten Schadensereignissen zum Gegenstand haben, konfrontiert ist, besitzt die Zahl der Schadensfälle, in die der Kläger und sein familiäres Umfeld in den vergangenen Jahren verwickelt waren, Ausnahmecharakter. Der Kläger, sein Schwager XXX, seine Schwester XXX, geborene XXX, die Ehefrau des Zeugen XXX, sowie der Bruder des Klägers, XXX, waren in der Zeit von 2007 bis 2011 in mindestens 25 Schadensereignisse verwickelt. Diese zeichneten sich dadurch aus, dass eine der vorgenannten Personen das jeweils in das Schadensereignis verwickelte Fahrzeug entweder geführt hat, ihr Halter war oder eine Kombination aus diesen Beteiligungen vorlag. Darüber hinaus war häufig eine weitere Person aus dem Familienkreis als Beifahrer und damit als Zeuge an den Schadensereignissen beteiligt. Der Kläger selbst war in mindestens 10 Schadensereignissen verwickelt, in acht davon als Fahrer. Hierbei handelt es sich um die Schadensereignisse am 26.03.2007, 16.10.2007, 29.03.2008, 09.09.2008, 04.03.2009, 26.05.2009 (streitgegenständliches Schadensereignis), 08.07.2009 und 26.06.2011. Zur Vermeidung einer umfangreichen Aufzählung wird auch hinsichtlich dieser Schadensereignisse auf die Auflistung im Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 29.03.2012 zum Verfahren vor dem Landgericht…“

Bei einer solchen Unfallhäufung – kann ja schon mal passieren 🙂 – gerät man natürlich in Erklärungsnot, ggf. nicht nur im Zivilverfahren….

„Helmpflicht durch die Hintertür“? – das OLG Schleswig und der Fahrradhelm…

Der Blätterwald rauscht seit einigen Tagen und auch in den Blogs geht es hin und her. Berichtet wird über das OLG Schleswig, Urt. v. 05.06.2013 – 7 U 11/12 – zum Mitverschulden eines Fahrradfahrers, der keinen Fahrradhelm getragen hat. Ist m.E. schon ganz schön mutig, ein Mitverschulden anzunehmen, obwohl es eine Helmpflicht für Radfahrer nach wie vor nicht gibt. Ich wollte aber, da ich meine nur noch rudminetär vorhandenen zivilrechtlichen Kenntnisse nicht übermäßig strapazieren will, über das Thema an sich nicht weiter berichten, um mich nicht auf „vermintes Gelände zu begeben“.

Aber: Nun doch, und zwar einmal um auf den Volltext hinzuweisen (vgl. hier: OLG Schleswig. Urt. v. 05.06.2013 – 7 U 11/12) und um auf einen Kommentar bei LTO aufmerksam zu machen. Dort hat sich Prof. Dieter Müller kritisch zu dem Urteil geäußert, nachzulesen hier unter: „OLG Schleswig-Holstein zur Radfahrerhaftung – Helmpflicht durch die Hintertür„.

Die Fachzeitschriften werden sicherlich in den nächsten Monaten von weiteren klugen Stellungnahmen zu dem Urteil voll sein – so füllen wir das Sommerloch. Ich bin mal gespannt, ob und wie die Politik reagieren wird. Noch haben wir aus Berlin von P. Ramsauer nichts gehört. Aber der hat im Moment sicherlich auch mehr mit seiner Punkterefom zu tun, die er am kommenden Freitag (27.06.2013) durch den Vermittlungsausschuss des Bundesrates bringen muss. In der Vergangenheit hat die Politik der Helmpflicht eher ablehnend gegenüber gestanden (vgl. Helmpflicht für Radfahrer – kommt sie? Wohl eher nicht….).