Archiv für den Monat: März 2013

„…dann laufe ich Amok…“ – Störung des öffentlichen Friedens?

Ein 15-jähriger stellt bei Facebook die Formulierung ein: „…. dann laufe ich Amok…“. Daraus wird eine Anklage beim Jugendrichter wegen Verstoßes gegen § 126 StGB – Störung des öffentlichen Friedens wegen Androhung von Straftaten. Von dem Voruwrf ist der Angeklagte aber durch LG Aachen, Urt. v. 05.09.2012, 94 Ns 27/12 (liegt also schon etwas zurück) frei gesprochen worden. Der Jugendrichter beim AG Aachen hatte den Angeklagten noch wegen der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung einer Straftat schuldig gesprochen und ihm als Zuchtmittel 20 Stunden gemeinnützige Arbeit auferlegt. Das LG führt aus:

„Der Angeklagte hat den objektiven Tatbestand des § 126 StGB verwirklicht. Die Ankündigung eines auch nur unbestimmt beschriebenen „Amoklaufs“ ist geeignet, den öffentlichen Frieden im Sinne der vorgenannten Norm zu stören. Allerdings konnte dem Angeklagten ein entsprechender Tatvorsatz nicht nachgewiesen werden. Ein solcher hätte vorausgesetzt, dass der Angeklagte, als er die Formulierung „dann laufe ich Amok“ bei „Facebook“ einstellte, es beabsichtigt oder zumindest billigend in Kauf genommen hätte, dass dieser Eintrag einer nicht unerheblichen Personenzahl bekannt wird. Denn es liegt nur dann eine Störung des öffentlichen Friedens i. S. v. § 126 StGB vor, wenn eine allgemeine Beunruhigung der Bevölkerung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, mindestens aber innerhalb einer nicht unerheblichen Personenzahl, eintritt (vgl. zuletzt BGH NStZ-RR 2011, 109). Der Angeklagte hat sich aber unwiderlegt dahin eingelassen, dass er davon ausgegangen ist, der fragliche Facebook-Eintrag werde nur von maximal 40 Personen gelesen, nämlich denjenigen, welche unbeschränkten Zutritt zu seiner Facebook-Seite hätten. Des Weiteren sei er davon ausgegangen, dass sein Eintrag von diesen Personen in dem von ihm tatsächlich beabsichtigten Sinn, nämlich der Aufforderung, ihn mit weiteren Freundschaftsanfragen in Ruhe zu lassen, verstanden und keineswegs an dritte Personen weitergegeben werde. Damit fehlt es aber dem Angeklagten an dem notwendigen Tatvorsatz bezüglich des Tatbestandsmerkmals „Störung des öffentlichen Friedens“.

Also: Antwort ja aber, oder zusammengefasst:

  • Die Ankündigung eines auch nur unbestimmt beschriebenen Amoklaufs in „Facebook“ ist grundsätzlich geeignet, i. S. v. § 126 StGB den öffentlichen Frieden zu stören.
  • Eine Störung des öffentlichen Friedens i. S. v. § 126 StGB liegt nur vor, wenn eine allgemeine Beunruhigung der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland, mindestens aber innerhalb einer nicht unerheblichen Personenzahl, eintritt (Anschluss BGH NStZ-RR 2011, 109).
  • An dem entsprechenden Tatvorsatz fehlt es daher, wenn der Angeklagte davon ausgeht, nur maximal 40 Personen würden seinen Facebook-Eintrag lesen.

 

Gestern im Bundestag – auch das neue RVG?

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Gestern hat im Bundestag die Expertenanhörung zum 2. KostenrechtsmodernisierungsG stattgefunden. Zum Ergebnis heißt es bei „Heute im Bundestag„:

Experten diskutieren Änderungen im Rechtswesen

Rechtsausschuss (Anhörung) – 13.03.2013

Berlin: (hib/VER) Zwölf Experten haben am Mittwochnachmittag mit dem Rechtsausschuss mögliche Änderungen im Rechtswesen diskutiert. Anlass der Anhörung waren zwei Gesetzentwürfe der Bundesregierung (17/11471, 17/11472), drei des Bundesrates (17/1216, 17/2164, 17/5313) sowie ein Antrag der Grünen-Fraktion (17/12173).

Die Bundesregierung will unter anderem die Vergütung von Rechtsanwälten und Notaren sowie von Sachverständigen, Dolmetschern und Übersetzern bei Gericht erhöhen. Das begrüßte unter anderem André Lindemann vom Bundesverband der Dolmetscher und Übersetzer e.V. aus Berlin. Dagmar Beck-Bever, Rechtsanwältin und Notarin sowie Vorsitzende des Ausschusses Rechtsanwaltsvergütung der Bundesrechtsanwaltskammer, ebenfalls aus Berlin, plädierte in diesem Kontext für eine Anhebung der Kilometerpauschale für Anwälte.

Gegen den Gesetzentwurf des Bundesrates zur Begrenzung der Prozesskostenhilfe (17/1216) hegt die Bundesregierung verfassungsrechtliche Bedenken, wie aus einer Stellungnahme im Vorfeld hervorging. Dies betrifft vor allem die geplante Eigenbeteiligung der Bedürftigen an den Prozesskosten. Dem pflichtete Ruben Franzen, Richter am Amtsgericht sowie Mitglied des Bundesvorstandes der Neuen Richtervereinigung Berlin, bei. Er sagte, dass der Kreis der Bedürftigen, die gerade oberhalb der Armutsgrenze leben, benachteiligt werde, sollte die Initiative der Länderkammer in Kraft treten.

Peter Jochem, Richter im Landgericht Konstanz, erklärte die Problematik der Prozesskostenhilfe (PKH), die aus seiner Sicht unbedingt gelöst werden müsse. Wenn die PKH gewährt wird, muss ihr Empfänger den Prozess konsequent bis zum Ende führen. Selbst wenn beispielsweise neue Beweise oder Zeugen auftauchen, sich somit die Beweislage ändert und sich alle einig sind, dass der Prozess einzustellen ist, müsse er nach derzeitiger Rechtslage zu Ende geführt werden. „Wir Richter wären dankbar, wenn wir in solchen Fällen die Reißleine ziehen könnten“, sagte Jochem.

Liest sich so, als habe man über das RVG gar nicht gesprochen. Wäre doch gut….

Was ist ein Allelrechner? Nun der hat was mit DNA zu tun?

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Man lernt nie aus. Denn: Wer weiß/wusste, was ein Allelrechner ist? Ich räume ein, ich jedenfalls nicht, bis mich vor einigen Tagen ein Schreiben vom 04.03.2013 aus dem AnwaeltInnenBüro aus Bremen erreichte, in dem auf den „Allelrechner“ hingewiesen wurde. In dem Schreiben hieß es:

„Der DNA-Beweis in Strafverfahren ist zu einer immer bedeutenderen Beweismethode geworden. Der 1. Strafsenat hat ihn in der Entscheidung 1 StR 722//08 völlig zu Unrecht als alleiniges Verurteilungsindiz ausreichen lassen und sich der Tatsache verschlossen, dass der DNA-Beweis lediglich eine biostatische Wahrscheinlichkeitsaussage ist. Hieran hat zu Recht der 3.Strafsenat in der Entscheidung 3 StR 41/12 erinnert.

In der Praxis haben inzwischen sogenannte Mischspuren aufgrund der Verfeinerung der PCR-Vervielfältigungsmethode von Tatspuren ein grosse Bedeutung gewonnen. Die mathematische Bewertung von Mischspuren, d.h. die Beurteilung deren Beweiskraft ist seit der Veröffentlichung der Populationsstudie des BKA von 2010 mit der nunmehr 16 Merkmalssysteme verwendet werden, noch komplexer geworden. Ich darf Sie daher heute darauf aufmerksam machen, daß der Kollege Martin Stucke FAfStR nunmehr seinen Allelrechner zur Berechnung der Wahrscheinlichkeiten bei Mischspuren auf 16 Merkmalssysteme umgestellt hat. Auch ist das Allel 36,2 im System SE 33, welches kürzlich vom Institut für Forensische Genetik, Münster in Australien entdeckt wurde, eingearbeitet worden.

Der Allelrechner befindet sich auf unserer website unter: <http://www.anwaeltinnenbuero.de/allelenrechner/index.html> und steht zu Ihrer kostenlosen Benutzung frei zur Verfügung.“

Die Info gebe ich – mit Genehmigung  der KollegInnen – weiter. Vielleicht hilft der Rechner ja dem ein oder anderen weiter.

 

Auch du mein Sohn Brutus – auch OLG Hamm will nicht wissen, wie ESO ES 3.0 funktioniert

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Ich hatte ja schon über den OLG Zweibrücken, Beschl. v. 22.10.2012 – 1 SsBs 12/12 – (VRR 2013, 36 = StRR 2013, 37 = zfs 2013, 51) berichtet, in dem das OLG auch dann keine Bedenken gegen die Verwertbarkeit des Messergebnisses eines Geschwindigkeitsmessergebnisses hatte, wenn dessen Funktionsweise nicht genau bekannt ist. Begründung – etwas verknappt: Es handelt sich um ein standardisiertes Messverfahren. Auf derselben Linie liegt nun der OLG Hamm, Beschl. v. 29.01.2013 – III-1 RBs 2/13 – mit den (amtlichen) Leitsätzen

1. Die mangelnde Kenntnis der genauen Funktionsweise des Geschwindigkeitsmessgerätes ESO ES 3.0 begründet keine rechtliche Unverwertbarkeit des Messergebnisses.

2. Das Gericht ist nicht verpflichtet, aufgrund eines Beweisantrages weitere Ermittlungen zur Funktionsweise dieses Messgerätes anzustellen, wenn keine konkreten Zweifel an der Zuverlässigkeit der Messung bestehen. Es ist dem Betroffenen zumutbar, solche Zweifel konkret darzulegen.

Das OLG Hamm hat in dem Beschluss m-E. nicht viel eigene Gedanken entwickelt, sondern hat die Argumentation des OLG Zweibrücken – teilweise wörtlich – übernommen. Zu dem Beschluss gilt für mich dasselbe wie für die Entscheidung des OLG Zweibrücken: Die Eigenschaft als standardisiertes Messverfahren bedeutet doch nicht, dass der Betroffene diese Messung nicht überprüfen können muss. Und standardisiertes Messverfahren bedeutet i.Ü. auch nicht, dass nicht der Tatrichter von der Ordnungsgemäßheit der Messung überzeugt sein und er sich seine richterliche Überzeugung bilden muss.

Und: An der Stelle beißt sich dann ggf. die Katze in den berühmten Schwanz. Denn soll der Betroffene verpflichtet sein, konkrete Zweifel darzulegen, muss ich ihm dazu auch die Möglichkeit geben. Hier hat dann die Diskussion um die Akteneinsicht in die Bedienungsanleitung und/oder andere Unterlagen weitere verfahrensrechtliche Bedeutung. Denn diese dient u.a. auch dieser Möglichkeit und der Vorbereitung eines ordnungsgemäßen Beweisantrages, der ohne Kenntnis der Bedienungsanleitung und der ggf. besonderen Umstände der Messung i.d.R. nicht gestellt werden kann. Wie der Betroffene das allerdings können soll, wenn – so im Fall des OLG Zweibrücken – noch nicht einmal ein Sachverständiger mit der Funktionsweise des Messgerätes ESO ES 3.0 klar kommt, bleibt für mich das Geheimnis der OLG. Und bitte: Akteneinsicht pp. ist Vorbereitung des Beweisantrages mit der Folge, dass die Anforderungen an die Begründung des entsprechenden Antrages geringer sein müssen als an einen Beweisantrag. Sonst beißt sich die Katze nicht nur in den Schwanz, sondern ich befinde mich als Verteidiger in einem Teufelskreis.

Navigationshilfe beim Autofahren? Bußgeldbewehrt?

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Es ist ja schon in verschiedenen Blogs über den OLG Hamm, Beschl. v. 18.02.2013 – III-5 RBs 11/13 – berichtet worden, in dem das OLG Hamm sich noch einmal mit dem Begriff der Benutzung eines Mobiltelefons i.S. des § 23 Abs. 1 a StVO befasst hat. Nach seiner Auffassung ist darunter auch die Nutzung des Mobiltelefons als Navigationsgerät zu verstehen (wenn es dafür in die Hand genommen werden muss). Das OLG knüpft damit an Rechtsprechung des OLG Köln an, die Begründung des OLG kennen wir aus anderen Beschlüssen der OLG, auch des OLG Hamm, denn dort heißt es dann immer wieder:

Denn der Begriff der Benutzung eines Mobiltelefons wird von der Rechtsprechung weit ausgelegt. Eine Benutzung liegt nicht nur dann vor, wenn das Gerät zum Telefonieren verwendet wird, sondern auch bei jeder anderen bestimmungsgemäßen Verwendung von Bedienfunktionen (vgl. Senatsbeschluss vom 01. Februar 2012 – 5 RBs 4/12 – m. w. Nachw.). Die Frage der Benutzung eines Mobiltelefons i.S.d. § 23 Abs. 1a StVO beurteilt sich allein danach, ob das Gerät in der Hand gehalten wird oder nicht (vgl. bereits OLG Hamm, NZV 2003, 98) und die Handhabung des Geräts einen Bezug zu einer bestimmungsgemäßen Funktion desselben aufweist. Nach der gesetzgeberischen Intention der 33. Verordnung zur Änderung straßenrechtlicher Vorschriften vom 11. Dezember 2000 (VBl. 2001, 8) soll die Vorschrift des § 23 Abs. 1a StVO gewährleisten, „dass der Fahrzeugführer während der Benutzung des Mobiltelefons beide Hände für die Bewältigung der Fahraufgabe frei hat. Die Benutzung schließt neben dem Gebrauch im öffentlichen Fernsprechnetz sämtliche Bedienfunktionen ein“. Hierzu zählt auch die Verwendung der Navigationshilfe, weil jegliche Nutzung untersagt wird, soweit das Mobiltelefon – wie im vorliegenden Fall festgestellt – in der Hand gehalten wird, so dass der Fahrzeugführer nicht beide Hände für die Fahraufgabe frei hat, wodurch wiederum erhebliche Gefahren im Straßenverkehr entstehen können.

Vorliegend hat der Betroffene das Mobiltelefon in der Hand gehalten und eine seiner Funktionen – nach eigener Einlassung die Navigationshilfe – genutzt und in diesem Zusammenhang Daten eingegeben bzw. „eingetippt“. Dieser Vorgang war durchaus mit einer mentalen Ablenkung verbunden und deshalb zu ahnden.

Also nichts Neues aus Hamm, außer der Hinweis auf die „mentale Ablenkung„. Auf eine solche kommt es m.E. aber nicht an. § 23 Abs. 1a StVO fordert die nicht, sondern spricht nur von „Benutzung“.

Die Entscheidung ist m.E. wieder schönes Beispiel dafür, dass die Vorschrift des § 23 Abs. 1a StVO verunglückt ist und zudem nicht mit der Technik Schritt hält/halten kann. Denn, wenn ein normales Navigationsgerät benutzt und programmiert und dafür in die Hand genommen wird, ist das nicht bußgeldbewehrt. Ebenso wenig liegt ein Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO vor, wenn das Mobiltelefon in einer Haltestelle steckt, die z.B. auf dem Armaturenbrett befestigt ist und dort Start/Ziel programmiert werden. Das ist kein Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO, weil das Mobiltelefon dann nicht in die Hand genommen wird. Also: Im Grunde Durcheinander pur, das man als Verteidiger dem Mandanten kaum vermitteln kann

Frage: Kommt Entwirrrung? Auf den ersten Blick vielleicht ja, aber so richtig auch und dann mit Verwirrung und Unklarheiten an anderer Stelle. Darauf haben ich bereits im Beitrag Quo vadis: Smartphone usw.? – Darf ich demnächst im Pkw keine Musik mehr hören, sondern nur noch mit ihm fahren? hingewiesen.