Archiv für den Monat: November 2012

Mal wieder ein Klassiker: Die abgeschlossene Vortat bei der Hehlerei

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Der BGH, Beschl. v. 24.10.2012 – 5 StR 392/12 – behandelt mal wieder einen materiell-rechtlichen Klassiker bei der Hehlerei. Der Angeklagte ist wegen Hehlerei verurteilt. Der BGH hebt auf und führt aus:

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts wurden die Angeklagten S. und B. im April 2010 von dem Geschäftsführer einer in Zahlungsschwierigkeiten geratenen GmbH, dem gesondert verfolgten M. G. , kontaktiert, der beabsichtigte ein noch nicht vollständig abbezahltes und im Eigentum der Bank stehendes Fahrzeug ohne deren Wissen und Wollen in Marokko zu veräußern. Ziel war es, von den noch ausstehen-den Leasingraten befreit zu werden und einen Versicherungsfall vorzutäu-schen und so die Schadenssumme erlangen zu können. Die beiden Angeklagten sollten für die Überführung des Fahrzeuges zwei Fahrer beauftragen; dem Angeklagten B. oblag darüber hinaus die Organisation der konkreten Umsetzung des Tatplans. Am 30. April 2010 fuhr der Angeklagte S. den für das Tatvorhaben herangezogenen Fahrer, den inzwischen verstorbenen früheren Mitangeschuldigten Sch. , der am selben Tag von M. G. sowohl mündlich als auch mit notariell beglaubigter Vollmacht ermächtigt worden war, sich mit dem betreffenden Fahrzeug in Europa und Nordafrika frei zu bewegen, zu einem Treffpunkt, zu dem auch der Angeklagte B. den wiederum von ihm ausgewählten Fahrer, den Mitangeklagten A. , einbestellt hatte. Die beiden Fahrer übernahmen das betreffende Fahrzeug und verbrachten es gemeinsam nach Marokko. Nach-dem A. in Marokko die Fahrzeugpapiere besorgt und die Zulassung veranlasst hatte, verkaufte er es dem gemeinsamen Tatplan entsprechend. A. und B. beabsichtigten, sich durch die Begehung gleichartiger Taten eine Einnahmequelle von einigem Gewicht zu verschaffen.
2. Das Landgericht hat bei seiner rechtlichen Würdigung nicht bedacht, dass die vom Grundtatbestand der Hehlerei nach § 259 Abs. 1 StGB vorausgesetzte rechtswidrige Besitzlage erst mit Übergabe des Fahrzeugs an die Fahrer Sch. und A. eintrat. Nach ständiger Rechtsprehung muss jedoch die gegen fremdes Vermögen gerichtete Tat zum Zeitpunkt des abgeleiteten Erwerbs abgeschlossen sein; daher liegt Hehlerei nicht vor, wenn wie hier die Vortat – vorliegend die Unterschlagung – erst durch Verfügung zugunsten des Hehlers begangen wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28. November 2001 – 2 StR 477/01, BGHR StGB § 259 Abs. 1 Vortat 7, und vom 14. April 2011 – 4 StR 112/11, NStZ-RR 2011, 245, 246, jeweils mwN). In diesem Fall kommt daher – wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausführt – entweder eine mittäterschaftliche Beteiligung oder eine Beihilfe an der Unterschlagung in Betracht. Dies abschließend zu beurteilen ist dem Senat mangels näherer Feststellungen zur Verteilung des Gewinns und gegebenenfalls sonstiger Absprachen zwischen den Beteiligten verwehrt und wird vom neuen Tatgericht zu prüfen sein.
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Die „offensichtlich unbegründete“ Revision der Staatsanwaltschaft – gibt es die?

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Die „offensichtlich unbegründete“ Revision der Staatsanwaltschaft? Richtig gelesen? Ja, richtig gelesen. Jeder Verteidiger kennt die Verwerfung seiner Revision nach § 349 Abs. 2 StPO als „offensichtlich unbegründet“. Nun hat es auch mal eine Staatsanwaltschaft getroffen.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg hatte gegen ein Urteil des LG Hamburg Revision eingelegt. Diese wurde vom GBA nicht vertreten – immer schon ein „schlechtes Zeichen“. Und der BGH hat dann im BGH, Urt. v. 09.10.2012 – 5 StR 370/12 – verworfen. Ohne jede Begründung, einfach „nur so“:

„Die Revision ist offensichtlich unbegründet. Dies entspricht dem Antrag des Generalbundesanwalts, der die Revision der Staatsanwaltschaft nicht vertreten hat.“

Allerdings nicht durch Beschluss. Das geht bei der zu Lasten des Angeklagten eingelegten Revision der Staatsanwaltschaft nicht. Da musste der BGH in die Hauptverhandlung. Der Senat wird hocherfreut gewesen sein.

Im Übrigen: Gleiches Recht für alle.

 

Der Widerspruch in der Beweiswürdigung, oder: Diese Wertungen sind miteinander nicht in Einklang zu bringen.

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Die Beweiswürdigung ist eine der „ureigensten Aufgaben“ des Tatrichters. Da greifen die Revisionsgerichte nur ein, wenn dem Tatrichter „Rechtsfehler“ unterlaufen sind. Und die hat der 5. Strafsenat des BGH im BGH, Urt. v. 10.10.2012 – 5 StR 316/12 – festgestellt. Im Verfahren war der Angeklagte in einigen Fällen vom Vorwurf der Vergewaltigung frei gesprochen worden. Dazu der BGH:

Das Revisionsgericht muss es zwar grundsätzlich hinnehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts; die revisionsrechtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob diesem Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteile vom 2. Dezember 2005 – 5 StR 119/05, NJW 2006, 925, 928, insoweit in BGHSt 50, 299 nicht abgedruckt, und vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401). Solche Rechtsfehler liegen hier vor.

In den Freispruchsfällen ist bereits ein unauflösbarer Widerspruch darin zu sehen, dass die Jugendkammer einerseits überzeugt ist, dass die Aus-sage der Nebenklägerin zu weiteren sexuellen Übergriffen des Angeklagten auf einem wahren Erlebnishintergrund basiert und es deshalb solche Übergriffe gegeben hat. Andererseits spricht sie den Angaben der Nebenklägerin mit Blick auf deren widersprüchliche Schilderungen und daraus abgeleitete Defizite der Aussagekonstanz die Glaubhaftigkeit ab und zieht zudem nicht abschließend bewertete Zeugenaussagen heran, dass es zu weiteren Vorfällen – entgegen der Aussage der Nebenklägerin – keine Gelegenheit gegeben habe. Diese Wertungen sind miteinander nicht in Einklang zu bringen.

Peter Ramsauer ist immer für eine Überraschung gut: Jetzt doch Punktelöschung bei der Punktereform?

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Unser Verkehrsminister Peter Ramsauer ist immer für eine Überraschung gut. Nun etwas Neues zur Punktereform. Spiegel-online meldet dazu, dass jetzt offenbar doch an eine (teilweise) Punktelöschung gedacht ist bzw. die in einem Gesetzesentwurf (hört, hört!!) enthalten sein soll. Davon war bislang nie die Rede, jetzt also doch?

Es geht dabei dann wohl um Punkte im „Niedrigbereich“ und für nicht so schwere Ordnungswidrigkeiten

In Sachen Punktereform ist inzwischen aber schon so viel geschrieben worden: Ich glaube es erst, wenn ich es sehe.

Schattendasein: Tilgungsdurchbrechung durch § 52 Abs. 1 Nr. 2 BZRG? – Hätten Sie es gewusst?

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§ 52 Abs. 1 Nr. 2 BZRG enthält eine für die Verwertung früherer – bereits getilgter Vorstrafen – wichtige Regelung, die ggf. auch für die Anordnung der Maßregel der Sicherungsverwahrung für den Angeklagten bedeutsam sein kann. Danach darf eine frühere Tat abweichend von § 51 Abs. 1 BZRG berücksichtigt werden, wenn in einem erneuten Strafverfahren ein Gutachten über den Geisteszustand des Betroffenen zu erstatten ist, falls die Umstände der früheren Tat für die Beurteilung seines Geisteszustands von Bedeutung sind.Fraglich ist allerdings, was unter einem „Gutachten über den Geisteszustand i.S. des § 52 Abs. 1 Nr. 2 BZRG“ zu verstehen ist.

Mit der Frage setzt sich der BGH, Beschl. v. 28.08.2012 – 3 StR 309/12, der zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen ist, auseinander. Das LG hatte gegen den Angeklagten die Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Revision hatte beim BGH Erfolg. Zwar lagen die formellen Voraussetzungen für deren Anordnung vor, es haperte jedoch mit den materiellen Voraussetzungen. Das LG hatte nämlich, um den sog. Hang des Angeklagten zu begründen, mehrere Vorverurteilungen des Angeklagten herangezogen, die im BZR bereits getilgt waren. Und an der Stelle ging es um den § 52 Abs. 1 Nr. 2 BZR, der das ggf. zugelassen hätte. Das hat der BGH jedoch verneint:

„… Die Heranziehung der im Bundeszentralregister getilgten Vorstrafen zum Nachteil des Angeklagten verstößt gegen das gesetzliche Verwertungsverbot gemäß § 51 Abs. 1 BZRG. Nach dieser Vorschrift dürfen aus der Tat, die Gegenstand einer getilgten Verurteilung ist, keine nachteiligen Schlüsse auf die Persönlichkeit des Angeklagten gezogen werden (BGH, Beschluss vom 4. Februar 2010 – 3 StR 8/10, BGHR BZRG § 51 Verwertungsverbot 11). Dieses Verwertungsverbot gilt auch, soweit über die Anordnung von Maßregeln der Besserung und Sicherung zu entscheiden ist (BGH, Urteil vom 10. Januar 1973 – 2 StR 451/72, BGHSt 25, 100, 104; Beschluss vom 4. Oktober 2000 – 2 StR 352/00, BGHR BZRG § 51 Verwertungsverbot 7; Beschluss vom 27. Juni 2002 – 4 StR 162/02, NStZ-RR 2002, 332), und selbst dann, wenn der Angeklagte eine getilgte oder tilgungsreife Vorstrafe von sich aus mitgeteilt hat (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 – 4 StR 428/11, NStZ-RR 2012, 143 mwN). Das Verwertungsverbot ist deshalb auch bei der nach § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB aF zu treffenden Entscheidung zu beachten, ob die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu schweren Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts rechtfertigt § 52 Abs. 1 Nr. 2 BZRG die Verwertung getilgter Vorstrafen zu Lasten des Angeklagten bei Begutachtungen zur Unterbringung nach § 66 StGB nicht. Danach darf eine frühere Tat abweichend von § 51 Abs. 1 BZRG berücksichtigt werden, wenn in einem erneuten Strafverfahren ein Gutachten über den Geisteszustand des Betroffenen zu erstatten ist, falls die Umstände der früheren Tat für die Beurteilung seines Geisteszustands von Bedeutung sind. Ein Gutachten zum Beste-hen eines Hanges im Sinne von § 66 StGB und einer darauf beruhenden Gefährlichkeit eines Angeklagten ist indes kein Gutachten über den Geisteszustand im Sinne des § 52 Abs. 1 Nr. 2 BZRG. Hierzu im Einzelnen:

aa) Schon der Wortlaut des § 52 Abs. 1 Nr. 2 BZRG legt es nahe, dass mit Geisteszustand der psychische Zustand des Angeklagten zum Zeitpunkt der Tatbegehung gemeint ist, über den im Rahmen der Schuldfähigkeitsprüfung gegebenenfalls ein Sachverständiger sein Gutachten zu erstatten hat. Der Begriff zielt deshalb auf die vier Eingangsmerkmale des § 20 StGB, die krank-hafte seelische Störung, die tiefgreifende Bewusstseinsstörung, den Schwach-sinn oder die schwere andere seelische Abartigkeit, ab. Vom Gutachten über das Vorliegen eines dieser Merkmale ist die nach § 246a StPO vor der Anord-nung der Sicherungsverwahrung durchzuführende sachverständige Begutachtung zu unterscheiden. Nach dieser Vorschrift ist der Sachverständige „über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten zu vernehmen“. Die Vorschrift verwendet somit den Ausdruck „Geisteszustand“ im Gegensatz zu § 52 Abs. 1 Nr. 2 BZRG nicht. Kommt die Unterbringung nach § 66 StGB in Betracht, soll dem Tatgericht eine Entscheidungshilfe für die Beurteilung gegeben werden, ob der Angeklagte infolge seines Hanges zur Begehung erhebli-cher Straftaten für die Allgemeinheit gefährlich ist. Hangtäter ist dabei derjeni-ge, der dauernd zu Straftaten entschlossen ist oder der aufgrund einer fest ein-gewurzelten Neigung, deren Ursache unerheblich ist, immer wieder straffällig wird, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 27. Oktober 2004 – 5 StR 130/04, NStZ 2005, 265). Bei der Prüfung des Hanges im Sinne des § 66 StGB geht es somit im Ergebnis nicht in erster Linie um die Bewertung des Geisteszustands des Täters, sondern um die wertende Feststellung einer persönlichen Eigenschaft (vgl. LK-Rissing-van Saan/Peglau, 12. Aufl., § 66 Rn. 118). Hierfür bedarf es nicht notwendigerweise der Begut-achtung durch einen psychiatrischen Sachverständigen. Zwar werden nach den Erfahrungen des Senats bei in Betracht kommender Sicherungsverwahrung überwiegend Ärzte als Gutachter herangezogen, doch findet dies seine Recht-fertigung vor allem darin, dass dabei regelmäßig zugleich untersucht werden muss, ob der Angeklagte bei der Tat in seiner Schuldfähigkeit beeinträchtigt oder schuldunfähig war und deshalb unter Umständen eine andere Maßregel, insbesondere eine Unterbringung nach § 63 StGB, in Betracht kommt.
…“

Hätten Sie es gewusst?