Archiv für den Monat: August 2012

Anrechnung von Vorschüssen auf Pflichtverteidigergebühren?

Durch Anfragen von Kollegen weiß ich, dass eine gebührenrechtliche Problematik in der Praxis eine erhebliche Rolle spielt. Nämlich die Frage, ob und inwieweit Vorschüsse, die der Rechtsanwalt als Wahlanwalt erhalten hat, auf seine gesetzlichen Gebühren angerechnet werden, wenn er später zum Pflichtverteidiger bestellt wird.

Das läuft über § 58 Abs. 3 RVG. Mit dessen Anwendung liegt m.E. in der verhältnismäßig strengen obergerichtlichen Rechtsprechung aber einiges im Argen, weil die OLG den Begriff des „Verfahrensabschnitts“, auf den es ankommt, unzutreffend auslegen. Dazu ist einiges im RVG-Kommentar, auf den ich bei der Gelegenheit mal wieder hinweise – das war jetzt Werbung 🙂 – geschrieben. Zu den Problemen des Auslegung des § 58 Abs. 3 RVG will ich mich jetzt hier aber gar nicht äußern. Es geht vielmehr um eine ganz andere – vorrangige – Frage.

In Zusammenhang mit der Anrechnung von als Wahlanwalt erhaltenen Vorschüssen auf die Pflichtverteidigergebühren (§ 58 Abs. 3 RVG) beschäftigt einen Kollegen nämlich folgendes Problem: Erfolgt die Anrechnung nach § 58 Abs. 3 RVG auch dann, wenn im Rahmen eines früheren Wahlmandats Honorar an den Partner einer Kanzlei geleistet wurde und nun ein angestellter Anwalt die Pflichtverteidigung übernimmt? Muss dieser sich also die frühere Zahlung an die Kanzlei auf seine gesetzlichen Gebühren anrechnen lassen?

Ich habe dem Kollegen folgende Antwort gegeben: M.E. nein. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 58 Abs. 3 RVG. Denn dort heißt es: „… sind Vorschüsse und Zahlungen, die der Rechtsanwalt vor oder nach der gerichtlichen Bestellung oder Beiordnung für seine Tätigkeit für bestimmte Verfahrensabschnitte erhalten hat, auf die von der Staatskasse für diese Verfahrensabschnitte zu zahlenden Gebühren anzurechnen.“ Die Anrechnung erfolgt also also personenbezogen und stellt darauf ab, ob der nun als Pflichtverteidiger bestellte Rechtsanwalt Vorschüsse erhalten hat. Das ist aber, wenn die Vorschüsse an den Partner der Kanzlei gezahlt worden sind, nicht der Fall. Dass der Pflichtverteidiger dort angestellt ist, ändert daran m.E. nichts. Er hat keinen Vorschuss erhalten.

1 Jahr 9 Monate minus 10 Monate = noch 11 Monate = Fluchtgefahr?

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Die Frage, ob die der Straferwartung so hoch, dass sie einen Beschuldigten/Angeklagten zur Flucht führt und damit die Annahme von Fluchtgefahr i.S. des § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO gerechtfertigt ist, stellt sich insbesondere häufig dann, wenn die Strafe nicht (sehr) hoch ist, aber der Beschuldigte/Angeklagte bereits einige Zeit in U-Haft verbracht hat, was dann über § 51 StGB angerechnet werden muss. Dann geht es um die Reststrafenerwartung und darum, ob die noch so hoch ist, dass die Annahme von Fluchtgefahr begründet ist. In meinen Augen tun sich die OLG damit schwer, die Frage zu verneinen. So auch der OLG Jena, Beschl. v.25.06.2012 – 1 Ws 291/12.

Das LG hat den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 9 Monaten verurteilt. Es sind bereits mehr 10 Monate U-Haft vollzogen worden, so dass noch eine Reststraferwartung von unter 11 Monate besteht. Die reicht dem OLG aber aus, um Fluchtgefahr anzunehmen.

Auch wenn zurzeit bereits mehr als 10 Monate Untersuchungshaft anzurechnen sind, geht von der Gesamtstraferwartung, die sich durch das Urteil des Amtsgerichts Weimar auf 1 Jahr und 9 Monate konkretisiert hat, weiterhin ein ganz erheblicher Fluchtanreiz aus. Dass es bei Durchführung der Berufungshauptverhandlung zu einer deutlichen Reduzierung der erstinstanzlich verhängten Freiheitsstrafe kommen könnte, ist derzeit nicht zu erkennen. Dafür, dass es sich bei dem Angeklagten hinsichtlich der Tat vom 10,8.2011 um eine unverdächtige und zunächst nicht tatgeneigte Person gehandelt hat, die durch eine von einem Amtsträger geführte Vertrauensperson in einer dem Staat zuzurechnenden Weise zu einer Straftat verleitet worden ist, so dass ein in den Urteilsgründen ausdrücklich festzustellender und bei der Festsetzung der Rechtsfolgen zu kompensierender Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens gemäß Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 MRK vorliegt (vgl. BGHSt 45, 321 ff), ist angesichts der Einlassungen des Angeklagten im Termin zur Verkündung des Haftbefehls, im Haftprüfungstermin und in der Hauptverhandlung nicht zu erkennen. Die derzeitige Beweislage spricht vielmehr dafür, dass der Angeklagte sich völlig unabhängig von jeglicher Beeinflussung durch die Vertrauensperson „Paulus“ bereits zuvor das später an diesen abgesetzte Betäubungsmittel zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufs von einem Dritten verschafft hatte. Der Angeklagte war mithin bereits grundsätzlich bereit, den Straftatbestand des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu begehen, bevor die Vertrauensperson „Paulus“ bei ihm am 10.8.2011 24,2 Gramm Methamphetamin gekauft hat, hatte also bereits mit Erlangen des Methamphetamins zum Zwecke des Weiterverkaufs den Straftatbestand des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge erfüllt.

 Gewichtige Umstände, die geeignet wären, dem Fluchtanreiz wirksam zu begegnen, sind nicht ersichtlich.  Die Ausführungen der Beschwerde, wonach der Angeklagte sich nur nicht in der Gemeinschaftsunterkunft aufgehalten habe, da er bei seiner Lebensgefährtin gewohnt habe, er sich in der Gemeinschaftsunterkunft wieder anmelden wolle und er im Falle einer Flucht seines Rechtsmittels verlustig ginge, sind nicht geeignet, hinreichend Vertrauen zu begründen, der Angeklagte werde sich dem weiteren Straf- bzw. Vollstreckungsverfahren nicht entziehen. Im Hinblick auf die Vorstrafen des Angeklagten, der schon mehrfach Strafhaft verbüßt hat und ausweislich des Zentralregisterauszugs bereits fünfmal teils erheblich vorbestraft ist, erscheint insbesondere der mögliche Verlust des Rechtsmittels im Vergleich zu der Höhe des bei Eintritt der Rechtskraft noch zu verbüßende Strafdauer als den Fluchtanreiz minderndes Mittel untauglich.

M.E. keine tragfähige Begründung, warum denn nun gerade dieser geringe Strafrest ausreichend für die Annahme sein soll, der Angeklagte werde, wenn er auf freien Fuß kommt, fliehen. Ich verkennen nicht, dass der Angeklagte russischer Staatsangehöriger ist, also vermutlich keine Schwierigkeiten hätte, in seinem Heimatland unterzutauchen und zu leben. Aber wenn das (auch) Grund für die Annahme von Fluchtgefahr sein soll, dann sollte man es auch schreiben.

 

Sonntagswitz, heute zum Abschluss der „Olympiade“ dann noch einmal zum Sport

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Zum heutigen Abschluss der olympischen Spiele 2012 in London – „Olympiade“ in der Überschrift ist falsch, ich weiß, aber kürzer 🙂 -, dann noch einmal Sportlerwitze, und zwar:

Die letzten Worte des Turmspringers: „Heute ist das Wasser aber klar!“

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Erste Durchsage beim 400-Meter-Lauf:
„Achtung auf Bahn eins kommt ihnen ein Geisterläufer entgegen! Bitte laufen Sie äußerst rechts und überholen Sie nicht!“

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Und wegen unseres Wochenspiegels:

Lothar Matthäus steht gedankenlos am Tresen bei Mc Donald’s in New York.
Schließlich fragt ihn die Bedienung freundlich: „Chicken?“
Darauf antwortet er: „Nein danke, ich esse lieber hier!“
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Zitat von Lothar Matthäus: Wir dürfen jetzt nur nicht den Sand in den Kopf stecken.


Wochenspiegel für die 32. KW., das war „Loddar Matthäus und sein Prozess“, die Geschäftsgebühr im Zivilverfahren und die Jurastudentin bei der Tafel

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Die 32. KW. hat folgende Postings gebracht, auf die sich m.E. ein Hinweis lohnt, d.h. wir berichten über:

  1. Befangene Richter,
  2. die Jurastudentin, die sich Lebensmittel von der Tafel holen muss,
  3. den Streit um die Höhe der Geschäftsgebühr im Zivilverfahren,
  4. die Bewertung von Prüfungsleistungen,
  5. die Kosten für die Akteneinsicht nach einem Verkehrsunfall,
  6. den Tankinhalt als Schadensposition,
  7. die steuerliche Behandlung fortdauernder Verluste aus anwaltlicher Tätigkeit,
  8. Tattoos für Tiere,
  9. über Geschichten aus dem Gericht- mal über Lothar Matthäus,
  10. und dann waren da noch: Zwei Radfahrer.

 

Gibt es einen Markt für geklaute „Liebesschlösser?

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„Gibt es denn einen Markt für Liebesschlösser?“ habe ich mich gefragt, als ich gerade auf die Nachricht über den Liebesschlösserdieb in Köln gestoßen bin. Der ist vom AG Köln wegen des (versuchten) Diebstahls von 50 „Liebesschlössern“ von der Kölner Hohenzollernbrücke zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden. (vgl. hier der Bericht aus dem Kölner Stadtanzeiger).

Nun, nach dem Bericht gibt es dann doch wohl einen Markt. An den Schrotthändler hatte ich gar nicht gedacht. Der hat 3,20 € für das Kilo geboten.

Und es stellt sich natürlich die Frage: Sind die Schlösser „eine fremde Sache“ – in wessen Eigentum stehen Sie – immer noch in dem der aufhängenden Paare, oder der DB oder der Stadt Köln? Das AG Köln ist von fort bestehendem Eigentum der Käufer ausgegangen. Oder sind sie nicht doch „herrenlos“? Vielleicht auch eine Frage, die man im 1. Staatsexamen mal prüfen könnte.