Ein Leser weist mich gerade freundlicher Weise auf die Meldung bei „Spiegel-online“ hin: Danach ist das Urteil des LG Stuttgart zum Amoklauf in Winnenden vom BGH zum Teil aufgehoben worden. Näheres zunächst mal hier. Wenn ich die Meldung richtig lese: Schuldspruch ist bestehen geblieben
Archiv für den Monat: April 2012
Mangelnde Klarheit, auf die sich die „Verteidigung längst hätte einstellen können“, oder: Der Verteidiger (k)ein Hellseher
Eine etwas eigenartige Verfahrenssituation liegt dem BGH, Beschl. v. 06.03.2012 – 1 StR 623/11 zugrunde. Es geht um einen Mordvorwurf – ursprünglich „niedrige Beweggründe“ – und einen rechtlichen Hinweis – ggf. auch „Heimtücke“ – und die sich daraus ergebenden verfahrensrechtlichen Folgen. Der BGH konstatiert, dass schon „Anklage und Eröffnungsbeschluss nicht sehr klar letztlich von unterschiedlichen Sachverhalten – im Anklagesatz einerseits und als Grundlage der rechtlichen Bewertung mit näherer Begründung im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen andererseits – ausgehen. Diese Unklarheit führt unmittelbar zu einer Unklarheit des Hinweises, die sich noch dadurch steigert, dass, so die Strafkammer ergänzend, die geänderte rechtliche Bewertung lediglich „unter Umständen“ Platz greifen soll, ohne zu verdeutlichen, welche dies sein könnten.“ Das Schwurgericht hat einen Aussetzungsantrag des Verteidigers zurückgewiesen. Die Begründung vom BGH beanstandet:
„4. Jedenfalls hält aber die Auffassung rechtlicher Prüfung nicht stand, der Angeklagte (bzw. sein Verteidiger) hätte sich „längst“ auf die Verteidigung gegen einen in der Anklage ausdrücklich verneinten Vorwurf vorbereiten können. Allerdings ist das tatrichterliche Ermessen bei der Entscheidung gemäß § 265 Abs. 4 StPO vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. Radtke in Radtke/Hohmann-StPO, § 265 Rn. 138 mwN). Hier ist jedoch der rechtliche Ansatz fehlerhaft. Auf von der zugelassenen Anklage abweichende Vorwürfe braucht sich der Angeklagte nicht einzustellen; daher ist er ausdrücklich auf eine mögliche Änderung der Beurteilung hinzuweisen. Eine nach einem solchen Hinweis mögliche Folge kann daher nicht deshalb abgelehnt werden, weil der Angeklagte (bzw. sein Verteidiger) den Inhalt des Hinweises nicht vorausgesehen und sich entsprechend hierauf auch nicht vorbereitet hat.
5. Der Schwerpunkt der Vorbereitung der Verteidigung war, so der nahe liegende Revisionsvortrag, auf die letztlich gelungenen Bemühungen gerichtet, die ursprüngliche Annahme niedriger Beweggründe zu entkräften. Die Revision trägt, zumal im Hinblick auf das Gewicht des Tatvorwurfs und die insoweit letztlich zentrale Bedeutung von Heimtücke, auch hinreichend konkret vor, warum im Blick auf die Änderung der Situation, die durch den insgesamt nur sehr knapp erläuterten Hinweis eingetreten ist, eine Aussetzung der Hauptverhandlung oder zumindest deren Unterbrechung noch vor der Vernehmung der Zeu-gin P. angezeigt gewesen wäre.“
Akteneinsicht im Bußgeldverfahren: AG Leutkirch versucht es mit dem Urheberrecht…
Auf den ersten Blick bringt die Entscheidung nichts Neues habe ich gedacht, als ich von einem Kollegen AG Leutkirch, Beschl. v. 23.04.2012 – 1 OWi 47/12 übersandt bekommen habe. Ablehnung der Akteneinsicht in Bedienungsanleitung und Lebensakte, dazu gibt es viele Entscheidungen, über die ich hier ja auch schon berichtet habe (vgl. dazu auch unsere Beiträge aus VRR 2011, 250 und VRR 2011, 130 (werden übrigens bei dem ein oder anderen Beschluss – ebenso wie meine HP – als “ ungenannte Quelle“ benutzt ;-)).
Beim zweiten Lesen habe ich dann aber doch gestutzt. Das AG lehnt u.a. wegen des Urheberrechts des Herstellers des Messgerätes die Einsichtnahme in die Bedienungsanleitung ab:
„Die Bedienungsanleitung ist vorliegend nicht Gegenstand der Bußgeldakten geworden. Die Verwaltungsbehörde war auch nicht verpflichtet, sie zu den Akten zu nehmen, Insbesondere hätte sie hierzu auch kein Recht gehabt. Die Bedienungsanleitung der Firma Vitronic ist nämlich mit folgendem Zusatz versehen:
„Das Urheberrecht der Gebrauchsanweisung liegt bei Vitronic. Es ist nicht gestattet, die Gebrauchsanweisung zu vervielfältigen oder an Dritte weiterzugeben!“
Damit ist klargestellt, dass derjenige, der eine Bedienungsanleitung erwirbt oder von der Firma Vitronic zur Verfügung gestellt bekommt, diese nur dadurch Dritten zugänglich machen kann, dass er den Dritten vor Ort Akteneinsicht gewährt oder an eine andere Stelle versendet, wo Akteneinsicht gewährt werden kann. Zu den Akten darf die Behörde sie nicht nehmen, da dies nur im Wege einer Vervielfältigung möglich wäre. Damit würde sie aber die vertraglichen Beziehung zu der Firma Vitronic verletzen.“
Hmm? Ist das denn richtig? Muss bzw. hätte sich das AG, wenn es sich denn schon auf das Urheberrecht bezieht, nicht zunächst mal die Frage klären müssen, ob ein solches überhaupt besteht und wenn ja, in welchem Umfang? Daran haben sich die ablehnenden Beschlüsse bislang m.E. alle mehr oder weniger elegant vorbeigedrückt und daran drückt sich ja auch der „Erlass des IM Niedersachsen zu Gebrauchsanweisungen vorbei. Man behauptet einfach ein Urheberrecht bzw. nimmt das von dem Hersteller in Anspruch genommene als „Gott gegeben“ hin. So geht es m.E. nicht. M.E. muss man sich schon mit der Frage auseinandersetzen, sie entscheiden und danach dann die Frage der Akteneinsicht ausrichten. Dabei lassen wir hier mal dahin gestellt, ob das Urheberrecht, wenn es denn eins gibt, nicht hinter dem Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör zurücktreten muss.
Also: In meinen Augen nur ein missglückter Versuch des AG.
Was man weiß, was man wissen sollte – von der Straßenverkehrsgefährdung
Als (Auch)Verkehrsrechtler freue ich mich immer, wenn man auch mal beim BGH auf verkehrsstrafrechtliche Entscheidungen trifft. So auf den BGH, Beschl. v. 22.03.2012 – 4 StR 558/11. Es handelt sich auch noch um eine Leitsatzentscheidung, die zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen ist. Allerdings wohl nicht mit dem verkehrsstrafrechtlichen Teil, sondern mit den sicherlich auch lesenswerten Ausführungen des BGH zur sog. Hemmschwellentheorie.
Als Verkehrsrechtler interessiert hier jetzt aber mehr der verkehrsstrafrechtliche Teil, an dem sich das Schwurgericht (auch) versucht hat. Bei der Gelegenheit: Ich frage mich immer, warum man eigentlich bei Schwurgerichtsanklage die Vorwürfe nicht verschlankt und solche Vorwürfe wie hier die Straßenverkehrsgefährdung nicht einstellt. Es hat dann ja auch beim Schwurgericht nicht geklappt. Die Kammer hat die Enden für die Verurteilung nach § 315c StGB nicht zusammenbekommen. Es hapert mal wieder an der „konkreten Gefahr“ bzw. am „Beinaheunfall“. Dazu waren nicht genügend tatsächliche Feststellungen getroffen, aus denen sich das „es ist gerade noch einmal gut gegangen“ ergab (vgl. zur konkreten Gefahr hier mein Beitrag aus dem VRR 2011, 369). Dass ein Schwurgericht das weiß, kann man nicht erwarten (oder doch?) :-). Beim AG sollte man es aber wissen. Aber auch da kranken die Urteile häufig an mangelnden Feststellungen zu den Fragen.
Der BGH, Beschluss fasst alles noch einmal schön zusammen. Und: Er weißt auch noch einmal darauf hin, dass es immer um einen Fremdschaden geht – das eigene Auto/das Täterauto spielt keine Rolle
Sonntagswitze: Heute mal zum Alkohol
Unseren Beitrag zur vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 16. 02. 2012 – III-3 RVs 8/12 und hier) hatte ein Kommentator mit der Bemrekung versehen:
„Zu besoffen, um die Trunkenheit zu erkennen. Da fallen mir die zugegeben nicht mehr taufrischen Witzchen von ” Herr Richter, wieso ich gefahren bin? In meinem Zustand konnte ich doch nicht mehr zu Fuß gehen!!” oder “Tragt mich zu meinem Auto, ich fahr Euch alle heim” ein.“
Das hat mich auf die Idee gebracht, mal nach „Alkoholwitzen“ zu suchen. Hier dann eine kleine Ergebnisauswahl – auch zum Teil nicht mehr ganz frisch 🙂
Fritzchen sitzt bei seinen Hausaufgaben: „Du Papa. Was ist das für ein Satz: ‚Es ist kein Bier im Haus?'“
Stöhnt der Vater auf: „Das ist kein Satz – das ist eine Katastrophe!“
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Zwei Männer in der Kneipe: „Ich glaube, im Bier sind weibliche Hormone?“
„Wie kommste denn da drauf?“
„Ganz einfach: Immer wenn ich zuviel davon trinke, kann ich nicht mehr Auto fahren.“
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„Der angetrunkene Fahrer säuselt: „Ich habe nur Tee getrunken!“ Darauf der Polizist: „Dann haben Sie mindestens 1,8 Kamille !!“
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Und dann noch:
„Der größte Feind des Menschen wohl, das ist und bleibt der Alkohol. Doch in der Bibel steht geschrieben: Du sollst auch deine Feinde lieben!„