Archiv für den Monat: September 2010

Ordnung muss sein, jedenfalls entschuldigt Unordnung nicht

Ein häufig übersehener absoluter Revisions-/Rechtsbeschwerdegrund ist die Versäumung/Überschreitung der Urteilsabsetzungsfrist (§§ 275, 337 Nr. 7 StPO). Um so schöner deshalb für den Mandanten, wenn der Verteidiger an der Stelle dann mal Glück hat und entdeckt, dass die Urteilsabsetzungsfrist überschritten war.

So beim AG Koblenz, wo das Urteil am 01.03.2010 verkündet, die schriftlichen Urteilsgründe aber erst am 18.05.2010 zur Akte und erst am 01.06.2010 zur Geschäftsstelle gelangt waren. Da hat dem Amtsrichter auch nicht die Berufung auf § 275 Abs. 1 Satz 4 StPO geholfen und der Hinweis darauf, dass die Akte „zeitweilig unauffindbar“ war. Das sei kein „nicht voraussehbarer und unabwendbarer Umstand“ im Sinne von § 275 Abs. 1 Satz 4 StPO hat das OLG Koblenz in seinem Beschl. v. 26.08.2010 – 2 SsBs 84/10 gesagt. Und noch gleich einen drauf gesetzt: „Zumindest unabwendbar ist ein solches Vorkommnis bei Beobachtung der gebotenen Sorgfalt nicht (vgl. OLG Celle, NJW 1982, 397; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 275, Rdnr. 14)“.

Ordnung muss eben sein. Zudem ist mir nicht so ganz erklärlich, wieso eine Akte „zeitweilig unauffindbar“ sein kann. Die Suche muss hier zudem länger gedauert haben…

Satellitenüberwachung war zulässig – das sagt nach jetzt mehr als 11 Jahren der EGMR

Spiegel-online meldete am 02.09.2010: 

„Dürfen Strafverfolger einen Verdächtigen heimlich mit Hilfe eines GPS-Gerätes überwachen? Ja, hat jetzt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden. Geklagt hatte ein Ex-Mitglied einer linksextremistischen Vereinigung.

Straßburg – Die Verwendung von satellitengestützten Überwachungstechniken (GPS) bei strafrechtlichen Ermittlungen in Deutschland ist legitim. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat an diesem Donnerstag in Straßburg die Klage eines einstigen Mitglieds der linksextremistischen „Antiimperialistischen Zelle“ (AIZ) abgewiesen. Damit hat der EGMR die Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts bestätigt, das 2005 auch so geurteilt und die Beschwerde des heute 44-jährigen Mannes aus Mönchengladbach abgewiesen hatte. Mit der Einschränkung des Rechts auf Achtung des Privatlebens des Klägers sei gegen kein Gesetz verstoßen worden, urteilten die Straßburger Richter.

Im Urteil heißt es wörtlich: „Der Beschwerdeführer kann nicht behaupten, zum Opfer einer Verletzung seiner Rechte nach Artikel 8 geworden zu sein.“ Dieser Artikel der Europäischen Menschenrechtskonvention betrifft das „Recht auf Achtung des Privatlebens“. Der Beschwerdeführer hatte außerdem eine Verletzung von Artikel 6 ins Feld geführt, der das „Recht auf ein faires Verfahren“ zusichert. Auch einen Verstoß gegen diesen Artikel konnten die Straßburger Richter nicht erkennen.

 Das Gericht wies in seinem Urteil darauf hin, dass mit der Überwachung weitere Bombenanschläge verhindert werden sollten. „Sie diente damit dem Interesse der nationalen und öffentlichen Sicherheit, der Vorbeugung von Verbrechen und dem Schutz der Rechte der Opfer.“ Die Satellitenüberwachung sei erst angeordnet worden, nachdem sich andere Methoden als wirkungslos erwiesen hätten. Außerdem sei der Beschwerdeführer nur drei Monate lang beobachtet worden.

Gegen den ehemaligen Linksextremisten Bernhard Uzun war wegen des Verdachts auf Beteiligung an mehreren Sprengstoffanschlägen ermittelt worden, für welche die Antiimperialistische Zelle (AIZ) die Verantwortung übernahm. Die AIZ sah sich selbst als Nachfolgerin der Rote Armee Fraktion (RAF). Die GPS-Beobachtung von Uzun und einem Komplizen führte im Februar 1996 zur Festnahme der beiden. Uzun wurde 1999 wegen gemeinschaftlichen Mordversuchs zu 13 Jahren Haft verurteilt.

In Straßburg hatte er geklagt, dass seine Observation mittels GPS von Dezember 1995 bis Februar 1996 und die Verwertung der dadurch gewonnenen Erkenntnisse im anschließenden Strafverfahren nicht vereinbar seien mit Artikel 8 und Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention.“

Muss man mal lesen, wenn der (übersetzte) Volltextz da ist. Das ist dann die Entscheidung, die zum Urt. des  Urteil vom 12.4.2005 – 2 BvR 581/01 und zum Urt. des BGH v. 24.01.2001 – 3 StR 324/00 gehört. Das BVerfG hatte folgende Leitsätze formuliert:

  § 100 c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b StPO entspricht als Ermächtigungsgrundlage für Beweiserhebungen unter Einsatz des Global Positioning System und die anschließende Verwertung dieser Beweise den verfassungsrechtlichen Anforderungen.

  Beim Einsatz moderner, insbesondere dem Betroffenen verborgener, Ermittlungsmethoden müssen die Strafverfolgungsbehörden mit Rücksicht auf das dem „additiven“ Grundrechtseingriff innewohnende Gefährdungspotential besondere Anforderungen an das Verfahren beachten.

  Wegen des schnellen und für den Grundrechtsschutz riskanten informationstechnischen Wandels muss der Gesetzgeber die technischen Entwicklungen aufmerksam beobachten und notfalls durch ergänzende Rechtssetzung korrigierend eingreifen. Dies betrifft auch die Frage, ob die bestehenden verfahrensrechtlichen Vorkehrungen angesichts zukünftiger Entwicklungen geeignet sind, den Grundrechtsschutz effektiv zu sichern und unkoordinierte Ermittlungsmaßnahmen verschiedener Behörden verlässlich zu verhindern.

„Wegen des schnellen und für den Grundrechtsschutz riskanten informationstechnischen Wandels muss der Gesetzgeber die technischen Entwicklungen aufmerksam beobachten“, schön, wenn das Verfahren dann – ausgehend vom Urteil des OLG Düsseldorf v. 01.09.1999 – VI 1/97 -dann jetzt fast 11 Jahre gedauert hat. Tja, die Mühlen der Justiz mahlen eben langsam 🙂

Das lesen weder Kölner noch Düsseldorfer gern :-), zum Sonntag

Wir hatten ja neulich schon über die Fehde Düsseldorf/Köln berichtet, vgl. hier. Dazu passt dann ganz gut dieser Witz:

Ein Düsseldorfer hat einen kleinen Unfall und einige kleine Dellen im Auto. Da kommt ein Kölner vorbei und sagt zu ihm: „Du musst kräftig in den Auspuff blasen, da drückt´s die Dellen wieder raus.“ Der Kölner fährt weiter und der Düsseldorfer denkt sich, das kann ich ja mal probieren. Er bläst und bläst.
Da kommt die Polizei vorbei und fragt ihn, was er da macht. Er sagt, ein Kölner hat ihm gesagt, um die Dellen herauszubekommen, solle er in den Auspuff blasen. Da fangen die Polizisten an zu lachen und sagen: „Wenn das Schiebedach auf ist, kann das natürlich nicht funktionieren.“

Treu und Glauben gilt auch für die Fahrradvermietung

Eine sicherlich auch in Münster nicht seltene Konstellation lag dem Urteil des AG Berlin-Mitte vom 05.08.2010 – 13 C 81/09 zugrunde. Eine Fahrradvermietungsgesellschaft vermietet ein Fahrrad. Dieses fällt nachts gegen einen Pkw. Schaden rund 2.000 €. Der Eigentümer des Pkw will von der Gesellschaft wissen, wer zu der Zeit Mieter war. Die will den Namen nicht herausgeben. Auf die Klage sagt das AG Berlin-Mitte: Eine Fahrradvermietungsgesellschaft ist, wenn eines ihrer Fahrräder an einem schädigenden Ereignis beteiligt war, verpflichtet, dem Geschädigten Name und Anschrift des Mieters zum Schadenszeitpunkt bekannt zu geben. Das folge aus § 242 BGB. Aus der Vorschrift ergebe sich eine Auskunftspflicht, wenn die zwischen den Parteien bestehende Rechtsbeziehung es mit sich bringe, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Recht im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben Schuldner des Auskunftsanspruchs sei zwar in der Regel der Schuldner des Hauptanspruchs, das heißt, derjenige, gegen den der Leistungsanspruch — hier ein Schadensersatzanspruch – geltend gemacht werden soll. Aus Treu und Glauben könne sich jedoch ausnahmsweise auch eine Auskunftspflicht von Dritten ergeben, die nicht Schuldner des Hauptanspruchs sind. So hat z.B. der Halter eines verbotswidrig geparkten und abgeschleppten Fahrzeugs dem Geschädigten Name und Anschrift des Fahrers zu nennen. Also. Wegschleichen vom Unfallort bringt nichts.