Archiv für den Monat: September 2010

Schlechtes Wetter für Kachelmann: Befangenheitsanträge zurückgewiesen

Spiegel-online (vgl. aber auch hier) meldet, dass die Strafkammer in Mannheim die Befangenheitsanträge gegen zwei Richter der Strafkammer im Verfahren gegen Jörg Kachelmann zurückgewiesen hat. In der Meldung heißt es zur Begründung: „Der vernünftige Angeklagte muss nämlich davon ausgehen“, begründen die Richter, die mit dem Antrag befasst waren, ihre Entscheidung, „dass der Richter aufgrund seiner Ausbildung und seiner Berufserfahrung grundsätzlich die Fähigkeit hat, sich von Befangenheit und dem in jedem öffentlichkeitswirksamen Verfahren entstehenden Druck frei zu halten, und zwar auch dann, wenn Berührungspunkte mit einem Verfahrensbeteiligten bestehen, die aus den Zufälligkeiten des menschlichen Zusammenlebens, nicht aber aus einem besonderen Näheverhältnis resultieren.“

Den ein oder anderen mag das überraschen, mich jedenfalls nicht. Ich hatte mit einer ablehnenden Entscheidung genau mit der Begründung gerechnet, alles andere hätte mich überrascht. M.E. wird sich die Kammer bzw. werden sich die Kammermitgliederauch schon vor Prozessbeginn zu den Fragen das ein oder andere überlegt haben (müssen); denn das ein Befangenheitsantrag mit der Begründung kommen würde, war m.E. klar. Von daher werden die Kammermitglieder sich Gedanken um den § 30 StPO gemacht haben (hoffentlich!).

In der nächsten Woche geht es dann also weiter. Hauptsache Oliver Pocher meint nicht wieder, besonders witzig sein zu müssen.

Hinschauen und nachrechnen lohnt sich

habe ich gedacht, als ich auf den Beschluss des BGH v. 17.10.08.2010 – 3 StR 347/10 gestoßen bin. Hat man ja eher selten, dass die sachliche Zuständigkeit nicht passt. Hier war es aber so: Verfahren gegen vier Angeklagte, drei Erwachsene, ein Heranwachsender, zuständig wäre über §§ 107, 108, 33 JGG die Jugendkammer, verhandelt wird aber vor der großen Strafkammer. Damit greift § 338 Nr. 4 StPO. Kann passieren (?), vor allem, wenn der Heranwachsende so gerade eben noch herananwachsend war: Geboren im Januar 1985, erste Tat im November 2005. Da muss man schon hinschauen und nachrechnen…..

Mehr als 3,0 Promille BAK – das ist doch schon was….

und zwingt den Tatrichter die Schuldfähigkeit unter Berücksichtigung aller wesentlichen objektiven und subjektiven Umstände des Erscheinungsbildes und des Verhaltens des Täters vor, während und nach der Tat prüfen, so das OLG Naumburg im Beschl. v. 06.07.2010 – 2 Ss 85/10). Der Satz sollte an sich Allgemeingut sein, war er aber leider beim LG Halle nicht. Das hatte die Steuerungsfähigkeit beim Angeklagten angenommen und damit begründet, dass der Angeklagte zur Arbeit fahren wollte, ansprechbar war, sich ohne fremde Hilfe bewegen konnte und die Durchführung eines Blutalkoholtests möglich war (vor allem das „Bewegenkönnen“ ist schön :-)). Dem OLG hat das nicht gereicht, daher Aufhebung und Zurückverweisung, um die Sache noch mal neu zu verhandeln. In der Revision reicht bei solchen Fragen die einfache Sachrüge.

Dazu passt ganz gut: Warum tun Tatrichter das?, oder: Die geschriebene Lücke.

Warum tun Tatrichter das?, oder: Die geschriebene Lücke

Selbst auf die Gefahr hin, dass ich jetzt wieder böse Kommentare von Amstrichtern bekomme: Ich war gelinde gesagt sehr erstaunt, als ich den Beschl. des OLG Celle v. 02.02.2010 – 32 Ss 6/10, den mir ein Kollege im Anschluss an ein Seminar hat zukommen lassen, gelesen habe. Es geht um die Anforderungen an die Urteilsgründe bei einem nicht rechtskräftigen Urteil. Da scheint der Amtsrichter einiges in § 267 StPO gründlich missverstanden zu haben. Ist ja auch eine „lange“ Vorschrift mit sechs Absätzen, die auch noch aus mehreren Sätzen bestehen. Nicht gelesen (Kann ich mir nicht vorstellen)? Oder: Hatte der Tatrichter einfach keine Lust, mehr zu schreiben bzw. zu diktieren als „Einrücken Anklagesatz Klammer Blatt…..“. Denn mehr als den Anklagesatz hatte er hier zur Begründung einer Verurteilung wegen Straßenverkehrsgefährdung nicht gebracht, von den anderen Lücken des Urteils mal abgeshen 

Das führt dann beim OLG, dessen Verstimmung man im Beschl. deutlich spüren kann,  zu den Ausführungen:

„Die Feststellungen geben den (eingerückten) Anklagevorwurf, mit dem dem Angeklagten u.a. gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr vorgeworfen wor­den war, wieder und führen ergänzend aus, dass sich der diesem Anklagepunkt zugrunde gelegte Sachverhalt bestätigt hat. Unabhängig davon, dass Feststellungen zum inneren Tatbestand gänzlich fehlen und hier auch nicht auf der Hand liegen, tragen die Feststellungen auch nicht den objektiven Tat­bestand der ausgeurteilten Straßenverkehrsgefährdung. Es ist bereits fraglich, ob aufgrund der Feststellungen ein grob verkehrswidriges und rücksichtsloses Handeln des Angeklagten angenommen werden kann. Zumindest aber eine konkrete Gefahr lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen.“

Das ist ein „satter“ Verstoß gegen § 267 StPO und führt  zur Aufhebung. Das Urteil des Tatrichters ist m.E. ein Lehrstück, wie man es nicht macht: Lücke bei den tatsächlichen Feststellungen, Lücke bei der Beweiswürdigung, Lücke bei der Strafzumessung, alles in allem: Ein großes Loch.  Man fragt sich, warum tun Tatrichter das? Bringt doch nur Mehrarbeit, da ein anderer Kollege die Sache jetzt noch mal verhandeln darf/muss. Der freut sich natürlich.

Die Entmannung unserer Sprache

Wir Juristen haben ja auch viel mit Sprache zu tun: Wie sage ich es, was sage ich und was sage ich wie, wie versteht es der Beklagte, der Angeklagte, das Revisionsgerichte? Von daher: Präzise muss es sein. Zu begrüßen (?):-)  ist deshalb der Versuch zur „Entmannung unserer Sprache„. Zwar nicht hier, aber in „der“ Schweiz, die vielleicht bald „das Schweiz“ heißt. Ein Anfang ist gemacht :-). Schön die Sache mit dem „herrenlosen Damenfahrrad“: „“In der Berner Herrengasse – pardon: in der Berner Gruppengasse wurde heute Vormittag ein kaufkundschaftsloses Velo für weibliche Verkehrsteilnehmende sichergestellt.““