Ein im Grunde ganz einfacher Fall, der in der Praxis gar nicht selten sein dürfte, führt m.E. zu einer Falle, in die ein Gericht schnell tappt. Jedenfalls war das mein Eindruck, als ich die Entscheidung des BGH v. 13.04.2010 – 3 StR 24/10 gelesen habe.
Sachverhalt wie folgt: Der Vorsitzende der Strafkammer hat die Rechtsanwälte A. und S. zu Verteidigern des Angeklagten bestellt. In der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten und den Mitangeklagten A. hat das LG für die Schlussvorträge der Verteidiger Fortsetzungstermin auf den 09.06.2009 bestimmt. In diesem Termin blieb sowohl Rechtsanwalt A. als auch Rechtsanwalt S. aus. Stattdessen erschien Rechtsanwalt Sch. und erklärte, er komme als „Vertreter“ für den erkrankten Rechtsanwalt A., könne aber nicht als Verteidiger des Angeklagten auftreten, da er mit dem Verfahrensstoff nicht vertraut sei. Auf Anregung des Verteidigers des Mitangeklagten beschloss das LG hierauf die Abtrennung des Verfahrens gegen den Angeklagten und bestimmte insoweit Fortsetzungstermin auf den 22.06.2009. Der Hauptverhandlung gegen den Mitangeklagten wurde sodann mit dem Schlussvortrag des Verteidigers und der Verkündung des Urteils gegen diesen fortgesetzt. Gegen den Angeklagten wurde am 22.06.2009 fortgesetzt und das ihn verurteilende Urteil am 26. 6. 2009 verkündet.
Der BGH sagt: Die Verfahrensrüge (§ 338 Nr. 5 StPO) hat Erfolg, weil während der Verhandlung und Entscheidung über die Verfahrenstrennung (09.06.2009) entgegen § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO kein Verteidiger des Angeklagten anwesend war. Der Sch. war nicht Verteidiger und die Abtrennung des Verfahrens gegen den Angeklagten ist wesentliche Förmlichkeit der Hauptverhandlung. Hätte ich – glaube ich – auch übersehen. Was kann die Strafkammer tun? M.E. hat sie nur die Möglichkeit nicht in der HV abzutrennen.
Im Übrigen: Hut ab vor dem Revisionsverteidiger, der das „Loch“ entdeckt hat. Findet man auch nicht jeden Tag.
In der Tat ist der Verteidiger zu beglückwünschen. Da zeigt sich, was eine wirklich genaue Prüfung der Revisionsgründe wert sein kann.
Harry Westermann hätte früher gesagt: Das Recht ist für die Hellen 🙂
Anscheinend hat es tatsächlich Sinn, dass man während des Referendariats von den AG-Leitern mit derartigen Abstrusitäten gequält und zur Genauigkeit angehalten wird.
so abstrus finde ich das gar nicht. sicherlich eine Situation, die häufiger anzutreffen ist. man muss nur darauf kommen 🙂
Wenn ich es recht sehe, ist das aber eine im Ergebnis vor allem für Strafverteidiger eher ärgerliche Entscheidung – wenn bei mehreren Angeklagten einer der Verteidigerkollegen erkrankt, platzt in Zukunft halt der ganze Termin und sie müssen günstigstenfalls kurzfristig umdisponieren, schlechtestenfalls unverrichteter Dinge eine lange Heimreise antreten.
Es verwundert, dass der GBA nach Kenntnis der Rügebegründung nicht auf die Idee verfallen ist, den Angeklagten durch den erschienen dritten Verteidiger als „Wahlverteidiger“ als ordnungsgemäß verteidigt angesehen zu haben. Für solche Sachverhaltsquetschen sind die Bundesanwälte eigentlich immer zu haben.