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OWi II: Zweimal AG zur Akteneinsicht in Messserie u.a., oder: Antrag auf gerichtliche Entscheidung überholt?

Und dann im zweiten Posting drei Entscheidungen zur Akteneinsicht, Stichwort: Messserie u.a. Nichts Weltbewegendes, aber zwischendurch kann man ja mal wieder über die Problematik berichten. Denn ausgestanden sind die Dinge/Fragen nicht.

Hier sind dann:

Da es dem Betroffenen aufgrund des standardisierten Messverfahrens obliegt, konkrete Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Messung vorzutragen, sind ihm die Daten der gesamten Messserie auf einem von der Verteidigung zur Verfügung gestellten Speichermediumzur Verfügung zu stellen.

    1. Dem Verteidiger ist auf seinen Antrag die vollständige Messreihe zu einer Geschwindigkeitsmessung zur Verfügung zu stellen, das ohne die Herausgabe der entsprechenden Daten der Anspruch auf des Betroffenen auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt würde.
    2. Die Herausgabe des (öffentlichen) Token kann hingegen nicht verlangt werden.

Zwar wird nicht stets durch Einspruch oder Rechtskraft des Bußgeldbescheides eine nachträgliche Unzulässigkeit des Verfahrens nach § 62 OWiG eintreten. In Fällen jedoch, in dem der Antrag auf gerichtliche Entscheidung darauf abzielte, die Hauptsache-entscheidung vorbereitende prozessuale Fragen (insbesondere der Akteneinsicht des Betroffenen) zu klären, wird der Antrag durch das Fortschreiten des Verfahrens in Form des Ein-spruchs gegen einen erlassenen Bußgeldbescheid unzulässig, da er prozessual überholt ist. Erst recht gilt dies bei eingetretener Rechtskraft.

Die Beschlüsse des AG Beckum und des AG Köln sind m.E. zutreffend. Sie setzen konsequent die Rechtsprechung des BVerfG und – der des AG Köln – die des OLG Köln um. Die im Beschluss zitierte Entscheidung des OLG hatte ich ja hier auch vorgestellt.

Beim AG Dortmund habe ich so meine Bedenken, ob das zutreffend ist. Allerdings: Man kennt den genauen Sachverhalt nicht. So sind Beschlussinhalt und Leitsatz des AG für mich eine nicht überprüfbare Behauptung. Jedenfalls eröffnen solche Entscheidungem der AG den Verwaltungsbehörden die Möglichkeit, entsprechende Anträge mal einfach „ungestraft“ „liegen zu lassen“.

So, und dann mal aus Anlass dieses Postings <<Werbemodus an>>, denn: Wir sind allmählich mit den Arbeiten an der 7. Auflage vom „Handbuch des straßenverkehrsrechtlichen OWi-Verfahrens“ am Ende, so dass einem Erscheinen im März/April nichts entgegenstehen dürfte. Daher: Vorbestellungen sind möglich. Und wer vorbestellt, muss sich um nichts mehr kümmern. Das Buch kommt dann automatisch.

Es gibt übrigens auch das „Verkehrsrechtspaket“ neu, also dann „Messungen“ in der 6. Aufl. und OWi-HB in der 7. Aufl. Aktueller geht nicht.

Zu den Vorbestellungen geht es hier. <<Werbemodus aus>>.

Geldbuße 75 EUR versus SV-Kosten ca. 2025 EUR, oder: Kein rechtliches Gehör – kein Kostenansatz

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Beweiserhebungen im Bußgeldverfahren können, insbesondere wenn es um die Erstattung von Sachverständigengutachten geht, erhebliche Kosten verursachen, die ggf. über den Kostenansatz später auf den Betroffenen zukommen. Der wird sich, wenn er ggf. rechtzeitig von einer beabsichtigten Beweiserhebung erfährt, überlegen, ob es sinnvoll ist, das Verfahren fortzusetzen oder ob er nicht besser Rechtsbehelfe zurücknimmt und so das Verfahren beendet.

Mit den Folgen einer unterlassenen Benachrichtigung bzw. Anhörung eines Betroffenen im Bußgeldverfahren befasst sich dann der OLG Stuttgart, Beschl. v. 26.10.2023 – 4 Ws 368/23.

Gegen den Betroffenen war wegen einen Abstandsverstoßes ein Bußgeldbescheid mit einer Geldbuße in Höhe von 75 EUR erlassen worden. Der Betroffene hat dagegen Einspruch eingelegt. Nach Eingang der Akten beim AG bestimmte der Amtsrichter Termin zur Hauptverhandlung auf den 09.02.2023 und ordnete das persönliche Erscheinen des Betroffenen an. Der Betroffene bat sodann um Prüfung einer Entscheidung im Beschlussverfahren und der Verhängung einer Geldbuße von 55 EUR. Der Amtsrichter ordnete aber zur Hauptverhandlung die Ladung eines Sachverständigen an mit dem Beweisthema „vorwerfbarer Abstandsverstoß aus technischer Sicht“, dem die Akten übersandt wurden.

Mit Schreiben vom 31.01.2023 nahm der Betroffene den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid zurück. Bereits vor Eingang der Rücknahme hatte der Amtsrichter den Sachverständigen mit E-Mailnachricht vom selben Tag gebeten, die Bearbeitung des Gutachtenauftrags einzustellen, da der Betroffene die Einspruchsrücknahme in einem zuvor geführten Telefonat angekündigt hatte. Am 10.02.2023 bezahlte der Betroffene den im Bußgeldbescheid festgesetzten Gesamtbetrag.

Mit Kostenrechnung vom 09.02.2023 wurde der Betroffene u.a. zur Zahlung der von dem Sachverständigen mit Rechnung vom 01.02.2023 geltend gemachten Kosten in Höhe von 2.025,98 EUR aufgefordert. Hiergegen legte der Verteidiger Erinnerung ein. Die hat das AG zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen hatte beim LG keinen Erfolg. Die dagegen gerichtete weitere Beschwerde des Betroffenen (§ 66 Abs. 4 S. 1 GKG) hat das OLG als zulässig und begründet angesehen.

Das OLG begründet seine Entscheidung „sehr fein“. Ich verweise wegen der Einzelheiten auf den Volltext und stelle hier nur den Leitsatz ein:

Dem Betroffenen ist im (gerichtlichen) Bußgeldverfahren vor der Anordnung kostenträchtiger Beweiserhebungen rechtliches Gehör zu gewähren. Die Nichtgewährung ist daher als offensichtlicher Verfahrensverstoß zu behandeln, der die Nichterhebung der durch die Beweiserhebung entstandenen Verfahrenskosten zur Folge hat.

Auslagenerstattung nach Einstellung des Verfahrens, oder: Wie oft denn noch?

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Und dann heute der letzte Gebührenfreitag. Heute zum Jahresabschluss noch einmal mit zwei kostenrechtlichen Entscheidungen. Beide stammen aus dem Bußgeldverfahren.

Ich beginne mit dem LG Meiningen, Beschl. v. 06.10.2023 – 6 Qs 122/23 – noch einmal bzw. mal wieder zur Frage der Auslagenerstattung, wenn das Verfahren gegen den Betroffenen eingestellt worden ist. Das AG hatte die Auslagenerstattung abgelehnt, das LG sieht das anders und hat den AG-Beschluss aufgehoben und die Erstattung angeordnet:

„Die Auferlegung der Auslagen der Beschwerdeführerin zum Nachteil derselben hat auch unter Berücksichtigung der Regelung des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO keinen Bestand. So schließt sich die Kammer zunächst der Auffassung an, wonach die Vorschrift auch dann anwendbar ist, wenn die Verfahrenseinstellung vor oder außerhalb der Hauptverhandlung erfolgt. (Dazu: Mey-er-Goßnerischmitt,64. Aufl. 2021, § 467, Rdn. 16 ff. m.w.N. und BeckOK, StPO, 48. Ed. 1.7.2023, § 467, Rdn. 13 m.w.N.) Es berücksichtigt dabei insbesondere den Umstand, dass die eng auszulegende Ausnahmevorschrift keine strafähnlich wirkende Schuldfeststellung trifft und daher keinen Verstoß gegen die.in Art. 6 Abs. 2 MRK verankerte Unschuldsvermutung darstellt. (MüKo, StPO, 1. Aufl. 2019, StPO § 467, Rdn. 2 m.w.N.) Nach der Vorschrift des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO kann zwar grundsätzlich von der Kostenauferlegung abgesehen werden, wenn das Gericht das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses — hier der Verfolgungsverjährung — einstellt, es aber bei Hinwegdenken dieses Hindernisses mit Sicherheit zu einer Verurteilung gekommen wäre (BGH NStZ 1995, S. 406). Dabei handelt es sich jedoch um eine Ausnahmevorschrift, die eng auszulegen ist, daher muss ein „erheblicher Tatverdacht“ bestehen (OLG Jena Beschl. v. 11.01.2007 — 1 Ws 195/05 = NStZ-RR 2007, S. 254). Hinsichtlich der insoweit zu treffenden Prognose über den mutmaßlichen Verfahrensausgang ohne Schuldfeststellung ist auf die bisherige Beweisaufnahme, notfalls auch auf die reine Aktenlage zurückzugreifen. Da das Ermessen („kann davon absehen“) jedoch erst dann und nur dann eröffnet ist, wenn das Gericht (bereits) davon überzeugt ist, dass der Betroffene, ohne das Verfahrenshindernis verurteilt werden würde, müssen zu dem Verfahrenshindernis als alleinigem der Verurteilung entgegenstehendem Umstand demnach weitere besondere Umstände hinzutreten, die es billig erscheinen lassen, dem Betroffenen die Auslagenerstattung zu versagen (BVerfG [3. Kammer des 2. Senats] Beschl. v. 26.05.2017 — 2 BvR 1821/16 = NJW 2017, S. 2459).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen des § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO vorliegend gerade nicht vor. Die gilt auch unabhängig davon, ob hinsichtlich der Beschwerdeführerin ein hinreichender und erheblicher Tatverdacht für die ihr vorgeworfene Tat bestand, worauf zumindest — im Einklang mit den Ausführungen des Amtsgerichts — sämtlich in der Akte befindlichen Unterlagen, die nach der einschlägigen obergerichtlichen eine tragfähige Verurteilung ermöglichen würden (Annahme der Fahrereigenschaft (Lichtbildvergleich), den Tatvorwurf stützendes Messprotokoll sowie Geschwindigkeitsmessblatt nebst Schulungsnachweis und Eichurkunde), hinweisen. Dies begründet sich damit, dass es vorliegend jedenfalls an dem Hinzutreten weiterer besonderer Umstände (sowie entsprechenden diesbezüglichen Ausführungen des Amtsgerichts dazu) fehlt, da das Verfahrenshindernis schon vor Erlass des Bußgeldbescheides und damit auch schon vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens bestand. So war vorliegend —entsprechend der polizeilichen Stellungnahme — gerade keine verjährungshemmende Anhörung der Beschwerdeführerin am 22.12.2022 erfolgt, sodass die Verjährung noch Ende Dezember 2022 eintrat. Gleichwohl erging unter dem 16.01.2023 der streitgegenständliche Bußgeldbescheid. Damit lag der Eintritt des Verfahrenshindernisses noch weit vor Eröffnung des Hauptverfahrens, sodass eine Auslagenaufbürdung auf den Betroffenen grundsätzlich auszuscheiden hat. (Dazu: Meyer-Goßner/schmitt,64. Aufl. 2021, §.467, Rdn. 18 m.w.N. und Gercke/Temming/Zöller, StPO; 7. Auflage 2023, § 467 StPO, Rdn. 10 f. m.w.N.) Anhaltspunkte, die ausnahmsweise eine andere Einschätzung ermöglichen würden, sind hingegen weder aus der Akte, noch aus dem angegriffenen Beschlusses ersichtlich. Dies gilt umso mehr; da der Umstand des Verjährungseintritts auch von vornherein für alle erkennbar und der Eintritt des Verfahrenshindernisses vorhersehbar war, sodass die entstandenen Kosten vorliegend vielmehr der staatlichen Sphäre zuzurechnen sind und es somit bei der Regelung des § 467 Abs. 1 StPO verbleibt.“

Dass man als Verteidiger für den Mandanten in der Frage immer wieder „kämpfen“ muss.

Und nochmals Rahmengebühren im Bußgeldverfahren, oder: Die Mittelgebühr ist immer der richtige Ansatz

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Und als zweite Entscheidung dann der AG Leipzig, Beschl. v. 07.08.2023 – 227 OWi 953/23 -, der noch einmal zur Bemessung der Rahmengebühren im Bußgeldverfahren Stellung nimmt. Und das AG macht es richtig, es geht davon aus, dass grudnsätzlich die Mittelgebühr zugrunde zu legen ist:

„Zugrunde liegt ein straßenverkehrsrechtliches Bußgeldverfahren wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes, welches mit einer Geldbuße i.H.v. 200 € und einem Fahrverbot von 1 Monat zu ahnden wäre und bei Verurteilung 2 Punkte im FAER als mittelbare Folge mit sich bringen würde.

Der Verteidiger hat sich zunächst bestellt und Akteneinsicht begehrt (BI. 9 d.A.) und gegen den am 13.10.2021 erlassenen Bußgeldbescheid (BI. 24 d.A.) form- und fristgerecht am 20.10.2021 Einspruch eingelegt (BI. 26 d.A.). Mit eingegangenem Schriftsatz vom 2.6.2022 hat der Verteidiger auf Verfolgungsverjährung hingewiesen (BI. 27 d.A.) und nach Einstellung des Verfahrens wegen Verfolgungsverjährung durch die Ordnungsbehörde (BI. 28 d.A.) Kostengrundentscheidung (BI. 29 d.A.) beantragt, die am 20. 9.2022 mit der Maßgabe erfolgt ist, dass die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Stadtkasse auf Leipzig auferlegt werden.

Am 6.10.2022 hat der Verteidiger Kostenfestsetzungsantrag gestellt. Die Höhe entspricht der obigen Tenorierung (BI. 46, 46 Rückseite der Akte).

Mit Kostenbescheid vom 2.5.2023 hat die Bußgeldbehörde die Gebühren auf 454,58 € gekürzt: Grundgebühr 65 €, Verfahrensgebühr 110 €, so dass der Gesamtbetrag auf 454,58 € festgesetzt worden ist. Die Ordnungsbehörde setzte die Grundgebühr und die Verfahrensgebühr herab, weil sie der Auffassung ist, das nur eine herabgesetzte Mittelgebühr anzusetzen sei. Es handele sich bei den Bußgeldverfahren im Straßenverkehr um Massenverfahren, das Verfahren habe keine tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten aufgewiesen.

Hiergegen wendet sich der Verteidiger mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Die Mittelgebühr sei gerechtfertigt, er habe umfangreich vorgetragen.

2. Dem Antrag des Verteidigers auf gerichtliche Entscheidung ist der Erfolg nicht zu versagen. Er hat ein Anspruch auf Erstattung der von ihm begehrten Gebühren nach dem RVG.
Die Rahmengebühr nach § 14 RVG ist unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen zu bestimmen (Amtsgericht Hamburg- Harburg, Beschluss vom 3.6.2021 -621OWiG 128/ 1, Rn. 12, juris).

Anzusetzen ist in straßenverkehrsrechtlichen Bußgeldverfahren grundsätzlich die Mittelgebühr (Amtsgericht München, Urteil vom 2.12.2019 -213 C 16136/19; Gerold/Schmidt/ Mayer, 24. Aufl. 2019, RVG § 14 Rn. 54-57), Abweichung davon sind im Einzelfall denkbar.

Eine Abweichung nach unten, die zur Herabsetzung der Gebühren des Verteidiger führen, sind vorliegend nicht ersichtlich.

Bei der konkreten Tätigkeit des Verteidigers ist seine beantragte Mittelgebühr festzusetzen. Dieser hat sich nicht nur bestellt und formal Akteneinsicht beantragt, sondern hat sich auch darüber hinaus mit dem Messsystem befasst und nach Erlass des Bußgeldbescheides die Verfolgungsverjährung geprüft, und diese erfolgreich durchgesetzt, sodass auch ein Hauptverfahren vermieden werden konnte.

Vorliegend handelte es sich auch um einen qualifizierten Rotlichtverstoß, der für den Betroffenen erhebliche Konsequenzen hätte, wenn es zu einer Hauptverhandlung gekommen wäre. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Betroffenen sind vorliegend unerheblich.“

Geht doch 🙂 .

Verkehrs-Owi sind immer unterdurchschnittlich, oder: Fehlende Ermessensausübung des Verteidigers

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Am letzten Freitag im September dann zwei gebührenrechtliche Entscheidungen zu den Rahmengebühren, also § 14 RVG.

Ich beginne mit dem LG Dresden, Beschl. v. 14.09.2023 – 5 Qs 56/23. Das LG äußert sich noch einmal zu den Rahmengebühren im Bußgeldverfahren. In dem Verfahren ging es um einen Rotlichtverstoß mit einem Bußgeld in Höhe von 90,00 €, verbunden mit der Eintragung von einem Punkt in das Fahreignungsregister. Dagegen der Einspruch des Verteidigers. Die Hauptverhandlung beim AG hat dann 27 Minuten gedauert. Der Betroffene ist frei gesprochen worden.

Der Verteidiger macht dann seine Gebühren geltend, wobei er bezüglich der Grund- und Verfahrensgebühren jeweils 90 % der Mittelgebühr und betreffend der Terminsgebühr 96 % der Mittelgebühr ansetzt. Der Bezirksrevisor hat  die Festsetzung der Gebühren jeweils in Höhe von 70 % der jeweiligen Mittelgebühr beantragt. In der Höhe hat das AG dann festgesetzt. Dagegen die sofortige Beschwerde, die keinen Erfolg hatte:

„Nach § 14 RVG bestimmt ein Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände. Solche sind v. a. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit sowie Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers. Wenn die Gebühr von einem Dritten, mithin auch von der Staatskasse, zu ersetzen ist, ist die anwaltlich getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist, § 14 Abs. 1 S. 4 RVG.

Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer sind durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeiten mit einfachen Sach- und Rechtsfragen, niedrigen Geldbußen und wenigen Punkten im Fahreignungsregister grundsätzlich als unterdurchschnittliche Bußgeldsache anzusehen, (vgl. LG Dresden, Beschluss vom 29.09.2017, 5 Qs 63/17, im Ergebnis wie hier LG Hanau, Beschluss vom 18. Mai 2020 – 7 Qs 38/20 -, juris; LG Osnabrück, Beschluss vom 25. Februar 2020 – 15 Qs 11/20 -, juris; LG Halle (Saale), Beschluss vom 18. Dezember 2019 – 3 Qs 117/19 -, juris; LG Kassel, Beschluss vom 20. Mai 2019 – 8 Qs 18/19 -, juris und LG Berlin, Beschluss vom 12. September 2006 – 526 Qs 257/06 -, juris). Als angemessene Vergütung in derlei Fällen kommt grundsätzlich nicht die Mittelgebühr, sondern eine niedrigere Gebühr in Betracht.

Der Verteidiger des Betroffenen hat in Kenntnis dieser ständigen Rechtsprechung der Kammer, die in vergleichbaren Fällen eine Gebührenerstattung in einem Umfang von 70 % der Mittelgebühr vorsieht, 20 % bzw. 26 % hinzuaddiert und vorgetragen, dass bei der Gebührenbemessung das Ermessen in dieser Bußgeldsache berücksichtigt worden sei, indem er gerade nicht die Mittelgebühr in Ansatz gebracht habe.

Der Verteidiger des Betroffenen übersieht dabei, dass der Toleranzrahmen von 20 % bei der anwaltlichen Bestimmung der billigen Gebühr nach § 14 RVG nicht den Zweck hat, die eindeutig angemessene Gebühr einfach um 20 % zu erhöhen. Eine vom Gericht zu tolerierende Gebührenbestimmung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn sie auf Grund der Umstände des Einzelfalls in Verbindung mit den Bemessungskriterien getroffen worden ist, (vgl. Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, § 14 Rn. 12).

Daran fehlt es vorliegend. Bereits aus dem Verteidigervorbringen ergibt sich, dass sich die Entscheidung nicht mit den Umständen des Einzelfalls, der Bedeutung der Angelegenheit, der Schwierigkeit und des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Betroffenen auseinandergesetzt hat, sondern lediglich unter Berufung auf die Toleranzgrenze ein Aufschlag auf die angemessene Gebühr um 20 % bzw. 26 % vorgenommen wurde.

Eine solche ohne das gebotene Ermessen getroffene Bestimmung ist ermessensfehlerhaft und damit unbillig und nicht verbindlich, auch wenn die geltend gemachten Gebühren die Toleranzgrenze von 20 % teilweise nicht überschreiten sollten….“

Dazu nur zwei Punkte:

1. Das, was das LG zur Rahmengebühr und zur Mittelgebühr schreibt, ist falsch und wird auch nicht dadurch richtig(er), dass man auf eine falsche ständige Rechtsprechung verweist. Das ist mal wieder eine der Sachen, bei der ich schreien möchte: Ich mag nicht mehr.

2. Zutreffend ist allerdings dann – blindes Huhn und so 🙂 -, was das LG zur Gebührenbestimmung schreibt. Da muss die Ausübung des Ermessens des Rechtsanwalts erkennbar sein, was hier aber nicht der Fall war. Also: Keine Bindungswirkung.