Die zweite Entscheidung kommt vom OLG Hamm. Der OLG Hamm, Beschl. v. 25.3.2021 – 4 Ws 53/21 – ist nach einer Entscheidung über eine Rechtsbeschwerde eines Untergebrachten in einer Maßregelvollzugssache ergangen.
Der Rechtsanwalt hat einen seit dem 06.09.2016 nach § 63 StGB in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebrachten Betroffenen, der an einer paranoiden Schizophrenie (ICD-10 F 20.0) leidet, vertreten. Da sich die psychotische Symptomatik des Betroffenen seit Mitte Juni 2019 deutlich verschlechtert hatte, beabsichtigte die Klinik, den Betroffenen zur Erreichung seiner Entlassfähigkeit entgegen seinem Willen mit 150 mg Haloperidol-Dec. (3 ml) i. m. alle drei Wochen zunächst für die Dauer von drei Monaten zu behandeln. Hiergegen stellte der Betroffene mit Eingaben vom 21.11.2019, 29.11.2019 und 02.01.2020 Antrag auf gerichtliche Entscheidung, den die Strafvollstreckungskammer des LG mit Beschluss vom 27.01.2020 als unbegründet zurückwies. Gegen diesen Beschluss legte der Betroffenen mit Schreiben vom 18.02.2020 Rechtsbeschwerde ein. Im Verfahren vor dem 1. Strafsenat des OLG Hamm (Az. III-1 Vollz(Ws) 81/20) wurde dem Betroffenen sodann der Kollege als Verteidiger beigeordnet und zudem Prozesskostenhilfe bewilligt. Der Verteidiger legte für den Betroffenen mit anwaltlichem Schriftsatz vom 03.03.2020 erneut Rechtsbeschwerde ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 20.03.2020. Mittlerweile war allerdings die angeordnete und am 11.12.2019 sowie am 02.01.2020 bereits erfolgte Zwangsmedikation mit dem Medikament Haldol nicht weiter fortgesetzt worden, da der Betroffene seit geraumer Zeit eine orale Gabe des Medikaments Abilify akzeptiert hatte. Daher beantragte der Betroffene mit anwaltlichem Schriftsatz vom 20.03.2020 nun festzustellen, dass die erfolgte Anordnung der Zwangsmedikation rechtswidrig gewesen sei. Mit Beschluss vom 17.06.2020 hat das OLG Hamm die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung über den Feststellungsantrag des Betroffenen zurück an die Strafvollstreckungskammer beim LG zurückverwiesen. Die hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung erneut als unbegründet zurückgewiesen und den Verfahrenswert auf bis zu 500 EUR festgesetzt. Dagegen das Rechtsmittel des Verteidigers, das beim OLG (teilweise) Erfolg hatte.
„Die Beschwerde gegen den Streitwertbeschluss des Landgerichts Paderborn vom 01.09.2020 ist zulässig; sie wurde insbesondere innerhalb der Sechs-Monatsfrist nach Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung (§ 68 Abs. 1 Satz 3 GKG i. V. m. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG) eingelegt.
Die Beschwerde hat auch in der Sache teilweise Erfolg. Der Streitwert war im vorliegenden Fall zwar nicht antragsgemäß auf 5.000 EUR, aber zumindest auf 2.000 EUR festzusetzen (§§ 65 S. 1, 60 Halbsatz 1, 52 Abs. 1 GKG).
Der Senat hat sich bei der Wertfestsetzung an der sich aus dem Antrag des Betroffenen für ihn ergebenden Bedeutung der Sache orientiert (§ 52 Abs. 1 GKG). Die subsidiäre Regelung des § 52 Abs. 2 GKG war nicht anzuwenden, da der Sach- und Streitstand genügende Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Streitwerts nach § 52 Abs. 1 GKG bietet.
Bei der Streitwertbestimmung war nach § 52 Abs. 1 i. V. m. § 60 Halbsatz 1 GKG die hier besonders hoch anzusetzende Tragweite der Entscheidung für den Untergebrachten zu berücksichtigen.
Dem Landgericht Paderborn ist zwar insoweit zuzustimmen, als der Streitwert in Straf- und Maßregelvollzugssachen angesichts der geringen finanziellen Leistungsfähigkeit der meisten Gefangenen bzw. Untergebrachten wegen des Kostenrisikos eher niedrig festzusetzen ist, allerdings muss dieser aber bei Mitwirkung eines Verteidigers zumindest so hoch bemessen sein, dass die Tätigkeit des Verteidigers wirtschaftlich vertretbar erscheint. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass dem Betroffenen die Möglichkeit der Wahl eines Rechtsanwalts seines Vertrauens faktisch genommen wird (so auch OLG Koblenz, Beschluss vom 04.04.2019, Az. 2 Ws 767/18 Voll m. w. N.).
Soweit das Landgericht Paderborn ausführt, das Bundesverfassungsgericht habe sogar einen Streitwert von 200 EUR nicht beanstandet, greift dieses Argument schon deswegen nicht durch, weil das Bundesverfassungsgericht mangels Entscheidungserheblichkeit in der zitierten Entscheidung zur Angemessenheit der Höhe eines Streitwerts von 200 EUR inhaltlich gerade keine Stellung genommen hat. Die Festsetzung des Streitwerts auf 500 EUR statt auf 200 EUR bietet im Übrigen hinsichtlich der wirtschaftlichen Vertretbarkeit für den Verteidiger keine Vorteile, da sowohl § 13 Abs. 1 Satz 1 RVG als auch § 34 Abs. 1 Satz 1 GKG den ersten Gebührensprung erst bei 500 EUR ansetzen.
Unter Berücksichtigung des tiefgreifenden Grundrechtseingriffs in die körperliche Unversehrtheit und das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Art 1 Abs. 1 GG) durch die angeordnete dreimonatige Zwangsmedikation und aufgrund der Tatsache, dass dem Betroffenen das Medikament Haloperidol bereits zweimal injiziert worden war, ist der Streitwert im konkreten Fall auf bis zu 2.000 EUR festzusetzen.“