Seit gestern steht BGH, Beschl. v. 22.03.2012 – 1 StR 359/11 auf der Homepage des BGH online (vgl. auch hier die PM des BGH). Ein erste Einschätzung der Entscheidung führt zu folgenden Anmerkungen:
- Der BGH hat das Urteil des LG Stuttgart nur teilweise aufgehoben. Die Feststellungen zum Geschehen am 11.03.2009 und die Ereignisse des Tages hat er bestehen lassen. Das bringt vielleicht ein wenig Entlastung für die Beteiligten, die zum Geschehen am 11.03.2099 nun nicht noch einmal aussagen müssen.
- Erfolg hatte die Revision des Angeklagten mit einer Verfahrensrüge, mit der die Beeinträchtigung des Fragerechts des Angeklagten geltend gemacht worden ist. Und zwar hervorgerufen dadurch, dass die Strafkammer einer Zeugin – Therapeutin des Sohnes des Angeklagten – ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht eingeräumt hatte, das diese auch in Anspruch genommen hat. Der BGH sieht dieses Auskunftsverweigerungsrecht wegen versuchter Strafvereitelung nicht.
Frage, die sich in dem Zusammenhang stellt: Hat die Zeugin nicht jetzt im neuen Durchgang ein Auskunftsverweigerungsrecht wegen einer ggf. falschen Aussage in der ersten Hauptverhandlung?
- Eine Segelanweisung gibt der BGH wegen der nicht erfolgten Verwertung einer Epikrise betreffend den Sohn des Angeklagten. Insoweit bleibt aber offen, wohin der BGH tendiert. Jedenfalls reicht ihm die bislang gegebene Begründung für die Nichtverwertung nicht aus.
- Und: Der BGH gibt eine Segelanweisung hinsichtlich des Schuldspruchs.
„Die Strafkammer hat auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen zutreffend neben den Verstößen gegen das Waffengesetz auch fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung bejaht. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die Annahme der Strafkammer, der Angeklagte hätte voraussehen können, dass sein Sohn als Folge der unzulänglichen Sicherung von Waffen und Munition auf Menschen schießen wird, nicht notwendig davon abhängig sein muss, wie präzise die Kenntnis des Angeklagten über das Maß der psychischen Erkrankung seines Sohnes war. Schon diese unzulängliche Sicherung von Waffen und Munition unter Verstoß gegen die spezifischen waffenrechtlichen Aufbewahrungspflichten kann den Vorwurf der Fahrlässigkeit für Straftaten begründen, die vorhersehbare Folge einer ungesicherten Verwahrung sind. Für die Vorhersehbarkeit könnte hier zudem die – für sich gesehen bislang rechtsfehlerfrei getroffene – Feststellung sprechen, dass der Angeklagte entgegen dem Rat des Klinikums nicht für eine Weiterbehandlung seines Sohnes sorgte, dies selbst dann noch nicht, als sich dessen psychischer Zustand wieder deutlich verschlechterte.
Stattdessen ermöglichte der Angeklagte seinem, wie ihm jedenfalls bekannt war, psychisch sehr labilen Sohn, der seit Jahren in Computerspielen auf andere schoss, sich im Schützenverein im Umgang mit realen Schusswaffen zu üben.“
Letzeres wird man zukünftig auch in anderen Verfahren wegen fahrlässiger Tötung zu beachten haben.
Was ist nun verwirrend? Nun, das aufgehobene Urteil stammt von einer Strafkammer. Zurückverwiesen wird an eine Jugendkammer. Das erschließt sich mir nicht. bzw. das bleibt unklar. Wieso?