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Verkehrsrecht III: Keine Entziehung der Fahrerlaubnis, oder: Drucksituation widerlegt Regelvermutung

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Und dann lege ich gleich noch einmal nach bei der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis, und zwar mit dem LG Itzehoe, Beschl. v. 11.07.2023 – 14 Qs 86/23 . Der Beschluss ist ebenfalls in einem Verfahren wegen des Verdachts des unerlaubten Entfernens vom Unfallort ergangen.

Das AG hat die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen (§ 111a StPO), das LG hebt auf die Beschwerde hin aus, weil nach seiner Auffassung die Regelvermutung widerlegt ist:

„1. Die gemäß § 304 StPO zulässige Beschwerde ist in der Sache begründet.

Die Voraussetzungen für eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO liegen nicht vor. Nach § 111a Abs. 1 Satz 1 StPO kann einem Beschuldigten in einem Strafverfahren die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen werden, wenn dringende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass die Fahrerlaubnis mit einem späteren Urteil entzogen werden wird, § 69 StGB. Dies ist auf-grund des derzeitigen Sachstands jedoch nicht der Fall.

So sind vorliegend dringende Gründe für die Annahme, dass dem Beschuldigten die Fahrerlaubnis nach Durchführung der Hauptverhandlung entzogen werden wird, derzeit nicht ersichtlich, da es vorliegend an dem erforderlichen hohen Grad der Wahrscheinlichkeit fehlt, dass das Tatgericht den Beschuldigten als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ansehen wird.

Zwar sind vorliegend – nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen – die Voraussetzungen der Regelvermutung des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB erfüllt. Die Regelvermutung ist aufgrund der bestehenden Umstände des vorliegenden Einzelfalls jedoch derzeit als widerlegt anzusehen.

Eine Widerlegung der Regelvermutung des § 69 Abs. 2 StGB ist gegeben, wenn besondere Um-stände vorliegen, welche die Vermutung der fehlenden Eignung entkräften, weil sie die Tat als weniger schwerwiegend erscheinen lassen als den Regelfall (Böse/Bartsch in: Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Saliger, StGB, 6. Auflage 2023, § 69 StGB Rn. 14; Heuchemer in: BeckOK StGB, 57. Edition, Stand: 01.05.2023, § 69 StGB, Rn. 43). Dies ist unter anderem dann anzunehmen, wenn die Tat angesichts besonderer Umstände in der Person des Täters persönlichkeitsfremd erscheint, in einer Ausnahmesituation begangen wurde und eine Gesamt-würdigung ergibt, dass mit einer Wiederholung der Tat nicht zu rechnen ist (Heuchemer in: BeckOK StGB, 57. Edition, Stand: 01.05.2023, § 69 StGB, Rn. 45). Dies ist nach dem derzeitigen Sachstand vorliegend der Fall.

So ist die Tat bei einer Gesamtschau aller derzeit aktenkundigen Umstände des Einzelfalls unter Einbeziehung der Einlassung des Beschuldigten – welche nach Auffassung der Kammer jedenfalls plausibel und derzeit nicht durch sonstige aktenkundige Umstände widerlegt ist und daher zugunsten des Beschuldigten zugrunde zu legen ist – als ein, in einer Drucksituation aufgetretenes, Augenblickversagen anzusehen, mit dessen Wiederholung nach der Auffassung der Kammer derzeit nicht zu rechnen ist.

Der Beschuldigte hat sich vorliegend – nach seiner plausiblen Einlassung – allein deshalb für das Verlassen des Unfallortes entschieden, weil er zum Zeitpunkt des Unfalls als Verkaufsfahrer des Lebensmittellieferanten Bofrost mit seiner Lieferung an einen Kunden 1,5 Stunden in Verzug war und dieser Kunde sich bei dem Beschuldigten telefonisch gemeldet und mitgeteilt hatte, dass die-ser zeitnah das Haus verlassen würde. Allein aufgrund dieser beruflichen Drucksituation hat sich der Beschuldigte – wie sowohl in der Beschwerdebegründung seines Rechtsanwaltes vom 05.06.2023 (Blatt 69 ff. der Akten), als auch von dem Beschuldigten persönlich in seinen Angaben anlässlich der Anhörung vom 29.12.2022 (Blatt 15 der Akten) angegeben – fälschlicherweise dazu entschieden, zunächst die Lieferung an den besagten Kunden in unmittelbarer Nähe zum Unfallort durchzuführen und erst danach an den Unfallort zurückzukehren, um die Polizei zu informieren. Ob die Rückkehr an den Unfallort von dem Beschuldigten tatsächlich beabsichtigt war, ist durch das Tatgericht aufzuklären, muss durch das hiesige Beschwerdegericht – angesichts der Plausibilität der Einlassung und mangels dies widerlegender Anhaltspunkte in den Akten – zugunsten des Beschuldigten jedoch angenommen werden. Zudem ist der Beschuldigte – trotz seiner Eigenschaft als Berufskraftfahrer und dem damit einhergehenden überdurchschnittlichen Fahraufkommen – seit 32 Jahren, ausweislich des Auszuges aus dem Bundeszentralregister vom 23.01.2023 und dem Auszug aus dem Fahreignungsregister vom 21.03.2023, weder strafrechtlich noch verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten.

Auch wenn das Verhalten des Beschuldigten trotz seiner Absicht zur Rückkehr an den Unfallort den Tatbestand des § 142 StGB erfüllt, so stellt sich die vorliegende Tat jedoch angesichts der oben genannten Umstände derzeit als eine solche dar, die vom Regelfall des § 142 Abs. 1 StGB in positiver Hinsicht deutlich abweicht.

Auch unabhängig von der Indizwirkung des § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB ist eine Ungeeignetheit des Beschuldigten zum Führen von Kraftfahrzeugen auf der Grundlage einer tatbezogenen Eignungsprüfung des Beschuldigten derzeit nicht ersichtlich. Eine solche besteht nur dann, wenn die Anlasstat die tragfähigen Rückschlüsse darauf zulässt, dass der Täter bereit ist, die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen kriminellen Interessen unterzuordnen (BGH, Urteil v. 27.04.2005 – GSSt 2/04 = NJW 2005, 1957, 1959). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Diesbezügliche Anhaltspunkte sind für die Kammer derzeit nicht ersichtlich.“

Na ja. Darüber kann man m.E. diskutieren 🙂 .

Trunkenheitsfahrt, oder: Keine Entziehung der Fahrerlaubnis geht auch im Feld-/Wald-/Wiesenfall

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Nichts (dramatisch) Neues enthält das LG Düsseldorf, Urt. v. 28.3.2107 – 21 Ns 179/16. Es geht um das Absehen von der Regelentziehung der Fahrerlaubnis (§ 69 StGB) nach einer Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB). Die Entscheidung ruft nur noch einmal ins Gedächtnis: Ist ein längerer Zeitraum nach der Tat verstrichen, dann stehen die Chancen gar nicht schlecht, dass ggf. von einem Fahrverbot abgesehen wird.

So auch hier: Tattag war der 26.07.2015. Die BAK lag wohl bei 1,1 Promille. Verkehrsrechtlich ist der Angeklagte nicht in Erscheinung getreten. Die Fahrerlaubnis war nicht vorläufig entzogen. Und das führt dann dazu:

„Von dem Entzug der Fahrerlaubnis gem. § 69 StGB hat die Kammer abgesehen.

Die Regelwirkung des § 316 Abs. 2 Nr. 2 StGB war vorliegend entkräftet, da sich der Angeklagte jedenfalls zum Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung nicht als ungeeignet zum Führen eines Fahrzeuges erwiesen hat. Die Fahrerlaubnis ist im vorliegenden Verfahren nicht vorläufig entzogen worden, und der Angeklagte hat seit 20 Monaten weiter am Straßenverkehr teilgenommen. Die beiden Ordnungswidrigkeiten wurden vor der erstinstanzlichen Verurteilung begangen, durch die dem Angeklagten die Folgen seiner Tat in Bezug auf seine Fahrerlaubnis erst vor Augen geführt worden sind und die ihn deutlich beeindruckt hat. Seitdem ist sein Verhalten im Straßenverkehr beanstandungsfrei. Der Grenzwert der Blutalkoholkonzentration für die Annahme des § 316 StGB war zwar erreicht, aber nicht überschritten worden, und der Angeklagte ist auch nicht wegen Delikten im Zusammenhang mit Alkohol im Straßenverkehr bereits einschlägig vorbestraft.

Von der Verhängung eines Fahrverbots gem. § 44 StGB hat die Kammer ebenfalls abgesehen, da ein solches in Anbetracht des erheblichen Zeitablaufs seine Denkzettelfunktion nicht mehr erfüllen kann.“

Also: Geht auch im Feld-/Wald-/Wiesenfall.