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Vorschnelle Abtrennung von Verfahren und Besorgnis der Befangenheit

Der BGH mal wieder zur Besorgnis der Befangenheit, dieses mal im Urt. v. 30.06.2010 – 2 StR 455/09 zu Gunsten des Angeklagten.

Vom Sachverhalt her schon interessant: Absprache mit dem Angeklagten D. Der legt ein Geständnis ab und belastet die Mitangeklagten. Die lassen sich entgegengesetzt ein und stellen Beweisanträge im Hinblick auf die Unglaubhaftigkeit der Einlassung des D. Die Kammer bescheidet die aber nicht, sondern trennt gegen D. ab, der zur abgesprochenen Strafe verurteilt wird; die Einlassung wird. Im Verfahren gegen die Mitangeklagten geht es dann weiter. Dort werden Befangenheitsanträge gestellt, die abgelehnt werden.

Der BGH sagt: Nein, Besorgnis der Befangenheit ist gegeben. Die Kammer hat durch die schnelle Abtrennung des Verfahrens gegen D. und die Entscheidung gegen D. gezeigt, dass sie sich eine abschließende Meinung gebildet hat. Kein Fall der sog. Vorbefassung.

Die 16 Seiten der Entscheidung sind interessant zu lesen.

Vorbefassung kann zur (Besorgnis der) Befangenheit führen…. also aufgepasst!

Immer wieder stellt sich im Strafverfahren die Frage: War der Richter mit der Sache vorbefasst und ist er deshalb ggf. befangen oder besteht zumindest die Besorgnis der Befangenheit. Das spielt insbesondere eine Rolle, wenn der Richter sich zu Haftfragen geäußert hat.

So auch in dem dem Beschl. des BGH v. 17.12.2009 – 3 StR 367/09 zugrunde liegenden Sachverhalt. Dort hatte der Richter im Rahmen eines Haftbefehles gegen einen Mitangeklagten auch zu den Tatbeiträgen des Angeklagten Stellung genommen. Der BGH hat darauf hingewiesen, dass eine Vorbefassung mit der Sache vom Gesetz grds. gesetzlich vorgesehen sei und keinen originären Anlehnungsgrund begründt. Dies gelte jedoch nicht, wenn aufgrund der Vorbefassung berechtigte Bedenken an der Objektivität des Richters bestehen. Davon sei auszugehen, wenn er in einem Haftbefehl indikativisch Bezug auf die Tatbeiträge der Angeklagten Bezug nimmt und Sachverhaltsschilderungen als feststehend formuliert, die insbesondere die Höhe der entstandenen Schäden betreffen, obwohl diese noch völlig unklar sind. Der Verteidiger muss die Formulierungen also sehr genau prüfen.