Inzwischen gibt es eine Vielzahl von Beschlüssen zur Videomessung im Straßenverkehr und zu ggf. bestehenden Beweisverwertungsverboten: Grundlage ist jeweils die Entscheidung des BVerfG v. 11.08.2009 – 2 BvR 941/08. Immer wieder wird nach einer Entscheidung des BGH gefragt und beanstandet, dass nicht (endlich) ein OLG dem BGH die Fragen, in denen die OLG zerstritten sind, vorlegt. Das OLG Bamberg hat nun in seinem Beschl. v. 16.03.2010 – 2 Ss OWi 235/10 mal eingehender zur Vorlagepflicht Stellung genommen und sie verneint.
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In Baden-Württemberg stehen alle Kfz-Führer unter Anfangsverdacht?
Das Bundesverfassungsgericht hatte mit seinem Beschluss in 2 BvR 941/08 die anlasslose Videokontrolle ohne gesetzliche Grundlage beanstandet. Diese Praxis verletze das Recht des Autofahrers auf informationelle Selbstbestimmung aus Art 1, 2 GG.
So weit, so gut? Wohl nicht. Denn inzwischen ist man schon erstaunt, was da alles so veröffentlicht wird. Am erstaunlichsten finde ich die Stellungnahme aus Baden-Württemberg:
Die der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrundeliegende verdachtslose Videokontrolle wird im Land nicht praktiziert“, vielmehr basierten Videokontrollen in Baden-Württemberg „immer auf dem Anfangsverdacht der Begehung einer Ordnungswidrigkeit.“ Personenbezogene Daten würden nur dann aufgezeichnet, wenn ein Verstoß von den Beamten vor Ort erkannt werde. Rechtsgrundlage sei das Ordnungswidrigkeitengesetz.
Und wo war in der Entscheidung des BVerfG der Beamte: Das ist doch im Grunde genommen genau das, was das BVerfG beanstandet hat. Ich empfehle mal einen Grundkurs in der StPO.
Ministeriums-Erlass reicht nicht für Videoüberwachung
Das BVerfG meldet gerade (Pressemitteilung Nr. 97/2009 vom 20. August 2009) zum Beschl. v. 11. August 2009 – 2 BvR 941/08, dass allein der Erlass eines Ministeriums keine ausreichende Grundlage für den Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist.
Nach dem Sachverhalt wurde im Januar 2006 auf der BAB 19 in Fahrtrichtung Rostock von der Ordnungsbehörde eine Geschwindigkeitsmessung durchgeführt. Die Videoaufzeichnung erfolgte mit dem Verkehrskontrollsystem Typ VKS. Dem Beschwerdeführer, der an diesem Tag mit seinem Pkw auf dieser Strecke fuhr, wird vorgeworfen, er habe bei km 98,6 fahrlässig die zulässige Höchstgeschwindigkeit (100 km/h) außerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h überschritten. Deshalb wurde gegen ihn ein Bußgeld in Höhe von 50 Euro festgesetzt. Die eingelegten Rechtsmittel gegen den Bußgeldbescheid, mit denen der Beschwerdeführer insbesondere rügte, dass die Video-Aufzeichnung des Verkehrsverstoßes mangels konkreten Tatverdachts ohne ausreichende Rechtsgrundlage angefertigt worden sei, hatten keinen Erfolg. Als ausreichende Rechtsgrundlage für die vorgenommene Geschwindigkeitsmessung wurde von den Gerichten der Erlass zur Überwachung des Sicherheitsabstandes nach § 4 StVO des Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommern vom 1. Juli 1999 angesehen.
Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers, soweit sie zulässig ist, zur Entscheidung angenommen, das Urteil des Amtsgerichts Güstrow und den Beschluss des Oberlandesgerichts Rostock aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Amtsgericht Güstrow zurückverwiesen. Die Rechtsauffassung der Gerichte, die den Erlass des Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommern als Rechtsgrundlage für den Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung herangezogen haben, ist unter keinem rechtlichen Aspekt vertretbar. Sie ist insofern willkürlich und verstößt gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG.
Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung kann zwar im überwiegenden Allgemeininteresse eingeschränkt werden. Eine solche Einschränkung bedarf aber einer gesetzlichen Grundlage, die dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entspricht und verhältnismäßig ist. Der als Rechtsgrundlage herangezogene Erlass des Wirtschaftsministeriums Mecklenburg-Vorpommern, stellt aber keine geeignete Rechtsgrundlage für Eingriffe in dieses Recht dar. Bei dem Erlass handelt es sich um eine Verwaltungsvorschrift und damit um eine verwaltungsinterne Anweisung. Mit Verwaltungsvorschriften wirken vorgesetzte Behörden auf ein einheitliches Verfahren oder eine einheitliche Gesetzesanwendung der untergeordneten Behörden hin. Sie sind kein Gesetz im Sinn des Art. 20 Abs. 3 sowie des Art. 97 Abs. 1 GG und können nur Gegenstand, nicht Maßstab der richterlichen Kontrolle sein.
Nach Auffassung des BVerfG erscheint die Annahme eines Beweisverwertungsverbotes möglich. Da werden sich die Bußgelbehörden aber freuen 🙂