Schlagwort-Archive: Vertraulichkeit des Wortes

StGB II: Filmen des Poliziebeamten beim Einsatz, oder: Wenn der Polizeibeamte seine Bodycam einschaltet

Bild von fsHH auf Pixabay

Im zweiten Posting dann mal wieder eine Entscheidung zur Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB)  mit einer ganz interessanten Sachverhaltsvariante. Das LG Hanau geht nämlich im LG Hanau, Beschl. v. 20.04.2023 – 1 Qs 23/22 -, in dem es die Beschlagnahme eines Mobiltelefons aufgehoben hat, von folgendem Sachverhalt aus:

Im Rahmen einer Verkehrskontrolle einen mit drei männlichen Personen besetzten Fahrzeuges, in dem sich der Beschuldigte befand, kamm es zu einer Diskussion mit den Polizeibeamten. Im Verlauf dieser Diskussion startete der eine POK mit seiner dienstlich mitgeführten „Body-Cam“ eine Ton- und Videoaufnahme, nachdem er diese gegenüber dem Beschuldigten angekündigt hatte. Daraufhin begann der Beschuldigte seinerseits, den Beamten und dessen weitere Anordnungen mit seinem – beschwerdegegenständlichen – Mobiltelefon zu filmen, wobei nach dem Stand der Ermittlungen unklar ist, ob tatsächlich eine erfolgreiche Aufnahme erfolgte.

Der Polizeibeamte forderte den Beschulidgten auf, das Filmen mit seinem Mobiltelefon zu unterlassen, da er sich strafbar mache und ihm sonst das Mobiltelefon abgenommen würde. Er erklärte ihnen daraufhin, dass sich das angefertigte Video „schon in der Cloud“ befinden würde. Die Beamten nahmen sodann telefonisch Kontakt zu dem Bereitschaftsstaatsanwalt auf, woraufhin dieser die Sicherstellung des Mobiltelefons anordnete. Der Beschuldigte händigte sein Mobiltelefon nach mehrfacher Aufforderung an die Polizeibeamten aus und forderte von den Beamten eine richterliche Entscheidung.

Das AG hat die erfolgte Beschlagnahme des Mobiltelefons bestätigt und sich dabei auf § 201 Abs. 1 Nr. 1 StG. Dagegen die Beschwerde, die beim LG Erfolg hatte:

„Die Beschwerde ist auch begründet. Die als Bestätigung der polizeilichen Beschlagnahme zu verstehende Anordnung der Beschlagnahme des Mobiltelefons und der Silikonhülle auf den Widerspruch des Beschwerdeführers durch das Amtsgericht war rechtsfehlerhaft, weil die gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 94, 98 Abs. 2 S. 1 StPO nicht vorliegen. Es fehlt nach geltender Gesetzeslage an einem Anfangsverdacht für strafbares Verhalten des Beschwerdeführers. Denn es besteht auch auf der Grundlage des von dem Beschwerdeführer eingeräumten Sachverhaltes kein Verdacht dafür, dass der Beschwerdeführer unbefugt das nichtöffentlich gesprochene Wort der Polizeibeamten während der Kontrolle auf einen Tonträger aufgenommen hat oder dies versuchte (§ 201 Abs. 1, Abs. 4 StGB). Zwar hat der Beschwerdeführer in diesem Sinne eine taugliche Tathandlung vorgenommen, weil er nach eigenem Bekunden eine solche Aufnahme mittels der Speichertechnologie seines Mobiltelefons hergestellt und auf einem sog. Cloudspeicher abgelegt hat.

Allerdings hat er damit nicht das nichtöffentlich gesprochene Wort des Polizeibeamten aufgenommen. Nach bisherigem Verständnis in Rechtsprechung und Literatur gilt eine Äußerung als nichtöffentlich i.S.d. § 201 Abs. 1 StGB, wenn sie nicht für einen größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten oder nicht durch persönliche oder sachliche Beziehungen miteinander verbundenen Personenkreis bestimmt oder unmittelbar verstehbar ist (OLG Frankfurt a.M., NJW 1977, 1547; OLG Düsseldorf, Urteil vom 04.11.2022 – 3 RVs 28/22, BeckRS 2022, 31267; Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Kargl, 5. Aufl. 2017, § 201 Rn. 8; Schönke/Schröder/Eisele, 30. Aufl. 2019, § 201 Rn. 6; MüKoStGB/Graf, 4. Aufl. 2021, § 201 Rn. 14; Fischer, 69. Aufl. 2022, § 201 Rn. 3; Lackner/Kühl/Heger/Heger, 30. Aufl. 2023, § 201 Rn. 2; BeckOK StGB/Heuchemer, 56. Ed. 1.2.2023, StGB § 201 Rn. 4 m.w.N.). Bei polizeilichen Personenkontrollen wird einschränkend keine Nichtöffentlichkeit angenommen, wenn die Kontrolle im Rahmen von Demonstrationen mit zahlreichen umstehenden Personen erfolgt (vgl. Ullenboom, Das Filmen von Polizeieinsätzen als Verletzung der Vertraulichkeit des Worts?, NJW 2019, 3108, 3110). Zum Teil wird eine den objektiven Tatbestand noch weiter einschränkende Auslegung als „faktische Öffentlichkeit“ bei Personenkontrollen auch dann angenommen, wenn mit einer Kenntnisnahme durch Dritte gerechnet werden muss, beispielsweise also dann, wenn der betroffene Polizeibeamte sich lautstark äußert und daher anzunehmen sei, dass mehrere umstehende Personen das gesprochene Wort hören können (so: LG Kassel, Beschluss vom 23.09.2019 – 2 Qs 111/19, BeckRS 2019, 38252; LG Hamburg, Beschluss vom 21.12.2021 – 610 Qs 37/21 jug., BeckRS 2021, 44380). Noch enger meinen das Oberlandesgericht Zweibrücken (Beschluss vom 30.06.2022 – 1 OLG 2 Ss 62/21, NJW 2022, 3300), das Landgericht Aachen (Beschluss vom 19.08.2020 – 60 Qs 34/20, BeckRS 2020, 43645) sowie das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 04.11.2022 – 3 RVs 28/22, BeckRS 2022, 31267) eine faktische Öffentlichkeit bereits dann annehmen zu müssen, wenn der äußernde Polizeibeamte in Anbetracht der konkreten Äußerungsumstände allein damit habe rechnen müssen, dass unbeteiligte dritte Personen die Äußerungen mithören könnten.

Selbst gemessen an diesen engen Anforderungen waren die Äußerungen des Polizeibeamten pp. im Ausgangspunkt nichtöffentlich und deshalb für eine Täterschaft des Beschwerdeführers geeignet. Denn die Kontroll- und Gesprächssituation mit Personen, die sich nachts um 00.40 Uhr in einem Fahrzeug befinden und mit denen zwei Polizeibeamte durch die geöffneten Türen oder Fenster kommunizieren, ist selbst für einen zufällig passierenden Fußgänger gerade einmal in Gesprächsfetzen inhaltlich verfolgbar, solange er sich nicht in unmittelbarer Nähe dazu stellt, um aktiv mitzuhören. Diese Begrenztheit des Personenkreises ist allen Beteiligten einer solchen nächtlichen Fahrzeug- und Personenkontrolle auch bewusst. Das war bei der verfahrensgegenständlichen Kontrolle nicht anders.

Es kann für die weitere rechtliche Bewertung offen bleiben, inwieweit das Gespräch seinen nichtöffentlichen Charakter bereits allgemein dadurch verlor, dass es sich um eine polizeiliche Maßnahme handelte (eine Anwendbarkeit des § 201 StGB auf dienstliche Verlautbarungen von Polizeibeamten im Allgemeinen zumindest infrage stellend: LG Aachen, Beschluss vom 19.08.2020 – 60 Qs 34/20, BeckRS 2020, 43645 unter Verweis auf Roggan, Zur Strafbarkeit des Filmens von Polizeieinsätzen – Überlegungen zur Auslegung des Tatbestands von § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB – Zugleich Anmerkung zu LG Kassel, Beschl. v. 23.09.2019 – 2 Qs 111/19, StV 2020, 161 und LG München I, Urt. v. 11.02.2019 – 25 Ns 116 Js 165870/17, StV 2020, 321 -, StV 2020, 328). Das Landgericht Osnabrück (Beschluss vom 24.09.2021 – 10 Qs/120 Js 32757/21 – 49/21, BeckRS 2021, 28838) geht davon aus, dass ein Amtsträger, dessen Handeln rechtlich gebunden ist und als solches einer rechtlichen Überprüfung unterliegt, keines Schutzes der Unbefangenheit bedürfe. Nach der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Kommentarliteratur sollen jedoch auch polizeiliche Kontrollen grundsätzlich dem Schutzbereich des § 201 StGB unterfallen (so etwa LG Kassel, Beschluss vom 23.09.2019 – 2 Qs 111/19, BeckRS 2019, 38252; MüKoStGB/Graf, 4. Aufl. 2021, § 201 Rn. 17a; ausführlich bereits OLG Frankfurt a.M., NJW 1977, 1547).

Die nähere Prüfung erübrigt sich deshalb, weil das Gespräch zwischen POK pp. und dem Beschwerdeführer – vergleichbar mit der Fallgruppe einer faktischen Öffentlichkeit – spätestens in dem Moment nicht mehr nichtöffentlich war, als der Beamte – zuvor angekündigt – seine dienstlich gelieferte Body-Cam anschaltete und damit seinerseits das Gespräch zu Beweiszwecken auf ein Speichermedium aufnahm. Wie sich der Einsatz einer polizeilich genutzten Body-Cam auf die Tatbestandsmäßigkeit der Norm auswirkt, ist in der Rechtsprechung bislang nicht entschieden und in der Literatur nur am Rande diskutiert worden. Eine solche Gesprächssituation nimmt nach Auffassung der Kammer gemessen an Wortlaut, Entstehungsgeschichte und insbesondere dem Strafzweck des § 201 StGB nicht mehr an dessen Schutz teil.

Schutzgut bzw. Normzweck des § 201 StGB ist der Schutz der Privatsphäre sowie das Recht auf Bestimmung der Reichweite einer Äußerung sowie die Wahrung der Unbefangenheit des gesprochenen Wortes (Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Kargl, 5. Aufl. 2017, § 201 Rn. 2 m.w.N.; MüKoStGB/Graf, 4. Aufl. 2021, § 201 Rn. 2 unter Verweis auf die Gesetzesmaterialien; Fischer, 69. Aufl. 2022, § 201 Rn. 3 sowie BeckOK StGB/Heuchemer, 55. Ed. 1.11.2022, StGB § 201 Rn. 1 jeweils mit Verweis u.a. auf BVerfG, Beschluss vom 31.01.1973 – 2 BvR 454/71, NJW 1973, 891 sowie auf BGH, Urteil vom 14.06.1960 – 1 StR 683/59, NJW 1960, 1580). Beruflich und persönlich gesprochene Worte sind gleichermaßen geschützt, weshalb die amtliche Überschrift „Vertraulichkeit“ als zu eng angesehen wird (vgl. Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Kargl, 5. Aufl. 2017, § 201 Rn. 3; OLG Karlsruhe, Urteil vom 09.11.1978 – 2 Ss 241/78, NJW 1979, 1513). Zur Veranschaulichung des Schutzzwecks wird angeführt, dass dasjenige, was als flüchtige Lebensäußerung gemeint war, nicht „in eine jederzeit reproduzierbare Tonkonserve verwandelt“ werden dürfe (so u.a. MüKoStGB/Graf, 4. Aufl. 2021, StGB § 201 Rn. 2, Schönke/Schröder/Eisele, 30. Aufl. 2019, StGB § 201 Rn. 2 und Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Kargl, 5. Aufl. 2017, § 201 Rn. 2 jeweils unter Berufung auf Gallas, ZStW 75, 16). Auch bei Betrachtung des systematischen Zusammenhanges mit Abs. 2 Nr. 1 der Bestimmung (Abhörgerät) und der Entstehungsgeschichte derselben tritt hervor, dass die Vorschrift die bei ihrem Inkrafttreten noch neuen und deshalb oft unbemerkten technischen Möglichkeiten der Tonaufnahme einhegen und dazu die heimliche Aufnahme vertraulicher Worte im engen Kreis als wesentliches Merkmal von Freiheitsstandards demokratischer Staaten verhindern wollte.

Hier liegt der Fall umgekehrt. Die den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Anspruch nehmenden Äußerungen stammen gerade von einem Polizeibeamten, der diese nicht nur im hoheitlichen Kontext abgibt, sondern gleichzeitig noch deren bestimmungsgemäße Aufnahme auf gesetzlicher Grundlage herbeiführt. Er rechnet dabei damit, dass die dem Beschwerdeführer mitgeteilte und für etwaige Ermittlungsakten dauerhaft gesicherte Aufnahme zur Folge hat, dass die Worte der Polizeibeamten gerade nicht mehr unbefangen erfolgen können, wie dies bei einer flüchtigen und gerade nicht „reproduzierbar konservierten“ Aussage der Fall ist (vgl. am Rande auch LG Aachen, Beschluss vom 19.08.2020 – 60 Qs 34/20, BeckRS 2020, 43645 unter Verweis auf Roggan, Zur Strafbarkeit des Filmens von Polizeieinsätzen – Überlegungen zur Auslegung des Tatbestands von § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB – Zugleich Anmerkung zu LG Kassel, Beschl. v. 23.09.2019 – 2 Qs 111/19, StV 2020, 161 und LG München I, Urt. v. 11.02.2019 – 25 Ns 116 Js 165870/17, StV 2020, 321 -, StV 2020, 328; Reuschel, Audioaufnahme von polizeilicher Personalienfeststellung, NJW 2022, 3300, 3303). Der betroffene Polizeibeamte wusste im vorliegenden Fall, dass seine Worte zu einem späteren Zeitpunkt von weiteren Ermittlungsbeamten oder einem Gericht abgehört werden können und strebte diese Wirkung der Natur der gewählten Maßnahme entsprechend an, was er als Beweissicherungszweck vor dem Anschalten des Kameragerätes auch ankündigte. In einem solchen Fall liegt nicht unbefangenes Reden auf der Hand, sondern vielmehr das Bemühen um höchst konzentrierte, präzise auf die Ausfüllung des rechtlichen Rahmens abgestimmte Kommunikation. An dieser Bewertung der Unbefangenheit ändert es nichts, dass es der Beamte ist, der über den Beginn und die Dauer der Tonaufnahme entscheidet und mit seiner Anstellungskörperschaft über die weitere Nutzung entscheidet.

Die Kammer sieht sich neben dem Normzweck auch unter dem verfassungsrechtlichen Gesichtspunkt der Bestimmtheit strafrechtlicher Gesetze zu einer normzweckentsprechenden Beschränkung veranlasst. Verlangt wird danach, dass strafrechtliche Normen derart klar sind, dass jedermann vorhersehen kann, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist (BVerfG, Beschluss vom 23.06.2010 – 2 BvR 2559/08 –, juris). Außerdem sollen die wesentlichen Entscheidungen über Strafbarkeit und Strafe bei der Legislative liegen und nicht eigeninitiativ durch Exekutive oder Judikative getroffen werden (Dürig/Herzog/Scholz/Remmert, 99. EL September 2022, GG Art. 103 Abs. 2 Rn. 77) Bedenken ergeben sich bereits bei den übrigen Fällen der faktischen Öffentlichkeit daraus, dass letztlich vom einzelfallbedingten Zufall abhängt, ob eine Kenntnisnahme oder deren Möglichkeit durch Unbeteiligte stattfindet (ähnlich Klefisch, jurisPR-StrafR 6/2021 Anm. 4; Kindhäuser/Neumann/Paeffgen/Kargl, 5. Aufl. 2017, § 201 Rn. 9). Entscheidend treten bei dem Einsatz von Body-Cams Anhaltspunkte für die Annahme hinzu, dass der Bürger sich in einem immer weitergehend von Handybild- und -tonaufnahmen beherrschten Alltag dazu berechtigt sieht, für ihn bedeutsame Ereignisse zu filmen – wenn auch nicht stets verbreiten zu dürfen. Dabei stehen das Interesse der Bürger daran, Polizeiarbeit transparent dokumentieren zu dürfen auf der einen Seite und das Interesse der Polizeibeamten an einer nicht durch das Filmen gestörter Arbeit auf der anderen Seite in einem Spannungsverhältnis. Das polizeiliche Interesse am Unterlassen der Anfertigung von Aufnahmen kann dabei insbesondere vor dem Hintergrund der Gefahr von möglichen ausschnittweisen und aus dem Zusammenhang gelösten Veröffentlichung entsprechender Aufnahmen durchaus denkbar sein, zumal allein die Besorgnis einer solchen Veröffentlichung noch nicht der Regelung des § 33 KUrhG unterfällt. Diesen Interessenwiderstreit zu lösen obliegt indes nicht mehr rechtsfortbildend den Strafgerichten im Wege einer mit dem Bestimmtheitsgrundsatz und dem Schutzzweck der Norm in Widerstreit tretenden Auslegung des Begriffs der Nichtöffentlichkeit. Die konkret bestimmte Androhung von Strafe für die Aufnahme polizeilicher Maßnahmen oder der Verzicht darauf ist deshalb de lege ferenda unter Bewertung der in der Praxis vorgefundenen Phänomene und der widerstreitenden Interessen Sache des Gesetzgebers.

Gemessen an dieser gebotenen normzweckentsprechenden Beschränkung des Tatbestandsmerkmals der Nichtöffentlichkeit kommt es nicht mehr darauf an, ob die Aufnahme aus den soeben beschriebenen Wertungen befugt erfolgte, was etwa im Fall des Vorliegens eines Einverständnisses des aufgenommenen Beamten mit Einschalten der Body-Cam (vgl. allgemein zum Einverständnis i.R.d. § 201 StGB Schönke/Schröder/Eisele, 30. Aufl. 2019, § 201 Rn. 29) oder bei Vorliegen einer Notwehrsituation oder eines rechtfertigenden Notstands denkbar ist (vgl. LG Aachen, Beschluss vom 19.08.2020 – 60 Qs 34/20, BeckRS 2020, 43645 unter Verweis auf Ullenboom, Das Filmen von Polizeieinsätzen als Verletzung der Vertraulichkeit des Worts?, NJW 2019, 3108, 3111). Vorliegend ist allenfalls eine Rechtfertigung über § 34 StGB in Betracht zu ziehen, wobei im Rahmen der dort gebotenen Rechtsgüterabwägung das Persönlichkeitsrecht des aufgenommenen Polizeibeamten dem Beweisinteresse der aufnehmenden Person gegenüberzustellen wäre, sofern überhaupt aufgrund konkreter Anhaltspunkte für ein rechtswidriges polizeiliches Handeln von dem Vorliegen einer Gefahr i.S.d. § 34 StGB ausgegangen werden darf (vgl. Ullenboom, Das Filmen von Polizeieinsätzen als Verletzung der Vertraulichkeit des Worts?, NJW 2019, 3108, 3111; Rennicke, Polizeiliches Einschreiten gegen Filmaufnahmen unter Berücksichtigung der DS-GVO, NJW 2022, 8, 13; LG Aachen, Beschluss vom 19.08.2020 – 60 Qs 34/20, BeckRS 2020, 43645; OLG Zweibrücken Beschluss vom 30.06.2022 – 1 OLG 2 Ss 62/21, NJW 2022, 3300).

Eine Strafbarkeit gem. § 33 KUrhG ist nicht gegeben, da der Beschwerdeführer die Videoaufnahme nicht öffentlich zur Schau gestellt hat. Die Ermittlungen bieten keine Anhaltspunkte dafür, dass eine etwaige Tonaufnahme in sozialen Medien weitergeleitet wurde. Sollte die Aufnahme tatsächlich in den Cloud-Speicher hochgeladen worden sein – was der Beschwerdeführer abstreitet (Bl. 14 d. A.) –, stellt dies kein öffentliches Zurschaustellen i.S.d. § 33 Abs. 1 KUrhG dar, da es sich bei der mutmaßlich verwendeten Cloud um einen privaten, nicht öffentlich einsehbaren Cloud-Speicher handelt. Eine Strafbarkeit nach § 201a Abs. 1 Nr. 2 lit. a) StGB durch Herstellen von Bildaufnahmen scheidet von vornherein aus, da dem Einsatz der Polizeibeamten keine Befassung mit hilflosen Personen zugrunde lag, die von dem Beschwerdeführer gefilmt wurden.“

StGB III: Tonaufnahme von einem Polizeieinsatz, oder: Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes?

© Urheber: Ideenkoch – Fotolia.com

Und als dritte Entscheidung zum Tagesausklang dann noch das OLG Düsseldorf, Urt. v. 04.11.2022 – 3 RVs 28/22 –, das sich u.a. noch einmal mit der Vertraulichkeit des Wortes in Zusammenhang mit Tonaufnahmen von Polizeieinsätzen befasst. Folgender Sachverhalt:

Nach den Feststellungen des AG fand am 18.11.2020 in Wuppertal auf einem Platz ab ca. 18:00 Uhr eine Demonstration mit dem Motto „Demokratie, Grundgesetz, Verabschiedung neues Infektionsschutzgesetz“ statt. Jedenfalls gegen 18:40 Uhr hielt sich auch die Angeklagte auf dem Versammlungsgelände auf. Zu dieser Zeit wurde sie von Polizeibeamten auf einen möglichen Verstoß gegen das Vermummungsverbot angesprochen. Die Angeklagte hatte den damals verpflichtenden Mund-Nase-Schutz getragen und sich außerdem – unwiderleglich, weil sie insbesondere an den Ohren fror – die Kapuze ihrer Jacke über den Kopf gezogen.

Weil es auf der Versammlungsfläche sehr laut war, führten die Polizeibeamten die Angeklagte an einen ruhigeren Ort ca. zehn Meter entfernt. Dieser befand sich immer noch auf dem L., einem an ein Kneipenviertel und die Innenstadt angrenzenden K., der zu dieser Zeit von Versammlungsteilnehmern und Passanten frequentiert war. Nunmehr startete die Angeklagte mit ihrem Mobiltelefon eine Videoaufnahme, wobei sie die Kamera gegen den Boden richtete, so dass nur der Ton ihres Gesprächs mit den Polizeibeamten aufgezeichnet wurde. Der Aufforderung der Polizeibeamten, dies zu unterlassen, kam die Angeklagte zunächst nicht nach. Sie rief zwischenzeitlich um Hilfe, um andere Personen aufzufordern hinzuzutreten. Dieser Aufforderung wurde auch in nicht mehr feststellbarem Umfang Folge geleistet. Das AG konnte darüber hinaus nicht ausschließen, dass bereits während des Laufens der Tonaufnahme unbeteiligte Personen sich derart im Bereich der Angeklagten und der Beamten aufhielten, dass sie das von den Beamten gesprochene Wort hören konnten.

Das AG hat die Angeklagte vom Vorwurf des Verstoßes gegen das Vermummungsverbot (§ 27 VersammlG) und der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB) freigesprochen. Hiergegen die Revision der Staatsanwaltschaft, deren Ausführungen im Rahmen der allein erhobenen Sachrüge sich ausschließlich mit dem Freispruch vom Vorwurf der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes befassen. Das OLG hat die Revision verworfen:

„Das freisprechende Urteil hält der sachlich-rechtlichen Nachprüfung stand.

1. Den Freispruch vom Vorwurf eines Verstoßes gegen das Vermummungsverbot (§ 27 Abs. 2 Nr. 2 VersammlG) hat das Amtsgericht rechtsfehlerfrei auf die Erwägung gestützt, dass nicht festgestellt werden konnte, dass die Angeklagte an der in Rede stehenden Versammlung in einer Aufmachung teilgenommen hat, die darauf gerichtet war, die Feststellung ihrer Identität zu verhindern. Gemäß der nicht zu widerlegenden Einlassung der Angeklagten musste das Amtsgericht davon ausgehen, dass die Angeklagte sich ihre Kapuze über den Kopf gezogen hatte, weil sie wegen der in den Abendstunden des 18. November 2020 herrschenden niedrigen Temperaturen fror.

Auch der Freispruch vom Vorwurf einer Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB) ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dem von ihm festgestellten Sachverhalt hat das Amtsgericht zu Recht nicht entnommen, dass die Angeklagte ein „nichtöffentlich gesprochene(s) Wort“ der sie kontrollierenden Polizeibeamten mit ihrem Mobiltelefon aufgezeichnet hat.

Als „nichtöffentlich gesprochene(s) Wort“ im Sinne von § 201 StGB ist jede nicht an die Allgemeinheit gerichtete Äußerung aufzufassen, die nicht über einen durch persönliche oder sachliche Beziehungen abgegrenzten Personenkreis hinaus ohne Weiteres wahrnehmbar ist. Entscheidend sind die Abgeschlossenheit des Zuhörerkreises und die Kontrollmöglichkeit über die Reichweite der Äußerung. Für die Frage der Nichtöffentlichkeit ist daher vor allem – aber nicht allein – der Wille des Sprechers von Bedeutung. Daneben kommt es auch auf „Zweck und Eigenart“ der Unterredung an (vgl. Fischer, StGB, 69. Aufl., § 201 Rn. 3 und 4 unter Hinweis auf BGHSt 31, 304). Vom Sprecher unbemerkte Zuhörer können zu einer „faktischen Öffentlichkeit“ führen, wenn die Äußerung unter Umständen erfolgt, nach denen mit einer Kenntnisnahme durch Dritte gerechnet werden muss (LG Kassel, Beschluss vom 23. September 2019, 2 Qs 111/19; LG Hamburg, Beschluss vom 21. Dezember 2021, 610 Qs 37/21; zuletzt OLG Zweibrücken, Beschluss vom 30. Juni 2022, 1 OLG 2 Ss 62/21). Diese Auslegung, die auch die objektiven Rahmenbedingungen des Gespräches mit einbezieht, korrespondiert mit dem Schutzzweck des § 201 StGB. Der Straftatbestand dient dem Schutz des Sprechers in Situationen, in denen er keinen Anlass zu sehen braucht, wegen der Anwesenheit verschiedener Personen Zurückhaltung in Form und Inhalt seiner Äußerungen zu wahren. Wenn der Sprecher damit rechnen muss, dass seine Worte zur Kenntnis der Öffentlichkeit gelangen – redet er etwa in einem vollbesetzten Gasthaus mit lauter, weithin vernehmbarer Stimme – , so macht er damit seine Worte zu „öffentlichen“, und zwar selbst dann, wenn er sich – im Beispielsfall – lediglich an seine Stammtischfreunde wendet (Schünemann in: StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl., § 201 Rn. 7; ebenso Graf in: Münchner Kommentar zum StGB, 4. Aufl., § 201 Rn. 17a, 18). Die mit der Revision vertretene Ansicht, es komme ausschließlich auf den Willen des Sprechers an, führt zu einer wesentliche Erweiterung der Strafbarkeit über den nach allgemeiner Meinung bestehenden Bereich hinaus. Sie lässt indes den dargestellten Schutzzweck der Vorschrift außer Betracht und findet in deren Wortlaut keine Stütze. Der Senat vermag sich dieser erweiternden Auslegung des Begriffs des „nicht öffentlich gesprochenen Wortes“ nicht anzuschließen.

Nach den offen zutage liegenden Umständen mussten die kontrollierenden Polizeibeamten mit einer Kenntnisnahme durch Dritte rechnen. Die Beamten führten die Kontrolle der Angeklagten auf einer frei zugänglichen öffentlichen Fläche durch, auf der beliebige Dritte ihre Diensthandlung beobachten und akustisch wahrnehmen konnten. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts war der L. – ein an ein Kneipenviertel und die Innenstadt angrenzender K. – am 18. November 2020 gegen 18:40 Uhr von Versammlungsteilnehmern und Passanten frequentiert. Auf die Aufforderung der Angeklagten waren andere Personen hinzugetreten. Nicht ausschließbar hielten sich bereits während des Laufens der Tonaufnahme unbeteiligte Personen derart im Bereich der Angeklagten und der Beamten auf, dass sie das von den Beamten gesprochene Wort hören konnten.

Unter diesen Umständen bezog sich die von der Angeklagten gefertigte Tonaufnahme von Beginn an auf Äußerungen der Polizeibeamten, die diese im Umfeld einer faktischen Öffentlichkeit – mithin außerhalb des Anwendungsbereichs von § 201 StGB – machten.“

StGB II: (Unerlaubtes) Filmen eines Polizeieinsatzes, oder: Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes

Bild von Shutterbug75 auf Pixabay

Ob Polizeieinsätze in Bild und Ton aufgenommen werden dürfen oder ob ggf. ein Verstoß gegen § 201 StGb vorliegt, haben die Gerichte bislang unterschiedlich gesehen. Ich habe hier ja auch schon über die damit zusammenhängenden Fragen berichtet: (vgl. u.a. StGB II: I-Phone-Aufnahme polizeilicher Äußerungen, oder: Vertraulichkeit in der Öffentlichkeit und Filmen der Polizei I: Vertontes Video vom Polizeieinsatz, oder: Faktische Öffentlichkeit?). Zu den damizt zusammenhängenden Fragen gibt es jetzt den OLG Zweibrücken, Beschl. v. 30.06.2022 – 1 OLG 2 Ss 62/21.

Das AG hat die Angeklagte u.a. wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamteverurteilt. Es ging um einen Polizeieinsatz, bei dem die Angeklagte, während die Polizeibeamten die Personalien der noch anwesenden Personen feststellten, den Polizeieinsatz mit ihrem Smartphone filmte. Sie beschränkte sich hierbei darauf, den Boden zu filmen und insbesondere eine Tonaufnahme des Einsatzes zu fertigen. Über einen Zeitraum von 39:07 Minuten wurden jedoch von ihr sämtliche Gespräche aufgezeichnet, die im Rahmen der Personenkontrolle stattfanden. Um die Sicherstellung des Handys kommt es dann zu einer Auseinandersetzung, wegen der Einzelheiten verweise ich auf den Volltext.

Das OLG hat die Verurteilung der Angeklagten wegen Widerstandes gehalten:

„1. Das Amtsgericht hat zutreffend die Fesselung der Angeklagten für rechtmäßig erachtet.

a) Rechtsgrundlage für diese Maßnahme war § 62 S. 1 Nr. 1 POG RP in der bis 06.10.2020 geltenden Fassung (der identisch ist mit § 81 S. 1 Nr. 1 POG RP n.F.). Danach darf eine Person die nach dem POG RP oder anderen Rechtsvorschriften festgehalten wird, gefesselt werden, wenn durch Tatsachen begründete Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass sie Polizeibeamte oder Dritte angreifen, Widerstand leisten oder Sachen beschädigen wird. Solche, durch Tatsachen begründete Anhaltspunkte für eine Fortsetzung der gegen die Beschlagnahme des Mobiltelefons gerichteten Widerstandshandlung der Angeklagten lagen nach den getroffenen Feststellungen vor. Die Angeklagte widersetzte sich, indem sie wiederholt versuchte, dem Beamten W. das Gerät zu entreißen und diesen durch körperliche Einwirkungen herumzudrehen.

b) Die Beschlagnahme des Mobiltelefons zum Zwecke der Beweismittelgewinnung war aus der hier maßgeblichen ex-ante-Sicht eines gewissenhaften Polizeibeamten (Bosch in MünchKomm-StGB, 4. Aufl. § 113 Rn. 49 ff.) von 94 Abs. 2 und Abs. 1 StPO gedeckt. Auf Basis der vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen war im Zeitpunkt der Anordnung ein Anfangsverdacht hinsichtlich eines Vergehens nach § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB begründet.

aa) Die von der Angeklagten gefertigte und auf dem Gerät gespeicherte Tonaufnahme bezog sich auf eine nichtöffentlich getätigte Konversation.

(a) Wann ein gesprochenes Wort als nichtöffentlich anzusehen ist, ist bislang nicht abschließend geklärt (vgl. zum Streitstand die Nachweise bei LG Aachen, Beschluss vom 19.08.2020 – 60 Qs 34/20, juris Rn. 27 ff.; Schünemann in LK, 12. Aufl. 2009, § 201 Rn. 7; Klefisch, jurisPR-StrafR 6/2021 Anm. 4 und Lamsfuß, jurisPR-StrafR 21/2021 Anm. 2). Nach verbreiteter Auffassung ist ein gesprochenes Wort nichtöffentlich, wenn es nicht für einen größeren, nach Zahl und Individualität unbestimmten oder nicht durch persönliche oder sachliche Beziehungen miteinander verbundenen Personenkreis bestimmt oder unmittelbar verstehbar ist. Ausgehend vom Schutzzweck der Vorschrift, dem Sprechenden die Kontrolle über die Reichweite seiner Äußerung zu belassen, kommt es nicht entscheidend auf die Zahl der Zuhörer, sondern auf die Abgeschlossenheit des Gesprächskreises an (zu allem: Graf in MünchKomm-StGB, 4. Aufl. 2021, § 201 Rn. 14 f. sowie Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 201 Rn. 6 jew. m.w.N.). Der Einzelne soll in der Unbefangenheit seines Wortes dann besonders geschützt werden, wenn er keinen Anlass zu sehen braucht, wegen der (möglichen) Anwesenheit weiterer Personen besondere Zurückhaltung in Form und Inhalt zu wahren (Schünemann in LK, 12. Aufl. 2009, § 201 Rn. 7; Ullenboom, NJW 2019, 3108, 3110). Maßgeblich für die Nichtöffentlichkeit des gesprochenen Wortes sind der Wille des Sprechenden, als auch der Zweck und die Eigenart des Gesprochenen (BGH, Urteil vom 17.03.1983 – 4 StR 640/82, juris Rn. 6 = BGHSt 31, 304).

(b) Nach diesen Grundsätzen waren die aufgezeichneten Äußerungen nach den den Polizeibeamten bekannten tatsächlichen Umständen nichtöffentlich. Gegenstand der Aufzeichnung waren „sämtliche Gespräche [..] die im Rahmen der Personenkontrolle stattfanden“, „sowohl zwischen den eingesetzten Beamten, Beamten und einzelnen Betroffenen der Personenkontrolle und auch Gespräche zwischen den einzelnen Betroffenen“ (UA S. 4). Die Polizeikontrolle fand zu nächtlicher Stunde (ab 03:04 Uhr) in einem begrenzten Bereich (am Teich an der ehemaligen Kammgarnspinnerei) statt. Es war daher aus Sicht der Sprechenden nicht damit zu rechnen, dass über die Gruppe der kontrollierten Personen, des Zeugen L. und der Einsatzkräfte hinaus, weitere Personen zuhören; nach den getroffenen Feststellungen war nicht von einer „faktischen Öffentlichkeit“ auszugehen (hierzu: LG Kassel, Beschluss vom 23.092019 – 2 Qs 111/19 –, Rn. 7 sowie LG Osnabrück, Beschluss vom 24.09.2021 – 10 Qs 49/21, Rn. 10 juris mit zust. Anm.Lamsfuß, jurisPR-StrafR 21/2021 Anm. 2 [insoweit allein auf die freie Zugänglichkeit der Örtlichkeit abstellend und damit zu weit]). Zudem folgte die Angeklagte während ihrer Aufnahme den Polizeibeamten, offenkundig um auch die abseits der Ansammlung getätigten Gespräche aufzunehmen. Es liegt daher auf der Hand, dass folglich auch Gespräche aufgenommen wurden, die bewusst abseits der Gruppe geführt wurden, beispielsweise im Rahmen der getrennt von anderen Personen durchzuführenden Feststellung der Personalien einzelner von der Maßnahme betroffener Personen (ebenso für polizeiliche Personenkontrollen: LG München I, Urteil vom 11.02.2019 – 25 Ns 116 Js 165870/17, juris Rn. 22; LG Kassel, Beschluss vom 23.09.2019 – 2 Qs 111/19, juris Rn. 6).

bb) Dass die Angeklagte „immer wieder lautstark“ (UA S. 4) auf die Aufzeichnung hinwies, steht der Unbefugtheit der Aufnahme nicht entgegen. Wer das nichtöffentlich gesprochene Wort eines anderen auf Tonträger aufnimmt, handelt nicht schon deshalb nicht unbefugt, weil die Aufnahme mit Wissen des Sprechenden erfolgt. Die Handlung kann nur dann als nicht tatbestandsmäßig oder nicht rechtswidrig gelten, wenn das Wissen des Verletzten im Hinblick auf die Gesamtumstände dessen Einwilligung ausdrückt (OLG Thüringen, Urteil vom 24.04.1995 – 1 Ss 184/94, NStZ 1995, 502). Einem Einverständnis steht auf Seiten der Polizeikräfte bereits deren wiederholte Aufforderung, die Aufnahme zu stoppen, entgegen. Aber auch hinsichtlich der kontrollierten Personen kann nicht von einem konkludent erklärten Einverständnis mit der Aufnahme ausgegangen werden. Zwar war auch diesen bewusst, dass sie aufgenommen wurden. Jedenfalls in Bezug auf die gegenüber den Polizeibeamten angegebenen Personalien waren sie in ihren Äußerungsmöglichkeiten aber nicht frei (Graf aaO. Rn. 41), sondern schon mit Blick auf 111 Abs. 1 OWiG zu Angaben verpflichtet.

cc) Der Unbefugtheit der Aufnahme stehen auch weder der Gesichtspunkt berechtigter Interessenausübung noch eine notwehr- oder notstandsähnliche Lage entgegen (hierzu: Graf aaO. Rn. 51 f. sowie Ullenboom, NJW 2019, 3108, 3111). Insbesondere befand sich die Angeklagte nicht in Beweisnot. Ob im Falle eines rechtswidrigen staatlichen Eingreifens zum Zwecke der Beweissicherungen Audio- oder Videoaufnahmen auch ohne Einwilligung der Betroffenen gefertigt werden dürfen, kann dabei dahinstehen. Denn auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen lagen aus verständiger Sicht der Angeklagten keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beamten im Rahmen der Kontrolle rechtswidrig handeln oder handeln würden. Auch ein „Grenzfall“ zwischen einem vom Gesetz gedeckten Vorgehen und rechtswidriger Polizeigewalt (Ullenboom, NJW 2019, 3108, 3112) war nicht gegeben. Eine Befugnis ergab sich auch nicht aufgrund von der Angeklagten angeblich gemachter „schlechter Erfahrungen in der Vergangenheit“, da es bereits an Anhaltspunkten für eine Wiederholung mangelte. Soweit die Angeklagte Gespräche zwischen den Polizeibeamten untereinander (hierzu LG Kassel, Beschluss vom 23.09.2019 – 2 Qs 111/19, juris 12) und den Betroffenen untereinander aufgezeichnet hat, scheidet eine berechtigte Interessenausübung von vornherein aus.

b) Entgegen den diesbezüglichen Ausführungen der Revision waren die Polizeibeamten zur Anordnung der Beschlagnahme formell berechtigt. Im Hinblick auf die jederzeit gegebene Möglichkeit einer Löschung der Video/Audio-Datei durften diese von ihrer Eilzuständigkeit ausgehen (§ 98 Abs. 1, 1. Hs. StPO). Allein, dass die Angeklagte auf die Aufforderungen der Polizeibeamten wiederholt eine Löschung der Aufnahme verweigerte, steht dem nicht entgegen.

c) Weil die Beschlagnahme des Mobiltelefons bereits im Hinblick auf den Anfangsverdacht einer Tat nach 201 StGB rechtmäßig war, kann dahinstehen, ob zudem auch ein Anfangsverdacht einer Ordnungswidrigkeit nach der DS-GVO in Betracht kam (hierzu: Kirchhoff, NVwZ 2021, 1177, 1181 f.; Rennicke, NJW 2022, 8). Auch auf einen – hier eher fernliegenden – Anfangsverdacht hinsichtlich eines Verstoßes gem. § 33 KUG kommt es folglich nicht an.“

StGB II: I-Phone-Aufnahme polizeilicher Äußerungen, oder: Vertraulichkeit in der Öffentlichkeit

Bild von OpenClipart-Vectors auf Pixabay

Die zweite StGB-Entscheidung des Tages kommt mit dem LG Hamburg, Beschl. v. 21.12.2021 – 610 Qs 37/21 jug. – aus dem hohen Norden. Es geht um die Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB). Der Beschuldigte hatte sich gegen die Beschlagnahme seines I-Phones gewendet und hatte damit Erfolg:

„Die gemäß § 304 Abs. 1 StPO zulässige Beschwerde des Beschuldigten ist begründet. Im Ergebnis zu Unrecht hat das Amtsgericht die Beschlagnahme des I-Phones des Beschuldigten pp. richterlich bestätigt.

Bereits am 11.6.2021, als der Beschuldigte nach Aktenlage bei einer am Falkensteiner Ufer 8 in 22587 Hamburg stattfindenden Personenkontrolle um 19:55 Uhr den Satz des Polizeibeamten pp. „es wird eine Beleidigung auf sexueller Basis vorgeworfen“ – gerichtet an eine nicht näher bekannte Person – aufzeichnete, lagen die Voraussetzungen einer Beschlagnahme des I-Phones nicht vor, da es jedenfalls an dem Tatbestandsmerkmal des nichtöffentlich gesprochenen Worts i. S. d. § 201 StGB fehlt.

Nichtöffentlich sind Gespräche, wenn der Teilnehmerkreis individuell begrenzt ist bzw. nicht einem beliebigen Zutritt offen steht, wobei die Abgeschlossenheit des Zuhörerkreises (MüKoStGB/Graf, 4. Aufl. 2021, § 201 Rn. 15; Schönke/Schröder/Eisele, StGB, 30. Aufl. 2019, § 201 Rn. 8) und die Kontrollmöglichkeit über die Reichweite der Äußerung entscheidend sind (Fischer, StGB, 68. Aufl. 2021, § 201 Rn. 4). Bestehen bei Gesprächen Mithörmöglichkeiten für unbeteiligte Personen, können sie ihren ansonsten privaten Charakter einbüßen (sog. faktische Öffentlichkeit), wenn die Äußerung unter Umständen erfolgt, nach denen mit der Kenntnisnahme Dritter gerechnet werden muss (MüKoStGB/Graf, a.a.O. § 201 Rn. 18, Fischer, a.a.O., § 201 Rn. 4). Gemessen an diesen Kriterien ist das im Zuge einer im öffentlichen Verkehrsraum vorgenommenen Diensthandlung geäußerte Wort in faktischer Öffentlichkeit gesprochen, wenn dieser Ort — wie hier — frei zugänglich ist (vgl. hierzu auch LG Osnabrück, Beschluss vom 24.9.2021, Az.: 10 Qs 49/21; LG Kassel, Beschluss vom 23.9.2019, Az.: 2 Qs 111/19).

Insoweit weist die Verteidigung zutreffend darauf hin, dass der Beschuldigte pp. in einer Personengruppe in unmittelbarer Nähe der eingesetzten Polizeibeamten stand —nach Aktenlage etwa drei Meter entfernt — und darüber hinaus weitere Personengruppen anwesend waren, sodass für den Polizeibeamten pp. ohne weiteres erkennbar war, dass seine Äußerung auch von umstehenden Personen mitgehört wird, und er sich in einem solchen Rahmen nicht unbefangen äußern kann (zu diesem Aspekt auch LG Aachen, Beschluss vom 15.1.2021, Az.: 60 Qs 52/20); vor dem Hintergrund des Schutzzwecks der Norm — die verfassungsrechtlich garantierte freie Entfaltung der Persönlichkeit durch Gewährleistung der Unbefangenheit der mündlichen Äußerung (MüKoStGB/Graf, a.a.O., § 201 Rn. 2) — ist eine den Bereich der Strafbarkeit erweiternde Auslegung des § 201 StGB nicht angezeigt.“

Schön, wenn man über zwei der vom LG zitierten Entscheidungen hier auch berichtet hat, nämlich: