Und als dritte Entscheidung zum Tagesausklang dann noch das OLG Düsseldorf, Urt. v. 04.11.2022 – 3 RVs 28/22 –, das sich u.a. noch einmal mit der Vertraulichkeit des Wortes in Zusammenhang mit Tonaufnahmen von Polizeieinsätzen befasst. Folgender Sachverhalt:
Nach den Feststellungen des AG fand am 18.11.2020 in Wuppertal auf einem Platz ab ca. 18:00 Uhr eine Demonstration mit dem Motto „Demokratie, Grundgesetz, Verabschiedung neues Infektionsschutzgesetz“ statt. Jedenfalls gegen 18:40 Uhr hielt sich auch die Angeklagte auf dem Versammlungsgelände auf. Zu dieser Zeit wurde sie von Polizeibeamten auf einen möglichen Verstoß gegen das Vermummungsverbot angesprochen. Die Angeklagte hatte den damals verpflichtenden Mund-Nase-Schutz getragen und sich außerdem – unwiderleglich, weil sie insbesondere an den Ohren fror – die Kapuze ihrer Jacke über den Kopf gezogen.
Weil es auf der Versammlungsfläche sehr laut war, führten die Polizeibeamten die Angeklagte an einen ruhigeren Ort ca. zehn Meter entfernt. Dieser befand sich immer noch auf dem L., einem an ein Kneipenviertel und die Innenstadt angrenzenden K., der zu dieser Zeit von Versammlungsteilnehmern und Passanten frequentiert war. Nunmehr startete die Angeklagte mit ihrem Mobiltelefon eine Videoaufnahme, wobei sie die Kamera gegen den Boden richtete, so dass nur der Ton ihres Gesprächs mit den Polizeibeamten aufgezeichnet wurde. Der Aufforderung der Polizeibeamten, dies zu unterlassen, kam die Angeklagte zunächst nicht nach. Sie rief zwischenzeitlich um Hilfe, um andere Personen aufzufordern hinzuzutreten. Dieser Aufforderung wurde auch in nicht mehr feststellbarem Umfang Folge geleistet. Das AG konnte darüber hinaus nicht ausschließen, dass bereits während des Laufens der Tonaufnahme unbeteiligte Personen sich derart im Bereich der Angeklagten und der Beamten aufhielten, dass sie das von den Beamten gesprochene Wort hören konnten.
Das AG hat die Angeklagte vom Vorwurf des Verstoßes gegen das Vermummungsverbot (§ 27 VersammlG) und der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB) freigesprochen. Hiergegen die Revision der Staatsanwaltschaft, deren Ausführungen im Rahmen der allein erhobenen Sachrüge sich ausschließlich mit dem Freispruch vom Vorwurf der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes befassen. Das OLG hat die Revision verworfen:
„Das freisprechende Urteil hält der sachlich-rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Den Freispruch vom Vorwurf eines Verstoßes gegen das Vermummungsverbot (§ 27 Abs. 2 Nr. 2 VersammlG) hat das Amtsgericht rechtsfehlerfrei auf die Erwägung gestützt, dass nicht festgestellt werden konnte, dass die Angeklagte an der in Rede stehenden Versammlung in einer Aufmachung teilgenommen hat, die darauf gerichtet war, die Feststellung ihrer Identität zu verhindern. Gemäß der nicht zu widerlegenden Einlassung der Angeklagten musste das Amtsgericht davon ausgehen, dass die Angeklagte sich ihre Kapuze über den Kopf gezogen hatte, weil sie wegen der in den Abendstunden des 18. November 2020 herrschenden niedrigen Temperaturen fror.
Auch der Freispruch vom Vorwurf einer Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB) ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dem von ihm festgestellten Sachverhalt hat das Amtsgericht zu Recht nicht entnommen, dass die Angeklagte ein „nichtöffentlich gesprochene(s) Wort“ der sie kontrollierenden Polizeibeamten mit ihrem Mobiltelefon aufgezeichnet hat.
Als „nichtöffentlich gesprochene(s) Wort“ im Sinne von § 201 StGB ist jede nicht an die Allgemeinheit gerichtete Äußerung aufzufassen, die nicht über einen durch persönliche oder sachliche Beziehungen abgegrenzten Personenkreis hinaus ohne Weiteres wahrnehmbar ist. Entscheidend sind die Abgeschlossenheit des Zuhörerkreises und die Kontrollmöglichkeit über die Reichweite der Äußerung. Für die Frage der Nichtöffentlichkeit ist daher vor allem – aber nicht allein – der Wille des Sprechers von Bedeutung. Daneben kommt es auch auf „Zweck und Eigenart“ der Unterredung an (vgl. Fischer, StGB, 69. Aufl., § 201 Rn. 3 und 4 unter Hinweis auf BGHSt 31, 304). Vom Sprecher unbemerkte Zuhörer können zu einer „faktischen Öffentlichkeit“ führen, wenn die Äußerung unter Umständen erfolgt, nach denen mit einer Kenntnisnahme durch Dritte gerechnet werden muss (LG Kassel, Beschluss vom 23. September 2019, 2 Qs 111/19; LG Hamburg, Beschluss vom 21. Dezember 2021, 610 Qs 37/21; zuletzt OLG Zweibrücken, Beschluss vom 30. Juni 2022, 1 OLG 2 Ss 62/21). Diese Auslegung, die auch die objektiven Rahmenbedingungen des Gespräches mit einbezieht, korrespondiert mit dem Schutzzweck des § 201 StGB. Der Straftatbestand dient dem Schutz des Sprechers in Situationen, in denen er keinen Anlass zu sehen braucht, wegen der Anwesenheit verschiedener Personen Zurückhaltung in Form und Inhalt seiner Äußerungen zu wahren. Wenn der Sprecher damit rechnen muss, dass seine Worte zur Kenntnis der Öffentlichkeit gelangen – redet er etwa in einem vollbesetzten Gasthaus mit lauter, weithin vernehmbarer Stimme – , so macht er damit seine Worte zu „öffentlichen“, und zwar selbst dann, wenn er sich – im Beispielsfall – lediglich an seine Stammtischfreunde wendet (Schünemann in: StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl., § 201 Rn. 7; ebenso Graf in: Münchner Kommentar zum StGB, 4. Aufl., § 201 Rn. 17a, 18). Die mit der Revision vertretene Ansicht, es komme ausschließlich auf den Willen des Sprechers an, führt zu einer wesentliche Erweiterung der Strafbarkeit über den nach allgemeiner Meinung bestehenden Bereich hinaus. Sie lässt indes den dargestellten Schutzzweck der Vorschrift außer Betracht und findet in deren Wortlaut keine Stütze. Der Senat vermag sich dieser erweiternden Auslegung des Begriffs des „nicht öffentlich gesprochenen Wortes“ nicht anzuschließen.
Nach den offen zutage liegenden Umständen mussten die kontrollierenden Polizeibeamten mit einer Kenntnisnahme durch Dritte rechnen. Die Beamten führten die Kontrolle der Angeklagten auf einer frei zugänglichen öffentlichen Fläche durch, auf der beliebige Dritte ihre Diensthandlung beobachten und akustisch wahrnehmen konnten. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts war der L. – ein an ein Kneipenviertel und die Innenstadt angrenzender K. – am 18. November 2020 gegen 18:40 Uhr von Versammlungsteilnehmern und Passanten frequentiert. Auf die Aufforderung der Angeklagten waren andere Personen hinzugetreten. Nicht ausschließbar hielten sich bereits während des Laufens der Tonaufnahme unbeteiligte Personen derart im Bereich der Angeklagten und der Beamten auf, dass sie das von den Beamten gesprochene Wort hören konnten.
Unter diesen Umständen bezog sich die von der Angeklagten gefertigte Tonaufnahme von Beginn an auf Äußerungen der Polizeibeamten, die diese im Umfeld einer faktischen Öffentlichkeit – mithin außerhalb des Anwendungsbereichs von § 201 StGB – machten.“