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BGH II: Verletzung des „Elternkonsultationsrechts“, oder: Unzulässisge Verfahrenrüge

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In der zweiten Entscheidung, dem BGH, Urt. v. 18.06.2019 – 5 StR 2/19 – geht es noch einmal um das sog. „Elternkonsulatuinsrecht“ (§ 67 JGG). Die Angeklagte hatte gegenüber ihrer Veruretilung wegen Körperverletztung mit Todesfolge mit der Verfahrensrüge eine „Verletzung von § 67 JGG i.V.m. einem Beweisverwertungsverbot“ geltend gemacht. Gerügt worden war ein Verstoß gegen eine Pflicht zur Belehrung der Angeklagten über das Recht, sich vor ihrer ersten Vernehmung als Beschuldigte durch ihren erziehungsberechtigten Vater beraten zu lassen (sogenanntes Elternkonsultationsrecht).

Dazu der BGH, der die Rüge zurückgewiesen hat:

„a) Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:

Die in der Hauptverhandlung schweigende Angeklagte L. N. hatte in ihrer polizeilichen Vernehmung vom 13. Oktober 2017 Angaben zum Tatgeschehen gemacht. Der Vernehmung des polizeilichen Ermittlungsführers sowie der Verwertung seiner Bekundungen hatte die Verteidigung mit der Begründung widersprochen, dass ein Verwertungsverbot bestehe, weil die Angeklagte und ihr Vater bewusst nicht über ein aus § 67 JGG folgendes „Elternkonsultationsrecht“ belehrt worden seien. Das Landgericht hat die Beanstandung zurückgewiesen und ausgeführt, dass der Beamte vor der Vernehmung der Angeklagten telefonisch Kontakt zum Vater aufgenommen, ihm den Tatvorwurf gegen seine Tochter eröffnet und erklärt habe, dass sie nunmehr als Beschuldigte vernommen werden solle und er ein Recht auf Anwesenheit habe. Daraufhin habe der Vater der Vernehmung seiner Tochter zugestimmt. Allerdings habe der Beamte die Beschuldigte nicht über ihr „Elternkonsultationsrecht“ belehrt, weil er befürchtet habe, dass sie andernfalls mit ihrem Vater telefonieren und dieser dann mit ihrer mitangeklagten Mutter sprechen würde. Hierdurch hätte diese Kenntnis davon erhalten, dass auch gegen sie wegen eines Tötungsdelikts ermittelt werde. Das Telefonat habe man aber im Rahmen der – aus zeitlichen Gründen noch nicht eingerichteten – Telekommunikationsüberwachung mithören wollen. Im Urteil hat das Landgericht die Angaben des Vernehmungsbeamten auch zulasten der Angeklagten verwertet.

b) Es kann dahingestellt bleiben, ob sich aus § 67 JGG ein „Elternkonsultationsrecht“ herleiten lässt (so OLG Celle, StraFo 2010, 114; Ludwig, NStZ 2019, 123, 125 mwN). Denn die Verfahrensrüge genügt bereits nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.

Für die Beurteilung, ob in der unstreitig unterlassenen Belehrung der Angeklagten über ihr – etwa bestehendes – Recht, sich mit ihrem Vater zu beraten, ein Verfahrensfehler liegt und welche rechtlichen Folgen sich hieran knüpfen, hätte es näheren Vortrags zum Geschehen vor und zu Beginn der polizeilichen Vernehmung der Angeklagten bedurft. Hierzu hätten der durch den ermittlungsführenden Polizeibeamten Bu. erstellte Vermerk vom 6. November 2017, auf den die Verteidigung in ihrem Widerspruch gegen dessen Vernehmung Bezug genommen hat, sowie der im Ablehnungsbeschluss des Landgerichts erwähnte Vermerk des Polizeibeamten Ba. vom 14. Oktober 2017 vorgelegt werden müssen, die sich mit diesem Geschehen befassen. Sie haben Verlauf und Inhalt des Telefonats des Polizeibeamten Bu. mit dem Vater der Angeklagten sowie die Frage zum Gegenstand, ob und inwieweit sie jedenfalls davon wusste, dass ihr Vater über ihre Vernehmung informiert worden war, und ihr bekannt war, dass er nicht erscheinen wollte. Informationen hierzu gehen auch aus der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft zu einem Antrag auf Aufhebung des gegen die Angeklagte bestehenden Haftbefehls vom 15. Juni 2018 und den hierauf ergangenen Beschluss des Landgerichts vom 22. Juni 2018 hervor, die die Revision ebenfalls nicht vorgelegt hat.

Aus all diesen Dokumenten sind darüber hinaus der Ermittlungsstand zum Zeitpunkt der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung sowie die damals ergriffenen Ermittlungsmaßnahmen ersichtlich. Diese Informationen sind notwendig, um den Senat zur Beurteilung in die Lage zu versetzen, ob die Belehrung gegebenenfalls analog § 67a Abs. 4 Satz 1 oder analog § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 JGG unterbleiben durfte (vgl. Eisenberg, JGG, 20. Aufl., § 67 Rn. 11b; Diemer/Schatz/Sonnen-Schatz, JGG, 7. Aufl. § 67, Rn. 27; Brunner/Dölling, JGG, 13. Aufl., § 67 Rn. 27; MüKo-StPO/Kaspar, 2018, § 67 Rn. 18; anders Ostendorf, JGG, 10. Aufl., § 67 Rn. 10). Darauf, dass dies der Fall sein kann, weist bereits der Inhalt des Beschlusses des Landgerichts vom 2. Mai 2018 hin, mit dem es den Widerspruch der Angeklagten gegen die Vernehmung des Polizeibeamten Bu. zurückgewiesen hat.“

BGH I: Die in der HV in Augenschein genommene Videoaufzeichnung, oder: Unzulässige Rüge

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Dehani bandara – Eigenes Werk

Die 50. KW/2010 – das Jahr neigt sich nun wirklich dem Ende zu – eröffne ich mit zwei verfahrensrechtlichen Entscheidungen des BGH. Beides sind schon etwas älter

Zunächst weise ich hin auf den BGH, Beschl. v. 19.06.2019 – 4 StR 489/18. Der Angeklagte hatte gegen seine Verurteilung geltend gemacht, das Landgericht habe § 261 StPO verletzt, weil es eine in der Hauptverhandlung in Augenschein genommene Videoaufzeichnung des Tatgeschehens unzutreffend gewürdigt habe.

Dazu der BGH:

„Es kann dahinstehen, ob die Verfahrensbeanstandung bereits nicht in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise erhoben ist, weil es sich bei den von der Revision vorgelegten Standbildern nicht um das in Rede stehende Beweismittel – die Videoaufzeichnung – handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2018 – 4 StR 58/18, juris, Rn. 23).

Unbeschadet davon ist die Rüge jedoch deshalb unzulässig, weil die Frage, welcher Bedeutungsgehalt der Videoaufzeichnung des abgebildeten hochdynamischen Geschehens selbst oder Standbildern hiervon zukommt, in beiden Fällen gleichermaßen eine Bewertung erfordert, die allein Sache des Tatrichters im Rahmen der ihm obliegenden Gesamtwürdigung und daher ohne eine Rekonstruktion der Beweisaufnahme im Revisionsverfahren nicht überprüfbar ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. April 2003 – 1 StR 64/03, BGHSt 48, 268, 273; vom 19. Dezember 1995 – 4 StR 170/95, BGHSt 41, 376, 380; MüKo-StPO/Miebach, § 261 Rn. 418; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 261 Rn. 38b).

Verfahrensrüge I: Unzureichende Dolmetscherleistung, oder: Dazu muss umfassend vorgetragen werden

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Ich habe seit längerem nicht mehr über die Anforderungen bei Verfahrensrügen berichtet. Der heutige Tag ist daher solchen Entscheidungen gewidmet.

Und ich eröffne mit dem BGH, Beschl. v. 14.08.2019 – 5 StR 337/19. Der Angeklagte hatte gerügt, dass der Dolmetscher unzureichend übersetzt hatte. Dazu hatte er aber nicht ausreichend vorgetragen, denn:

„1. In Einklang mit der Auffassung des Generalbundesanwalts hätte es dem Beschwerdeführer oblegen, die Verfahrensteile, die nach seinem Vortrag durch den Dolmetscher unzureichend bzw. gar nicht übersetzt worden sind, im Einzelnen zu bezeichnen (vgl. auch BGH, Urteil vom 23. Januar 1985 – 1 StR 722/84, NStZ 1985, 376; Beschluss vom 8. August 2017 – 1 StR 671/16, NJW 2017, 3797, 3798). Der Vortrag, ihm seien von der Verhandlung, namentlich von den Bekundungen der an diesem Tag vernommenen Zeugen, „allenfalls Rudimente“ übersetzt worden, genügt hierfür genauso wenig wie das Vorbringen, – durch den Beschwerdeführer nicht mitgeteilte – Äußerungen des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft seien gar nicht übersetzt worden. Hinzu kommt, dass der Angeklagte widersprüchlich einerseits vorträgt, er habe den Übersetzungen des weiteren Dolmetschers für die kurdische Sprache nicht folgen können, andererseits aber geltend macht, die Übersetzungen „seines“ Dolmetschers seien mit denjenigen dieses Dolmetschers „nicht gleich“ gewesen.“

StPO III: Nochmals Verfahrensrüge, oder: Es muss alles vorgetragen werden

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Und als dritte StPO-Entscheidung dann der BGH, Beschl. v. 07.05.2019 – 4 StR 402/18, der sich noch einmal zu den Anforderungen an eine Verfahrensrüge verhält.

„Die Rüge, das Landgericht habe bei der Ablehnung eines Beweisantrages auf Einholung eines Sachverständigengutachtens (A. III. des Schriftsatzes vom 23. Juni 2018) gegen Verfahrensrecht verstoßen, ist nicht zulässig erhoben, weil der Revisionsführer die in dem beanstandeten Ablehnungsbeschluss in Bezug genommenen Aktenteile (ein polizeilicher Vermerk und verschiedene Listen) nicht vorlegt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Im Übrigen wäre die Rüge als Beweisantragsrüge auch unbegründet, weil der Beweisantrag keine hinreichend bestimmte Tatsachenbehauptung enthielt und der Ablehnungsbeschluss rechtsfehlerfrei ergangen ist. Soweit der Revisionsführer geltend macht, das Landgericht habe auch seinen am selben Tag gestellten Antrag auf Einholung eines „forensischen IT-Sachverständigengutachtens“ rechtsfehlerhaft abgelehnt (A. IV. des Schriftsatzes vom 23. Juni 2018) entspricht sein Vorbringen ebenfalls nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 StPO, da der Antragsschriftsatz nur auszugsweise vorgelegt wird und im Ablehnungsbeschluss erörterte Teile des Antrags (Ziffer 3) nicht mitgeteilt werden. Die Rüge wäre aber auch unbegründet, weil die Strafkammer den Antrag ohne Rechtsfehler abgelehnt hat.“

Fazit: Es muss alles vorgetragen werden, was mit der jeweiligen Ablehnung eines (Beweis)Antrages zu tun hat. Aber das sollte man Verteidiger eigentlich wissen….

Revision II: Hohe Anforderungen an Beweisantragsrüge?, oder: GBA mal wieder „päpstlicher als der Papst“.

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Urheber Harald Bischoff

Die zweite Entscheidung des Tages kommt vom 4. Strafsenat. Es geht um die Zulässigkeit einer Verfahrensrüge. Der GBA wollte mal wieder „päpstlicher sein als der Papst“ und hatte die Hürden für die Zulässigkeit von Verfahrensrügen einer Verletzung des Beweisantragsrechts (§ 244 Abs. 3 StPO bzw. § 244 Abs. 4 StPO) und der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) noch höher legen wollen, als sie eh schon liegen. Der GBA wollte nämlich u.a. auch noch wissen und hatte insoweit Vortrag vermisst, wann die (abgelehnten) Beweisanträge, deren Ablehnung als unzulässig gerügt wurde, gestellt worden waren.

Das sieht der BGH im BGH, Beschl. v. 26.02.2019 – 4 StR 547/18 – zutreffend – anders:

§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO verpflichtet den Beschwerdeführer dazu, die den Verfahrensmangel enthaltenen Tatsachen vollständig und so genau anzugeben, dass der Senat auf der Grundlage des Vortrags entscheiden kann, ob der geltend gemachte Verfahrensverstoß vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen bewiesen wären (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 2018 – 4 StR 135/18, NStZ-RR 2019, 26).

Die erhobenen Verfahrensrügen einer Verletzung des Beweisantragsrechts (§ 244 Abs. 3 StPO bzw. § 244 Abs. 4 StPO) und der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) sind – entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts – nicht deshalb unzulässig, weil die Revision nicht mitgeteilt hat, an welchem Sitzungstag die Beweisanträge gestellt worden sind bzw. ihre Ablehnung erfolgt ist; die Kenntnis dieser Tatsachen ist für die Prüfung der Verfahrensrügen entbehrlich. Die Revision war auch nicht zur Wiedergabe der auf diese Verfahrensvorgänge bezogenen „Teile des Sitzungsprotokolls“ verpflichtet. Gleiches gilt für die vom Generalbundesanwalt unter Zulässigkeitsgesichtspunkten vermisste Wiedergabe des „in den Urteilsgründen erörterte[n] mündliche[n] Gutachten[s] des Sachverständigen […]“ sowie der darin wiedergegebenen Angaben der Nebenklägerin, die der Senat bei gleichzeitig erhobener Sachrüge ohnehin zur Kenntnis zu nehmen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2016 – 4 StR 376/15; zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts und der Aufklärungspflicht vgl. LR-StPO/Becker, 26. Aufl., § 244 Rn. 372 ff., 380).

In der Sache hat es (natürlich) nichts gebracht, da der BGH die Rügen als unbegründet angesehen hat, weil das LG die Beweisanträge mit tragfähiger Begründung abgelehnt habe.

Zum GBA: Mir erschließt sich nicht, welche revisionsrechtliche Bedeutung das Datum der Stellung eines abgelehnten Antrags im Regelfall haben soll. Abgelehnt ist abgelehnt, an welchem Tag abgelehnt wird, ist i.d.R. doch egal.