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Der besoffene Berufskraftfahrer – er haftet, zumindest teilweise

© ExQuisine - Fotolia.com

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Antwort auf die Frage: Haftet ggf. ein besoffener Kraftfahrer seinem Arbeitgeber für Schäden aus einem Unfall, der auf seine Trunkenheit zurückgeht, gibt das LAG Mainz, Urt. v. 08.01.2014, 7 Sa 84/13. Nach dem Sachverhalt war der Beklagte war bei der Klägerin als Kraftfahrer im Güterverkehr beschäftigt. Am Vorfallstag befuhr der Beklagte mit einem insgesamt 18 Meter langen, vollbeladenen 40 Tonnen schweren Gliederzug Mercedes, bestehend aus Lkw und Anhänger, die BAB. Der Beklagte kam mit dem Gliederzug ohne Beteiligung eines anderen Verkehrsteilnehmers nach rechts von der Fahrbahn in den angrenzenden Grünstreifen ab. Diesen fuhr er über eine Länge von ca. 85 Meter entlang, bis der Lkw sich im losen Erdreich festgefahren hatte. Hierdurch stürzte der Anhänger des Gliederzuges komplett auf die linke Seite, wodurch der Anhänger so stark beschädigt wurde, dass der größte Teil der Ladung (10.900 kg Weinflaschen auf Paletten) durch die zerstörte Stirnwand und das aufgerissene Dach des Anhängers auf die Fahrbahn fielen. Eine dem Beklagten entnommene Blutprobe ergab eine BAK von 1,49 %.

Frage: Haftung des Beklagten? Das LAG sagt: Ja. Die Klägerin habe gegen den Beklagten gemäß §§ 280, 241 Abs. 2 BGB wegen der Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Nebenpflicht, die Klägerin als seine Arbeitgeberin nicht zu schädigen, einen Anspruch auf Ersatz des ihr bei bzw. infolge des Verkehrsunfalls entstandenen Schadens.

Bei der Entstehung des Schadens hat der Beklagte nach Auffassung der Kammer grob fahrlässig gehandelt. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden ist, d. h. wenn das nicht beachtet wurde, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen und wenn selbst einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt wurden. Maßgeblich sind insoweit die persönlichen Umstände des Schädigers. Gemäß § 619 a BGB trägt der Arbeitgeber die Beweislast für das Verschulden des Arbeitnehmers und insbesondere für die den Grad des Verschuldens ausmachenden Tatsachen.

Dass sich ein unter einer starker Alkoholeinwirkung stehender Kraftfahrer nicht mehr an das Steuer seines Kraftfahrzeugs setzen darf und dass er in diesem Zustand andere Verkehrsteilnehmer, sich selbst und das von ihm benutzte Fahrzeug einer unverantwortlichen Gefährdung aussetzt, ist heute so sehr Allgemeingut, dass unbedenklich davon ausgegangen werden kann, dass bei jedem Kraftfahrer die Hemmschwelle für ein Fahren trotz erheblichen Alkoholgenusses stark heraufgesetzt ist. Der Fahrer, bei dem dies aus mangelnder Einsicht nicht der Fall ist, muss sich diese mangelnde Einsicht in der Regel als grobes Verschulden zurechnen lassen. Das gilt in besonderem Maße für den Beklagten als Berufskraftfahrer (vgl. BAG, Urteil vom 15. November 2012, 8 AZR 705/11 – zitiert nach […], Rn. 23).

Dadurch, dass der Kläger den 18 Meter langen, voll beladenen 40 Tonnen schweren Gliederzug, bestehend aus Lkw und Anhänger, der mit Eisenteilen und Paletten mit Weinflaschen beladen war, mit 1,49 Promille auf der Autobahn geführt hat, hat er die erforderliche Sorgfalt in besonderem Maße verletzt. Ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille wird die absolute Fahruntüchtigkeit unwiderleglich vermutet. Dem Beklagten hätte im gegebenen Fall einleuchten müssen, dass er im betrunkenen Zustand den Gliederzug nicht mehr sicher führen kann. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist jedoch nicht davon auszugehen, dass der Beklagte auch im Hinblick auf den entstandenen Schaden vorsätzlich gehandelt hat. Vorsatz setzt Wissen und Wollen des Schadens voraus. Nicht ausreichend ist der vorsätzliche Verstoß gegen Weisungen, solange nicht zusätzlich Vorsatz hinsichtlich des Schadens gegeben ist (BAG, Urteil vom 18. April 202 – 8 AZR 348/01NZA 2003, 37, 39). Der Arbeitnehmer muss den Schaden in seiner konkreten Höhe zumindest als möglich vorausgesehen und ihn für den Fall des Eintritts billigend in Kauf genommen haben. Allein das Wissen des Beklagten, Alkohol konsumiert zu haben und nicht mehr fahren zu dürfen, reicht nicht aus, den Vorsatz hinsichtlich der Fahruntüchtigkeit zu bejahen (vgl. BAG, Versäumnisurteil vom 23. Juni 1981 – 3 AZR 648/79AP Nr. 81 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers: grobe Fahrlässigkeit bei einer Trunkenheitsfahrt mit 1,39 Promille; Urteil vom 23. Januar 1997 – 8 AZR 893/95NZA 1998, 140 zur Trunkenheitsfahrt mit 1,41 Promille; LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 02. November 1995 – 7 Sa 843/95NZA-RR 1996, 443 zum mit 2,15 Promille verursachten Verkehrsunfalls). Die insoweit darlegungspflichtige Klägerin hat keine weiteren Umstände außer der von der Polizei um 11.32 Uhr festgestellten Blutalkoholkonzentration und der Tatsache, dass der Kläger von der Fahrbahn abgekommen ist, vorgetragen, die auf seinen Vorsatz in Abgrenzung zur groben Fahrlässigkeit schließen lassen würden. So ist beispielsweise nicht vorgetragen worden, wann der Kläger wieviel Alkohol getrunken hat, inwiefern er hieraus auf seine absolute Fahruntüchtigkeit schließen konnte, oder ob er erkennbare Ausfallerscheinungen hatte. Dies gilt insbesondere, da bei fortschreitender Trunkenheit die Kritik und Erkenntnisfähigkeit abnimmt.“

Allerdings: Der Beklagte hat den bei einer betrieblich veranlassten Tätigkeit verursachten entstandenen Schaden nicht in vollem Umfang zu tragen. Der betriebliche Charakter der Tätigkeit gehe nicht dadurch verloren – so das LAG . , dass der Arbeitnehmer bei Durchführung der Tätigkeit grob fahrlässig handelt oder vorsätzlich seine Verhaltenspflichten verletzt. Mangels Vorsatzes hat das LAG bei der Abwägung im Rahmen der Haftungsverteilung eine Kaappung der Haftung des Beklagten bei sechs Bruttomonatsgehältern angenommen.

Unfall bei Straßenmarkierungsarbeiten – wie wird gehaftet?

entnommen wikimedia.org Urheber Patrick G. Stößer

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Urheber Patrick G. Stößer

Ich bin immer froh, wenn ich von Kollegen Entscheidungen übersandt bekomme, die zur Frage der Haftungsqoute bei Verkehrsunfällen Stellung nehmen. So habe ich mich dann auch über das AG Papenburg, Urt. v. 22.01.2014 – 3 C 537/13 – gefreut, dass etwas zur Haftungsquote und zur Verletzung der Verkehrssicherungspflichten bei Straßenmarkierungsarbeiten sagt. Und zwar geht es 70 : 30 zu Gunsten des Klägers, dessen Pkw beschädigt worden war, aus.

„Der Kläger hat gegen die Beklagten gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, 823, 831 BGB Anspruch auf Schadensersatz aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall nach einer Haftungsquote von 70 %.

Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme ist das Unfallgeschehen maßgeblich auf eine Verletzung der Verkehrssicherungspflichten durch die Beklagten zurückzuführen. Die im Zusammenhang mit dem Einsatz der Arbeitsmaschine für die Fahrbahnmarkierungsarbeiten erforderliche Sicherungsmaßnahmen sind nicht hinreichend beachtet worden. Unstreitig war die vordere Rundumleuchte auf der Arbeitsmaschine funktionsuntüchtig. Das Umlenken des Verkehrs durch den Zeugen T. war  ebenfalls nicht hinreichend deutlich und sicher, um eine Gefährdung der Verkehrsteilnehmer auszuschließen. Der Zeuge trug keine besondere Warnkleidung. Allein eine kurze orange Hose mit dunklem T-Shirt ist kaum als Warnkleidung zu erkennen. Unstreitig hat er ohne sonstige Warngegenstände (Fahne o.ä.) lediglich mit einer bloßen Handbewegung den Verkehr nach rechts gewiesen und stand dabei nach eigenen Angaben etwa mittig auf der rechten Fahrbahnhälfte, nach Angaben des Klägers sogar noch weiter rechts davon. Diese Fahrbahnhälfte ist dort im Beginn des Einmündungstrichters bereits so breit ausgestaltet, dass der Kläger mit seinem Pkw links an dem Zeugen T. vorbeifahren konnte, ohne hierfür die Gegenfahrbahn in Anspruch zu nehmen. Bereits hieraus ergibt sich zwanglos, dass aus der Position und den bloßen Handbewegungen des Zeugen vom nicht eindeutig und zwingend der Verkehr auf die Gegenfahrbahn gewiesen wurde. Dies musste den Verkehrsteilnehmern auch nicht zwanglos deutlich werden, da es sich doch um ein sehr ungewöhnliches, grundsätzlich verkehrswidriges und überaus gefahrenträchtiges Umfahrungsmanöver handelt, wenn tatsächlich der Verkehr auf die Gegenfahrbahn und dort weiter links an der Verkehrsinsel vorbei in den Einmündungstrichter zum xxxx. gelenkt werden sollte.

Nach den Zeugenbekundungen, insbesondere den insoweit eindeutigen Bekundungen des Zeugen E. waren auch unmittelbar vor dem Pkw des Klägers keine anderen Fahrzeuge so gefahren, woraus der Kläger solches hätte wahrnehmen können.

Der Kläger selbst ist sodann in üblicherweise verkehrsgerechtem Verhalten auch rechts an der Verkehrsinsel mit Schritttempo in den Einmündungstrichter weitergefahren. Zu diesem Zeitpunkt stand die Fahrbahnmarkierungsmaschine noch und die gelbe Rundumleuchte vorne auf der Maschine war nicht in Tätigkeit sondern sogar funktionsuntüchtig. Zwischen der Verkehrsinsel und der Fahrbahnmarkierungsmaschine war, auch nach den sicheren Bekundungen des Zeugen E. ausreichend Platz für ein Durchfahren des klägerischen Pkw. Der Beklagte zu 1.) ist jedoch, unmittelbar als der Kläger mit seinem Pkw diese Lücke passierte, ohne dies zu beachten mit der Arbeitsmaschine angefahren und hat somit den Unfall in erster Linie zu verantworten.

Demgegenüber ist dem Kläger lediglich anzulasten, dass er sich vor dem Passieren der Arbeitsmaschine nicht hinreichend etwa durch Hupzeichen und Sichtkontakt mit dem Beklagten zu 1.) verständigt hat, um ein gefahrloses Passieren auch zu ermöglichen. Die Gesamtsituation hätte auch für ihn Bedenken auslösen müssen, welche er nur durch Verständigung mit dem Fahrer der Arbeitsmaschine hätte sicher ausräumen können.

 In der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile erscheint jedoch die grobe Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagtenseite deutlich gravierender, so dass eine Haftungsquotelung von 70 % zu Lasten der Beklagten und 30 % zu Lasten des Klägers als angemessen erscheint.“

Beim Autowaschen ausgerutscht – nicht versichert…

1200px-Waschanlage_CVAGU.a. bei LTO habe ich einen Hinweis auf das Bayerische LSG, Urt .v. 31.10.2012 – L 17 U 180/12 – gefunden, dass am 10.12.2013 veröffentlicht worden ist (Volltexte habe ich leider noch nicht).
Da hatte ein Unternehmer Unternehmer mit einer Drogerie und angegliederter Lotto-Annahmestelle auf einer Geschäftsfahrt mit seinem überwiegend privat genutzten Pkw einen Stopp an einer Autowaschanlage eingelegt für eine Autowäsche. Dort rutschte er aus und erlitt erhebliche Beinverletzungen und sich dabei verletzt, dann ist dies kein Arbeitsunfall.

Das LSG hat ausgeführt/entschieden, dass eine solche Autowäsche nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert ist. Es erklärte, das Autowaschen sei nicht der versicherten Unternehmertätigkeit zuzurechnen gewesen. Die Autowäsche sei nicht für die sichere Weiterfahrt akut erforderlich gewesen. Der Pkw des Unternehmers sei auch kein Arbeitsgerät, weil er überwiegend privat genutzt werde.

 

Die Kollision mit dem alkoholisierten Fußgänger

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Wie wird die Haftung verteilt, wenn es zwischen einem alkoholisierten Fußgänger und einem Pkw zu eine Kollision kommt? Darauf hat jetzt der BGH im BGH, Urt. v. 24.09.2013 – VI ZR 255/12 – eine Antwort gegeben, und zwar:

Bei einem Unfall zwischen einem Fußgänger und einem Kraftfahrzeug darf bei der Abwägung der Verursachungsanteile nur schuldhaftes Verhalten des Fußgängers verwertet werden, von dem feststeht, dass es zu dem Schaden oder zu dem Schadensumfang beigetragen hat. Nur vermutete Tatbeiträge oder die bloße Möglichkeit einer Schadensverursachung aufgrund geschaffener Gefährdungslage haben außer Betracht zu bleiben. Ein überwiegendes Mitverschulden eines Fußgängers am Zustandekommen des Unfalls ergibt sich nach Auffassung des BGH nicht bereits daraus, dass er in erheblich alkoholisiertem Zustand die Straße überquerte, ohne auf den Fahrzeugverkehr zu achten. Die Beweislast für den unfallursächlichen Mitverschuldensanteil des Fußgängers trägt regelmäßig der Halter des Kraftfahrzeugs (§§ 7, 17 StVG, 254 BGB).

Im Urteil dazu:

Nach diesen Grundsätzen durfte das Berufungsgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht annehmen, das Verschulden der Klägerin überwiege gegenüber der nicht ausgeräumten Betriebsgefahr des Fahrzeugs der Beklagten dermaßen, dass die Betriebsgefahr hinter dem Verschulden der Klägerin zurücktrete. Mangels ausreichender Feststellungen zum Unfallhergang ergibt sich ein derart überwiegendes Mitverschulden der Klägerin am Zustandekommen des Unfalls nicht bereits daraus, dass diese in erheblich alkoholisiertem Zustand unter Verstoß gegen § 25 Abs. 3 StVO die Straße überquerte, ohne auf den Fahrzeugverkehr zu achten. Insoweit erweist sich das Berufungsurteil als widersprüchlich zu der Begründung, mit der das Berufungsgericht die Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens abgelehnt hat. Dazu heißt es in dem angefochtenen Urteil, dass sich weder aus der Ermittlungsakte noch aus der Aussage des Zeugen M. oder der Anhörung der Parteien konkrete Anknüpfungstatsachen, insbesondere Entfernungen, Abstände, Endlagen und Geschwindigkeiten entnehmen ließen, die ausreichten, um einen Sachverständigen mit der Erstellung eines unfallanalytischen Gutachtens über den Hergang des Unfalls zu beauftragen. Mithin stand für das Berufungsgericht weder fest, welche Wegstrecke die Klägerin auf der Fahrbahn bis zum Erreichen des Kollisionsorts zurückgelegt hat, noch dass sie für die Beklagte zu 1 nicht erkennbar gewesen ist und der Unfall durch eine sofortige Reaktion der Beklagten zu 1 nicht hätte vermieden werden können.“

Der Geisterkletterer in der Turborutsche

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Der nachfolgende Hinweis auf das OLG Koblenz, Urt. v. 21.06.2012 – 2 U 271/11 – passt zum Wetter. Es geht darin u.a. um die Haftung nach einem Unfall in einer Turborutsche in einem Freizeitbad und das Verschulden eines Badegastes bei der Kollision mit einem anderen Badegast auf einer Turborutsche. Ein Besucher war in einem Freizeitbad im Auslaufbereich von unten in eine Wasserrutsche geklettert und blockierte damit deren Auslauf. Dazu das OLG:

Wer in einem Freizeitbad in einem Auslaufbecken von unten in die Röhre einer Turborutsche klettert und für den ordnungsgemäß die Röhre benutzenden Badegast eine Blockade darstellt, ist für die infolge einer Kollision entstandenen Körperverletzung des anderen Badegastes verantwortlich, weil grundlegende Regeln und Sicherheitsvorkehrungen infolge des Blockierens des Rutschenlaufs missachtet werden.

Das OLG hat außerdem zur Höhe des Schmerzensgeldes für den Bruch des äußeren Schienbeinkopfes mit drittgradigem Knorpelschaden mit Einschränkungen der Beweglichkeit eines Knies Stellung genommen und ein Schmerzensgeld von 5.000 € als angemessen angesehen.