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Im Zulassungsverfahren keine Stellungnahme der GStA, oder: Vorbeugen und Antrag stellen

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Ich beginne die Woche mit zwei Entscheidungen zum Rechtsbeschwerdeverfahren. Und ich starte mit dem KG, Beschl. v. 20.12.2018 – 3 Ws (B) 265/18.

Ergangen ist der Beschluss im Zulassungsverfahren. Das KG hat den Zulassungsantrag des Betroffenen verworfen. Der macht mit der Anhörungsrüge eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend (§ 356a StPO). Dei begründet er damit, dass er die Gegenerklärung der Generalstaatsanwaltschaft im Zulassungsverfahren nicht zur Kenntnis erhalten zu habe. Das KG meint: Der Antrag ist u.a. auch unbegründet. Die Stellungnahme mut der Betroffene nicht erhalten:

„2. Demnach ist der Antrag bereits unzulässig; er ist auch unbegründet.

Denn die Entscheidung des Senats beruht auch nicht auf der unterbliebenen Übersendung der Gegenerklärung der Generalstaatsanwaltschaft. Der Betroffene hat nicht dargetan, dass dadurch sein Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden ist.

Der Senat sieht darüber hinaus keinen Anlass, von seiner in der vom Betroffenen zitierten Entscheidung geäußerten Rechtsauffassung (Beschluss vom 21. Dezember 2017 – 3 Ws (B) 301/17 -, die Stellungnahmen der Generalstaatsanwaltschaft in vergleichbaren Fällen nicht zu übersenden, mit Blick auf die vom Verteidiger genannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, Beschluss vom 18. September 2018 – 2 BvR 745/18 – abzuweichen.

Dieser Beschluss des Bundesverfassungsgerichts befasst sich mit der unterbliebenen Übersendung von Stellungnahmen der Strafverfolgungsbehörde in einem Strafverfahren, in dem der Angeklagte Beschwerde gegen eine Haftfortdauerentscheidung eines Landgerichts eingelegt hatte. In diesem Zusammenhang sind – so auch das Bundesverfassungsgericht – stets die sich aus Art. 5 Abs. 4 EMRK ergebenen Verfahrensgarantien zu berücksichtigen. Das sind Garantien, die bei einem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde keine Rolle spielen.

Vielmehr bestehen im Rechtmittelverfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz eindeutige und klare gesetzliche Regelungen, in welchen Fällen die Übersendung der Stellungnahmen der Generalstaatsanwaltschaft zu erfolgen hat und damit liegt eine positiv gesetzliche Regelung zum Umfang des rechtlichen Gehörs des Betroffenen vor.

So ergibt sich die Verpflichtung zur Übersendung der Stellungnahmen der Generalstaatsanwaltschaft zwar nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG über § 349 Abs. 3 StPO für das Rechtsbeschwerdeverfahren. Diese Vorschrift ist aber auf das Zulassungsverfahren nach § 80 OWiG nicht anwendbar (vgl. OLG Düsseldorf VRS 39, 397; Seitz/Bauer in Göhler, OWiG 17. Aufl., § 80 Rn. 40; Senge in Karlsruher Kommentar, OWiG 4. Aufl., § 80 Rn. 56 mwN). Vielmehr verweist § 80 Abs. 4 OWiG nur auf §§ 346 bis 348 StPO, nicht aber auf § 349 StPO.

Diese Gesetzeslage spiegelt den Willen des Gesetzgebers wieder, der die Überprüfbarkeit von gerichtlichen Entscheidungen in minderschweren Ordnungswidrigkeiten bewusst eingeschränkt hat und zwar auch hinsichtlich des Verfahrensganges, wozu die Nichtübersendung der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft und damit die gesetzlich normierte Verkürzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Massenverfahren zählt.

Aus Art. 103 Abs. 1 GG ergab sich nichts anderes. Es liegt in der Natur der Sache, dass in der staatsanwaltschaftlichen Stellungnahme grundsätzlich Rechtsansichten geäußert werden. So war es auch hier.

Soweit die Literatur (Seitz/Bauer in Göhler, OWiG 17. Aufl., § 80 Rn. 39a; Senge in KK OWiG 7. Aufl., § 80 Rn. 56) und vereinzelt auch die Rechtsprechung (OLG Schleswig StraFo 2008, 250; OLG Frankfurt aaO) darauf verweisen, dass jedenfalls im Falle einer drohenden Überraschungsentscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts der Betroffene zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme zu den auf seinen Antrag hin ergangenen Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft bekommen soll, wird der Senat auch in Zukunft solche Stellungnahmen übersenden. Gleiches gilt, wenn der Verteidiger dies beantragt. So ist der Senat – wie dem Verteidiger auch aus anderen Verfahren vor dem Senat bekannt ist – in der Vergangenheit verfahren und er hat derzeit keine Veranlassung, von dieser Praxis in Zukunft abzuweichen.“

Also: Vorbeugen und Antrag stellen.

Und noch mal Akteneinsicht, oder: Verjährung bei der elektronischen Akte

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Und dann noch eine Entscheidung zur Akteneinsicht außerhalb des Mainstreams Messdaten usw. (vgl. dazu auch schon den AG Bad Saulgau, Beschl. v. 20.12.2016 – 1 OWi 273/16 und Mal was anderes zur Akteneinsicht, oder: Einsicht in die Bußgeldakte des Unfallgegners). Hier handelt es sich um den AG Bremen, Beschl. v. 01.11.2ß16 – 74 OWi 640 Js 16526/16 (179/16). Es geht um die Einstellung des Verfahrens wegen Verjährung, weil dem AG nur ein nicht ordnungsgemäßer Ausdruck einer elektronischen Akte übersandt worden ist und auch nicht rechtzeitig nachgebessert wurde. Dazu das AG:

„Es besteht ein Verfahrenshindernis nach § 206a StPO, da eine ordnungsgemäße Akte nicht vorliegt und auch nicht vorgelegt werden kann. Übersandt wurde der Ausdruck einer bei der Verwaltungsbehörde elektronisch geführten Akte, die nicht die von § 110b Abs. 2 OWiG vorgeschriebenen Vermerke aufweist, obwohl die Akte offensichtlich eingescannte Dokumente enthält. § 110b Abs. 3 OWiG regelt, dass ein elektronisches Dokument, das unter Beachtung von § 110b Abs. 2 OWiG erstellt wurde, grundsätzlich die Papierakte ersetzt und für das Verfahren zugrunde zu legen ist. Ein Ausdruck dieses elektronischen Dokuments kann dann auch nach §§ 110b Abs. 3, 110d Abs. 3 OWiG für das gesamte weitere Verfahren, also auch das Gerichtsverfahren, die Akte darstellen. Wenn aber die elektronische Akte nicht ordnungsgemäß erstellt wird, dann ist der Ausdruck der elektronischen Akte im Umkehrschluss zu §§ 110b Abs. 3, 110d Abs. 3 OWiG nicht dem Verfahren zugrunde zu legen.

Entgegen § 110b Abs. 2 S.3 OWiG konnten trotz Anforderung binnen zwei Monaten weder die Originalunterlagen noch ein dem § 110b Abs. 2 OWiG entsprechender Ausdruck von der Verwaltungsbehörde vorgelegt werden, weshalb davon ausgegangen werden muss, dass eine ordnungsgemäße Akte vor Verjährungseintritt auch nicht mehr hergestellt werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO, wobei zu berücksichtigen war, dass bei Übersendung der Unterlagen im Original oder mit Vermerken nach § 110b Abs. 2 OWiG aufgrund der vorliegenden Ausdrucke davon auszugehen ist, dass eine Verurteilung des Betroffenen wegen der ihm vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten war.“

Hätten Sie es gewusst?

Führt die Übersendung von Entscheidungen an Fachzeitschriften und der Erhalt einer Aufwandsentschädigung hierfür zur Befangenheit?

Das KG hatte sich – in einem Zivilverfahren – mit der (interessanten) Frage auseinanderzusetzen, ob die Übersendung von Entscheidungen an Fachzeitschriften und der Erhalt einer Aufwandsentschädigung hierfür zur Befangenheit der Richters führt. Geltend gemacht war von der Beklagten, „es bestehe die Besorgnis, dass der Richter am Kammergericht xxx befangen sei. Er sei seit langer Zeit dem Kläger vertraglich verbunden, in dem er der Vereinsschrift der Beklagten „xxx“ Beiträge zur Verfügung stelle und hierfür Geld erhalte. Der „xxx“ sei keine gewöhnliche Fachzeitschrift, sondern ein „Parteiorgan“. Der Richter zitiere auch, „wohl wissend, dass die allermeisten Prozessbeteiligten diese Zeitschrift nicht abonniert haben“, in von ihm verfassten Urteilen nicht selten aus der Zeitschrift „xxx “ (xxx). Auch dadurch versuche er, die Interessen des Klägers zu fördern. Selbst wenn die vom Kläger an den Richter gezahlten Aufwandsentschädigungen geringfügig gewesen seien, handle es sich um im Hinblick auf eine Korruptionsgefahr bedenkliche Anbahnungszuwendungen. Der Richter sei im Übrigen verpflichtet gewesen, seine besonderen Beziehungen zum Kläger gemäß § 48 ZPO anzuzeigen.

Der KG, Beschl. v. 20.01.2012 – 5 U 125/11 – verneint die Frage:

„Auch die Tatsache, dass die Richter gelegentlich über die hierfür zuständige Verwaltungsstelle des Kammergerichts Entscheidungen des Senats zum Zwecke der Veröffentlichung an die einschlägigen Fachzeitschriften, darunter auch an den vom Kläger herausgegebenen „xxx“, versenden lassen und hierfür in geringer Höhe die üblichen Aufwandsentschädigungen erhalten, vermag bei vernünftiger Betrachtung ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Richter nicht zu rechtfertigen. Mit der Veröffentlichung von Entscheidungen wirken die Richter an der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe mit, bei der die Gerichte an den Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden sind (Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 19. Dezember 1995 – 10 L 5059/93; BVerwG Urteil vom 26. Februar 1997 – 6 C 3/96). Es steht somit nicht im Belieben der Gerichte, welchen von mehreren einschlägigen Fachzeitschriften Entscheidungen zum Zwecke der Veröffentlichung zugänglich gemacht werden. Der vom Kläger herausgegebene „xxx“ ist eine wettbewerbsrechtliche Fachzeitschrift, die in der einschlägigen Kommentarliteratur zitiert wird (vgl. nur Münchener Kommentar, Lauterkeitsrecht, Bd. 1, § 4 Nr. 11 UWG Fußnote 1272 und Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, 27. Aufl., § 12 Rdn. 3.15). Auf diesem Hintergrund werden die zur Veröffentlichung ausgesuchten Entscheidungen des Senats zu wettbewerbsrechtlichen Fragen auch dem „xxx“ übersandt. Die Übersendung von Entscheidungen an den „xxx“ begründet ein Näheverhältnis zwischen den die Veröffentlichung veranlassenden Richtern und dieser Fachzeitschrift nicht. Auch kann in der Übersendung an den „Magazin Dienst“ als einer wettbewerbsrechtlichen Fachzeitschrift keine Förderung der Belange des Klägers gesehen werden. Dass der Herausgeber der Fachzeitschrift xxx“ kein Verlag ist, ändert hieran nichts. Denn für die Veröffentlichungspraxis kommt es darauf an, ob es sich um eine für die jeweilige Fachöffentlichkeit relevante Zeitschrift handelt und nicht darauf, wer die Zeitschrift herausgibt.“