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Klein, aber fein III – Teilnahme ist nicht Täterschaft

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Klein, aber fein, heute aber mal nicht von einem LG, sondern vom BGH, nämlich der BGH, Beschl. v. 02.09.2015 – 2 StR 49/15. Er enthält eine Problematik, die in der Praxis immer wieder eine (große) Rolle spielt und bei der Revisionen i.d.R. „Selbstläufer“ sind. So auch die Revision in dem Fall, in dem das LG Darmstadt den Angeklagten wegen Beihilfe zum Betrug in zehn tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt hatte. Die Verfahrensrüge des Angeklagten ist dann durchgegangen.

„2. Die Revision rügt zu Recht eine Verletzung der Hinweispflicht aus § 265 Abs. 1 StPO durch das Landgericht.

a) Dem Angeklagten war in der Anklageschrift gewerbsmäßig begange-ner Betrug in 142 Fällen vorgeworfen worden, wobei es in drei Fällen beim Ver-such geblieben sei. Die Anklageschrift war durch den Eröffnungsbeschluss der Strafkammer unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen worden. In der Hauptverhandlung erfolgte eine Verfahrensbeschränkung gemäß § 154 Abs. 2 StPO. Anschließend wies das Landgericht darauf hin, dass auch eine Verurteilung des Angeklagten wegen einer einheitlichen Tat in Betracht komme. Ein Hinweis darauf, dass anstelle von Mittäterschaft auch Beihilfe in Betracht kommen kann, wurde hingegen nicht erteilt.

Dies war verfahrensfehlerhaft. Die Hinweispflicht gemäß § 265 Abs. 1 StPO gilt nicht nur in Bezug auf den Straftatbestand, sondern auch für die nach dem Urteil maßgebliche Zurechnungsnorm für Täterschaft oder Teilnahme (vgl. Senat, Urteil vom 6. Mai 2011 – 2 StR 590/10, BGHSt 56, 235, 237). Nach Erhebung und Zulassung einer Anklage wegen Mittäterschaft muss daher vor einer Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zu der von einem anderen begangenen Haupttat auf diese Änderung des rechtlichen Gesichtspunkts hingewiesen werden. Das ist hier nicht geschehen.

b) Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht. Die Möglichkeit einer anderen Verteidigung braucht dazu nicht nahe zu liegen. Es genügt, dass sie nicht mit Sicherheit auszuschließen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 1985 – 1 StR 196/85, NJW 1985, 860, 861; SK/Velten, StPO, 4. Aufl., § 265 Rn. 67). Bei dem weiten Rahmen der Zurechnung eines uneigentlichen Organisationsdelikts kann der Senat im vorliegenden Fall nicht ausschließen, dass Anträge der Verteidigung des Beschwerdeführers vor dem Landgericht auf Erhebung entlastender Beweise, durch eine Ergänzung der Einlassung zur Sache oder durch rechtliche Argumente gegen den Vorwurf einer Beihilfe zum Betrug zu einem für den Angeklagten günstigeren Urteil geführt hätten.“

Kurz und zackig, aber was soll der BGH da auch viel anderes schreiben.

BtM-Geschäft – Täterschaft oder Teilnahme?

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Insbesondere für die Höhe der Strafe ist in BtM-Verfahren die Frage von Bedeutung: War der Angeklagte (Mit)Täter oder Teilnehmer? Die Antwort richtet sich nach ständiger Rechtsprechung des BGH nach den allgemeinen Abgrenzungskriterien für Täterschaft/Teilnahme. Mittäter ist, wer nicht nur fremdes Tun fördert, sondern einen eigenen Tatbeitrag derart in eine gemeinschaftliche Tat einfügt, dass sein Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und umgekehrt dessen Tun als Ergänzung seines eigenen Tatanteils erscheint. Und ob ein Beteiligter ein so enges Verhältnis zur Tat hat, ist nach den gesamten Umständen, die von seiner Vorstellung umfasst sind, in wertender Betrachtung zu beurteilen. Darauf weist noch einmal der 3. Strafsenat des BGH im BGH, Beschl. v. 04.09.2012 – 3 StR 337/12 hin und kommt im entschiedenen Fall zunächst mal nur zur Beihilfe:

„b) Nach diesen Maßstäben rechtfertigen die bisherigen Feststellungen nur die Annahme einer Beihilfe des Angeklagten zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Er vermittelte und begleitete lediglich ein fremdes Umsatzgeschäft. Zur Höhe der Entlohnung, die ihm zugesagt war, hat die Kammer keine Feststellungen treffen können; jedoch spricht das in der Beweiswürdigung zitierte Gespräch mit seinem Lieferanten, nach dem im Wesentlichen andere an dem Geschäft verdienen würden, gegen einen hohen Grad des eigenen finanziellen Tatinteresses. Einen eigenen Einfluss auf das Betäubungsmittelgeschäft, die angefragte Menge, deren Preis sowie deren Weiter-verkauf hatte der Angeklagte nicht; ebenso wenig sollte er die gehandelten Betäubungsmittel in Besitz nehmen. Sein Beitrag bei dem Erwerb und der Über-gabe des Heroins beschränkte sich auf das Dolmetschen zwischen den Käufern und dem Lieferanten, so dass auch insoweit keine hinreichend gewichtigen Aktivitäten festgestellt sind, die eine Täterschaft des Angeklagten belegen könnten.

(Preis)Frage: Täter oder nur Teilnehmer? – was bringt es?

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In BtM-Verfahren spielt die Frage der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme eine große Rolle und hat für den Angeklagten bei einer Verurteilung i.d.R. – siehe aber unten – Auswirkungen hinsichtlich der Strafhöhe. Deshalb muss auf alle Umstände des Falles geachtet werden.Das zeigt noch einmal der BGH, Beschl. v. 22.08.2012 – 4 StR 272/12, in dem der BGH folgenden Sachverhalt zu beurteilen hatte:

„…Die Tätigkeit des Angeklagten war darauf beschränkt, auf Anweisung seiner Hinterleute der von ihm angeworbenen Kurierfahrerin den Auftrag zu erteilen, nach Spanien zu fahren und dort Kokain aufzunehmen. Da-bei stellte er das Geld für die Anmietung des Transportfahrzeuges aus Mitteln bereit, die er zuvor zu diesem Zweck von seinen Auftraggebern erhalten hatte. Während der Fahrt nach Spanien war der Angeklagte für die Kurierfahrerin stets telefonisch erreichbar. Nach ihrer Ankunft in Madrid benachrichtigte er die Betäubungsmittellieferanten, die daraufhin Kontakt zu der Kurierfahrerin auf-nahmen. Nach der Übernahme der zu transportierenden Betäubungsmittel diri-gierte er die Kurierfahrerin zu den Zielorten in England oder Italien und stellte auch dort den Kontakt zu den Abnehmern her. Im Anschluss an die Übergabe der transportierten Betäubungsmittel kehrte die Kurierfahrerin zu dem Ange-klagten zurück und überbrachte ihm die für ihn bestimmte „Entlohnung“. Aus dem dargestellten Ablauf ergibt sich, dass der Angeklagte keinen Einfluss auf Art und Menge der zu transportierenden Betäubungsmittel hatte und auch nicht bestimmen konnte, ob und wann ein Transport stattfindet. An der Preisgestaltung und den Zahlungsströmen war er offenkundig nicht beteiligt. Für entstehende Kosten verwendete er zweckgebunden überlassene Mittel seiner Auftraggeber. Die ihm verbleibenden Handlungsspielräume bei der Auswahl der Kurierfahrerin sowie ihrer Anleitung und Überwachung waren auf den Transportvorgang beschränkt…“

An sich sollte sich danach die Frage: Täter oder nur Teilnehmer?, nicht mehr stellen. Das LG hatte aber auf der Grundlage dieser Feststellungen wegen täterschaftlichen Handelns verurteilt. Der BGH sieht – unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung – nur eine  Beihilfe und ändert den Schuldspruch ab.

Mehr aber auch nicht. Denn:

Der Senat kann ausschließen, dass die Schuldspruchänderung eine Auswirkung auf die am Erziehungsgedanken orientierte Bemessung der sehr maßvollen Jugendstrafe gehabt hätte.“

Es bleibt also bei einer Jugendstrafe zwei Jahren und elf Monaten