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Strafzumessung I: Täter-Opfer-Ausgleich, oder: „friedenstiftender“ kommunikativer Prozess

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Schon etwas länger – na ja, schon recht lange – hängt in meinem Blogordner der BGH, Beschl. v. 23.8.2017 – 3 StR 233/17. Der ist mir immer wieder durchgerutscht. Heute passt der Beschluss, der sich zur Strafzumessung bzw. zur den Voraussetzungen für die Annahme eines Täter-Opfer-Ausgleichs verhält, ganz gut.

Dem Beschluss liegt in etwa folgender Sachverhalt zugrunde. Ergangen ist er in einem Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs. In einem Zeitraum von ca. einem Jahr nahm der Angeklagte in sieben Fällen sexuelle Handlungen an der damals 12 bzw. 13 Jahre alten Nebenklägerin vor. Bei der Nebenklägering handelt es sich um die 2003 geborene Nichte des Angeklagten, die zu diesem eine vertrauensvolle Beziehung unterhalten hat. Der Angeklagte war zunächst in U-Haft. Nach seiner Entlassung aus der U-Haft wandte er sich über seinen Verteidiger in mehreren Schreiben an den Vater der Nebenklägerin, brachte sein tiefes Bedauern zum Ausdruck und zahlte nach entsprechenden Angeboten 2 x 5.000 € an die Nebenklägerin und erklärte in einem Vergleich die Übernahme künftiger materieller und immaterieller Schäden. Das LG hat die Voraussetzungen von § 46a StGB bejaht und unter Hinzuziehung weiterer schuldmindernder Gesichtspunkt einen minder schweren Fall des § 176a StGB angenommen und den Angeklagten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision der StA blieb ohne Erfolg.

Der BGH nimmt zunächst noch einmal zu den (allgemeinen) Voraussetzungen des TOA Stellung und weits darauf hin, dass ein sog. kommunikativer Prozess grundsätzlich auch erforderlich ist, soweit es § 46a Nr. 1 StGB genügen lässt, dass der Täter die Wiedergutmachung seiner Tat ernsthaft erstrebt. Deshalb habe das Tatgericht regelmäßig insbesondere Feststellungen dazu zu treffen, wie sich das Opfer zu den Bemühungen des Täters gestellt hat. Und dann:

b) Nach alledem war für einen Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne des § 46a Nr. 1 StGB die persönliche Beteiligung der Nebenklägerin erforderlich. Sie war auch nicht deswegen – ausnahmsweise – entbehrlich, weil bei den Vergleichsverhandlungen und dem Vergleichsschluss die Eltern in ihrem Namen handelten und sie über die gegenständlichen Missbrauchstaten nicht sprechen wollte:

aa) Dass die Eltern als gesetzliche Vertreter an dem Zustandekommen der Einigung mitwirkten, kann eine Einbeziehung der Nebenklägerin in den Täter-Opfer-Ausgleich nicht ersetzen.

Zwar setzt der kommunikative Prozess keine persönliche Begegnung des Täters mit seinem Opfer voraus. Eine Verständigung über vermittelnde Dritte, etwa – wie hier – den Verteidiger und die gesetzlichen Vertreter, genügt (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 2005 – 1 StR 287/05, aaO; Beschluss vom 8. Juli 2014 – 1 StR 266/14, aaO; MüKoStGB/Maier, 3. Aufl., § 46a Rn. 29) und wird bei schwerwiegenden Sexualdelikten, wie vorliegend abgeurteilt, vielfach als opferschonendes Vorgehen ratsam sein (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 2002 – 2 StR 73/02, aaO). Jedoch ist ein solcher vermittelter kommunikativer Prozess nicht gegeben, wenn die Erklärungen des Täters das Opfer erst gar nicht erreichen.

Allein der Umstand, dass es sich bei der Nebenklägerin um eine Minderjährige handelt, die im Rechtsverkehr von ihren Eltern gesetzlich vertreten wird, lässt keine abweichende Wertung zu. Die Vorschrift des § 46a StGB will einen Anreiz für Bemühungen um einen friedensstiftenden Ausgleich seitens des Täters mit dem Ziel schaffen, dem durch die Straftat Geschädigten Genugtuung zu gewähren (vgl. BGH, Urteile vom 19. Dezember 2002 – 1 StR 405/02, aaO, S. 137 f.; vom 7. Dezember 2005 – 1 StR 287/05, aaO). Adressat dieser Bemühungen – gleichviel, ob durch Vermittlung eines Dritten oder unvermittelt – kann daher grundsätzlich nur das Tatopfer selbst sein. Dabei kann es nicht auf die zivilrechtliche Geschäftsfähigkeit ankommen; dies folgt nicht nur aus dem Zweck des § 46a StGB, sondern auch aus den Regelungen der § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7, § 45 Abs. 2 Satz 2 JGG, die den Täter-Opfer-Ausgleich im Jugendstrafrecht für Jugendliche vorsehen und an denen sich der Gesetzgeber bei dessen erstmaliger Normierung im Erwachsenenstrafrecht orientiert hat (vgl. BT-Drucks. 12/6853, S. 21; BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 – 1 StR 405/02, aaO, S. 137, 139). Hiervon unberührt bleibt, dass es – umgekehrt – regelmäßig nicht angezeigt sein wird, die Kommunikation gleichsam über die Köpfe der gesetzlichen Vertreter hinweg zu führen.

Inwieweit anderes zu gelten hat, wenn das Opfer nicht über die notwendige Verstandesreife für einen Täter-Opfer-Ausgleich verfügt, kann hier dahinstehen. Dass die zur Zeit der Hauptverhandlung 13-jährige Nebenklägerin keine genügende Vorstellung von dem seitens des Angeklagten beabsichtigten Ausgleich hatte und nicht imstande war, einen gegenüber den Bemühungen des Angeklagten befürwortenden oder ablehnenden Willen zu bilden, ist gerade nicht festgestellt.

bb) Dass die Nebenklägerin Gesprächen über die gegenständlichen Missbrauchstaten ablehnend gegenüberstand, führt nicht dazu, dass von ihrer Einbindung in den kommunikativen Prozess gänzlich abgesehen werden durfte. Die Strafkammer hat in der Hauptverhandlung die Überzeugung gewonnen, dass die Nebenklägerin über die Taten „nicht reden will und sie dies augenscheinlich sehr belastet“ (UA S. 17). So haben ihre Eltern etwa ausgesagt, auch sie hätten mit ihr weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart darüber gesprochen (UA S. 10).

Nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte eine Strafrahmenmilderung gemäß § 46a Nr. 1 StGB nicht ausgeschlossen sein, wenn „die Geschädigten eine für einen Ausgleich erforderliche Mitwirkung verweigern“ (BT-Drucks. 12/6853, S. 21; s. BGH, Urteil vom 31. Mai 2002 – 2 StR 73/02, aaO), soweit – auch in diesen Fällen – unter „Anleitung eines Dritten … eine Lösung des der Tat zugrundeliegenden Gesamtkonflikts“ erstrebt wird (BT-Drucks. 12/6853, S. 22). In der Literatur wird zu einer vom Tatopfer abgelehnten Mitwirkung vertreten, dessen Einbeziehung sei nicht zwingend erforderlich, wenn sich seine Weigerung nicht mehr als Wahrnehmung rechtlich schützenswerter Interessen darstelle (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 46a Rn. 10d; Schädler, NStZ 2005, 366, 368 f.) oder bei objektiver Wertung als nicht billigenswert erscheine (vgl. Meier, JuS 1996, 436, 440; kritisch [„zu weitgehend bzw. zu pauschal“] MüKoStGB/Maier aaO, Rn. 28).

Inwieweit derartige Einschränkungen anzuerkennen sind, braucht der Senat freilich für den vorliegenden Fall nicht zu entscheiden. Insbesondere kommt es auch nicht darauf an, ob die Regelung des § 155a Satz 3 StPO, wonach gegen den ausdrücklichen Willen des Verletzten die Eignung eines Verfahrens für den Täter-Opfer-Ausgleich nicht angenommen werden „darf“, ausnahmslos auf das materielle Strafrecht übertragbar ist (in diesem Sinne allerdings BGH, Urteile vom 19. Dezember 2002 – 1 StR 405/02, aaO, S. 142; vom 26. August 2003 – 1 StR 174/03, aaO). Im Hinblick auf die Schwere der im Schuldspruch rechtskräftig abgeurteilten Taten sowie der durch diese hervorgerufenen, anhaltenden erheblichen psychischen Belastungen für die Nebenklägerin liegt eine solche ausnahmebegründende Fallkonstellation hier völlig fern.

c) Die Annahme des Landgerichts, es habe der für den Täter-Opfer-Ausgleich erforderliche „kommunikative Prozess“ zwischen Angeklagtem und Nebenklägerin stattgefunden (UA S. 15) und der Vergleich habe friedensstiftende Wirkung gehabt (UA S. 14), hält sachlichrechtlicher Nachprüfung stand. Aus dem Verhalten des Angeklagten während des Verfahrens, insbesondere der frühzeitigen geständigen Einlassung und dem Verzicht auf die Einvernahme der Nebenklägerin, den beiden Entschuldigungsschreiben, den nicht unbeträchtlichen Schmerzensgeldzahlungen sowie dem Zustandekommen des – umfassenden – Vergleichs über künftigen materiellen und weiteren immateriellen Schadensersatz durfte die Strafkammer auf einen Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne des § 46a Nr. 1 StGB einschließlich des durch Übernahme von Verantwortung geprägten kommunikativen Prozesses und einer gewissen Akzeptanz auf Seiten der Nebenklägerin schließen…..

 

Täter-Opfer-Ausgleich, oder: Wenn schon Ausgleich, dann bei allen Geschädigten

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Leider heute keine Gebührenentscheidung – ich habe nichts im Ordner hängen :-). Daher eine Entscheidung des BGH zum Täter-Opder-Ausgleich (§ 46a StGB). Der Angeklagte ist wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Das LG hatte den Strafrahmen weiter gemäß §§ 46a Nr. 1, 49 Abs. 1 StGB gemildert, da sich der Angeklagte bei dem Geschädigten B. entschuldigt und ihm ein Schmerzensgeld gezahlt habe. Der BGH hebt mit BGH, Urt. v. 07.02.208 – 5 StR 535/17 – auf. Denn:

„Das Landgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs gemäß § 46a Nr. 1 StGB erfüllt seien und dieser vertypte Strafmilderungsgrund deshalb zugunsten des Angeklagten bei der Strafrahmenwahl zu berücksichtigen sei. Denn es reicht insofern nicht aus, dass ein Ausgleich nur in Bezug auf einen von mehreren Geschädigten gegeben ist. Sind durch eine Straftat Rechtsgüter mehrerer Personen verletzt, muss nach ständiger Rechtsprechung hinsichtlich jedes Geschädigten zumindest eine Variante des § 46a StGB erfüllt sein (vgl. BGH, Urteile vom 5. März 2014 – 2 StR 496/13, BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 10, und vom 22. Juni 2017 – 4 StR 151/17, NStZ-RR 2017, 306; MüKoStGB/Maier, 3. Aufl., § 46a Rn. 12, 26). Hier ist der Inhaber des Pizza-Lieferservices, dem ein Vermögensschaden zumindest in Höhe der erbeuteten Waren entstanden ist, neben dem Geschädigten B.  ein weiteres Opfer der Tat. Aus dem Urteil ergibt sich nicht, dass auch im Hinblick auf seine Person eine Variante des § 46a StGB vorliegt.“

 

Vernehmungsterminsgebühr, oder: War das ein „Termin“?

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Ich komme noch einmal zurück auf das Posting: Ich habe da mal eine Frage: Gibt es mehr als Grund- und Verfahrensgebühr? Da war in einem Kommentar hier im Blog aber auch auf Facebook die Frage nach der Nr. 4102 Nr. 4 VV RVG aufgteaucht. Der Kollege Hein hatte als Kommentator darauf hingewiesen, dass er die Nr. 4102 Nr. 4 VV RVG geltend gemacht hat für „Täter-Opfer-Ausgleichs-Gespräche“, die jedoch nur telefonisch bzw. per Email stattgefunden hatten. Er hatte aber schon eine Verfügung vorliegen, wonach die Gebühr in dem Fall nicht entstanden ist.

Nun hat er die Entscheidung des AG Darmstadt zu der Frage im AG Darmstadt, Beschl. v. 01.09.2016 – 218 Ds – 1470 Js 37783/14 – erhalten. Und die Antwort ist so ausgefallen, wie ich es ihm vorausgesagt hatte:

„Die zuständige Rechtspflegerin hat der Verteidigung zu Recht keine Gebühr gem. Nr. 4102 Ziffer 4 W RVG für die Teilnahme an Verhandlungen im Rahmen einen TOA erstattet.

Die Auffassung der Verteidigung, es bedürfe zur Entstehung dieser Gebühr keines Termins, sondern bereits telefonischer bzw. E-Mail-Verkehr reiche aus, ist unzutreffend.

Bereits in der Gesetzesbegründung zur Einführung des RVG zum 1.7.04 heißt es zur Entstehung einer Gebühr nach Nr. 4102 W Nr. 4 RVG: „Weil das Entstehen der Gebühr die Teilnahme an einem Termin voraussetzt, ist ausgeschlossen, dass z.B. für eine bloße telefonische kurze Verhandlung eine Terminsgebühr entsteht.

Während in Teil 3 Vorbemerkung 3 III RVG in Zivilsachen eine Terminsgebühr für Termine oder die Mitwirkung an die auf Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen gewährt wird, ist hiervon für Strafsachen in Teil 4 Vorbemerkung 3 III RVG nicht die Rede.

Vielmehr wird dort lediglich auf Termine Bezug genommen, unter denen man bereits nach allgemeinem Sprachgebrauch weder Telefonate noch E-Mail-Verkehr, sondern lediglich das persönliche Zusammentreffen von mindestens 2 Personen versteht.

Es ist daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber bewusst diesbezüglich zwischen Zivil-und Strafsachen unterscheiden wollte.“

M.E. zutreffend. Denn Telefonate und/oder Emails sind kein „Termin“. Da hat das AG Recht.

Die Geschichte ist übrigens noch nicht zu Ende: Der Kollege wird nun noch die Nr. 4143 VV RVG geltend machen, deren Festsetzung bisher noch nicht beantragt war. Der Anfall der Gebühr setzt nämlich, was bisher übersehen worden ist, nicht ein förmliches Adhäsionsverfahren voraus. So OLG Jena und OLG Nürnberg. Der Kollege wird vom Ausgang berichten.

Täter-Opfer-Ausgleich: Bloß entschuldigen ist kein „kommunikativer Prozess“

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Und dann nach dem BGH, Urt. v. 23.12.2015 – 2 StR 307/15 (vgl. dazu vorhin:Täter-Opfer-Ausgleich: Kleine Checkliste vom 2. Strafsenat) eine weitere Entscheidung des BGH zum Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) nach § 46 Nr. 1 StGB, die zeigt, dass es so einfach nicht ist/geht. In dem BGH, Urt. v. 28.01.2016 – 3 StR 354/15 – geht es (auch) um die Frage des sog. kommunikativen Prozesses. Der Angeklagte ist wegen gefährlicher Körperverletzung seines Bruders verurteilt worden. Er hat in einem länger andauernden Streit nach einem erfolglosen Versöhnungsversuch aus einem Fenster der Wohnung seiner Mutter ein Messer in der Größe eines Brotmessers nach seinem Bruder geworfen, den er – wie beabsichtigt – im oberen Bereich des Rückens getroffen hat. In der Hauptverhandlung hat der Angeklagte sich bei seinem Bruder entschuldigt, der die Entschuldigung angenommen und die Sache damit als erledigt betrachtet hat. Das LG hat in den Urteilsgründen ohne Erörterung der Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB im Rahmen der Strafzumessung lediglich allgemein zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er sich bei seinem Bruder entschuldigt hat. Der BGH hat keine Bedenken:

a) Eine Strafmilderung nach § 46a Nr. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Opfer zu erreichen, die Tat „ganz oder zum überwiegenden Teil“ wiedergutgemacht oder dieses Ziel jedenfalls ernsthaft erstrebt hat. Dies erfordert grundsätzlich einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer, bei dem das Bemühen des Täters Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein und das Opfer die Leistung des Täters als friedenstiftenden Ausgleich akzeptieren muss. Die Wiedergutmachung muss auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juli 1995 – 1 StR 205/95, BGHR StGB § 46a Wiedergutmachung 1; Urteil vom 31. Mai 2002 – 2 StR 73/02, NStZ 2002, 646; Urteil vom 27. August 2002 – 1 StR 204/02, NStZ 2003, 29, 30).

b) Eine Wiedergutmachung in diesem Sinne liegt nach den Feststellungen fern. Zwar steht es grundsätzlich einer Bejahung der Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB nicht im Wege, wenn ein Opfer dem Täter den Ausgleich in der Weise leicht macht, dass es an das Maß der Wiedergutmachungsbemühungen keine hohen Anforderungen stellt und schnell zu einer Versöhnung be-reit ist (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2001 – 3 StR 41/01, StV 2001, 457). Doch liegt es angesichts des das Leben des Geschädigten jedenfalls abstrakt gefährdenden Messerwurfs nicht nahe, dass die bloße Entschuldigung des Angeklagten, auch wenn der Geschädigte diese angenommen hat, eine umfassende Versöhnung zwischen Täter und Opfer bewirkt hat. Der Angeklagte selbst hat in seiner Einlassung angegeben, dass eine Versöhnung nach dem Vorfall zunächst nicht gelungen sei, vielmehr erst ein Jahr später stattgefunden habe und das Verhältnis zu seinem Bruder auch weiterhin „nicht das beste“ sei, auch wenn man sich wieder vertrage. Es spricht nichts dafür, dass sich diese – ersichtlich weiterhin nicht unbelastete – Beziehung zwischen den Brüdern allein durch die später in der Hauptverhandlung ausgesprochene Entschuldigung im Sinne einer umfassenden Aussöhnung verändert hätte. Vor diesem Hintergrund musste sich das Landgericht allein durch die ausgesprochene Entschuldigung nicht gedrängt sehen, sich mit einer Strafmilderung nach §§ 46a, 49 Abs. 1 StGB auseinanderzusetzen. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Aufklärung (§ 244 Abs. 2 StPO), die zu weiteren Feststellungen zu einem etwaigen Schadensausgleich geführt hätte, ist nicht gerügt worden (vgl. BGH, Beschluss vom 2. August 2012 – 3 StR 276/12, BGHR StGB § 46a Wiedergutmachung 10).“

Täter-Opfer-Ausgleich: Kleine Checkliste vom 2. Strafsenat

entnommen openclipart.org

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Im Rahmen der Strafzumessung spielen häufig die mit einem Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) (§ 46a StGB) zusammenhängenden Fragen ein Rolle. Liegt ein TOA vor kann ja nach der Vorschrift des § 46a StGB die Strafe gemildert werden. Allerdings müssen dafür die von der Rechtsprechung, vor allem der des BGH, aufgestellten Voraussetzungen vorliegen. Das ist vor allem der sog. kommunikative Prozess zwischen Täter und Opfer.

Zu den Voraussetzungen des TOA nach § 46a Nr. 1 StGB hat vor einiger Zeit noch einmal der BGH Stellung genommen, und zwar im BGH, Urt. v. 23.12.2015 – 2 StR 307/15. Da ging es erneut um die drei wesentlichen Fragen:

  1. Welche Auswirkungen hat es, wenn aufgrund der Vermögenslage des Angeklagten auf absehbare Zeit nicht mit einer auch nur (teilweisen) Zahlung von Schmerzensgeld zu rechnen ist?.
  2. Welche Auswirkungen hat es, dass der Angeklagte den Tatvorwurf nicht vollumfänglich eingeräumt hat?
  3. Wie ist der kommunikative Prozess im Urteil festzustellen?

Alle drei Fragen hat der BGH in seinem Urteil beantwortet, und zwar wie folgt:

  1. Es steht der Anwendbarkeit des § 46a Nr. 1 StGB nicht grundsätzlich entgegen, wenn aufgrund der Vermögenslage des Angeklagten auf absehbare Zeit nicht mit einer auch nur (teilweisen) Zahlung von Schmerzensgeld zu rechnen ist. Im Rahmen des § 46a Nr. 1 StGB genügt – anders als bei § 46a Nr. 2 StGB – das ernsthafte Erstreben einer Wiedergutmachung; ein Wiedergutmachungserfolg wird deshalb nicht vorausgesetzt.
  2. Dem von der Rechtsprechung des BGH verlangten Verhalten des Täters, das sich als Ausdruck der Übernahme von Verantwortung darstellt, steht dem nicht entgegen, dass der Angeklagte den Tatvorwurf nicht vollumfänglich eingeräumt hat. Das Beschönigen einzelner Tatumstände schadet nicht.
  3. Für eine Annahme des § 46a Nr. 1 StGB sind tatrichterliche Feststellungen dazu erforderlich, wie sich das Opfer zu den Anstrengungen des Täters gestellt hat. Für die Anwendung der Vorschrift bedarf es grundsätzlich zwar keines persönlichen Kontakts zwischen dem Angeklagten und dem Geschädigten. Der sog. kommunikative Prozess kann auch über die jeweiligen Rechtsanwälte erfolgen. Die schlichte Behauptung, es habe ein kommunikativer Prozess stattgefunden, genügt allerdings nicht. Es müssen insbesondere Feststellungen dazu getroffen werden, wie sich der Tatgeschädigte zu den Ausgleichsbemühungen des Angeklagten verhalten hat, insbesondere dazu, ob der Geschädigte die (zugesagten) Leistungen als „friedensstiftenden Ausgleich“ akzeptiert hat.

Daran kann man also einen TOA „abarbeiten“.