Schlagwort-Archive: Strafzumessung

Strafzumessung in BTM-Verfahren –

© yellowj – Fotolia.com

Strafzumessung in BtM-Verfahren hat manche Klippen. Eine davon ist der Umstand, dass der Täter ggf. nicht wegen einer Drogenabhängigkeit gehandelt hat. Damit dann zu argumentieren ist gefährlich, wie der BGH, Beschl. v. 24.10.2012 – 4 StR 392/12 – zeigt:

a) Das Landgericht hat bei der Verneinung eines minder schweren Falls nach § 29a Abs. 2 BtMG zum Nachteil des Angeklagten gewertet, dass er „nicht aus einer Abhängigkeit heraus Handel trieb und das Handeltreiben unterstützte“ (UA 9). Diese Erwägung ist – wie sich aus der allgemeinen Bezugnahme ergibt (UA 10) – auch in die Bemessung der dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG i.V.m. den §§ 27, 49 StGB entnommenen Strafe mit gleicher Bewertungsrichtung eingeflossen (UA 10). Da die vorhandene Gewinnorientierung des Angeklagten zusätzlich straferschwerend berücksichtigt worden ist, handelt es sich bei dieser Formulierung nicht lediglich um die negative Beschreibung der fest-gestellten Beweggründe (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 350), sondern um eine eigenständige – für den Angeklagten nachteilige – Wertung. Dabei beschränkt sich das Landgericht nicht mehr auf die von ihm festgestellten Tatsachen, sondern misst die Tatmotivation des An-geklagten an einem hypothetischen Sachverhalt, der zu dem zu beurteilenden keinen Bezug hat. Dies ist rechtsfehlerhaft (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 350; vom 20. August 1982 – 3 StR 283/82, NStZ 1982, 463; vom 19. November 1992 – 4 StR 549/92, StV 1993, 132; vom 24. September 2009 – 3 StR 294/09, NStZ-RR 2010, 24, 25). Aus den gleichen Gründen ist es auch bedenklich, dass das Landgericht mit negativer Bewertungsrichtung angeführt hat, dass der Angeklagte dem zweiten von ihm unterstützten Auftraggeber „keinen Gefallen“ schuldete (UA 10).

Die unberechenbare Strafzumessung – jedenfalls beim 1. Strafsenat des BGH

© Dan Race – Fotolia.com

Der 1. Strafsenat des BGH hatte in seinem Urteil v. 02.12.2008 – 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, Strafzumessungsregeln-/grenzen für Steuerhinterziehung augestellt. Auf die hat sich jetzt ein Angeklagter in der Revision berufen und die Ansicht vertreten, dass eine gegen ihn wegen der Hinterziehung von Einfuhrabgaben verhängte Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten schon deshalb rechtlich fehlerhaft sei, weil der Hinter-ziehungsbetrag die Millionengrenze nicht überschritten habe.

Das hat der 1. Strafsenat aber im BGH, Beschl. v.26.09.2012 –  1 StR 423/12 aber anders gesehen und eine Bindung/Selbstbindung/Berechenbarkeit oder was immer verneint:

Dies trifft indes nicht zu. Die Zumessung der schuldangemessenen Strafe richtet sich nach den Grundsätzen des § 46 StGB. Je nach den Umständen des Einzelfalls kommt daher auch bei geringeren Hinterziehungsbeträgen eine Freiheitsstrafe von über zwei Jahren in Betracht.
Die Strafzumessung ist insgesamt rechtsfehlerfrei.

Zack. Das war es.

Strafzumessung – mal wieder die fehlende Schuldeinsicht

© vege – Fotolia.com

Das LG verurteilt den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Das Urteil hat beim BGH wegen eines Strafzumessungsfehlers, der häufig vorkommt, keinen Bestand. Der BGH, Beschl. v. 29.08.2012 – 4 StR 322/12 – hebt deshalb den Rechtsfolgenausspruch auf:

Das Landgericht hat strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte „seit geraumer Zeit in kontinuierlicher Weise Straftatbestände begeht“ und die Strafkammer „keine Anzeichen [dafür sieht], dass aufgrund des jetzigen Verfahrens bei dem Angeklagten eine Einsicht eingetreten wäre, hieran in Zukunft etwas zu ändern. Insbesondere war nicht zu erkennen, dass der Angeklagte in Zukunft von dem Handel mit Betäubungsmitteln absehen wird.“ (UA 11). Da der Angeklagte aber lediglich den Besitz von Haschisch und Marihuana zum Eigenkonsum eingeräumt, die Absicht der gewinnbringenden Veräußerung und damit den Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge jedoch bestritten hat, durften ihm fehlende Schuldeinsicht und fehlende innere Abkehr von der Tat nicht zum Vorwurf gemacht werden (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 15. Mai 2012 – 3 StR 121/12, StraFo 2012, 281; Beschluss vom 25. April 1997 – 3 StR 25/97, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 24 mwN; Senatsbeschluss vom 13. Juni 2000 – 4 StR 179/00, bei Pfister NStZ-RR 2000, 353, 362 mwN).

Der Senat kann nicht ausschließen, dass der Strafausspruch auf diesem Rechtsfehler beruht. Bei der deshalb erforderlichen neuen Bemessung der Strafe wird die Strafkammer auch zu bedenken haben, dass die Erwägung, der Angeklagte begehe „seit geraumer Zeit in kontinuierlicher Weise Straftatbestände“, jedenfalls in dieser Allgemeinheit von den Feststellungen nicht getragen wird.“

Die letzte Passage ist dann der deutlich/vorsichtige Hinweis, dass die Feststellungen auch nicht ausreichend waren für die angestellten Überlegungen.

Strafzumessung II: Jugendstrafe – das unbekannte Wesen?

© Martin Fally – Fotolia.com

Wenn man sich so die Rechtsprechung des BGH zur Strafzumessung anschaut, dann stellt man schnell fest, dass die LG mit der ordnungsgemäßen Begründung von Jugendstrafen offenbar große Probleme habe. Denn viele LG-Urteile aus dem Bereich werden vom BGH aufgehoben. So auch im BGH, Beschl. v.14.08.2012 – 5 StR 318/12. An dem Urteil des LG Zwickau passte dem BGH aber auch gar nichts:

  • „…Maßgebend ist vielmehr, ob sich der einzelne Heranwachsende noch in einer für Jugendliche typischen Entwicklungsphase befindet. Für die Gleichstellung eines heranwachsenden Täters mit einem Jugendlichen ist deshalb entscheidend, ob in dem Täter noch in größerem Umfang Entwicklungskräfte wirksam sind; ob er das Bild eines noch nicht 18-Jährigen bietet,ist demgegenüber nicht ausschlaggebend (BGH aaO und Urteil vom 29. Mai 2002 – 2 StR 2/02, BGHR JGG § 105 Abs. 1 Nr. 1 Entwicklungsstand 8).

Diesen Maßstab hat die Jugendkammer nicht berücksichtigt. Darüber hinaus hat sie bei der Beurteilung der Reife des Angeklagten ausschließlich auf seine äußerlich verselbständigte Lebensführung abgestellt, ohne deren indizielle Bedeutung für seine „sittliche und geistige Entwicklung“ (§ 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG) hinreichend deutlich darzulegen.::“

  • „..aa) Das Landgericht bejaht zum einen schädliche Neigungen des Angeklagten (§ 17 Abs. 2 1. Alt. JGG). Es stützt diese Beurteilung alleine auf den Umstand, dass „infolge der mangelnden Wirkung dreier Sanktionen innerhalb eines Zeitraums von nur 1 ½ Jahren – die letzte sogar noch etwa einen Monat vor der Tat – “ von „nachhaltigen Persönlichkeitsdefiziten“ aus-zugehen sei, die ohne längere Gesamterziehung die Gefahr der Begehung weiterer erheblicher Straftaten begründeten (UA S. 16). Ohne Mitteilung der näheren Umstände der Taten lassen indes weder die verhängten Sanktionen (in zwei Fällen Arbeitsleistungen, in einem Fall eine geringfügige Geldstrafe) noch die mitgeteilten Bezeichnungen der Taten (in einem Fall Beihilfe zur Sachbeschädigung, in zwei Fällen Diebstahl) ohne Weiteres den Schluss auf Anlage- oder Entwicklungsschäden zu, die so schwer sind, dass deren Be-seitigung sinnvoll nur in einem länger dauernden Strafvollzug versucht wer-den kann (vgl. BGH, Beschluss vom 19. November 2009 – 3 StR 400/09, NStZ 2010, 281).
  • „..bb) Zum anderen stützt das Landgericht die Verhängung einer Jugendstrafe auch auf den Gesichtspunkt der Schwere der Schuld (§ 17 Abs. 2 2. Alt. JGG), die jedenfalls in ihrem Ausmaß nicht ausreichend belegt ist. 

 Seine Begründung, dass die Verhängung der Jugendstrafe „unter Beachtung des einschlägigen Strafrahmens nach allgemeinem Strafrecht gemäß § 30a BtMG“ erforderlich sei (UA S. 16), ist rechtsfehlerhaft. Bei der Beurteilung der Schuldschwere im Sinne von § 17 Abs. 2 2. Alt. JGG kommt dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat und ihrer Einstufung nach allgemeinem Strafrecht keine selbständige Bedeutung zu. Entscheidend ist vielmehr, inwieweit sich die charakterliche Haltung und die Persönlichkeit sowie die Tatmotivation des Jugendlichen oder Heranwachsenden in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben. …“

Ist schon erstaunlich.

Strafzumessung: Die Strafe war offenbar auch dem GBA zu hoch, dem BGH allerdings nicht

© Thomas Becker – Fotolia.com

Da ist mal wieder eine Entscheidung des BGH, die der Behauptung entgegensteht, der GBA beantrage immer nur die Verwerfung der Revisionen des Angeklagten nach § 349 Abs. 2 StPO oder lege nur zu Lasten des Angeklagten Revision ein. Das BGH, Urt. v. 02.08.2012 – 3 StR 132/12 beweist das Gegenteil.

Das LG hatte den  wegen Totschlags zur Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Hiergegen richtete sich die Revision des Angeklagten. Er und – wie sich aus dem Beschluss ergibt – der GBA waren von Strafzumessungsfehlern ausgegangen. Daher auch verfahrensrechtlich der Abschluss des Verfahrens mit einem Urteil; da ein Antrag nach § 349 Abs. 2 StPo nicht vorlag, konnte der BGH nicht durch Beschluss verwerfen.

Denn verworfen hat der BGH. Er hat die Strafzumessung anders gesehen als Angeklagter und GBA. Dazu:

2. Nach diesen Maßstäben ist ein revisionsrechtlich bedeutsamer Fehler der Strafbemessung hier nicht ersichtlich.

a) Zunächst ist mit Blick auf den Gesamtzusammenhang der Urteils-gründe nicht zu besorgen, dass das Landgericht innerhalb des nach zweifacher Milderung gewählten Strafrahmens ausschließlich für den Angeklagten spre-chende Gesichtspunkte erwogen und gleichwohl eine im oberen Bereich des Strafrahmens angesiedelte Strafe verhängt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2003 – 2 StR 463/02, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 23). Vielmehr hat das Landgericht auch gegen den Angeklagten sprechende Umstände festgestellt, diese aber ersichtlich lediglich nicht als bestimmend im Sin-ne von § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO angesehen und daher in den schriftlichen Urteilsgründen bei der Strafzumessung nicht angeführt. Dies ergibt sich bereits aus der Formulierung, es habe besondere Umstände zu seinen Lasten nicht feststellen können. Hinzuweisen ist etwa auf folgende Gesichtspunkte, die im Sinne von § 46 Abs. 2 StGB gegen den Angeklagten sprechen: So nahm das Opfer den Angeklagten unmittelbar nach dessen Einreise aus Brasilien in seine Wohnung auf, gewährte ihm mehrere Wochen lang Unterkunft und führte mit ihm eine Liebesbeziehung. Nach einer tätlichen Auseinandersetzung mit dem Opfer stach der Angeklagte mehrfach auf dieses ein, brachte ihm dabei (min-destens) drei Stichverletzungen in den Hals bei und fügte dem nunmehr am Boden Liegenden mit einem Zimmermannshammer fünfzehn Kopfverletzungen zu, die zu trümmerartigen Brüchen des Hirnschädels und zum Tode führten. Diese besonderen Tatmodalitäten zu Lasten des Angeklagten zu berücksichti-gen, begegnet hier keinen rechtlichen Bedenken, da auch der im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähige Täter für die von ihm begangene Tat in ihrer konkreten Ausgestaltung verantwortlich ist, so dass für eine straf-schärfende Verwertung der Handlungsintensität Raum bleibt, wenn auch nur nach dem Maß der geminderten Schuld (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 29. Juni 2000 – 1 StR 223/00, StV 2001, 615, 616).

b) Danach besteht entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kein Widerspruch zwischen der verhängten Freiheitsstrafe und der tatrichterli-chen Bewertung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände. Namentlich kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden, dass Strafschärfungsgründe gänzlich fehlten (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Januar 2003 – 2 StR 463/02, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 23) oder diese dem Landgericht bei der Strafzumessung völlig aus dem Blick geraten wären.

3 StR 132/12

vom

2. August 2012