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Der BGH und die „unvertretbar niedrige“ Strafe, oder: Aufhebung

© eyetronic Fotolia.com

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Das LG hat die Angeklagten „wegen vielfacher, teils banden- und gewerbsmäßig begangener Betrugstaten und (banden- und gewerbsmäßiger) Urkundendelikte schuldig gesprochen. Es hat deswegen verurteilt die Angeklagten G. und L. jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten,  die Angeklagten K. und Ki. jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und den Angeklagten H. unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren aus einem anderen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten und zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten.“ Zum Teil sind die Strafen zur Bewährung ausgesetzt worden.

Dem BGH passt im BGH, Beschl. v. 25.10.2016 – 5 StR 162/16 – die Strafhöhe nicht. Sie ist nach seiner Auffassung zu niedrig. Die Revision der StA hatte daher Erfolg:

„1. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, aufgrund der Hauptverhandlung die wesentlichen be- und entlastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn sich beispielsweise die verhängte Strafe von ihrer Bestimmung eines gerechten Schuldausgleichs soweit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraumes liegt (st. Rspr. vgl. etwa BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 6/15; dort nicht abgedruckt; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 5. Aufl. Rn. 833).

Gemessen hieran ist die Entscheidung des Landgerichts nicht mehr hinnehmbar. Die banden- und gewerbsmäßig handelnden Angeklagten haben pro-fessionell mit hohem Organisationsgrad (UA S. 57 f.), unter Nutzung von Gesellschaften und Fälschung zahlreicher Unterlagen eine Vielzahl von Straftaten mit einem Schaden von etwa 400.000 Euro zum Nachteil der Berliner Sparkasse begangen (Fälle 1 bis 3). Darüber hinaus haben sie sich mit einer Beuteerwartung von weiteren mehreren hunderttausend Euro zu Straftaten ähnlichen Charakters verabredet oder haben versucht, sie zu begehen (Fälle 4 bis 7). Angesichts dessen sind die verhängten Einzel- und Gesamtfreiheitsstrafen auch unter Berücksichtigung der vom Landgericht zugunsten der Angeklagten angeführten Gesichtspunkte unvertretbar niedrig. Es ist dabei – ausgenommen die erste Gesamtfreiheitstrafe betreffend den Angeklagten H. – zu besorgen, dass das Landgericht nicht nur die Bemessung der Gesamtstrafen, sondern auch bereits der Einzelstrafen so vorgenommen hat, dass die Vollstreckung noch zur Bewährung ausgesetzt werden konnte (vgl. BGH, Urteile vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123, 134; vom 17. September 1980 – 2 StR 355/80, BGHSt 29, 319, 321; zum Ganzen Schäfer/Sander/van Gemmeren, aaO Rn. 189). Auf die durch den Generalbundesanwalt erhobenen Einzeleinwendungen kommt es daher nicht mehr an.“

„.. das 2,6-fache der nicht geringen Menge“ ist auch noch gering….

Cannabis BlattSo, und hier dann noch ganz kurz eine Entscheidung des BGH zur Strafzumessung. Es ist der BGH, Beschl. v. 30.06.2015 –  2 StR 476/15 -, ergangen in einem Verfahren mit dem Vorwurf des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Zu der angesprochenen Problematik hat der BGH in der letzten Zeit wiederholt Stellung genommen. Nämlich Strafmilderung-/schärfung bei der „nicht geringen Menge“. Darum geht es auch hier. Der BGH erteilt folgenden Hinweis:

„Eine geringe Unterschreitung der Untergrenze zur nicht geringen Menge ist ein Strafmilderungsgrund. Das 2,6-fache der nicht geringen Menge an Betäubungsmitteln ist auch noch derart gering, dass dies jedenfalls nicht als be-stimmender Strafschärfungsgrund gewertet werden kann (BGH NStZ-RR 2016, 141).“

Nochmals: Strafzumessung beim sexuellen Missbrauch, oder: Berücksichtigung anderer Taten

Ich hatte neulich ja bereits auf den BGH, Beschl. v. 29.10.2015 – 3 StR 342/15 – hingewiesen (vgl. dazu Strafzumessung I: Der zeitliche Abstand zwischen Tat und Urteil, oder: Kindesmissbrauch). Dazu passt ganz gut der BGH, Beschl. v. 16.06.2016 – 1 StR 201/16 -, der auch die Frage der Strafzumessung beim sexuellen Missbrauch behandelt.  Das LG verurteilt den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes im inzwischen zweiten „Durchlauf“ zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten verurteilt. Daneben hat das LG u.a. die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Der Strafausspruch fällt der Revision zum Opfer, der BGH „besorgt“ die Berücksichtigung auch anderer nicht festgstellter Taten:

bb) Auch ausgehend von diesem eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstab hält die Strafzumessung des Landgerichts rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

(1) Das Landgericht hat bei der Strafzumessung auch die Folgen der Tat für die Nebenklägerin berücksichtigt. Es hat dabei zwar zugunsten des Angeklagten gewertet, „dass die Folgen für das Kind derzeit vergleichsweise überschaubar und gering geblieben sind“ (UA S. 37). Die vom Landgericht vorgenommenen Erwägungen lassen gleichwohl besorgen, dass das Landgericht nicht nur die Folgen dieser Tat, sondern auch weiterer, nicht näher festgestellter Taten des Angeklagten gegenüber der Nebenklägerin mit einbezogen hat.

Nach den Feststellungen des Landgerichts hat sich das Verhalten der vierjährigen Geschädigten „infolge des sexuellen Übergriffs“ nachhaltig in der Weise verändert, dass diese „merklich ängstlicher, weinerlicher, zurückhaltender und schüchterner wurde“ (UA S. 23). In den weiteren Urteilsgründen hat das Landgericht dies dahin eingeschränkt, dass diese Veränderungen zumin-dest auch auf den verfahrensgegenständlichen Missbrauch zurückzuführen sind (UA S. 29). Auch hat das Landgericht bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes berücksichtigt, die Wesensveränderung sei durch die Straftat „möglicherweise auch nur mitverursacht und nicht allein verursacht“ und „ansonsten durch die inzwischen eingetretene Trotzphase bedingt“ (UA S. 56). Im Hinblick darauf, dass das Tatgeschehen nach den Feststellungen des Landgerichts nur einige Sekunden gedauert hat (UA S. 23), lässt hier die gleichwohl vorgenommene Berücksichtigung der Wesensveränderung der Nebenklägerin im Rahmen der Strafzumessung besorgen, dass das Landgericht auch die Folgen aus weiteren Taten zum Nachteil der Nebenklägerin bei der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten mit berücksichtigt hat, ohne solche Taten festzustellen.

(2) Darüber hinaus ist zu besorgen, dass das Landgericht nicht nur die Folgen solcher Taten, sondern nicht festgestellte weitere Taten zum Nachteil der Nebenklägerin selbst strafschärfend mit berücksichtigt hat. Angesichts der Höhe der für eine Tat von wenigen Sekunden verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten liegt dies schon deshalb nahe, weil das Landge-richt hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Tat zugunsten des Angeklagten gewertet hat, „dass die Tathandlung im Vergleich zu anderen Missbrauchsfällen im untersten Bereich lag, von kurzer Dauer war und durch den Angeklagten selbst beendet wurde“ (UA S. 37). Darüber hinaus habe „der Angeklagte auch keine körperliche Gewalt oder psychischen Druck auf das geschädigte Kind ausgeübt“ (UA S. 37).

Auch ist der vom Landgericht festgestellte Tatablauf ohne vorhergehende sexuelle Kontakte zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin kaum erklärbar. Es liegt fern, dass ein vierjähriges Mädchen sonst die Absicht des Angeklagten verstanden hätte, es solle ihn am nackten Penis streicheln. Feststellungen zu weiteren Taten, die zu einer Wesensveränderung bei der Neben-klägerin geführt haben können, hat das Landgericht gleichwohl nicht getroffen…… „

Strafzumessung: Einziehung eines Pkws, oder: Wert?

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Insbesondere in Verfahren wegen Verstoßes gegen das BtMG findet man häufig Einziehungsentscheidungen, vor allem auch der bei Tatbegehung ggf. verwendeten Pkw. Bei diesen Einziehungsentscheidungen, die die Angeklagten i.d.R. schon treffen, werden von den Tatgerichten häufig Fehler gemacht. Einen dieser Fehler, der zur Aufhebung des Rechtsfolgensausspruchs geführt hat, behandelt der BGH, Beschl. v. 17.08.2016 – 2 StR 123/16:

Der Strafausspruch hat insgesamt keinen Bestand; dies führt zur Aufhebung auch der Entscheidung über die Einziehung.
1. Die Einziehung des zur Einfuhrfahrt der Betäubungsmittel gebrauchten PKW´s des Angeklagten hat das Landgericht rechtsfehlerfrei auf § 74 Abs. 1 StGB gestützt. Eine Maßnahme nach dieser Vorschrift hat indes den Charakter einer Nebenstrafe und stellt damit eine Strafzumessungsentscheidung dar (Fi-scher, StGB, 63. Aufl., § 74 Rn. 2 mwN). Wird dem Täter auf diese Weise eine ihm gehörende Sache von nicht unerheblichem Wert entzogen, ist dies deshalb ein bestimmender Gesichtspunkt für die Bemessung der daneben zu verhängenden Strafe und insoweit im Wege einer Gesamtbetrachtung der den Täter betreffenden Rechtsfolgen angemessen zu berücksichtigen (BGH StV 2013, 565). Dies hat das Landgericht nicht bedacht. Der Wert des PKW´s wird nicht mitgeteilt, weshalb der Senat nicht ausschließen kann, dass das Landgericht bei Beachtung der oben dargelegten Grundsätze eine mildere Freiheitsstrafe verhängt hätte.

2. Der Wegfall des Strafausspruchs führt auch zur Aufhebung der an sich rechtsfehlerfreien Einziehungsentscheidung, die mit der Bemessung der Strafe in einem untrennbaren inneren Zusammenhang steht (vgl. BGH NStZ-RR 2012, 169; StV 2013, 565).

3. Die dem Strafausspruch zu Grunde liegenden Feststellungen werden von dem Rechtsfehler nicht berührt und können bestehen bleiben. Der neue Tatrichter wird ergänzende Feststellungen zum Wert des Kraftfahrzeugs zu treffen haben.“

Gerade noch einmal gut gegangen, oder: Bitte, keine moralisierenden Formulierungen

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Da ist die Schwurgerichtskammer des LG Bochum wohl gerade an der Aufhebung einer Verurteilung eines Angeklagten wegen Mordes zumindest im Rechtsfolgenausspruch vorbeigeschrammt. Denn anders kann man den BGH, Beschl. v. 14.09.2016 – 4 StR 178/16 – nicht verstehen, in dem es –  mal wieder – heißt:

Die Fassung der Urteilsgründe gibt dem Senat Veranlassung zu folgender ergänzender Bemerkung:

Die Erwägungen, die den Rechtsfolgenausspruch des Strafurteils tragen, sollten sachlich abgefasst sein und moralisierende sowie persönliches Engagement vermittelnde Formulierungen vermeiden, um dem Eindruck entgegenzuwirken, der Tatrichter habe sich von Emotionen und Empörung leiten lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Februar 2015 – 2 StR 496/14, StV 2015, 637, Tz. 3; Appl, Festschrift für Rissing-van Saan, 2011, S. 35, 51; Winkler, SchlHA 2006, 245, 248). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil, insbesondere im Zusammenhang mit der Begründung der besonderen Schwere der Schuld, nicht in jeder Hinsicht gerecht. Es ist indes noch nicht zu besorgen, dass sich die Strafkammer damit den Blick für den rechtlichen Maßstab verstellt hat, der nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs an die Feststellung der Voraussetzungen der §§ 57b i.V.m. 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB anzulegen ist. Die Feststellung der besonderen Schuldschwere hält hier ohne die bedenklichen und daher entbehrlichen Formulierungen im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.“

Den Hinweis des BGH gibt es immer mal wieder…………