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Strafzumessung I: Beseitigung von Tatspuren, oder: Nicht strafschärfend zu berücksichtigen

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Über den BGH, Beschl. v. 15.03.2018 – 4 StR 469/17 – hatte ich bereits berichtet (vgl. Kleiner Grundkurs in Straßenverkehrsgefährdung, oder: Kann man beim Schwurgericht nicht….). Ich komme heute noch einmal auf ihn zurück. Ich hatte in dem Posting ja schon „angedeutet“, dass das Schwurgericht offenbar kein Straßenverkehrsrecht kann.

Nun, nicht nur das. Auch bei der Strafzumessung scheint es Probleme zu geben. Denn der BGH hat für den zweiten Durchgang folgenden Hinweis gegeben bzw. geben müssen:

„Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Versuch, sich selbst durch Beseitigung von Tatspuren der Strafverfolgung zu entziehen, nicht strafschärfend gewertet werden darf, selbst wenn die Spurenbeseitigung umsichtig oder kaltblütig vorgenommen wird. Anders kann es sich dann verhalten, wenn der Täter neues Unrecht schafft oder mit seinem Verhalten weiter gehende Ziele verfolgt, die ein ungünstiges Licht auf ihn werfen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 2 StR 493/10, NStZ 2011, 512; Beschlüsse vom 9. Juli 1996 – 1 StR 338/96, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Nachtatverhalten 1; vom 10. Februar 1994 – 1 StR 850/93, StV 1995, 131).“

Einziehung, oder: Die Einziehung eines Pkw ist Nebenstrafe/Strafzumessung

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Bei der zweiten Einziehungsentscheidung handelt es sich um den BGH, Beschl. v. 12.06.2018 – 1 StR 159/18. Das LG hatte den Angeklagten wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei in 18 Fällen verurteilt, die Einziehung von 45.000 € nach § 73c StGB n.F. sowie die Einziehung von  Fahrzeugen als Tatmittel nach § 74 StGB n.F. angeordnet. Dagegen die Revision des Angeklagten, die wegen des Strafausspruchs und der Einziehung der Fahrzeuge Erfolg hatte:

„1. Eine auf § 74 Abs. 1 StGB n.F. gestützte Einziehung ist nur zulässig, wenn der Gegenstand zur Zeit der Entscheidung dem Täter gehört oder zusteht (§ 74 Abs. 3 Satz 1 StGB n.F.), also der Angeklagte zum Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung Eigentümer der Fahrzeuge war. Dazu verhält sich das angefochtene Urteil nicht. Zudem handelt es sich bei der Einziehung von Tatmitteln nach § 74 Abs. 1 StGB n.F. um eine Ermessensentscheidung. Zutreffend hat der Generalbundesanwalt insoweit ausgeführt, die Begründung der Einziehungsanordnung lasse besorgen, dass sich die Strafkammer entweder nicht bewusst war, dass es sich bei der Einziehung als Tatmittel um eine Ermessensentscheidung handelt oder sie von ihrem Ermessen keinen Gebrauch gemacht hat. Für die Anordnung gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 74f StGB n.F.).

2. Die Anordnung einer Einziehung von Tatmitteln gemäß § 74 Abs. 1 StGB n.F. hat den Charakter einer Nebenstrafe und stellt damit eine Strafzumessungsentscheidung dar (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 8. Mai 2018 – 5 StR 108/18, Rn. 22 mwN zu § 74 StGB n.F.; Urteil vom 8. November 2016 – 1 StR 325/16, Rn. 10 noch zu § 74 StGB a.F.). Wird dem Täter auf diese Weise eine Sache von nicht unerheblichem Wert entzogen, ist dies ein bestimmender Gesichtspunkt für die Bemessung der daneben zu verhängenden Strafe und insoweit im Wege einer Gesamtbetrachtung der den Täter betreffenden Rechtsfolgen angemessen zu berücksichtigen. Dies hat die Strafkammer nicht erkennbar bedacht. Der Wert der Kraftfahrzeuge ist nicht festgestellt. Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Beachtung der oben dargelegten Grundsätze die verwirkten Einzelfreiheitsstrafen und damit auch die Gesamtstrafe milder bemessen hätte.“

Strafzumessung III: Einziehung eines Pkw als Nebenstrafe, oder: Gesamtbetrachtung erforderlich

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In der dritten „Strafzumessungsentscheidung“, dem BGH, Beschl. v. 03.05.2018 – 3 StR 8/18 – ist die vom LG getroffene Einziehungsentscheidung Gegenstand der Ausführungen des BGH. Das LG hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen und seines Fahrzeugs angeordnet. Die Revision hatte hinsichtlich der Rechtsfolgen Erfolg:

„Der Strafausspruch hat keinen Bestand; dies führt zur Aufhebung auch der Entscheidung über die Einziehung des Kraftfahrzeugs.

Die Einziehung des zur Tatbegehung gebrauchten PKW des Angeklagten hat das Landgericht rechtlich zutreffend auf § 74 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 StGB nF gestützt. Eine Maßnahme nach dieser Vorschrift hat indes den Charakter einer Nebenstrafe und stellt damit eine Strafzumessungsentscheidung dar (BGH, Beschluss vom 26. April 1983 – 1 StR 28/83, NJW 1983, 2710). Wird dem Täter auf diese Weise ein ihm zustehender Gegenstand von nicht unerheblichem Wert entzogen, so ist dies deshalb ein bestimmender Gesichtspunkt für die Bemessung der daneben zu verhängenden Strafe und insoweit im Wege einer Gesamtbetrachtung der den Täter treffenden Rechtsfolgen angemessen zu berücksichtigen (BGH, Beschlüsse vom 16. Februar 2012 – 3 StR 470/11, NStZ-RR 2012, 169 f.; vom 27. Mai 2014 – 3 StR 137/14, StV 2015, 633, jew. mwN). Daran ist auch nach der Änderung des § 74 StGB durch das Gesetz vom 13. April 2017 (BGBl. I, S. 872) festzuhalten.

Dies hat das Landgericht nicht bedacht. Den Wert des Fahrzeugs hat es nicht festgestellt. Der Senat kann deshalb nicht ausschließen, dass das Landgericht, hätte es die oben dargelegten Grundsätze beachtet, die von dem Angeklagten verwirkte Strafe milder bemessen hätte.

Der Wegfall des Strafausspruchs führt auch zur Aufhebung der an sich rechtsfehlerfreien Einziehungsentscheidung, denn diese steht mit der Bemessung der Strafe wie beschrieben in einem untrennbaren inneren Zusammenhang (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2012 – 3 StR 470/11, NStZ-RR 2012, 169, 170).“

Strafzumessung II: Bewaffneter BtM-Handel, oder: Ein Hauch von Anfängerfehler

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Ich hatte gestern bereits auf den BGH, Beschl. v. 02.05.2018 – 3 StR 39/18 hingewiesen. Das war der BtM-Handelt mit Waffen, also die Sache mit dem Brieföffner (vgl. hier: BtM-Handel mit Waffen, oder: Was mache ich dabei mit einem “Brieföffner”?). Hier ist der Beschluss dann noch einmal, und zwar jetzt wegen der „Anmerkungen“ des BGH zur Strafzumessung:

„IV. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:

Soweit die Strafkammer bei der Strafzumessung im Fall II. 2. der Urteilsgründe straferschwerend berücksichtigt hat, dass der Angeklagte die bei dieser Tat gehandelte Drogenmenge im Verhältnis zu früheren Taten „deutlich gesteigert“ habe und zusätzlich bewaffnet war, begegnet dies im Hinblick auf § 46 Abs. 3 StGB erheblichen rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt. Der Tatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG setzt aber die Bewaffnung wie den Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge voraus. Zwar hat die Kammer darauf hingewiesen, dass sie nicht die – strafbarkeitsbegründende – Bewaffnung „als solche“ straferschwerend berücksichtigt habe, sondern „lediglich die im Längsschnitt zu erkennende Entwicklung hin zu einer größeren Drogenmenge nebst Bewaffnung“ und darin die „in der Gesamtschau“ zum Ausdruck gekommene erhebliche Steigerung der kriminellen Energie. Dabei hat sie allerdings übersehen, dass auch die strafschärfende Berücksichtigung der vom Täter aufgebrachten kriminellen Energie dann gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstößt, wenn diese sich ihrerseits aus strafbarkeitsbegründenden Umständen herleitet (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. März 2001 – 4 StR 36/01, NStZ-RR 2001, 295; vom 19. Oktober 2010 – 4 StR 465/10, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Körperverletzung 2; vom 29. April 2014 – 2 StR 616/13, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 7; vom 21. November 2017 – 1 StR 491/17, juris Rn. 16).“

Ein Hauch von „Anfängerfehler“ weht durch den Beschluss 🙂 .

Strafzumessung I: Serienstrafttaten, oder: Wo ist der Unterschied zwischen 1.999 EUR und 2.000 EUR Schaden?

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Ich habe länger keinen „Strafzumessungstag“ mehr gemacht. Das hole ich dann heute nach und eröffne mit dem BGH, Beschl. v. 23.11.2017 –  1 StR 150/17. Der Beschluss ist also schon etwas älter, aber ich weise dann trotzdem noch auf ihn hin, ist m.E. für die Strafzumessung „im unteren Bereich“ ganz interessant.

Das LG hat den Angeklagten in mehreren Fällen wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt (§ 266a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB) verurteilt. Dem BGH „passen“ die dafür verhängten Einzelstrafen von jeweils drei Monate Freiheitsstrafe so wie vom LG festgesetzt nicht:

„2. Die in den 67 Fällen, in denen die „Schäden“ die Betragsschwelle von 2.000 Euro erreicht oder überschritten hatten, verhängten Einzelstrafen – zu-gleich die Einsatzstrafe – von jeweils drei Monaten Freiheitsstrafe halten recht-licher Nachprüfung nicht stand.

a) Zwar begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht, das die Einzelstrafen den Strafrahmen des § 266a Abs. 1 und 2 StGB und des § 370 Abs. 1 AO entnommen hat, angesichts der gleichgelagerten Begehungsformen eine Kategorisierung nach der Schadenshöhe vorgenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 2017 – 1 StR 606/16, Rn. 32 mwN, wistra 2017, 400). Jedoch fehlt es an einer tragfähigen Begründung für die Wertung des Landgerichts, dass kurze Freiheitsstrafen „jedenfalls bei Schäden ab 2.000 Euro in jedem einzelnen Fall unerlässlich“ waren (UA S. 196).

Gemäß § 47 Abs. 1 StGB verhängt das Gericht eine Freiheitsstrafe von unter sechs Monaten nur dann, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Dies kann auch bei einer Vielzahl von Einzelfällen mit insgesamt hohem Schaden der Fall sein (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. September 1995 – 1 StR 456/95 [insoweit in NStZ 1996, 351 nicht abgedruckt] und vom 6. Juni 1994 – 5 StR 229/94; Urteil vom 8. April 2004 – 3 StR 465/03, NStZ 2004, 554 sowie Eschelbach in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 3. Aufl., § 47 Rn. 13). In Fällen sachlich und zeitlich ineinander verschränkter Vermögensdelikte, von denen die gewichtigeren die Verhängung von Einzelfreiheitsstrafen von sechs Monaten und mehr gebieten, liegt dabei die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen nach § 47 StGB auch in den Einzelfällen mit geringeren Schäden nahe (BGH, Urteile vom 19. Dezember 2000 – 5 StR 490/00, BGHR StGB § 47 Abs. 1 Umstände 8 und vom 17. März 2009 – 1 StR 627/08 Rn. 48, BGHSt 53, 221, 232).

Eine solche Fallkonstellation liegt hier jedoch nicht vor. Das Landgericht hat in keinem der Fälle Einzelfreiheitsstrafen von sechs Monaten oder mehr für erforderlich gehalten. Zudem ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass trotz der vorliegenden Tatserie bei Schäden bis zu 1.999 Euro Einzelgeldstrafen von nicht mehr als 60 Tagessätzen schuldangemessen sind. Das Landgericht hätte deshalb darlegen müssen, weshalb bei dem nicht vorbestraften Angeklagten gerade die Überschreitung der Schwelle von 2.000 Euro ein Umstand sein soll, der für die betroffenen Einzelfälle die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung uner-lässlich macht (vgl. auch BGH, Beschluss vom 1. September 1989 – 2 StR 387/89, BGHR StGB § 47 Abs. 1 Umstände 3). Dieser Erörterungsmangel führt zur Aufhebung aller kurzen Einzelfreiheitsstrafen.“