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Strafzumessung III: Die „Schädigung der Solidargemeinschaft der Steuerzahler“ , oder: „Schweinehundtheorie“

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Die dritte Strafzumessungsentscheidung kommt mit dem OLG Bamberg, Beschl. v. 25.02.2019 – 110 Ss 6/19 – aus Bayern. Der Angeklagte ist u.a. wegen Urkundenfälschung verurteilt worden. Leider teil das OLG den näheren Sachverhalt nicht mit. Jedenfalls hat es aber die Strafzumessung unbeanstandet gelassen:

„3. Auch der Rechtsfolgenausspruch hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand. Zwar ist strafschärfende Erwägung im Zusammenhang mit der Urkundenfälschung, der Angekl. habe „die Solidargemeinschaft der Steuerzahler in Höhe von 720 € geschädigt“- unbeschadet des Widerspruchs, der darin liegt, dass er nicht auch wegen Betrugs verurteilt wurde, was ihn freilich nicht beschwert – rechtsfehlerhaft. Denn auf die Person des Geschädigten kommt es im Rahmen der Strafzumessung mit Blick auf § 46 III StGB grundsätzlich nicht an, soweit es um den Schutz des Vermögens geht. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Straftat den Geschädigten im Hinblick auf seine beengten wirtschaftlichen Verhältnisse besonders hart trifft. In Anbetracht der massiven Vorstrafen des Angekl., bei dem es sich trotz langjährigen Strafvollzugs um einen hartnäckigen Wiederholungstäter handelt, schließt der Senat jedoch aus, dass das LG für diesen Fall bei richtiger Bewertung eine geringere Einzelfreiheitsstrafe verhängt hätte, so dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler nicht beruht i.S.d. § 337 I StPO. […]“

„Schweinehundtheorie“.

Strafzumessung II: Das Einfügen in eine „bestehende kriminelle Struktur“, oder: Nicht unbedenklich

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Bei der zweiten Entscheidung handelt es sich um dem BGH, Beschl. v. 09.04.2019 – 2 StR 27/19. Es war Revision gegen eine Verurteilung wegen schweren Bandendiebstahls eingelegt worden. Auch hier ohne Erfolg.

Zur Strafzumessung füht der BGH allerdings aus:

„Ergänzend bemerkt der Senat:
Auf die im Zusammenhang mit einer Strafbarkeit nach § 244a StGB nicht unbedenkliche Strafzumessungserwägung, der Angeklagte habe sich bewusst in eine bestehende kriminelle Struktur eingefügt (wenn er auch nicht deren Organisator war), beruhen die jeweiligen Strafaussprüche nicht. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht ohne sie zu niedrigeren Einzelstrafen und zu einer geringeren Gesamtfreiheitsstrafe gelangt wäre.“

Hier hat es also nichts gebracht, aber: Gut zu wissen 🙂 .

Strafzumessung I: Vorstrafen, oder: Nicht getilgt = kein Verwertungsverbot

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Heute dann mal wieder ein Strafzumessungstag, den ich mit dem BGH, Beschl. v. 19.03.2019 – 3 StR 68/19 -, eröffne.

In einem Verfahren mit dem Vorwurf des bewaffneten Handeltreibens mit Btm war vom Angeklagten die strafschärfende Berücksichtigung einer Vorstrafe beanstandet worden. Der BGh hat aber keinen (Rechts)Fehler gesehen:

„Soweit die Revision beanstandet, das Landgericht hätte die bereits erlassene Vorstrafe des Angeklagten nicht strafschärfend berücksichtigen dürfen, verkennt sie den Unterschied zwischen der Beseitigung des Strafmakels und der Tilgungsreife im Bundeszentralregister (vgl. BeckOK JGG/Sengbusch, § 97 Rn. 15). Zwar ist davon auszugehen, dass mit Erlass der zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe von nicht mehr als zwei Jahren auch der Strafmakel als beseitigt erklärt worden ist (§ 100 Satz 1 JGG). Dies hindert den Tatrichter jedoch nicht an der strafschärfenden Berücksichtigung der erlassenen Vorstrafe (BGH, Urteil vom 16. Juni 1982 – 2 StR 131/82, b. Holtz, MDR 1982, 972). Ein Verwertungsverbot entsteht gemäß § 51 Abs. 1 BZRG erst, wenn die Verurteilung im Bundeszentralregister getilgt oder zu tilgen ist (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 5. Juni 2014 – 10 C 4.14, BVerwGE 150, 17 Rn. 15, 19). Tilgungsreife war bei Erlass des angefochtenen Urteils indes noch nicht eingetreten. Die mit dem Tag des ersten Urteils beginnende (§ 47 Abs. 1 iVm § 36 Satz 1 BZRG) Tilgungsfrist betrug nach § 46 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d BZRG fünf Jahre und endete erst mit Ablauf des 24. November 2018 (zur Berechnung der Frist vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juli 2014 – 5 StR 270/14, NStZ-RR 2014, 356).“

Strafzumessung III: „Nicht ohne eigene Schuld“, oder: Die Ohrfeige als nicht angemessene Reaktion

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Die dritte und letzte Entscheidung des Tages kommt dann auch vom 3. Strafsenat des BGH. Es ist der BGH, Beschl. v. 19.12.2018 – 3 StR 391/18. Das LG hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Nach den Feststellungen des LG-Urteils schuldete der Angeklagte dem Geschädigten H.  aus dem Kauf einer Hose 20 €. Deswegen stellte der Zeuge H.  am 15.09.2017 im Beisein des  A.  den Angeklagten zur Rede und forderte ihn auf, den restlichen Kaufpreis zu bezahlen. Als der Angeklagte entgegnete, er könne nicht zahlen, verlangte H.  die Hose zurück. Der Angeklagte lehnte auch dieses ab. Der alkoholisierte H.  ärgerte sich darüber und rangelte mit dem Angeklagten, dem es gelang, den Zeugen wegzuschubsen. Dieser versetzte aus Verärgerung dem Angeklagten eine schmerzende Ohrfeige. Zu einem weiteren Angriff setzte H.  nicht an, was auch der Angeklagte erkannte. Dennoch stieß er, „nicht ausschließbar, weil er aufgrund der erhaltenen Ohrfeige zornig war und sich hierdurch herabgesetzt fühlte“, dem Zeugen sein Klappmesser in den Oberbauch und durchtrennte innerhalb der Wunde willentlich mit einer weiteren Schnittbewegung den linksseitigen Bauchmuskel.

Das LG hat bei der Strafzumessung die Voraussetzungen des 213 Alternative 1 StGB abgelehnt: Der Angeklagte habe durch seine Ankündigung, weder den Kaufpreis zu bezahlen noch die Hose zurückzugeben, die Ohrfeige herausgefordert; H.  s körperlicher Angriff sei verständlich. Nach Abwägung der strafmildernden Umstände mit den straferschwerenden Gründen hat das Landgericht keinen minder schweren Fall nach § 224 Abs. 1 Halbsatz 2 StGB angenommen. Dabei hat es zu Lasten des Angeklagten gewürdigt, er habe „den Zeugen H.  wahrheitswidrig einer – gemeinsam mit  A.  begangenen – gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB unter Vornahme mehrerer Schläge bezichtigt“. Das beanstandet der BGH:

„1. Diese Strafzumessungserwägungen halten sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Bereits die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte sei nicht ohne eigene Schuld in die Auseinandersetzung mit H.  geraten, so dass 213 Alternative 1 StGB nicht anwendbar sei, begegnet durchgreifenden Bedenken.

aa) Nicht „ohne eigene Schuld“ handelt der Täter, der das Opfer zu seinem Verhalten herausfordert. Das ist nicht schon bei jeder Handlung des Täters der Fall, die ursächlich für die ihm zugefügte Misshandlung gewesen ist. Vielmehr muss er dem Opfer genügende Veranlassung gegeben haben; dessen Verhalten muss eine verständliche Reaktion auf vorangegangenes Tun des Täters gewesen sein. Dabei ist die Verständlichkeit auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu prüfen (BGH, Beschlüsse vom 9. August 1988 – 4 StR 221/88, BGHR StGB § 213 Alternative 1 Verschulden 1; vom 2. Oktober 1985 – 3 StR 376/85, StV 1986, 200; vom 26. April 1985 – 2 StR 181/85, StV 1985, 367; vom 22. Juli 1981 – 3 StR 254/81, juris 4).

Die Ohrfeige ist hier nicht als angemessene Reaktion des Geschädigten auf die Leistungsverweigerung des Angeklagten zu werten. Es ist überzogen und nicht mehr verständlich, dass der Zeuge H.  zum Durchsetzen seiner Forderung zunächst eine Rangelei begann und den Angeklagten schließlich sogar ohrfeigte, mithin Gewalt ausübte.

bb) Die Ohrfeige ist nach den Umständen des vorliegenden Falles als ausreichend schwere Provokation zu werten. Sie griff nicht lediglich nur geringfügig in die körperliche Unversehrtheit des Angeklagten ein, sondern erreichte wegen der erlittenen Schmerzen die erforderliche Erheblichkeit für eine Misshandlung im Sinne des 223 Abs. 1 StGB (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. September 2017 – 1 StR 436/17, NStZ-RR 2018, 20, 21; vom 13. Januar 2016 – 1 StR 581/15, StraFo 2016, 167).

b) Zum als straferschwerend gewürdigten Umstand, den Zeugen H.  zu Unrecht der gefährlichen Körperverletzung bezichtigt zu haben, hat der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt:

„Grundsätzlich ist es einem Angeklagten nicht verwehrt, sich gegen den Vorwurf der Körperverletzung mit der Behauptung zu verteidigen, er habe in Notwehr gehandelt. Soweit damit Anschuldigungen gegen Dritte verbunden sind, werden die Grenzen eines zulässigen Verteidigungsverhaltens dadurch nicht überschritten. Eine wahrheitswidrige Notwehrbehauptung kann erst dann straferschwerend gewertet werden, wenn Umstände hinzukommen, nach denen sich dieses Verteidigungsverhalten als Ausdruck einer zu missbilligenden Einstellung darstellt (BGH, NStZ-RR 2013, 170, 171; vgl. auch Senat, NStZ 2010, 692; BGH, NStZ-RR 1999, 328). Vorliegend lag in der unzutreffenden Behauptung des Angeklagten, er habe nur deshalb mit dem Messer in der Hand nach dem Zeugen H.  geschlagen, weil dieser ihn nach mehreren unter Beteiligung      A.  s ausgeführten Schlägen erneut anzugreifen versucht habe (UA S. 10), keine über das Leugnen eigener Schuld hinausgehende, herabwürdigende Ehrverletzung des Geschädigten, die strafschärfend berücksichtigt hätte werden können; auch eine über das zulässige Verteidigungsverhalten hinausgehende, rechtsfeindliche Gesinnung ist den Angaben nicht zu entnehmen (vgl. BGH,NStZ-RR 1999, 328, 329; Senat, NStZ 2010, 692). Die Falschbelastung des Zeugen H.  hätte deshalb nicht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden dürfen.“…“

Strafzumessung II: Ausbeuterische und dirigistische Zuhälterei, oder: Man handelt immer „gewerbsmäßig“

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In der zweiten Entscheidung, dem BGH, Beschl. v. 14.11.2018 – 3 StR 198/18, hatte das LG den Angeklagten u.a. wegen ausbeuterischer und dirigistischer Zuhälterei  verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Der BGH beanstandet die vom LG ausgeworfenen Einzelstrafen wegen eines Verstoßes gegen das Doppelverwertungsverbot:

„a) Im Fall A.II.3. der Urteilsgründe hat das Landgericht den Angeklagten der ausbeuterischen und dirigistischen Zuhälterei in Tateinheit mit (gewerbsmäßigem) Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, gefährlicher Körperverletzung und Körperverletzung schuldig gesprochen. Bei der Strafzumessung hat es den Strafrahmen des § 232 Abs. 3 Nr. 3 StGB in der bis zum 14. Oktober 2016 geltenden Fassung (aF) zugrunde gelegt. Einen minder schweren Fall im Sinne des § 232 Abs. 5 Halbsatz 2 StGB aF hat es verneint und dabei ebenso wie bei der konkreten Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten gewertet, dass dieser gewerbsmäßig handelte. Damit hat es einen Umstand, der schon Merkmal des gesetzlichen (Qualifikations-) Tatbestandes des § 232 Abs. 3 Nr. 3 StGB aF ist, bei der Strafzumessung berücksichtigt und gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstoßen.
b) Im Fall A.II.6. der Urteilsgründe hat das Landgericht den Angeklagten wegen ausbeuterischer und dirigistischer Zuhälterei in Tateinheit mit (gewerbsmäßigem) Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung verurteilt und einen minder schweren Fall im Sinne des § 232 Abs. 5 Halbsatz 2 StGB aF angenommen. Die Erwägungen zur Strafzumessung sind so zu verstehen, dass die Strafkammer auch hier zu Lasten des Angeklagten gewertet hat, dass dieser gewerbsmäßig handelte. Zwar hat sich der darin liegende Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot in diesem Fall bei der Strafrahmenwahl nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt. Es ist jedoch – ebenso wie im Fall A.II.3. der Urteilsgründe – nicht auszuschließen, dass die Strafkammer auf eine niedrigere Einzelstrafe erkannt hätte, wenn sie die Vorschrift des § 46 Abs. 3 StGB im Rahmen der konkreten Strafzumessung beachtet hätte.“