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Dienstentlassung eines Staatsanwaltes, oder: Wer stalkt, fliegt

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Die 24. KW. beginnt mit dem Pfingstmontag. Und da das Feiertag ist, gibt es hier heute auch nur eine Entscheidung, und zwar das BGH, Urt. v. 27.02.12019 – RiZ (R) 2/18 -, und die Lösung zum Gebührenrätsel. Ist ja schließlich frei heute :-).

Die BGH-Entscheidung behandelt mal eine etwas andere Thematik, nämlich die Entlassung eines Staatsanwaltes auf Probe aus dem Justizdienst wegen charakterlicher Defizite. Der junge Staatsanwalt hatte über soziale Netzwerke eine junge Frau gestalkt und ist deshalb rausgeflogen, wobei von folgendem Sachverhalt auszugehen ist:

Mit Schreiben vom 19. September 2014 wandte sich eine Rechtsanwältin im Auftrag von Frau Melanie H. (im Folgenden: Frau H.) an den Präsidenten des Oberlandesgerichts Hamm, der das Schreiben an den Generalstaatsanwalt in Hamm weiterleitete. In dem Schreiben teilte die Rechtsanwältin mit, ihre Mandantin, die den Antragsteller persönlich nicht kenne, habe von diesem seit dem Jahr 2010 über verschiedene soziale Netzwerke eine größere Zahl unerwünschter Nachrichten erhalten. Die Mandantin habe den Antragsteller bereits mit anwaltlichem Schreiben vom 19. Juli 2010 vergeblich zur Unterlassung aufgefordert. Dem Schreiben der Rechtsanwältin vom 19. September 2014 lag eine Vielzahl von Ausdrucken verschiedener Facebook- und StudiVZ-Nachrichten des Antragstellers an Frau H. bei. In diesen Nachrichten heißt es unter anderem am 17. Mai 2014:

„Ich wurde aufgrund meiner herausragenden Leistungen zur StA Hagen abgeordnet.“

Eine spätere Nachricht vom 11. Oktober 2014 lautet:

„Hey Melanie?

Was machst du denn? Wo warst du denn heute? Wenn du willst, gehe doch nach Hannover ?

Meine Ermittlungskompetenz reicht bundesweit und sogar weltweit, wenn ich will …“

Nachdem dem Antragsteller am 13. Oktober 2014 eine Kopie des Schreibens der Rechtsanwältin vom 19. September 2014 ausgehändigt worden war, erklärte er mit schriftlicher Nachricht vom selben Tag, die vorgetragenen Anschuldigungen entsprächen nicht der Wahrheit. Am 19. Oktober 2014 nahm der Antragsteller gegenüber der Leitenden Oberstaatsanwältin in Hagen erneut schriftlich Stellung und erklärte, Frau H. sowie ein anwaltliches Anspruchsschreiben aus dem Jahre 2010 seien ihm nicht bekannt. Auch sämtliche Nachrichten, die ihm zugeordnet werden sollten, seien ihm nicht bekannt. In einem persönlichen Gespräch mit der Leitenden Oberstaatsanwältin sowie deren Stellvertreterin am 24. Oktober 2014 räumte der Antragsteller ausweislich der darüber gefertigten Vermerke vom 24. und 27. Oktober 2014 ein, Verfasser der Nachrichten gewesen zu sein. Frau H. sei ihm auch persönlich bekannt und er habe das anwaltliche Schreiben vom 19. Juli 2010 erhalten. Dem Antragsteller wurde nahegelegt, die Entlassung aus dem Dienstverhältnis zu beantragen, was er ablehnte. Mit Verfügung vom 24. November 2014 wurde ihm das kleine Zeichnungsrecht entzogen. Ab diesem Tag war der Antragsteller dienstunfähig erkrankt.

Am 21. November 2014 beurteilte die Leitende Oberstaatsanwältin in Hagen die Fähigkeiten und Leistungen des Antragstellers mit „unterdurchschnittlich“ sowie dem Bemerken, er sei für das Amt eines Staatsanwalts nicht geeignet. Diese Beurteilung hielt einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung nicht stand. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 27. September 2016 wurde der Antragsgegner verurteilt, die über den Antragsteller gefertigte Personal- und Befähigungsnachweisung vom 21. November 2014 aufzuheben und über ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts eine neue dienstliche Beurteilung zu erstellen. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen lehnte den Antrag des Antragsgegners auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 27. Juni 2017 ab. Der Antragsteller wurde am 19. Juli 2017 neu dienstlich beurteilt. Seine Fähigkeiten und Leistungen wurden erneut mit „unterdurchschnittlich“ beurteilt sowie dem Zusatz, er sei für das Amt eines Staatsanwalts nicht geeignet. Gegen diese Beurteilung erhob der Antragsteller wiederum Klage, die das Verwaltungsgericht Arnsberg mit Urteil vom 17. Dezember 2018 abwies. Derzeit ist ein Verfahren über die Zulassung der Berufung anhängig, über das noch nicht entschieden ist.

Der Generalstaatsanwalt in Hamm entließ den Antragsteller mit Bescheid vom 30. Januar 2015 zum Ablauf des zwölften Monats nach seiner Ernennung zum Staatsanwalt (Richter auf Probe), d.h. zum Ablauf des 23. März 2015, gemäß § 22 Abs. 1 DRiG aus dem Justizdienst des Antragsgegners. Zugleich ordnete er die sofortige Vollziehung der Entlassungsverfügung an. Der Generalstaatsanwalt begründete die Entlassung mit ernsthaften Zweifeln an der Eignung des Antragstellers als Staatsanwalt, die sich aus der Beurteilung durch die Leitende Oberstaatsanwältin in Hagen vom 21. November 2014 ergäben. Das Verhalten des Antragstellers lasse schwerwiegende Defizite hinsichtlich seines Amtsverständnisses und seiner Argumentations- und Überzeugungsfähigkeit erkennen. Zudem fehle ihm die erforderliche persönliche und soziale Kompetenz. Diese deutlich sichtbar gewordenen Defizite in wesentlichen Punkten des Anforderungsprofils für das Amt eines Staatsanwalts, welche die Behördenleiterin unter anderem im Zusammenhang mit den mit dem Antragsteller geführten Gesprächen aus Anlass außerdienstlicher Angelegenheiten festgestellt habe, erachte er als so schwerwiegend, dass dem Antragsteller die Eignung für das Amt des Staatsanwalts nicht attestiert werden könne.“

Das hat dann letztlich beim BGH „gehalten“.

Heiko „stalkt/nervt“

Heiko Maas

Heiko Maas

Ich war in dieser Woche zwei Tage unterwegs. Dann hänge ich mit dem Sichten des Materials immer ein wenig hinterher und bin dann froh, dass es Facebook gibt. Da kann man dann sehen, was „Freunde“ geteilt haben und was ggf. wichtig/interessant war. Über eine solche geteilte Meldung aus Beck-Aktuell des „Freundes“ W. Stahl – ja es ist „DER“ Stahl – bin ich auf die Nachricht einer vom BMJV geplanten Gesetzesänderung gestoßen. In der Meldung heißt es:

„Bundesjustizminister will Stalking-Tatbestand verschärfen

Um Stalking-Opfer besser zu schützen, plant Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) eine Verschärfung des Stalking-Tatbestandes (§ 238 StGB). Ein Referentenentwurf sieht dazu vor, dass es für die Strafbarkeit künftig ausreichen soll, wenn Handlungen des Täters objektiv geeignet sind, beim Opfer Beeinträchtigungen hervorzurufen. Die hessische Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) begrüßt dies laut einer Pressemitteilung ihres Ministeriums. Ein besserer Schutz von Stalking-Opfern sei längst überfällig.

Nachweis schwerwiegender Beeinträchtigungen in der Lebensgestaltung soll künftig nicht mehr erforderlich sein

Bisher sieht § 238 StGB vor, dass das Opfer schwerwiegende Beeinträchtigungen in der Lebensgestaltung nachweisen muss, bevor dem Täter strafrechtliche Konsequenzen drohen. In vielen Fällen könnten es sich Stalking-Opfer aus beruflichen oder finanziellen Gründen aber nicht leisten, einfach die Wohnung zu wechseln oder das Lebensumfeld zu ändern. Das sei der Grund, warum viele Strafanzeigen letztlich nicht zur Anklage führten, so Kühne-Hörmann. Der Stalking-Tatbestand müsse an die Lebenswirklichkeit angepasst werden.  

Kühne-Hörmann: Anpassung des Tatbestands längst überfällig  

Kühne-Hörmann zeigt sich in Anbetracht der Pläne des Bundesjustizministers optimistisch, Schwächen des Tatbestands jetzt zu korrigieren. „In dem wir die Voraussetzungen für die Strafbarkeit behutsam ändern, behandeln wir alle Opfer von Stalking gleich. Eine Strafbarkeit, die letztlich von der Gemütsstärke des Opfers abhängt, ist aus Opferschutz- und Präventionsgesichtspunkten schlicht unzureichend.“ Sie moniert allerdings, dass Maas die Gesetzesverschärfung nicht zügiger auf den Weg gebracht hat. Sie erinnert unter andrem daran, dass Hessen bereits im Mai 2014 bereits einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundesrat eingebracht hatte. Der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums befindet sich nun in der Ressortabstimmung.“

Also, man merkt m.E., dass die Legislaturperiode im BT allmählich in ihr letztes Jahr geht. Es kommen die ganzen Leichen aus dem Keller, die man da noch liegen hat. Darunter dann auch die Änderung des § 238 StGB (vgl. hier). Ob die angekündigte Änderung nun eine gleückliche Lösung ist, wage ich zu bezweifeln. Aber, wenn das stimmt, was dort angekündigt ist (und es muss stimmen, denn es hat wohl auch in der BILD gestanden – vgl. hier), dann bekommen wir dort ggf.eine sehr weite Vorschrift. Denn wenn „Stalker bereits dann verurteilt werden können, wenn ihr Verhalten „geeignet ist“, die Lebensgestaltung des Opfers „schwerwiegend zu beeinträchtigen“, dann zählen dazu in der Tat bereits u.a. „die beharrliche Suche räumlicher Nähe oder die Kontaktaufnahme per Telefon oder E-Mail.“ Und ab wann ist es dann „schwerwiegend“ und ab wann „geeignet, wenn es so im neuen Gesetz steht? Schon der erste Anruf, die erste Mail? Oder erst der wie vielte Anruf, die wie vielte Mail.

An den Referentenentwurf kommt man leider nicht ran (jedenfalls habe ich ihn nicht gefunden). Aber immerhin „Ein Sprecher des Justizministeriums bestätigte am Samstag auf dpa-Anfrage lediglich, dass ein Referentenentwurf zu dem Thema am Freitag in die Ressortabstimmung gegangen sei. Zu Einzelheiten wollte sich der Sprecher aber nicht äußern.“

Erst Stalking, dann Haftpflichtversicherungsschutz?

Die „schönsten“ = interessantesten = ungewöhnlichsten Fälle schreibt das Leben. Dazu gehört, zumindest zur Rubrik „ungewöhnlich“, der Sachverhalt, der dem OLG Oldenburg, Beschl. v. 04.11.2011 – 5 W 58/11, der nicht unmittelbar mit Strafrecht zu tun hat, aber zumindest mittelbar, zugrunde liegt.

Es geht um die Frage des Eintritts einer privaten Haftpflichtversicherung eines „Stalkers“, der offenbar für von ihm auf Grund des Stalkings angerichtete Schäden in Anspruch genommen wird. Seine Privathaftpflicht hat den Eintritt angelehnt. Dagegen die „Deckungsklage“, für die Prozeßkostenhilfe beantragt worden ist. Das LG hat abgelehnt, das OLG bestätigt den Beschluss:

Gemäß Punkt A II 1 BesBedPHV ist die Haftpflicht aus einer ungewöhnlichen und gefährlichen Betätigung nicht versichert. Damit sollen Tätigkeiten vom Versicherungsschutz ausgenommen werden, hinsichtlich derer ein redlicher Versicherungsnehmer von vornherein in der Privathaftpflichtversicherung keinen Deckungsschutz erwarten kann (vgl. OLG Karlsruhe, NJWRR 1995, S. 1433. OLG Oldenburg, Beschluss vom 15.12.1995, Az.: 2 W 141/95, Rn. 2 m. w. N., zitiert nach juris). Die schadenstiftende Handlung muss im Rahmen einer allgemeinen Betätigung erfolgt sein, die ihrerseits sowohl ungewöhnlich als auch gefährlich ist und deshalb in erhöhtem Maße die Gefahr der Vornahme schadenstiftender Handlungen in sich birgt. Gefährlich im Sinne der Klausel ist eine Beschäftigung dann, wenn aus ihr eine Risikoerhöhung für einen in der Haftpflichtversicherung allein relevanten Fremdschaden resultiert. Ob der handelnde Versicherungsnehmer durch die Beschäftigung Eigentum und/oder seine Gesundheit gefährdet, ist unerheblich. Seine Beschäftigung muss die erhöhte Gefahr der Schädigung fremder Rechtsgüter und der daraus resultierenden gesetzlichen Haftpflicht in sich bergen (vgl. BGH, NJWRR 2004, S. 831, 832 m. w. N.).

Und davon ist das OLG auf Grund des Umstände des Falles ausgegangen.

Stalking – hier mal von Frau zu Frau

Mit einem m.E. nicht alltäglichen Fall von Nachstellung hat sich das LG Potsdam in seiner Bewschwerdeentscheidung v. 15.09.2010 – 24 Qs 94/10 – befasst. Der Beschuldigten wurde Nachstellung ihrer früheren Freundin vorgeworfen. Das AG hatte die erhobene Anklage aus tatsächlichen Gründen nicht zur Hauptverhandlung zugelassen. Das LG hat auf die Beschwerde hin das Hauptverfahren eröffnet und in einer umfassenden Beweiswürdigung dargelegt, wie die erhobenen Beweise zu werten sind. Eine Steilvorlage für das AG, wenn sich die Umstände so in der Hauptverhandlung feststellen lassen.

Und: Mit der Kostenentscheidung zu Lasten der Angeschuldigten habe ich allerdings Schwierigkeiten: Brauchte man hier überhaupt eine Kostenentscheidung? Selbständiges Zwischenverfahren?

Und zum Wochenende etwas zum „Stalking“

In seinem Beschl. v. 12.10.2010 – 3 StR 289/10 hat der 3. Strafsenat zum Tatbestand der Nachstellung (§ 238 StGB) Stellung genommen. Dieses setzt eine „schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebengestaltung“ voraus. Der BGH führt aus:

„Im Fall II. 6. der Urteilsgründe führt die Revision des Angeklagten auf die Sachrüge zur Änderung des Schuldspruchs. Das Landgericht hat den Angeklagten insoweit wegen Nachstellung in Tateinheit mit Bedrohung verurteilt.

Die Feststellungen belegen zwar das Vergehen der Bedrohung gemäß § 241 Abs. 1 StGB, nicht hingegen das der Nachstellung gemäß § 238 Abs. 1 StGB. Dabei kann offen bleiben, ob der Angeklagte seiner Freundin beharrlich im Sinne dieser Strafvorschrift nachgestellt hat. Jedenfalls führten die entsprechenden Handlungen des Angeklagten bei dem Opfer nicht zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Lebensgestaltung (BGH, Beschluss vom 19. November 2009 – 3 StR 244/09, BGHSt 54, 189). Das nachstellende Verhalten des Angeklagten hatte lediglich zur Folge, dass die Geschädigte auf die Telefonanrufe des Angeklagten teilweise zurückrief, um ihn zu beruhigen, ihm nach Aufforderung einmal in den frühen Morgenstunden Zigaretten vorbei brachte und sich anschließend selbst keine neuen Zigaretten besorgte, als sie den Angeklagten, der sie nach Verlassen des Hauses verfolgt hatte, in ihrer Nähe stehen sah. Danach ist insoweit schon der objektive Tatbestand der Nachstellung nicht erfüllt. Da weitergehende Feststellungen unter diesem Gesichtspunkt nicht zu erwarten sind, hat der Senat den Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte in diesem Fall (allein) der Bedrohung schuldig ist. Dies bedingt die Aufhebung der zugehörigen Einzelfreiheitsstrafe von sechs Monaten, da der Senat nicht ausschließen kann, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung aus dem milderen Strafrahmen des § 241 Abs. 1 StGB eine niedrigere Strafe festgesetzt hätte.“