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Kann man einen Untersuchungshaftbefehl umdeuten?

Interessante Frage, mit der sich das OLG Düsseldorf in seinem Beschl. v. 22.05.2010 – III-3 Ws 175/10 auseinanderzu setzen hatte.

Nämlich: Kann man einen Untersuchungshaftbefehl umdeuten in einen sog. Sicherungshaftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO. Das OLG bejaht das und sagt:  Erscheint ein Angeklagter zu einem gegen ihn angesetzten Termin zur Hauptverhandlung unter Vorlage von unzureichenden oder gefälschten Attesten nicht, so kann gegen ihn keine Untersuchungshaft angeordnet werden, wenn nicht einer der einschlägigen Haftgründe (§ 112 StPO) vorliegt. Fehlt es an einem Haftgrund, ist die Untersuchungshaft daher aufzuheben. Es sei dem Beschwerdegericht jedoch unbenommen, die zu Unrecht angeordnete Untersuchungshaft in eine Hauptverhandlungshaft umzuwandeln, um so das Erscheinen des Angeklagten zu sichern, wenn die übrigen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Der Hauptverhandlungshaftbefehl nach § 230 Abs. 2 StPO stelle gegenüber dem Untersuchungshaftbefehl ein wesensgleiches Weniger dar und eine Umwandlung seidaher möglich, wenn kein milderes Mittel ersichtlich ist, um das Erscheinen des Angeklagten zu gewährleisten.

Erst mal verhaften (lassen), dann terminieren….

Das hat das AG Koblenz aber richtig hingelangt: Angeklagter erscheint nicht zur Hauptverhandlung am 13.08.2009, es ergeht Haftbefehl nach § 230 StPO, der Angeklagte wird am 27.12.2009 festgenommen und bleibt über den Jahreswechsel in Haft. Auf die Haftbeschwerde hebt das LG Koblenz am 6.1.2010 (2 Qs 1/10) auf und verweist auf die Rechtsprechung des BVerfG (NJW 2007, 2318). Das LG weist das AG nachdrücklich darauf hin, dass ein Sicherungshaftbefehl nur dann erlassen werden darf, wenn das weniger einschneidende Mittel des Vorführungsbe­fehls nicht ausreicht. Zudem habe der Angeklagte über einen festen Wohnsitz ver­fügt, weshalb kein Grund ersichtlich sei, warum ein Vorführungsbefehl nicht ausreichend sein sollte, um die Durchführung der Hauptverhandlung sicher­zustellen. Und: In das Kriterium der Verhältnismäßigkeitserwägung sei auch die schwere Tatvorwurfs (hier nicht erheblich) und die Strafer­wartung einzubeziehen. Besonders pikant: Das AG hatte noch nicht einmal terminiert. Warum man dann schon den Angeklagter verhaften muss, leuchtet nun wirklich nicht ein. Art 2 GG läßt grüßen.